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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 04.06.2004
Aktenzeichen: 7 U 363/03
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 103 Abs. 2
Rechtsfolge des § 103 Abs. 2 InsO ist, dass die Beklagte ihre möglicherweise bestehende Forderung wegen der Nichterfüllung nur als Insolvenzforderung geltend machen kann. Die zwingenden Folgen der Insolvenzeröffnung sind der vertraglichen Gestaltung durch die Parteien entzogen.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 7 U 363/03

verkündet am : 4. Juni 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Stummeyer und die Richter am Kammergericht Renner und Steinecke auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juni 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 27. August 2003 verkündete Urteil der Kammer für Handelsachen 105 des Landgerichts Berlin - 105 O 81/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

A.

Für den Sachvortrag und die Anträge der Parteien in erster Instanz, die dort gestellten Anträge und die Entscheidung des Landgerichtes wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Gegen das am 24. September 2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. Oktober 2003 Berufung eingelegt und diese nach wiederholter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25. Januar 2004 am Montag, dem 26. Januar 2004 begründet.

Die Beklagte, die insbesondere rügt, dass das Landgericht im ersten Termin der Klage stattgegeben hat, ohne ihr Gelegenheit zu geben, ihre Prämienansprüche im Einzelnen dem Grunde und der Höhe nach darzulegen, hat mit der Berufungsbegründung, auf die insoweit verwiesen wird, die Entwicklung des Vertragsverhältnisses zwischen ihr und der Schuldnerin und die daraus nach ihrer Auffassung noch bestehenden Ansprüche auf Zahlung von Versicherungsprämien für die Zeit vom 1. Oktober 2000 bis 1. Oktober 2003 in Höhe von 23.084,83 EUR (45.150,00 DM = 15.050,00 DM pro Jahr) dargelegt. Dabei handelt es sich nur um Prämien, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 4. Juli 2000 angefallen sein sollen. Ansonsten setzen die Parteien ihren Streit um die Rechtsfrage fort, ob und ggf. auf welcher Rechtsgrundlage das zwischen der Beklagten und der Schuldnerin entstandene Rechtsverhältnis mit welchen Rechtsfolgen im Verhältnis zum Kläger noch fortwirkt.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Beklagte mit ihrem ergänzenden Sachvortrag für ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen, bestreitet diesen Vortrag in der Sache und verteidigt unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens das angefochten Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die Berufung ist zulässig, denn die Beklagte hat ihr Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt und begründet. In der Sache hat das Rechtsmittel aber keinen Erfolg, denn das Landgericht hat im Ergebnis zurecht festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von dem Kläger aus dem vormals zwischen ihr und der Schuldnerin bestehenden Kautionsversicherungsvertrag, Versicherungsprämien für den Zeitraum nach dem 4. Juli 2000, soweit sie hier Streitgegenstand sind, zu verlangen.

Auf das Berufungsverfahren waren grundsätzlich die Vorschriften der Zivilprozessordnung in der nach dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden, denn die mündliche Verhandlung, auf die das angefochtene Urteil ergangen ist, wurde nach diesem Zeitpunkt geschlossen (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Materiell waren der Entscheidung die Vorschriften der am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung zugrunde zu legen, denn das Verfahren ist nach dem 31. Dezember 1998 beantragt worden (Art. Art. 104 EGInsO).

Im Ansatz ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte die Darlegungslast für das Bestehen der Forderung, der sie sich berühmt hat, trägt (Darlegungslast der Beklagten bei negativer Feststellungsklage; Zöller/Greger, 22. Aufl. § 256 Rn. 18). Das Landgericht hätte die Beklagte aber auf diese von ihr in seinen Konsequenzen offenbar nicht richtig eingeschätzten Umstand nach § 139 Abs. 2 ZPO hinweisen müssen, denn sie konnte kaum erwarten, dass das Landgericht die Klage im ersten Termin schlicht daran scheitern lassen will, dass die Prämienansprüche bisher nicht hinreichend dargetan sind, nachdem die Rechtsfragen im Vordergrund der Diskussion gestanden hatten. Dies ist ein wesentlicher Verfahrensfehler (§ 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Gleichwohl erweist sich das Urteil aus anderen Gründen als richtig.

Die Beklagte kann von dem Kläger nicht mehr die Erfüllung des Kautionsversicherungsvertrages verlangen, denn die wechselseitigen Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis sind nach § 103 InsO nicht mehr durchsetzbar.

Entgegen der Auffassung des Klägers liegt kein Fall der §§ 115, 116 InsO vor. Für den Anwendungsbereich dieser Vorschriften besteht in der Literatur Streit darüber, ob der Vertrag selbst erlischt oder nur die Geschäftsbesorgungsbefugnis (vgl. Vosberg, ZIP 2002, 968, 970 f.). Die Beantwortung dieser Frage kann im Ergebnis offen bleiben, denn hier geht es letztlich nicht um die Geschäftsbesorgung durch die Beklagte in der Zeit nach Insolvenzeröffnung, sondern um die Gegenleistung der Schuldnerin für die Zurverfügungstellung von Bürgschaften, die die Beklagte für die Schuldnerin in der Zeit vor Insolvenzeröffnung übernommen hatte, also nur um die weitere Zahlung von Versicherungsprämien.

Mit seinem Antrag "festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von dem Kläger aus dem vormals zwischen ihr und der ... Heizungs- ... GmbH bestehenden Kautionsversicherungsvertrag, ....., Versicherungsprämien für den Zeitraum nach dem 4. Juli 2000 zu verlangen" hat der Kläger den Streitgegenstand auf die Zahlungen der Versicherungsprämien beschränkt. Die Klageschrift enthält zwar die zusätzliche Bezeichnung "wegen Aussonderung". Dies bezieht sich aber nur auf den Umstand, dass die Beklagte Befriedigung aus dem Festgeldkonto verlangt. Die weitergehende Frage, ob der Kläger das Festgeld verwerten darf, oder ob die Beklagte wegen der Inanspruch-nahme aus einzelnen Bürgschaften auf das Festgeld zurückgreifen darf, haben die Parteien im Rechtsstreit zwar im Ansatz diskutiert, aber eindeutig nicht zum Gegenstand des Rechtsstreites gemacht. Dies gilt auch für mögliche Ansprüche der Beklagten gegen den Kläger aus Bereicherung und/oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung. In der Erörterung im Berufungstermin hat der Kläger klargestellt, dass sich sein Rechtsschutzbegehren auf die schlichte Frage reduziert, ob der Beklagten noch die Gegenleistung (Versicherungsprämien) für die Inanspruchnahme von Bürgschaften zusteht. Diese Frage richtet sich nicht nach §§ 115, 116 InsO, sondern ist durch § 103 InsO geregelt. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 4. März 1993 auf eine Kapitallebensversicherung § 17 KO (= § 103 InsO) angewendet (ZIP 1993, 600). Die von der Beklagten herangezogene gegenteilige Auffassung des Amtsgerichts Dresden (Urteil vom 21. März 2000 - 115 C 9618/99 - Anlage B 3) hat sich damit erledigt, und überzeugt auch deshalb nicht, weil das dort zur Begründung herangezogene Zitat (Hess, Kommentar zur InsO, § 103 Rn. 3) Gesellschaftsverträge behandelt.

Nach § 103 InsO verlieren die Ansprüche der Beklagten auf Prämienzahlung und mögliche Ansprüche der Schuldnerin auf die Erteilung weiterer Bürgschaften ihre Durchsetzbarkeit (vgl. BGH Urteil vom 25. April 2002 - IX ZR 313/ 99 - Seite 9 f.), soweit der Insolvenzverwalter nicht die Erfüllung des Vertrages wählt, wobei hier schon aus der Erhebung der negativen Feststellungsklage das Gegenteil folgt. Hier weigert der Kläger sich gerade, weitere Prämien zu zahlen, worin eine Ablehnung der Erfüllung des Vertrages liegt. Einer ausdrücklichen Kündigung bedurfte es dabei nicht (BGH ZIP 1993, 600).

Die weitere Voraussetzung des § 103 Abs. 1 InsO "nicht vollständig erfüllt" ist gegeben, denn die Beklagte hat die ihr aufgrund des Vertrages obliegenden Leistungen noch nicht voll erbracht (Inanspruchnahme durch Dritte aus Bürgschaften), wobei die Schuldnerin durch derartige Zahlungen zumindest mittelbar begünstigt wird. Auch die Schuldnerin hat gerade die Prämienleistungen für die Zeit nach Insolvenzeröffnung (zumindest teilweise) noch nicht erbracht. Außerdem handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis, bei dem die Beklagte selbst bei vorübergehender Erschöpfung des Bürgschaftsrahmens wieder zur Stellung von Bürgschaften verpflichtet wäre, wenn sich das Obligo durch Rückgabe von Bürgschaftsurkunden verringerte.

Die von der Beklagten herangezogene gegenteilige Auffassung des Amtsgerichts Charlottenburg (Urteil vom 24. Juli 2001 - 217 C 58/01 - Anlage B 6) überzeugt schon deshalb nicht, weil das Gericht übersieht, dass der Vertrag nach § 103 Abs. 1 InsO von beiden Seiten erfüllt sein muss, was hier ersichtlich nicht der Fall ist.

Rechtsfolge des § 103 Abs. 2 InsO ist, dass die Beklagte ihre möglicherweise bestehende Forderung wegen der Nichterfüllung nur als Insolvenzforderung geltend machen kann. Hieran vermögen auch die "Allgemeinen Bedingungen" der Beklagten für Kautionsversicherungen, die selbst im Falle der Kündigung des Vertrages von der Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur weiteren Prämienzahlung, soweit die Bürgschaften noch nicht zurückgeführt worden sind, ausgehen, nichts zu ändern, denn die zwingenden Folgen der Insolvenzeröffnung sind der vertraglichen Gestaltung durch die Parteien entzogen (vgl. hierzu: BGHZ 74, 253 zur Beendigung eines Kontokorrentverhältnisses einschließlich der antizipierten Verfügungsvereinbarungen und Verrechnungsvereinbarungen durch die Eröffnung des Konkurses).

Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch die Anwendung der §§ 115, 116 InsO letztlich zum gleichen Ergebnis führte.

Nach diesen Vorschriften erlischt ein etwaiger Auftrag, wenn er sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen bezieht. Nur bei Gefahr darf der Beauftragte den Vertrag fortsetzen und die damit verbunden Ersatzansprüche nach § 115 Abs. 2 InsO bzw. Vergütungsansprüche nach § 116 Abs. 2 InsO als Massegläubiger geltend machen. Damit hat er aber kein Recht auf abgesonderte Befriedigung. Abgesehen davon lag hier auch keine Gefahr vor, die eine Fortsetzung des Kautionsversicherungsvertrages rechtfertigen könnte.

Abschließend sei hinsichtlich des Zugriffs auf die zur Sicherheit abgetretenen Bankguthaben in Höhe von insgesamt 175.000,00 DM - der nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist - auf Folgendes hingewiesen:

Nach Ansicht des Senates sind Ansprüche aus dem Kautionsvertrag, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahren entstehen sollten, nicht durch diese Abtretung gesichert.

Die Abtretung der Forderung an die Beklagte dürfte trotz der Bedenken des Klägers wirksam sein, denn die Forderung ist hinreichend bestimmt. Rechtsfolge der Sicherungsabtretung ist zunächst, dass die Beklagte im Außenverhältnis zur Bank materiell-rechtlich Forderungsinhaber geworden ist. Das reicht aber für eine abgesonderte Befriedigung nicht aus, denn im Innenverhältnis darf der Sicherungsnehmer nur nach Maßgabe des vereinbarten Sicherungszwecks über die Forderung verfügen. Gesichert sind sämtliche Forderungen aus den Versicherungsverträgen. Dazu gehören zweifellos die Prämien und auch eventuelle Rückgriffsansprüche aus § 774 BGB, falls die Beklagte die Gläubiger der Insolvenzschuldnerin befriedigt haben sollte. Nicht dazu gehören außervertragliche Ersatzansprüche oder Bereicherungsansprüche. Entscheidend ist daher, ob der Beklagten gegen die Insolvenzschuldnerin eine Forderung aus dem Versicherungsvertrag zusteht, die von der Sicherungsabtretung erfasst wird. Nach Auffassung des Senates hat die Beklagte die Sicherheit, soweit die Forderungen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht vollwirksam entstanden sind, nicht insolvenzfest erworben.

Die Frage, welche Forderungen besichert sind, richtet sich grundsätzlich nach § 91 InsO (kein Erwerb von Rechten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in sonstiger Weise). Nach § 91 InsO kann aufgrund der Sicherungsabrede zwischen Schuldnerin und Beklagter letztere nur dann und insoweit eine Sicherheit erlangen, wie die Forderung vor Eröffnung voll wirksam geworden ist. Die hier in Betracht kommenden Forderungen entstehen aber erst mit der Eröffnung und später. Dies gilt auch für die nicht streitgegenständlichen Regressforderungen der Beklagten aus § 774 BGB. Selbst wenn Prämienforderungen noch entständen, ohne dass der Verwalter Erfüllung gefordert hat, wären auch diese nicht gesichert, denn Prämienansprüche und sonstige Ersatzforderungen entstehen erst nach dem Ablauf des entsprechenden Zeitabschnittes. Forderungen aus § 774 BGB entstehen erst mit Zahlung auf die Bürgschaft. Dementsprechend steht der Beklagten insoweit auch kein Absonderungsrecht nach § 51 Nr. 1 InsO zu.

Hinzukommt, dass eine eventuelle Prämienzahlung durch die Insolvenzschuldnerin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 81 Abs. 1 InsO unwirksam wäre. Auch dies zeigt, dass Erfüllungsansprüche, die erst nach der Insolvenzeröffnung entstehen, nicht durch Abtretung einer fälligen Forderung gesichert werden können.

Nach alledem konnte die Berufung der Beklagten in keiner Hinsicht Erfolg haben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs.1, 708 Nr.10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechtes noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO n. F.).

Ende der Entscheidung

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