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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 07.04.2006
Aktenzeichen: 7 U 149/05
Rechtsgebiete: InsO, GesO, KO


Vorschriften:

InsO § 129 Abs. 1
InsO § 133
InsO § 133 Abs. 1
InsO § 133 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 133 Abs. 1 Satz 1
InsO § 133 Abs. 1 S. 2
InsO § 143 Abs. 1
GesO § 10
GesO § 10 Abs. 1 Nr. 1
GesO § 10 Abs. 1 Nr. 4
KO § 30
KO § 31 Nr. 1
Bei einem kongruenten Deckungsgeschäft, bei dem der Schuldner dem Gläubiger nur das gewährt, worauf dieser einen Anspruch hatte, sind erhöhte Anforderungen an die Darlegung und den Beweis der Benachteiligungsabsicht zu stellen. Diese Anforderungen sind um so höher anzusetzen, je länger diese Zahlungen zurückliegen, je größer der zeitliche Abstand zur Stellung des Insolvenzantrags liegt. Urteil ist nicht rechtskräftig: Nichtzulassungsbeschwerde - Aktenzeichen des BGH: IX ZR 93/06
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 7 U 149/05

verkündet am: 07.04.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 04.04.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Stummeyer und die Richter am Kammergericht Renner und Sellin

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26. Mai 2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 9 des Landgerichts Berlin - 9 O 637/04 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages leistet.

Gründe:

A.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz einschließlich der dort von den Parteien gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird auf das am 26. Mai 2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 9 des Landgerichts Berlin - 9 O 637/04 - Bezug genommen.

Gegen das der Beklagten am 9. Juni 2005 zugestellte Urteil hat sie am 8. Juli 2005 Berufung eingelegt und diese am 7. September 2005 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 9. September 2005 verlängert worden war. Sie trägt vor, das Landgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass alle Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes im Zeitpunkt jeder einzelnen angegriffenen Rechtshandlung vorliegen müssen und vom Kläger darzulegen und zu beweisen sind. Der Kläger habe zur Frage des wesentlichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten und zur Höhe der dem Schuldner zur Verfügung stehenden Zahlungsmittel nicht hinreichend vorgetragen und das Landgericht habe darüber keine Feststellungen getroffen. Zwischen dem Schuldner und der Beklagten habe ein Stillhalteabkommen bestanden, durch das eine etwaige, mit Fälligstellung des Kündigungssaldos eingetretenen Zahlungsunfähigkeit jedenfalls nachträglich weggefallen sei. Mit Abschluss des Stillhalteabkommens habe die Beklagte nur noch die Zahlung der vereinbarten monatlichen Raten von 3.000,00 EUR sowie der diesbezüglich später aufgetretenen Rückstände verlangt. Verbindlichkeiten anderer Gläubiger, die der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 2. Februar 2006 aufgelistet habe, würden mit Nichtwissen bestritten. Außerdem seien diese Verbindlichkeiten nach dem Vortrag des Klägers zum großen Teil erst nach dem 2. Mai 1997 fällig geworden. Vor allem fehle es an einer Gegenüberstellung von fälligen Verbindlichkeiten und liquidem Vermögen, sodass eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht dargetan sei.

Der Schuldner sei in der Lage gewesen, im Jahre 1998 das nnnnnnnnnnnnnn in Rnnnn für einen Kaufpreis von ca. 2,2 Mio. DM zu erwerben, dessen Eigentümer er seit dem 20. Oktober 2000 sei. Er habe während des gesamten Anfechtungszeitraums Einkünfte in nicht unbeträchtlicher Höhe aus seiner Tätigkeit als Makler und aus dem Betrieb seines Fitnessstudios erzielt. In seinem Schreiben vom 30. März 1998 habe der Schuldner in detaillierter Weise dargestellt, dass er im Geschäftsjahr 1998 neben beträchtlichen Provisionszahlungen aus der Übernahme des Fitnessstudios einen monatlichen Überschuss von ca. 5.000,00 DM erwartet habe.

Die Beklagte habe eine etwaige Gläubigerbenachteiligung nicht gebilligt. Sämtliche Zahlungen seien in kongruenter Weise erfolgt. Sie, die Beklagte, sei weder im Besitz eines gegen das Schuldnervermögen gerichteten Titels gewesen noch habe sie die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners angedroht. Bei der Androhung der Verwertung von Drittsicherheiten gehe es nicht in gleichem Maße um die Vorabbefriedigung vor anderen Gläubigern. Der Gläubiger sei vielmehr in Höhe des Verwertungserlöses vor dem Ausfall seiner Forderung geschützt und stehe gerade nicht im Wettlauf mit anderen Insolvenzgläubigern. Die Verwertung von Sicherungsgut sei jederzeit kongruent und bereits mangels Gläubigerbenachteiligung nicht anfechtbar. Dies gelte besonders dann, wenn das Sicherungsgut im Eigentum eines Dritten stehe und somit überhaupt keine Beziehung zum Schuldnervermögen aufweise. Es könne nicht Absicht der Insolvenzordnung sein, alle besicherten Gläubiger in der Krise des Schuldners zur sofortigen Verwertung von Sicherheiten anzuhalten. Die Beklagte habe dem Schuldner nicht mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gedroht, sondern allein die Verwertung von Drittsicherheiten angedroht, deren Verwertung stets kongruent gewesen wäre.

Die Beklagte habe weder Kenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit noch von einem Benachteiligungswillen des Schuldners gehabt, dessen Feststellung für die Zeit von dem 1. Januar 1999 erforderlich sei. Für die Zeit nach dem 1. Januar 1999 fehle es an einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und folglich auch an einer Kenntnis der Beklagten hiervon.

Im Übrigen wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Sie beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor, der Schuldner sei über den gesamten hier maßgeblichen Zeitraum zahlungsunfähig gewesen; hiervon habe die Beklagte Kenntnis gehabt. Die Zahlungsunfähigkeit habe nicht nur gedroht; sie sei ganz offenkundig seit 1997 eingetreten. Das zwischen der Beklagten und dem Schuldner geschlossene Stillhalteabkommen habe nicht zur Folge gehabt, dass die Beklagte ihre Forderung nicht mehr ernsthaft eingefordert habe. Die Zahlungen zur Abwendung der Zwangsvollstreckung in das väterliche Wohnhaus seinen inkongruent gewesen. Es habe weitere Gläubiger gegeben, die durch die angefochten Zahlungen objektiv benachteiligt worden seien. Während des gesamten Zeitraums hätten fällige Forderungen bestanden, die teilweise zur Insolvenztabelle angemeldet worden seien.

Im Übrigen wiederholt und vertieft auch der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 40.477,16 EUR aus § 143 Abs. 1 InsO, da er zur Anfechtung der streitgegenständlichen Zahlungen weder nach § 133 Abs. 1 InsO noch nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO berechtigt ist.

1. Das Anfechtungsrecht für die Zahlungen des Schuldners vor dem 1. Januar 1999 ist nach Maßgabe des Art. 106 InsO nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO zu beurteilen, da § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO gegenüber § 133 Abs. 1 Nr. 1 InsO die "mildere" Norm darstellt. Die im Zeitraum zwischen dem 2. Mai 1997 und dem 31. Dezember 1998 vorgenommen Zahlungen sind also nur dann anfechtbar, wenn sie in der Absicht vorgenommen wurden, die Gläubiger zu benachteiligen, und wenn der Beklagten diese Absicht bekannt war. Diese Voraussetzungen hat der Kläger darzulegen und zu beweisen. Die Beweiserleichterung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO , nach der die Kenntnis des anderen Teils vermutet wird, wenn dieser wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte, kommt dem Kläger insoweit nicht zugute.

a) Es kann zwar die Feststellung getroffen werden, dass durch die Zahlungen vor dem 1. Januar 1999 Gläubiger des Schuldners objektiv benachteiligt wurden. Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich, dass es tatsächlich bereits seit dem 2. Mai 1997, dem Zeitpunkt der ersten streitgegenständlichen Zahlung, jedenfalls drei weitere Gläubiger gab (die Fa. nnnn Rnnn , die nn Krankenkasse und den Gläubiger nnn Mnnn ), die durch die an die Beklagte geleisteten Zahlungen benachteiligt wurden, denn ihre Forderungen sind bis zu deren Anmeldung zur Insolvenztabelle nicht ausgeglichen worden. Nach und nach kamen weitere Gläubiger hinzu, die ebenfalls nicht befriedigt wurden.

Es kann aber nicht festgestellt werden, dass der Schuldner die Absicht hatte, diese Gläubiger zu benachteiligen. § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO setzt - ebenso wie § 31 Nr. 1 KO - nicht voraus, dass die Benachteiligung der Gläubiger den Zweck und den Beweggrund des Handelns bildete. Vielmehr genügt es, dass der Nachteil als mutmaßliche Folge des Handelns erkannt und gebilligt wurde. Die Beweislast trifft insoweit jedoch den Verwalter (BGH ZIP 1997, 853, 855). Hat der Schuldner dem Gläubiger eine inkongruente Deckung gewährt, liegt darin ein Beweisanzeichen für eine Benachteiligungsabsicht ( BGHZ 123, 320, 326 m.w.N.).

Diese Beweiserleichterung kommt dem Kläger hier aber nicht zugute. Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass es sich bei den streitgegenständlichen Zahlungen um kongruente Deckungsgeschäfte handelte, denn die Beklagte hatte Anspruch auf diese Zahlungen. Hinzu kommt, dass die Darlehensforderung der Beklagten durch die Grundschuld auf dem Grundstück des Vaters des Schuldners, also eines Dritten, besichert war. Man wird sicherlich davon ausgehen können, dass dem Schuldner daran gelegen war, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück seines Vaters zu vermeiden, und dass er auch deshalb Zahlungen an die Beklagte leistete, die diese von der Zwangsvollstreckung abhalten sollte. Das macht diese Zahlungen aber noch nicht zu inkongruenten Deckungsgeschäften. Bei einem kongruenten Deckungsgeschäft, bei dem der Schuldner dem Gläubiger nur das gewährt, worauf dieser einen Anspruch hatte, sind erhöhte Anforderungen an die Darlegung und den Beweis der Benachteiligungsabsicht zu stellen (BGH ZIP 2003, 1799). Diese Anforderungen sind um so höher anzusetzen, je länger diese Zahlungen zurückliegen, je größer der zeitliche Abstand zur Stellung des Insolvenzantrags liegt. Hier liegen die Zahlungen, die dem Geltungsbereich des § 10 GesO unterliegen, zwischen gut fünf und 3 1/2 Jahren vor der Stellung des Insolvenzantrags am 24. Juni 2002. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass es dem Schuldner offensichtlich gelang, während dieses langen Zeitraums weiterzuwirtschaften. Der BGH hat in der zuletzt zitierten Entscheidung zu § 133 Abs. 1 InsO festgestellt, dass es ein starkes Beweiszeichen für einen Benachteiligungsvorsatz sei, wenn ein Schuldner zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsmaßnahme an einen einzelnen Gläubiger leistet, obwohl er aufgrund seiner Zahlungsunfähigkeit weiß, dass er nicht mehr alle seine Gläubiger befriedigen kann und infolge der Zahlung an einen einzelnen Gläubiger andere Gläubiger benachteiligt werden.

Überträgt man diese Grundsätze auf den Geltungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO, lässt sich im vorliegenden Fall - unterstellt, dass der Schuldner überhaupt zahlungsunfähig war - jedenfalls noch nicht einmal mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass dem Schuldner im Zeitraum vom 2. Mai 1997 bis 31. Dezember 1998 eine Zahlungsunfähigkeit bewusst war. Er hat in diesem Zeitraum insgesamt höhere Zahlungen an die Beklagte geleistet, als er nach dem mit dieser mit den wechselseitigen Schreiben vom 23. September / 17. Oktober 1997 getroffenen Stillhalteabkommen, das mit den Schreiben vom 14. / 21. August 1998 verlängert wurde, eigentlich schuldete. Gezahlt hat der Schuldner 50.156,05 DM. Geschuldet waren 48.749,98 DM.

Zwar schuldete der Schuldner der Beklagten eigentlich nicht nur die Raten nach dem Stillhalteabkommen, denn die Beklagte hatte mit Schreiben vom 17. April 1997 die bei ihr bestehenden Darlehen, den Kontokorrentkredit und die Rückzahlungsvereinbarung gekündigt und damit einen Betrag von insgesamt 597.395,62 DM fällig gestellt. Sie forderte diesen Betrag aber nicht ernsthaft ein, denn sie hatte sich mit dem Schuldner durch die genannten Schreiben dahingehend verständigt, dass Einvernehmen darüber bestand, dass der Anspruch einstweilen nicht geltend gemacht werden sollte. Die Parteien der gekündigten Darlehensverträge haben sich damit auf ein Abwicklungs- und Stillhalteabkommen verständigt, das im Falle regelmäßiger und ratenweiser Rückführung der Darlehensschuld die Zurückstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seitens der Beklagten zum Ziele hatte. Diese Duldung stellte zwar keine die Fälligkeit aufschiebende Stundung der Forderung dar, sondern nur eine Abrede, die Forderung zunächst noch nicht geltend zu machen (pactum de non petendo). Sie hatte aber zur Folge, dass die Gesamtforderung nicht mehr ernsthaft eingefordert wurde, sodass, unterstellt, dass durch die Fälligstellung Zahlungsunfähigkeit eingetreten war, diese jedenfalls damit entfallen war. Dass die Beklagte darauf bestanden hat, dass ihre gesamte Forderung weiterhin fällig war, ändert nichts daran, dass sie diese nicht mehr - jedenfalls nicht ernsthaft - eingefordert hat.

Nach dem Vortrag der Parteien kann darüber hinaus noch nicht einmal mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Zahlungen überhaupt zahlungsunfähig war. Der Begriff der Zahlungseinstellung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO ist ebenso wie nach § 30 KO zu bestimmen. Danach muss für die beteiligten Verkehrskreise erkennbar geworden sein, dass der Schuldner wegen eines voraussichtlich dauernden Mangels an Zahlungsmitteln seine fälligen und vom jeweiligen Gläubiger ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann (BGH ZInsO 1998, 395 m.w.N.). Es kann sogar ausreichen, dass nur für einen Hauptgläubiger - nämlich denjenigen, dem gegenüber die Anfechtung erklärt wird - die Zahlungseinstellung ersichtlich geworden ist (BGH a.a.O.). Gleichwohl kann hier dahinstehen, ob die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 17. April 1997 die Zahlungsunfähigkeit in diesem Sinne herbeigeführt hat, denn jedenfalls hat sie diese bejahendenfalls mit dem danach geschlossenen Stillhalteabkommen wider beseitigt. Dass sie ihre Forderung nicht mehr ernsthaft eingefordert hat, zeigt sich insbesondere daran, dass sie über fünf Jahre hinweg gegen den Schuldner keinen vollstreckbaren Titel erwirkt hat, sondern diesen hat weiterwirtschaften lassen. Sie hat dem Schuldner nicht einmal mit der Vollstreckung in sein Vermögen gedroht, sondern lediglich mit der Verwertung der an dem Grundstück seines Vaters bestellten Sicherheit. Die Verwertung dieser Sicherheit wäre aber - wie bereits dargelegt - ein kongruentes Deckungsgeschäft gewesen, weil die Beklagte darauf einen bereits vor der Kündigung insolvenzfest erworbenen Anspruch hatte, sodass dessen Androhung die erfolgten Zahlungen nicht zu einem inkongruenten Deckungsgeschäft machen kann. Auch das ihr sicherungshalber übereignete Inventar hat sie nicht verwertet und sich auch diesbezüglich nicht einmal einen vollstreckbaren Titel verschafft.

Es ist somit festzustellen, dass der Schuldner über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren nach der Fälligstellung der Darlehensforderungen durch die Beklagte am Geschäftsverkehr teilgenommen hat. In welchem Umfang er andere Gläubiger befriedigt hat und in welchem Verhältnis dazu die Forderungen stehen, die ausgefallen sind, lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen. Dies wirkt sich zu Lasten des darlegungs- und beweispflichtigen Klägers aus.

Selbst wenn der Schuldner bei Vornahme der Zahlungen an die Beklagte nicht davon überzeugt sein konnte, in absehbarer Zeit alle Gläubiger befriedigen zu können, genügt dies nicht zur Darlegung der Benachteiligungsabsicht. Denn bei kongruenter Deckung reicht das Bewusstsein, infolge der Erfüllung einer bestimmten Verpflichtung nicht alle Gläubiger befriedigen zu können, dazu regelmäßig nicht aus. Erforderlich ist dazu vielmehr ein darüber hinausgehendes unlauteres Handeln (BGH ZIP 1991, 807, 809; OLG Stuttgart ZIP 2002, 2264). Dazu hat der Kläger aber nichts vorgetragen. Es ist nicht einmal dargetan, dass der Schuldner nicht über Mittel verfügte, seine anderweitigen Verbindlichkeiten in absehbarer Zeit zu erfüllen. Insbesondere liegt keine Liquiditätsbilanz vor, in der die verfügbaren Mittel des Schuldners zu den fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten in Beziehung gesetzt worden sind (vergl. BGHZ 163, 134; zur Liquiditäts- bzw. Überschuldungsbilanz vergl. auch KG in KGR 2006, 277). Die Darlegungs- und Beweislast trägt auch insoweit der Kläger.

b) Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass der Schuldner - bei jeder einzelnen der streitgegenständlichen Zahlungen bis zum 31. Dezember 1998 - mit Benachteiligungsabsicht handelte, so lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass die Beklagte davon jeweils Kenntnis hatte.

Da alle streitgegenständlichen Zahlungen des Schuldners zu einer kongruenten Deckung geführt haben, kann der Kläger sich auch insoweit nicht auf das Beweisanzeichen einer inkongruenten Deckung berufen, sondern muss die Kenntnis der Beklagten von der Benachteiligungsabsicht des Schuldners auf anderem Wege darlegen. Dies ist ihm aber nicht gelungen.

Zwar wusste die Beklagte von einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners. Sie wusste auch, dass der Schuldner nicht in der Lage war, die bei ihr bestehenden Verbindlichkeiten aus den Kreditgeschäften nach der Kündigung zurückzuführen. Das allein kann aber nicht ausreichen, um ihre Kenntnis von einer Benachteiligungsabsicht des Schuldners festzustellen. Entscheidend ist auch insoweit, dass sich die Beklagte aufgrund der Vereinbarung vom 17. Oktober 1997 mit einer monatlichen Zahlung von 3.000,00 DM und damit auf die Zahlung eines wirtschaftlich realisierbaren Betrages eingelassen hat. Da der Schuldner seine Verpflichtungen aus der Ratenzahlungsvereinbarung bis zum 31. Dezember 1999 zwar unregelmäßig, aber insgesamt vollständig erfüllt hat, konnte die Beklagte zunächst einmal davon ausgehen, dass der Schuldner zahlungsfähig war und es sich bei den Unregelmäßigkeiten lediglich um Zahlungsstockungen handelte. Es lässt sich zudem nicht feststellen, dass sie wusste, dass und ggf. in welchem Umfang es weitere Gläubiger gab, die durch die streitgegenständlichen Zahlungen benachteiligt wurden.

Selbst wenn man unterstellt, dass die Beklagte zwangsläufig davon ausgehen musste, dass der am Geschäftsverkehr teilhabende Schuldner außer ihr noch andere Gläubiger haben musste, kann nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass sie auch wusste, dass diese Gläubiger durch die Zahlungen benachteiligt wurden. Es ist nicht auszuschließen, dass der Schuldner seine Einkünfte vorrangig für seine Lebensführung verbrauchte und/oder in andere Geschäfte investierte. Der Schuldner wickelte seine Geschäfte nicht mehr über ein Kontokorrentkonto bei der Beklagten ab. Bei dieser bestanden vielmehr nur noch die gekündigten Konten. Auch daher konnte die Beklagte somit keine Erkenntnisse gewinnen. Sie konnte auch nicht wissen, warum der Schuldner ggf. bestimmte Gläubiger nicht befriedigte und ob er nicht Gründe dafür hatte, bei seinen Zahlungen andere Prioritäten zu setzen. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass es dem Schuldner gelang, in dem hier maßgeblichen Zeitraum eine Finanzierung für einen Grundstückskauf über 2,2 Mio. DM zu erlangen. Die von der Beklagten vorgetragenen Verhandlungen mit dem Schuldner, der ihr immer wieder versicherte, anderweitige Einnahmen zu erhalten und weitere Einnahmen in beträchtlicher Höhe zu erwarten, geben zwar möglicherweise Anlass zum Erstaunen darüber, dass die Beklagte sich über einen derart langen Zeitraum hat hinhalten lassen, lassen eine Kenntnis von einer Benachteiligungsabsicht des Schuldners aber doch eher fernliegend erscheinen.

Da somit jedenfalls die Kenntnis der Beklagten von einer Benachteiligungsabsicht des Schuldners nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann, scheidet eine Anfechtbarkeit nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO aus.

2. Das Anfechtungsrecht für die Zahlungen des Schuldners nach dem 1. Januar 1999 richtet sich nach § 133 Abs. 1 InsO. Anfechtbar ist danach eine Rechtshandlung des Schuldners, die er mit Benachteiligungsvorsatz vorgenommen hat, wobei der andere Teil den Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung kannte.

a) Voraussetzung der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO ist danach zunächst, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit Benachteiligungsvorsatz vorgenommen hat. Die Beweislast für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners liegt ebenso wie für die übrigen Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO beim Insolvenzverwalter (vergl. BGH ZIP 2003, 1799 m.w.N.).

Da die streitgegenständlichen Zahlungen in der Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 7. November 2001 auf einer fälligen Forderung der Beklagten aus der Vereinbarung vom 23. September / 17. Oktober 1997 beruhten, entfällt auch insoweit das Beweisanzeichen einer inkongruenten Deckung für den Nachweis eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes. Auch hier ist daher festzustellen, dass es dem Kläger nicht gelungen ist, einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners bei jeder einzelnen Zahlung ab Januar 1999 darzulegen.

Die Anforderungen an die subjektiven Voraussetzungen des § 133 InsO sind um so höher anzusetzen, je weiter der Zeitpunkt entfernt liegt, an dem tatsächlich die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners eingetreten ist, die auch nach dem neuen Recht grundsätzlich eine stichtagsbezogene Liquiditätsbilanz erfordert (vgl. Wimmer/ Schmerbach, Frankfurter Kommentar zur InsO, 4. Aufl., § 17 Rdn. 24; KG a.a.O.). Wenn es dem Schuldner gelingt, über einen längeren Zeitraum fällige Forderungen - möglicherweise auch nur stockend - doch noch zu erfüllen, ist ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz fernliegender als dann, wenn die tatsächliche Zahlungsunfähigkeit des Schuldners unmittelbar bevorstand.

Da die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht durch Vorlage einer Liquiditätsbilanz festgestellt worden ist, wäre der Kläger darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die Zahlungsunfähigkeit zu einem bestimmten Stichtag eingetreten ist. Auch hier ist weiterhin davon auszugehen, dass in dem maßgeblichen Zeitraum jedenfalls weitere Forderungen als die aufgrund des Stillhalteabkommens geschuldeten Raten durch die Beklagte nicht ernsthaft eingefordert wurden.

Bis zur Zahlung am 5. August 1999 standen den fälligen Forderungen ab 1. Januar 1999 in Höhe von insgesamt 18.000,00 DM Zahlungen von insgesamt 19.000,00 DM gegenüber, ohne das in diesem Zeitraum irgend welche neuen Gläubiger hinzugekommen sind, deren fällige und ernsthaft eingeforderte Forderungen nicht bezahlt wurden.

Auch danach ist lediglich eine Gläubigerin (BKK Zollern) mit einer Forderung von 12.989,00 € hinzugekommen, obwohl der Schuldner nach dem 5. August 1999 erst wieder am 20. Dezember 2000 eine Zahlung an die Beklagte geleistet hat. Auch dieser Umstand spricht dafür, dass der Schuldner mit den Zahlungen an die Beklagte jedenfalls nicht dazu beitragen wollte, dass andere Gläubiger benachteiligt werden. Gerade der Zahlungsausfall gegenüber der Beklagten in der Zeit zwischen dem 5. August 1999 und dem 20. Dezember 2000 macht deutlich, dass offenbar selbst die Beklagte benachteiligt worden ist.

b) Auch für die Zahlungen nach dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung lässt sich jedenfalls eine Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen. Gemäß § 133 Abs. 1 S. 2 InsO wird die Kenntnis des Leistungsempfängers von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zwar vermutet, wenn er wusste, dass dessen Zahlungsunfähigkeit drohte und die Zahlung die Gläubiger benachteiligt. Diese Voraussetzungen können schon dann gegeben sein, wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem späteren Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen wurden und jenem den Umständen nach bewusst ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt (BGH ZIP 2004, 1512, 1513; vgl. auch BGH WM 2003, 1690, 1693). Beweist der Insolvenzverwalter, dass der Anfechtungsgegner Umstände kannte, die zwingend auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit hindeuteten, greift § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ebenfalls ein. Von einem Gläubiger, der solche Umstände kennt, ist - widerleglich - zu vermuten, dass er auch die drohende Zahlungsunfähigkeit und die Benachteiligung der Gläubiger kennt (Wimmer/ Dauernheim, Frankfurter Kommentar zur InsO, 4. Aufl., § 133 Rdn. 18).

Hier hat der Kläger das Vorliegen derartiger Umstände aber nicht dargetan. Auch insoweit kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte wusste, dass zu den jeweiligen Zahlungszeitpunkten andere Gläubiger vorhanden waren, die durch diese Zahlungen benachteiligt wurden. Der Kläger legt nicht dar, woher die Beklagte bei Eingang der Zahlungen von anderen Gläubigern Kenntnis hatte und wusste, dass sie fällige Forderungen gegen den Schuldner hatte und diese Gläubiger durch die Zahlungen an Beklagte benachteiligt wurden. Die allgemeine Kenntnis davon, dass es noch andere Gläubiger geben muss, reicht auch im Rahmen der Beweiserleichterung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO nicht aus. Der andere Teil muss darüber hinaus auch Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung haben. Diese Kenntnis liegt nur dann vor, wenn der andere Teil auch den Umfang oder die Art der Verpflichtung und die Umstände kennt, die zum Zahlungsausfall geführt haben. Die Nichtzahlung einer Forderung eines anderen Gläubigers kann auf einer Vielzahl von Umständen beruhen, die nichts mit der Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO zu tun haben, wie z. B. der Einwand mangelnder Fälligkeit infolge einer Stundungsabrede.

Da bereits nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann, dass der Schuldner jeweils mit Benachteiligungsvorsatz handelte, lässt sich auch eine Kenntnis der Beklagten hiervon nicht feststellen.

3. Die Berufung der Beklagten musste danach Erfolg haben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Ein Grund, die Revision zuzulassen, war nicht gegeben, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Der Senat weicht nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab. Bei der hier entscheidungserheblichen Beantwortung der Frage, ob im vorliegenden Fall der Schuldner die Absicht bzw. den Vorsatz hatte, mit den streitigen Zahlungen an die Beklagte seine übrigen Gläubiger zu benachteiligen und ob der Beklagten dies bekannt war, handelt es sich um eine tatrichterliche Einzelfallentscheidung, der eine grundsätzliche Bedeutung nicht zukommen kann.

Ende der Entscheidung

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