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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 06.09.2002
Aktenzeichen: 7 U 336/01
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, InsO, BGB, VTV, SGB IV, TVG


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 1 a. F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
EGZPO § 26 Nr. 5
InsO § 143 Abs. 1
InsO § 146 Abs. 1
BGB § 185
BGB § 404
BGB § 412
BGB § 426 Abs. 2
VTV § 34 Abs. 1
SGB IV § 28 h Abs. 1
SGB IV § 28 h Abs. 2
TVG § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 7 U 336/01

Verkündet am: 6. September 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Stummeyer und die Richter am Kammergericht Steinecke und Renner für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5. Oktober verkündete Urteil der Zivilkammer 26 des Landgerichts Berlin - 26 O 299/01 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a. F. i.V.m. § 26 Nr. 5 EGZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist in vollem Umfang begründet. Das Landgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben; denn die Beklagte ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht passiv legitimiert.

I.

1. Nach § 143 Abs. 1 InsO ist grundsätzlich das zurückzugewähren, was der Insolvenzmasse entzogen ist, und nicht, was dem Vermögen des Anfechtungsgegners zugeflossen ist (BGHZ 124, 298, 302). Das bedeutet aber nicht, dass damit im vorliegenden Fall die Haftung der Beklagten begründet ist. Nach dem Sinn und Zweck des Rückgewähranspruchs ist Anfechtungsgegner und damit Schuldner im Sinne des § 143 Abs. 1 InsO nur derjenige, der gegenüber der Gläubigergesamtheit bevorzugt worden ist. Maßgeblich ist daher, wer den wirtschaftlichen Wert aus dem Vermögen des Schuldners erhalten hat (BGH ZIP 1999, 1764, 1765 f.). Unerheblich ist danach zwar, ob der Empfänger den anfechtbar erhaltenen Gegenstand an einen Dritten weitergibt. Empfänger ist jedoch nur derjenige, der einen eigenen Anspruch auf Leistung gegen den Schuldner hat. Wer dagegen einen fremden Anspruch im eigenen Namen kraft erteilter Ermächtigung im Sinne des § 185 BGB geltend macht, ist nicht Empfänger und damit auch nicht Rückgewährschuldner im Sinne des § 143 Abs. 1 InsO.

2. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze ist die Beklagte nicht passiv legitimiert.

a) Die Beklagte wird gemäß 34 Abs. 2 des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986 in der Fassung vom 26. Mai 1999 (VTV) nur als Einzugsstelle tätig. Anspruchsinhaber ist gemäß § 34 Abs. 1 VTV die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse (ULAK). Der Senat sieht in diesem Fall keinen Anlass, die Beklagte anders als eine schlichte Zahlstelle zu behandeln. Es handelt sich im Ergebnis um eine tarifvertraglich bestimmte Form der Prozessstandschaft.

b) Daran ändert auch nichts der Umstand, dass sich die Rechtslage im Rahmen des § 28 h Abs. 1 SGB IV anders darstellt. Die Einzugsstelle tritt nach dieser Bestimmung gegenüber den Beitragsschuldnern als Inhaberin der Gesamtforderung auf. Sie entscheidet gemäß § 28 h Abs. 2 SGB IV über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe und hat kraft Gesetzes einen eigenen Anspruch auf Abführung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Arbeitgeber (vgl. OLG Hamburg ZIP 2001, 708, 710). So ist die tarifliche Regelung im vorliegenden Fall aber nicht ausgestaltet. Die Verfügungsmacht der Sozialkassen wird durch die Einzugsermächtigung nicht eingeschränkt. Das kommt auch in dem Vollstreckungsbescheid vom 18. März 1998 und aus dem Briefkopf der Beklagten zum Ausdruck. Daraus folgt, dass die Beklagte nur als Einzugsstelle einer fremden Forderung im eigenen Namen fungiert und damit keine eigenen Ansprüche durchsetzt (vgl. auch BAG in AP 1980, § 4 TVG Nr. 1; BAG in AP 1991, § 4 TVG Nr. 11). Es ist von der Klägerin nichts dazu vorgetragen worden, dass sie im vorliegenden Rechtsstreit nicht erkennen konnte, dass der streitige Geldbetrag nicht dem Vermögen der Beklagten, sondern der U zugeflossen ist.

c) Hätte die Klage unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung Erfolg, müsste die Beklagte jedenfalls im vorliegenden Fall im Ergebnis doppelt zahlen, weil sie gegenüber der befriedigten U keinen Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 2 BGB durchsetzen könnte. Die U kann sich wegen der nach § 146 Abs. 1 InsO inzwischen eingetretenen Verjährung des Anfechtungsanspruchs auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen. Die Verjährungsfrist von zwei Jahren beginnt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 20. Mai 1999 und ist daher abgelaufen. Die Einrede der Verjährung könnte die L auch gegenüber der Beklagten gemäß §§ 412, 404 BGB geltend machen. Dieses Ergebnis ist durch nichts gerechtfertigt.

II.

Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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