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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 24.04.2009
Aktenzeichen: 6 U 49/08
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 12 Abs. 1 a.F.
VVG § 149 a.F.
1. Bei der Ermittlung des nach § 5 Abs.1 AVB-WB (Allgemeine Bedingungen für die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von Angehörigen der wirtschaftsprüfenden sowie wirtschafts- und steuerberatenden Berufe) versicherungsrechtlich maßgeblichen Verstoßes ist nur dann von einer Pflichtverletzung durch Unterlassen im Sinne der dort in § 2 enthaltenen Bestimmungen über die Vorwärts- und Rückwärtsversicherung auszugehen, wenn sich hinsichtlich des vorgeworfenen Verhaltens im Rahmen der Gesamtbeurteilung ein positives Tun nicht feststellen lässt.

2. Übersieht ein Steuerberater im Rahmen eines steuerrechtlichen Beratungsmandats das Entstehen einer umsatzsteuerlichen Organschaft als Folge einer Betriebsaufspaltung, ist dies als positives Tun und nicht als ein Unterlassen im Sinne des § 2 Abs. 3 AVB-WB zu bewerten, da der Schwerpunkt des Vorwurfs nicht darin besteht, dass der Steuerberater vollständig untätig geblieben ist, sondern darin, dass die Beratung nicht umfassend zu allen zu beachtenden steuerlichen Aspekten einer Betriebsaufspaltung Stellung genommen hat.

3. Darüber hinaus ist der Zeitpunkt des letzten Verstoßes durch Unterlassen gemäß § 2 Abs. 3 AVB-WB nur dann maßgeblich, wenn sich ein früherer Verstoßzeitpunkt durch Unterlassen nicht eindeutig feststellen ließe.


Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 6 U 49/08

verkündet am : 24. April 2009

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 24. April 2009 durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Reinhard, die Richterin am Kammergericht Düe und die Richterin am Amtsgericht von Hollen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 4. März 2008 - 7 O 245/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer übersteigt 20.000 EUR.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Deckungsschutz aus einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung aus ihrer Tätigkeit als Steuerberatungsgesellschaft in Anspruch.

Zwischen den Parteien bestand bis zum 31. Dezember 2001 eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, deren Bestandteil die Allgemeinen Bedingungen für die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von Angehörigen der wirtschaftsprüfenden sowie wirtschafts- und steuerberatenden Berufe (AVB-WB) waren. Die Klägerin hat zum 1. Januar 2002 eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung bei der G V AG abgeschlossen.

Die Klägerin war als Steuerberaterin für Frau E K tätig. Frau K betrieb ein Handelsgewerbe als Einzelunternehmerin mit Geschäftssitz in Berlin-Charlottenburg. Zum 1. Januar 2001 wurde eine Betriebsaufspaltung durchgeführt und die Firma B E GmbH (nachfolgend GmbH) mit Frau K als alleiniger Gesellschafterin und Geschäftsführerin ins Handelsregister eingetragen. Der laufende Geschäftsbetrieb wurde durch die GmbH ausgeführt. Das verbliebene Anlagevermögen des Einzelunternehmens ist von diesem an die GmbH vermietet worden. Die Umsatzsteuervoranmeldungen wurden in den Jahren 2001 bis 2003 ohne Mitwirkung der Klägerin durch Frau K für ihre Einzelfirma und für die GmbH abgegeben, ohne dass die entstandene umsatzsteuerliche Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) beachtet wurde. Dies hatte zur Folge, dass durch das Finanzamt Charlottenburg für das Einzelunternehmen zu niedrige Steuerfestsetzungen lediglich auf der Grundlage der Vermietungsumsätze und nicht auch auf der Grundlage der Einzelhandelsumsätze der GmbH erfolgten. Die GmbH erklärte in den jeweiligen Umsatzsteuervoranmeldungen vermeintliche eigene Umsatzsteuerverbindlichkeiten von insgesamt 271.979,21 EUR. Diese wurden im Namen der GmbH an das Finanzamt für Körperschaften I in Berlin abgeführt. Die Klägerin übernahm für die Jahre ab 2001 die Erstellung der Jahresabschlüsse und der Steuererklärungen für das Einzelunternehmen und für die GmbH, ebenfalls ohne die umsatzsteuerliche Organschaft zu beachten. Von Juni bis September 2003 fand auf Veranlassung des Finanzamtes Charlottenburg eine Betriebsprüfung des Einzelunternehmens von Frau K statt. Aufgrund der Feststellung einer umsatzsteuerlichen Organschaft seit dem 1. Januar 2001 erfolgten für das Einzelunternehmen im Januar 2004 für die Jahre 2001 bis 2003 neue Festsetzungen der Umsatzsteuer.

Die GmbH stellte im Juni 2003 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, das mit Beschluss des Amtsgerichts Osterode vom 1. Oktober 2003 eröffnet wurde. Der Insolvenzverwalter forderte in der Folgezeit die von der GmbH geleisteten - und zwischenzeitlich auf das Steuerkonto von Frau K umgebuchten - Umsatzsteuerzahlungen in Höhe von insgesamt 271.979,21 EUR zurück, die vom Finanzamt für Körperschaften I ausgezahlt wurden. Dieses forderte mit Bescheid vom 28. September 2005 den an den Insolvenzverwalter geleisteten Betrag unter Anrechnung einer Zahlung von Frau K . Die G V leistete im Januar 2007 als Vermögensschadenhaftpflichtversicherung der Klägerin einen Teilbetrag von 65.045,69 EUR anteilig für das Jahr 2003 an das Finanzamt für Körperschaften I. Frau K hat mit Klage vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg (2 K 7465/05 B) die Aufhebung des Rückforderungsbescheids des Finanzamtes vom 28. September 2005 begehrt. Sie hat nach einer Abweisung der Klage Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt. Die Klägerin ist mit Urteil des Landgerichts Berlin vom 2. Oktober 2007 - 22 O 126/07 - rechtskräftig zur Zahlung von Schadensersatz an Frau K verurteilt worden, Zug-um-Zug gegen Abtretung möglicher Rückforderungsansprüche gegen das Finanzamt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf das Urteil vom 2. Oktober 2007 (Anlage K 19 d.A.).

Die Klägerin hat vorgetragen, dass sie von Frau K in die geplante Betriebsumstrukturierung einbezogen und von dieser beauftragt worden sei, eine Betriebsaufspaltung steuerlich beratend zu begleiten. In diesem Zusammenhang sei durch den Geschäftsführer der Klägerin übersehen worden, dass im Zuge einer Betriebsaufspaltung eine umsatzsteuerliche Organschaft entstehe. Im Rahmen eines Beratungsgesprächs im November 2000 seien die umsatzsteuerlichen Rechtsfolgen der Betriebsaufspaltung und das Entstehen einer umsatzsteuerlichen Organschaft nicht erläutert worden. Der Schaden von Frau K ergebe sich nicht aus den nach der Betriebsprüfung des Einzelunternehmens festgesetzten Umsatzsteuernachzahlungen. Dieser bestehe vielmehr darin, dass Frau K bei pflichtgemäßer Beratung durch die Klägerin eine Ausgleichsvereinbarung mit der GmbH getroffen hätte, wonach diese entweder durch direkte Zahlungen an das Finanzamt Charlottenburg oder durch Zahlungen an Frau K die durch die Einzelhandelsumsätze der Organgesellschaft ausgelösten Umsatzsteuern des Einzelunternehmens ausgeglichen hätte. Die unterlassene Ausgleichsvereinbarung stelle sich daher bereits als Schaden von Frau K dar, der sich jeweils nach Abschluss der einzelnen Umsatzsteuervoranmeldungszeiträume erhöht habe.

Die Beklagte hat die vorgetragene Pflichtverletzung der Klägerin anlässlich eines Gesprächs mit Frau K im November 2000 bestritten und ist der Auffassung, dass ein entsprechender Pflichtverstoß in jedem Fall nicht dem Deckungsschutz des mit ihr geschlossenen Versicherungsvertrages unterfalle. Es liege im Fall eines unterbliebenen Hinweises im November 2000 ein Unterlassen der Klägerin und kein positives Tun vor, so dass ein Schaden noch zu einem Zeitpunkt hätte abgewendet werden können, als das Versicherungsverhältnis mit ihr bereits beendet war.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 21. Februar 2008 die Einrede der Verjährung erhoben. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die erstinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 4. März 2008 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin von Schadensersatzansprüchen freizustellen, die gegen sie von Frau E K aufgrund einer Pflichtverletzung im November 2000 im Rahmen eines Steuerberatungsvertrages (unterlassene Beratung über das Bestehen einer umsatzsteuerlichen Organschaft seit dem 1. Januar 2001) erhoben und mit Klage vom 27. März 2007 beim Landgericht Berlin - 22 O 126/07 - geltend gemacht wurden. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass durch das Haftpflichturteil für den vorliegenden Deckungsprozess bindend festgestellt worden sei, dass die Klägerin einen zum Schadensersatz führenden Pflichtverstoß begangen habe, indem sie die umsatzsteuerliche Organschaft übersehen habe. Der Pflichtverstoß habe auch im haftungsrelevanten Zeitraum gelegen, da das Landgericht im Haftpflichturteil allein auf ein Tun bzw. Unterlassen im Jahr 2000 bzw. 2001 abgestellt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Die Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Sie verfolgt ihren erstinstanzlichen Vortrag weiter und vertieft diesen. Sie macht geltend, dass durch das Landgericht im Haftpflichtprozess keine verbindliche Festlegung dahin getroffen worden sei, dass eine erhebliche Pflichtverletzung der Klägerin vor dem 31. Dezember 2001 durch ein positives Tun erfolgt sei. Bei der Feststellung einer Pflichtverletzung durch die Klägerin sei nicht auf das Beratungsgespräch im November 2000 abgestellt worden. Eine Auslegung des Urteils ergebe, dass die maßgebliche Pflichtverletzung nach dem 31. Dezember 2001 im Rahmen der Anfertigung der Jahressteuererklärungen für die GmbH in der falschen Zuordnung der Umsatzsteuerverbindlichkeiten zu dieser Gesellschaft gesehen worden sei. Hieraus ergebe sich auch eine Pflichtverletzung gegenüber Frau K . Im Übrigen sei von ihr bestritten worden, dass es sich bei der von Frau K im Jahr 2000 in Auftrag gegebenen Beratung um eine von ihr versicherte Steuerberatertätigkeit gehandelt habe. Der Sachverhalt habe durch das Landgericht daher weiter aufgeklärt werden müssen. Ein unterbliebener Hinweis im Rahmen eines steuerrechtlichen Beratungsmandats sei darüber hinaus als Pflichtverletzung durch Unterlassen anzusehen. Versicherungsrechtlich sei allein entscheidend, bis zu welchem Zeitpunkt der behauptete Schaden spätestens hätte abgewendet werden können. Die Klägerin habe die Frage der abzuführenden Umsatzsteuer bei der Erstellung jeder Jahressteuererklärung für das Einzelunternehmen und die GmbH in den Jahren 2002 und 2003 neu prüfen müssen. Ein Schadenseintritt durch den Erlass des Rückforderungsbescheides des Finanzamtes habe somit nach dem 31. Dezember 2001 abgewendet werden können, wenn der Hinweis der Klägerin auf eine umsatzsteuerliche Organschaft rechtzeitig in den Jahren ab 2002 nachgeholt worden wäre. Weiter dürfe der Begriff des Unterlassens i.S.d. § 2 Abs. 3 AVB-WB im Deckungsprozess keinen anderen Inhalt haben als der allgemeine Begriff der Pflichtverletzung durch Unterlassen im Haftpflichtprozess, in dem diese Bestimmung für die Auslegung keine Rolle spiele. Schließlich habe sie bereits in erster Instanz die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Beklagte beantragt,

1.) das Urteil des Landgerichts Berlin vom 4. März 2008 - Aktenzeichen 7 O 245/07 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen,

2.) hilfsweise unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Berlin zurück zu verweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und vertieft dieses. Sie macht geltend, dass zwischen der GmbH und ihr ein gesonderter Steuerberatungsvertrag abgeschlossen worden sei. Die aus den getrennten Beratungsverträgen bestehenden Verpflichtungen gegenüber dem Einzelunternehmen und der GmbH müssten getrennt voneinander beurteilt werden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Die Beklagte ist gegenüber der Klägerin gemäß § 149 VVG a.F., § 1 Abs. 1 AVB-WB zur Gewährung von Deckungsschutz aus dem zwischen den Parteien bis zum 31. Dezember 2001 bestehenden Vertrag über eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung in dem begehrten Umfang verpflichtet. Nach § 5 Abs. 1 AVB-WB ist Versicherungsfall der Verstoß, der Haftpflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben kann. Zum Zeitpunkt des für den Eintritt des Versicherungsfalls maßgeblichen Verstoßes hat für die Klägerin ein Deckungsschutz bei der Beklagten bestanden.

1.) Die Klägerin ist durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 2. Oktober 2007 - 22 O 126/07 - rechtskräftig verurteilt worden, an Frau E K aufgrund einer Pflichtverletzung aus einem mit dieser geschlossenen Steuerberatungsvertrag Schadensersatz zu leisten. Steht die Haftpflicht eines Versicherungsnehmers nach Grund und Höhe fest, ohne dass eine Zahlung an den Dritten erfolgt ist, so ist die Klage im vorliegenden Deckungsprozess auf Befreiung von der Verbindlichkeit zu richten (vgl. Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 149 VVG Rn. 9).

2.) Die Klägerin hat anlässlich eines Gesprächs mit Frau K im November 2000 aus einem mit dieser geschlossenen Steuerberatungsvertrag eine Pflichtverletzung durch positives Tun begangen, indem sie diese im Rahmen der Beratung zu einer geplanten Betriebsaufspaltung in ein Einzelunternehmen und eine GmbH nicht darauf hingewiesen hat, dass hierdurch eine umsatzsteuerliche Organschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG entsteht mit der Folge, dass ab dem Jahr 2001 nicht die GmbH, sondern Frau K als Organträgerin die Umsätze zu versteuern gehabt hätte.

a.) Das Gericht ist im vorliegenden Deckungsprozess an die rechtskräftige Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 2. Oktober 2007 - 22 O 126/07 - im Haftpflichtprozess gebunden. Es ist grundsätzlich im Haftpflichtprozess zu entscheiden, ob und in welcher Höhe der Versicherungsnehmer einem Dritten gegenüber haftet. Ob der Versicherer hierfür eintrittspflichtig ist, ist im Deckungsprozess zu klären. Aus diesem in der Haftpflichtversicherung geltenden Trennungsprinzip folgt, dass die rechtskräftige Entscheidung des Haftpflichtprozesses für den Deckungsprozess bindend ist, jedenfalls soweit es um den Haftungstatbestand zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer geht. Dies gilt auch dann, wenn der Versicherer am Haftpflichtprozess nicht mitgewirkt hat (vgl. BGH VersR 1992, 1504; VersR 2001, 1103 zitiert nach juris Rn. 16 ff.; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 149 Rn. 29 m.w.N.).

b.) Das Landgericht hat mit Urteil vom 2. Oktober 2007 - 22 O 126/07 - im Haftpflichtprozess in den Entscheidungsgründen bindend festgestellt, dass die Klägerin eine Pflicht aus dem Steuerberatungsvertrag mit Frau K verletzt hat, indem sie die umsatzsteuerliche Organschaft übersehen hat. Es handelt sich damit um einen Verstoß im Rahmen der versicherten beruflichen Tätigkeit als Steuerberater i.S.d. § 1 Abs. 1 AVB-WB. Zwar wäre die einem Steuerberater nicht erlaubte Rechtsberatung nicht von der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung umfasst. Unabhängig davon, in welchem Umfang tatsächlich eine Beratung durch die Klägerin erfolgt ist, ist die Beklagte aufgrund der Bindungswirkung des Urteils des Landgerichts im Haftpflichtprozess im vorliegenden Deckungsprozess jedoch daran gehindert, nunmehr einzuwenden, dass die von der Klägerin begangene Pflichtverletzung unter diesem Gesichtspunkt nicht vom Versicherungsschutz umfasst ist. Im Übrigen ergibt sich aus der dem Vertrag zugrunde liegenden Risikobeschreibung, dass der Versicherungsschutz nicht nur die Beratung und Vertretung in Steuersachen beinhaltet, sondern dass sich dieser gemäß Ziffer II 5.a.) hierneben auch auf die wirtschaftliche Beratung bei der Gründung und Umwandlung von Unternehmen sowie gemäß Ziffer III auch auf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten erstreckt, soweit die Grenzen der erlaubten Tätigkeit nicht bewusst überschritten werden.

c.) Der für die Gewährung von Deckungsschutz nach §§ 2, 5 Abs. 1 AVB-WB maßgebliche Pflichtverstoß der Klägerin aus dem Steuerberatungsvertrag ist durch ein positives Tun in Form einer unvollständigen Beratung von Frau K im Zusammenhang mit der geplanten Betriebsaufspaltung im November 2000 begangen worden.

(1) Das Haftpflichturteil entfaltet im nachfolgenden Deckungsprozess Bindungswirkung insoweit, als es den Haftungstatbestand betrifft. Dieser umfasst die tatsächlichen Elemente, die der Tatrichter des Haftpflichtprozesses der Haftung des Versicherungsnehmers zugrunde gelegt hat (vgl. BGH VersR 2001, 1103 zitiert nach juris Rn. 19). Das Landgericht hat im Haftpflichturteil im Tatbestand als unstreitig festgestellt, dass es im November 2000 auf Anraten der hiesigen Klägerin zu einer Betriebsaufspaltung in das Einzelunternehmen von Frau K und die Firma B E GmbH gekommen ist. Die hiesige Klägerin sei weiterhin für das Einzelunternehmen tätig gewesen und habe ab dem Jahr 2001 auch die Erstellung der Jahresabschlüsse und Steuererklärungen für die neu gegründete GmbH übernommen. Die Umsatzsteuerverbindlichkeiten und Vorsteuererstattungsansprüche der GmbH seien hierbei dieser Gesellschaft und nicht Frau K zugeordnet worden. Die hiesige Klägerin habe übersehen, dass durch die Vermietung von Anlagevermögen und die Position von Frau K als alleiniger Gesellschafterin und Geschäftsführerin der GmbH eine umsatzsteuerliche Organschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG entstanden sei und nicht die GmbH, sondern Frau K als Organträgerin die Umsätze zu versteuern gehabt hätte. Zur Frage der Pflichtverletzung durch die hiesige Klägerin ist vom Landgericht weiter in den Entscheidungsgründen festgestellt worden, dass diese eine Pflicht aus dem Steuerberatungsvertrag mit Frau K verletzt habe, indem sie die umsatzsteuerliche Organschaft übersehen habe.

Das Landgericht hat unter Zugrundelegung dieser Ausführungen im Haftpflichtprozess bindend festgestellt, dass eine schuldhafte Pflichtverletzung der Klägerin im November 2000 durch ein Übersehen des Entstehens einer umsatzsteuerlichen Organschaft und eine hierdurch bedingte unvollständige Beratung im Zusammenhang mit der von ihr angeratenen Betriebsaufspaltung erfolgt ist. Zwar macht die Beklagte geltend, dass das Landgericht weiter festgestellt hat, dass die GmbH aufgrund des Übersehens der umsatzsteuerlichen Organschaft für die von ihr ausgeführten Umsätze fälschlich die Umsatzsteuervoranmeldungen in eigenem Namen erstellt habe, und dass die hiesige Klägerin die Steuerverbindlichkeiten in den Jahresabschlüssen der GmbH als deren eigene Verbindlichkeiten erfasst und in den Jahressteuererklärungen 2001 und 2002 als eigene Steuerverbindlichkeiten der GmbH angemeldet habe. Diese Ausführungen führen im Hinblick auf die vom Landgericht bindend festgestellte maßgebliche Pflichtverletzung gegenüber Frau K jedoch zu keiner anderen Beurteilung. Das Landgericht hat im Urteil vom 2. Oktober 2007 sowohl im Tatbestand als auch in den Entscheidungsgründen weiter ausgeführt, dass Frau K sich darauf eingestellt hätte, wenn die Organschaft von der hiesigen Klägerin rechtzeitig bemerkt worden wäre, indem sie die Umsatzsteuerverbindlichkeiten in ihren eigenen Steuererklärungen bzw. -anmeldungen angegeben und weiter im Innenverhältnis zur GmbH durch entsprechende Vereinbarungen Vorkehrungen getroffen hätte, nach denen letztlich die GmbH mit den Beträgen der Umsatzsteuer belastet gewesen wäre. Aus diesem dargelegten Kausalzusammenhang ergibt sich, dass die vom Landgericht festgestellte Pflichtverletzung der Klägerin durch ein Übersehen der umsatzsteuerlichen Organschaft im November 2000 begangen worden ist, da Frau K im Falle der geschuldeten Aufklärung schon ab dem Jahr 2001 zutreffende Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben und bereits zu diesem Zeitpunkt eine Ausgleichsvereinbarung im Innenverhältnis mit der GmbH getroffen hätte. Dieser vom Landgericht im Haftpflichtprozess festgestellte Pflichtverstoß gegenüber Frau K unterfällt dem bis zum 31. Dezember 2001 dauernden Vertragsverhältnis mit der Beklagten. Zwar stellt das Erstellen von falschen Umsatzsteuererklärungen für die GmbH als Folge des Übersehens der umsatzsteuerlichen Organschaft ab dem Jahr 2002 auch einen Pflichtverstoß der Klägerin gegenüber dieser Gesellschaft dar. Hierin liegt aber nicht der vom Landgericht im Haftpflichtprozess festgestellte - für die rechtliche Beurteilung im vorliegenden Fall relevante - Pflichtverstoß gegenüber Frau K .

(2) Der für die Frage des Versicherungsschutzes nach §§ 2, 5 Abs. 1 AVB-WB maßgebliche Pflichtverstoß ist auf der Grundlage der vom Landgericht im Haftpflichtprozess getroffenen Feststellungen nach den Gesamtumständen als positives Tun zu qualifizieren.

(a) Da das Landgericht im Haftpflichtprozess ausdrücklich offen gelassen hat, ob eine Pflichtverletzung durch ein Tun oder ein Unterlassen vorliegt, sind hierzu bereits aus diesem Grund im vorliegenden Deckungsprozess Feststellungen zu treffen. Darüber hinaus entfalten Feststellungen im vorangegangenen Haftpflichtprozess zwischen dem Geschädigten und dem Versicherungsnehmer im nachfolgenden Deckungsprozess zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer Bindungswirkung nur im Falle einer Voraussetzungsidentität. Geboten ist eine Bindungswirkung nur insoweit, als eine für die Entscheidung im Deckungsprozess maßgebliche Frage sich auch im Haftpflichtprozess nach dem vom Haftpflichtgericht gewählten rechtlichen Begründungsansatz bei objektiv zutreffender rechtlicher Würdigung als entscheidungserheblich erweist, also eine Voraussetzungsidentität vorliegt. Nur dann ist es gerechtfertigt anzunehmen, eine Feststellung sei Grundlage für die Entscheidung im Haftpflichtprozess. Die Begrenzung der Bindungswirkung auf Fälle der Voraussetzungsidentität ist insbesondere deshalb geboten, weil der Versicherungsnehmer und der Versicherer keinen Einfluss darauf haben, dass der Haftpflichtrichter "überschießende", nicht entscheidungs-erhebliche Feststellungen trifft oder nicht entscheidungserhebliche Rechtsausführungen macht (vgl. BGH VersR 2007, 641 zitiert nach juris Rn. 8; BGH VersR 2004, 590 zitiert nach juris Rn. 10). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wäre eine Benennung der Pflichtverletzung im vorangegangenen Haftpflichtprozess als Tun oder Unterlassen im vorliegenden Deckungsprozess auch nicht bindend i.S.d. § 2 AVB-WB, da ein für die Überprüfung des Verstoßes maßgeblicher Pflichtverstoß zwar objektiv festgestellt worden ist, die Form der Begehung - und damit eine klare Abgrenzung mit unterschiedlichen Rechtsfolgen - im vorangegangenen Haftpflichtprozess für die Feststellung einer schuldhaften Pflichtverletzung keine rechtliche Bedeutung hatte. Es sind deshalb im vorliegenden Deckungsprozess keine Gründe ersichtlich, die es ausschließen, bei der Abgrenzung von Tun und Unterlassen auch versicherungsrechtliche Erwägungen einzubeziehen.

(b) Der Pflichtverstoß der Klägerin im Rahmen der Beratung im November 2000 ist nach den Gesamtumständen als positives Tun zu qualifizieren. Bei der Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen handelt es sich um eine Wertungsfrage, die nicht nach rein äußerlichen oder formalen Kriterien entschieden werden kann. Ein Steuerberater ist im Rahmen des erteilten Auftrages verpflichtet, den Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Der Mandant ist in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen zu wahren, um eine Fehlentscheidung vermeiden zu können (vgl. BGH NJW 1995, 2108 zitiert nach juris Rn. 23; NJW-RR 2006, 1070 zitiert nach juris Rn. 7; NJW 2001, 3477 zitiert nach juris Rn. 23). Bei der von der Klägerin vorgenommenen Beratung handelt es sich um eine einheitlich zu beurteilende Leistung, deren Schwerpunkt es war, die Mandantin umfassend über alle für eine Betriebsaufspaltung maßgeblichen Gesichtspunkte aufzuklären. Auch wenn auf das Entstehen einer umsatzsteuerlichen Organschaft und damit auf einen Teilaspekt nicht hingewiesen worden ist, stellt sich der Schwerpunkt des zu bestimmenden Verhaltens - nämlich die geschuldete umfassende vollständige Beratung - als aktives Tun und nicht als Unterlassen dar.

Darüber hinaus erscheint es nach dem Sinn und Zweck des Verstoßprinzips in der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung geboten, eine klare Abgrenzung vorzunehmen und ein einheitlich wahrgenommenes Verhalten nicht in verschiedene Teilaspekte eines Tuns und Unterlassens aufzugliedern. Es ist deshalb bei der Ermittlung des nach § 5 Abs. 1 AVB-WB versicherungsrechtlich maßgeblichen Verstoßes nur dann von einer Pflichtverletzung durch Unterlassen i.S.d. § 2 Abs. 3 AVB-WB auszugehen, wenn sich hinsichtlich des vorgeworfenen Verhaltens im Rahmen der Gesamtbeurteilung ein positives Tun nicht feststellen lässt (so im Ergebnis auch LG Berlin VersR 95, 330; ÖGHÖ VersR 93, 862; VersR 95, 75; zur Architektenhaftpflichtversicherung OLG Hamm VersR 2001, 633). In diesem Sinn wird auch ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer - wobei es sich hier bei diesem um einen Angehörigen der wirtschaftsprüfenden sowie wirtschafts- und steuerberatenden Berufe handelt - die Bestimmung in § 2 AVB-WB über die Vorwärts- und Rückwärtsversicherung verstehen, da es sich bei § 2 Abs. 3 AVB-WB erkennbar um eine Zweifelsregelung handelt. Der der Klägerin vorzuwerfende Pflichtverstoß ist hiernach als positives Tun und nicht als Unterlassen i.S.d. § 2 Abs. 3 AVB-WB zu bewerten, da der Schwerpunkt des Vorwurfs nicht darin besteht, dass die Klägerin im Sinn eines Unterlassens vollständig untätig geblieben ist, sondern darin, dass eine Beratung als positives Tun erfolgt ist, die jedoch nicht umfassend zu allen zu beachtenden steuerlichen Aspekten einer Betriebsaufspaltung Stellung genommen hat.

Zwar hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass in der Nichterteilung eines gebotenen Hinweises durch einen Steuerberater im Rahmen eines steuerrechtlichen Beratungsmandats eine Pflichtverletzung durch Unterlassen zu sehen sei. Bei den von ihr zitierten Entscheidungen des BGH (NJW 1995, 2108; NJW-RR 96, 569; NJW 1997, 1008; NJW 2001, 3477; NJW-RR 90, 918) handelt es sich jedoch um Einzelfallentscheidungen in Haftpflichtprozessen, aus denen sich keine Gesichtspunkte ergeben, die in der im vorliegenden Fall gegebenen Konstellation zwingend die Annahme eines Unterlassens i.S.d. § 2 Abs. 3 AVB-WB rechtfertigen. Zwar hat der BGH im Rahmen der Prüfung eines Schadensersatzanspruchs eine schuldhafte Pflichtverletzung eines Steuerberaters bejaht, wenn dieser einen gebotenen Hinweis nicht erteilt hat und insoweit von einem "Unterlassen" des Hinweises gesprochen. Allerdings war es in diesem Zusammenhang nicht erforderlich, ausdrücklich zwischen einem positiven Tun und einem Unterlassen zu unterscheiden, da sich aus der Form der Begehung keine unterschiedlichen Rechtsfolgen ergeben haben. Es lassen sich daher den Entscheidungen des BGH im Rahmen der im vorliegenden Einzelfall notwendigen Feststellung des Verstoßzeitpunktes nach §§ 2, 5 Abs. 1 AVB-WB keine bindenden Erwägungen für eine versicherungsrechtlich maßgebliche Abgrenzung zwischen positivem Tun und Unterlassen entnehmen.

(3) In der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung bleibt nach den AVB-WB bei einem positiven Tun der erste Verstoß auch dann maßgeblich, wenn der Versicherungsnehmer die Möglichkeit und die Rechtspflicht gehabt hätte, ihn im weiteren Verlauf seiner Tätigkeit zu berichtigen und damit einer schädlichen Auswirkung entgegen zu wirken (vgl. Späte, HaftpflichtV, § 1 Rn. 28; zur Architektenhaftung OLG Hamm, VersR 2001, 633). Der nach §§ 2, 5 Abs. 1 AVB-WB maßgebliche Verstoß durch ein positives Tun ist von der Klägerin vor dem Ende des Vertragsverhältnisses mit der Beklagten am 31. Dezember 2001 begangen worden. Dass durch die Erstellung von falschen Umsatzsteuerjahreserklärungen für die GmbH und das Einzelunternehmen in den Jahre 2002 und 2003 durch die Klägerin weitere Pflichtverletzungen begangen worden sind, führt daher zu keiner anderen Beurteilung.

d.) Schließlich würde sich auch dann kein nach § 5 Abs. 1 AVB-WB maßgeblicher Verstoß nach dem 31. Dezember 2001 ergeben, wenn davon ausgegangen werden würde, dass die Klägerin durch eine unvollständige Beratung im November 2000 einen Pflichtverstoß durch Unterlassen begangen hat. Ein Verstoß gilt nach § 2 Abs. 3 AVB-WB nur dann an dem Tag begangen, an welchem die versäumte Handlung spätestens hätte vorgenommen werden müssen, um den Eintritt des Schadens abzuwenden, wenn kein positives Tun feststellbar ist und der Verstoß durch Unterlassen nicht zweifelsfrei feststeht (vgl. Veith/Gräfe-Brügge, Der Versicherungsprozess, § 12 Rn. 63). Im vorliegenden Fall ließe sich der vorzuwerfende Pflichtverstoß durch die Unterlassung eines gebotenen Hinweises im Rahmen des Beratungsgesprächs im November 2000 zweifelsfrei zeitlich feststellen. Eine entsprechende Unterlassung hätte sich bereits ab Januar 2001 ausgewirkt, da Frau K bereits zu diesem Zeitpunkt falsche Umsatzsteuervoranmeldungen erstellt und infolgedessen Zahlungen in unzutreffender Höhe an das Finanzamt geleistet hat. Auch ein Verstoß durch Unterlassen i.S.d. § 2 Abs. 3 AVB-WB wäre aus diesem Grund zweifelsfrei vor Ablauf des Versicherungsvertrages mit der Beklagten Ende des Jahres 2001 begangen worden.

e.) Der Pflichtverstoß der Klägerin aus dem Beratungsvertrag ist auch kausal für den bei Frau K tatsächlich eingetretenen Schaden. Das Landgericht hat mit Urteil vom 2. Oktober 2007 - 22 O 126/07 - bindend festgestellt, dass Frau K durch die Pflichtverletzung der Klägerin ein Schaden in der ausgeurteilten Höhe entstanden ist, da sie - wenn die Organschaft rechtzeitig bemerkt worden wäre - im Innenverhältnis zur GmbH Abreden getroffen hätte, nach denen letztlich die GmbH mit den Beträgen der Umsatzsteuer belastet gewesen wäre. Von der Beklagten kann aufgrund dieser Feststellungen im vorliegenden Deckungsprozess eine Kausalität zwischen dem Pflichtverstoß und dem eingetretenen Schaden nicht mehr in Frage gestellt werden. Versicherungsfall nach § 5 Abs. 1 AVB-WB ist der Verstoß, der Haftpflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben könnte. Das Kausalverhalten ist immer das erste Verhalten, welches in unmittelbarer Kausalkette den Schaden herbeiführt. Sind mehrere Ursachen adäquat kausal, genügt es, dass nur eine davon in die Zeit des materiellen Versicherungsschutzes fällt (vgl. Späte, HaftpflichtV, § 1 Rn. 28 m.w.N.). Die Beklagte ist hiernach aufgrund der Bindungswirkung daran gehindert, im vorliegenden Deckungsprozess einzuwenden, dass der tatsächliche Schaden bedingt durch die Insolvenz der GmbH aufgrund eines atypischen Geschehensablaufs verursacht worden ist.

3.) Die Beklagte kann sich nicht auf einen Risikoausschluss nach § 4 Nr. 6 AVB-WB berufen. Nach dieser Bestimmung bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche, die durch eine wissentliche Pflichtverletzung begangen worden sind. Der Versicherungsnehmer muss die von ihm verletzte Pflicht positiv gekannt und subjektiv das Bewusstsein gehabt haben, pflichtwidrig zu handeln. Darlegungs- und beweispflichtig für die Verwirklichung der subjektiven Tatbestandsmerkmale des Risikoausschlusses ist der beklagte Versicherer (vgl. BGH VersR 2001, 1103 zitiert nach juris Rn. 23). Das Landgericht hat im Haftpflichtprozess festgestellt, dass von der Klägerin ein Pflichtverstoß begangen worden sei, indem sie das Entstehen einer umsatzsteuerlichen Organschaft übersehen hat. Hiernach ist davon auszugehen, dass die Klägerin die aus dem Steuerberatervertrag geschuldete Beratung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgenommen und damit fahrlässig gehandelt hat. Es lässt sich nicht feststellen, dass diese durch das Übersehen des Entstehens einer umsatzsteuerlichen Organschaft eine wissentliche Pflichtverletzung begangen hat. Unabhängig hiervon hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte auch nicht nachvollziehbar vorgetragen und es ist auch ansonsten nicht ersichtlich, aus welchen Tatsachen sich ergeben soll, dass die Klägerin ihre Mandantin wissentlich nicht auf das Entstehen einer umsatzsteuerlichen Organschaft hingewiesen hat.

4.) Der Anspruch der Klägerin ist nicht verjährt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung in erster Instanz gemäß § 296 a ZPO zwar außerhalb der mündlichen Verhandlung erhoben. Allerdings kann auch eine (erstmals) in der Berufungsinstanz erhobene Verjährungseinrede unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zugelassen werden, wenn die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Prozessparteien unstreitig sind (vgl. BGH GS VersR 2008, 1708). Die Voraussetzungen für den Eintritt einer Verjährung liegen jedoch nicht vor.

Gemäß § 12 Abs. 1 VVG a.F. verjährt der Anspruch nach § 149 VVG a.F. in zwei Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in welchem die Leistung verlangt werden kann. Der Rechtsschutzanspruch entsteht mit der Erhebung von Ansprüchen durch einen Dritten, d.h. mit jeder ernstlichen Erklärung des Dritten gegenüber dem Versicherungsnehmer, aus der sich ergibt, dass der Dritte Ansprüche zu haben glaubt und diese verfolgen wird (vgl. Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 149 Rn. 5 m.w.N.; Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 149 Rn. 27 m.w.N.). Die vorliegende Klage ist am 18. Mai 2007 eingereicht und am 9. August 2007 zugestellt worden. Die letztlich die Mandantin der Klägerin abschließend belastende erneute Umbuchung durch die Finanzämter ist mit Schreiben vom 7. März 2005 mitgeteilt worden. Der Rückforderungsbescheid des Finanzamtes für Körperschaften I ist erst am 28. September 2005 ergangen. Dass Regressansprüche gegen die Klägerin bereits vor dem 1. Januar 2005 geltend gemacht worden sind, ist nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht behauptet worden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Zulassung auch nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Es liegt keine klärungsbedürftige Frage vor, deren Auftreten in einer Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die vorgenommene Abgrenzung zum Tun oder Unterlassen im Rahmen der §§ 2, 5 Abs. 1 AVB-WB betrifft den zu beurteilenden Einzelfall und stellt keine Grundsatzentscheidung zum Vorliegen der Voraussetzungen eines Unterlassens i.S.d. § 2 Abs. 3 AVB-WB dar. Sie steht auch nicht im Widerspruch zu den von der Beklagten benannten Entscheidungen des BGH, die in den zugrunde liegenden Haftpflichtprozessen nicht zwischen einer Pflichtverletzung durch Tun oder Unterlassen zu unterscheiden hatten.

Ende der Entscheidung

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