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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 27.03.2009
Aktenzeichen: 7 U 151/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 195
BGB § 199
BGB § 315 Abs. 1
Zur Frage der Verjährung von Ansprüchen auf Baukostenzuschuss, Hausanschlusskosten und Meterpreis der Anschlussleitung gemäß der Allgemeinen Bedingungen für die Entwässerung in Berlin (ABE).
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 7 U 151/08

verkündet am : 27.03.2009

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 27.03.2009 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Stummeyer und die Richter am Kammergericht Sellin und Renner

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24. Juli 2008 verkündete Urteil der Zivilkammer 9 des Landgerichts Berlin - 9.O.298/07 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.160,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2. Mai 2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 18% und die Beklagte zu 82 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

A.

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

B.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nur zu einem Teil begründet.

I.

Die rechtlichen Grundlagen für die Erhebung des Baukostenzuschusses (935,-Euro), der pauschalen Hausanschlusskosten (1.960,-Euro) und des Meterpreises für die Anschlussleitung (2.200,-Euro) ergeben sich aus §§ 11 Abs. 3 und 12 der Allgemeinen Bedingungen für die Entwässerung in Berlin (ABE) in der bis zum 31. 12. 2005 geltenden Fassung (a.F.). Es ist unstreitig, dass die Beklagte den Abwasseranschluss nutzt und zumindest dadurch ein dauerndes Vertragsverhältnis nach Maßgabe der ABE besteht.

1. Ohne rechtliche Bedeutung ist der Einwand der Beklagten in der Berufungsbegründung, dass das Landgericht die neuere ab 2007 geltende Fassung der ABE angewandt hat, denn die hier maßgeblichen Regelungen sind in der vor und der nach 2005 geltende Fassung inhaltlich unverändert geblieben.

2. Soweit die Beklagte rügt, dass Landgericht habe verkannt, dass sie ihrer Darlegungspflicht zur Billigkeit der geltend gemachten Kosten und Zuschüsse genügt habe, ist dies unbegründet.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit ihrer Tarife im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB liegt zwar bei der Klägerin. Wenn die Klägerin ihrer Darlegungs- und Beweislast aber entsprochen hat, genügt es nicht, dass die Beklagte die Billigkeit der Tarife schlicht bestreitet. Die Beklagte muss sich vielmehr substanziiert zu den Tatsachen erklären, die ihren Bereich betreffen. Substanziierten Vortrag enthält die Berufungsbegründung nicht. Die Kostenaufstellungen der Klägerin (Anl. K17, 18) sind nach wie vor nicht erheblich angegriffen. Es spielt keine Rolle, ob es sich nur um Kalkulationen handelt. Jedenfalls sind die Ansätze plausibel und realistisch. Die Beklagte hat sich damit nicht einmal im Ansatz auseinandergesetzt. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung, der der Senat folgt, ausgeführt, dass der Vortrag der Beklagten weder eine willkürliche Festsetzung der Kostenbeträge noch eine Unbilligkeit der Sätze belegt. Vielmehr wird im Zusammenhang mit den vorgelegten Kalkulationen deutlich, dass die Klägerin durchaus nicht willkürlich Kostenbeträge festsetzt, sondern einer ständigen Kontrolle und Anpassung aufgrund der Marktentwicklungen aussetzt. Dies ist nicht zu beanstanden (vgl. auch Senatsurteil vom 15. 2. 2005 - 7 U 140/04).

3. Der Einwand der Verwirkung ist ebenfalls unbegründet. Es fehlt in jeder Hinsicht am erforderlichen Umstandsmoment. Danach muss der Gläubiger durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand geschaffen haben, auf Grund dessen sich der Schuldner darauf eingerichtet hat, die Forderung nicht mehr erfüllen zu müssen (Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 242 Rn. 95). Aufgrund welcher Umstände die Beklagte nach ihrer Mitteilung von der Benutzung des Abwasseranschlusses ab 31.12.2005 berechtigt davon ausgehen durfte und sich auch darauf eingestellt hat, dass die Klägerin die Kosten und den Zuschuss nicht mehr geltend machen wird, ist weder dargetan noch ersichtlich.

4. Mit der Einrede der Verjährung dringt die Beklagte teilweise durch.

a) Den Anspruch auf die Hausanschlusskosten (Grund - und Meterpreis) hat das Landgericht mit zutreffender Begründung nicht als verjährt angesehen; denn die Verjährungsfrist begann erst mit der Erteilung der Rechnung der Klägerin zu laufen.

Die Verjährungsfrist der §§ 195,199 BGB beginnt mit der Entstehung der Forderung. Entstanden ist ein Anspruch, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann, wofür Voraussetzung die Fälligkeit der Forderung ist (Palandt/Heinrichs, a.a.o., § 199 Rn.3 m.w.N.). Die Erteilung einer Rechnung ist im Normalfall keine Fälligkeitsvoraussetzung, auch dann nicht, wenn der Schuldner einen Anspruch auf eine Rechnung hat und diese erst den Anspruch betragsmäßig festsetzt. Der Anspruch ist fällig und entstanden, wenn der Gläubiger die Rechnung hätte erteilen können (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 199, Rn.5).

Ausnahmsweise kann der Zugang einer Rechnung Fälligkeitsvoraussetzung sein, wenn die Parteien darüber eine besondere Vereinbarung getroffen haben. (Palandt/Heinrichs, a.a.O., Rn. 6 f). Letzteres ist hier der Fall. Für die Fälligkeit von Grundpreis und Meterpreis enthält § 11 Nr. 3 ABE a.F. (i.V.m. § 16 ABE a.F.= §17 n.F.) eine solche Sondervereinbarung, so dass die Fälligkeit dieser Kostenforderung erst nach Stellung der Rechnung Anfang Mai 2007 eingetreten ist und im Zeitpunkt der hemmenden Zustellung des Mahnbescheids im Juli 2007 (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB) noch keine Verjährung eingetreten war.

b) Verjährt ist allerdings der Anspruch auf Zahlung des Baukostenzuschusses. Die Fälligkeit dieses Anspruchs hängt nicht von der Erteilung einer Rechnung ab. Vielmehr entsteht nach § 12 Abs. 1 S. 2 ABE a.F. die Verpflichtung zur Zahlung des Baukostenzuschusses, sobald das Grundstück an die öffentliche Kanalisation angeschlossen ist.

Der Hinweis in § 12 Abs. 4 ABE a.F., dass Baukostenzuschuss und Hausanschlusskosten getrennt abzurechnen sind, besagt nichts darüber, dass der Baukostenzuschuss erst mit der Zustellung einer Rechnung fällig werden soll. Der eindeutige Wortlaut des § 12 Abs. 1 ABE a.F. spricht dagegen. Geschäftsbedingungen sind eng und im Zweifel gegen den Verwender auszulegen (§ 305c Abs. 2 BGB).

Danach kommt es darauf an, wann der Anschluss hergestellt war. Im Schriftsatz vom 18.3.2008 hat die Klägerin zugestanden, dass der streitgegenständliche Schmutzwasserhausanschlusskanal durch die Auftragnehmerin der Klägerin, die ... GmbH, am 6.11.2002 vollständig hergestellt worden und die Einleitung von Schmutzwasser ab dem 1.3.2003 möglich gewesen sei.

Da das Grundstück gemäß § 12 Abs. 3 ABE a.F. als angeschlossen gilt, wenn der Abwasserkanal betriebsfertig hergestellt ist, ist für die Frage, wann der Anspruch entstanden ist, von dem Datum 1.3.2003 auszugehen. Danach hat die Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB am 1.1.2004 begonnen und ist vor gerichtlicher Geltendmachung schon am 31.12.2006 verjährt; denn die weitere Voraussetzung, dass die Klägerin gemäß § 199 Abs.1 Nr. 2 BGB von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners in verjährter Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen, liegt ebenfalls vor.

Die Klägerin muss sich die Kenntnis von der Herstellung des Abwasserkanals durch ihre Auftragnehmerin, die ... GmbH ( ) nach dem Rechtsgedanken des § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen. Wenn die Klägerin die ihr obliegende Aufgabe zur Herstellung der Hausanschlüsse auf einen Dritten überträgt, muss sie für den gebotenen Informationsaustausch sorgen und kann sich nicht auf Unkenntnis von Umständen berufen, die ihren Geschäftsbereich betreffen.

Erheblich kann daher nur der Einwand sein, die EE habe den Anschluss des Grundstücks der Beklagten ohne Auftrag durchgeführt. Dieser Einwand greift allerdings nicht durch. Die Behauptung der Klägerin, der Anschluss sei irrtümlich erfolgt, weil die von einer Beauftragung durch die Beklagte ausgegangen sei, die tatsächlich nicht vorlag, ist rechtlich ohne Bedeutung. Die ... war damals ersichtlich nicht allein für einen Anschluss des Grundstücks der Beklagten beauftragt, sondern sollte im Rahmen einer weit umfassenderen Maßnahme ab 23.8.2002 den öffentlichen Straßenkanal und auch die jeweiligen Hausanschlüsse herstellen. Darauf, ob die ausführende Firma irrtümlich von einem Auftrag der Beklagten an die Klägerin ausgegangen ist oder nicht, kommt es daher nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob die Klägerin der ausführenden Firma einen Auftrag erteilt hat, auch das Grundstück der Beklagten anzuschließen. Davon ist hier auszugehen.

Zwar trägt grundsätzlich der Vertragspartner, der die Einrede der Verjährung erhebt, die Darlegungs- und Beweislast für die Kenntnis des Gläubigers (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 199 Rn. 46). Hier greift zu Gunsten der Beklagten jedoch der Beweis des ersten Anscheins für die Auftragserteilung ein. Die Tatsachen, dass die Arbeiten im November 2002 abgeschlossen worden sind und die Klägerin die Rechnung der ... unbestritten bezahlt hat, sprechen nach der Lebenserfahrung dafür, dass die nicht ohne Auftrag gehandelt hat. Im Hinblick auf den Anschluss- und Benutzungszwang ist auch davon auszugehen, dass der Auftrag der Klägerin an die das Grundstück der Klägerin umfasste. Anderenfalls hätte sie die gesamte Rechnung nicht bezahlt. Die Klägerin konnte in der mündlichen Verhandlung keine Tatsachen vortragen, die diesen Anschein hätten entkräften können.

II.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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