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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 08.11.2005
Aktenzeichen: 7 U 45/05
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 242 | |
BGB § 666 | |
BGB § 675 |
Kammergericht Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: 7 U 45/05
verkündet am : 08.11.2005
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Kammergerichts, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 08. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Stummeyer und die Richter am Kammergericht Sellin und Steinecke
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 9. Februar 2005 verkündete Teilurteil der Zivilkammer 29 des Landgerichts Berlin - 29 O 596/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel aber keinen Erfolg, denn das Landgericht hat sowohl dem mit der Klage verfolgten Zahlungsanspruch als auch dem Auskunftsanspruch jedenfalls im Ergebnis zu Recht stattgegeben.
Die materielle Rechtslage richtet sich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches in der vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechtes geltenden Fassung, denn das den Rechtsbeziehungen der Parteien zugrundeliegende Schuldverhältnis war vor dem 1. Januar 2002 entstanden (Art. 229 § 5 EGBGB).
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte der mit der Klage verfolgte Zahlungsanspruch (3.067,75 €) bereits aus der im Rahmen des Architektenvertrages vom 8. September 1999 zwischen den Parteien geschlossenen Honorarvereinbarung in Verbindung mit der Honorarherabsetzung vom 11. Juli 2000 auf 279.531,37 DM, der Vereinbarung über die Aufzugsinstallation vom 12./ 22. Dezember 2002 über 20.000,00 DM, dem Ingenieurvertrag "Elektrotechnik" vom 10. Juli 2000 über 8.000,00 DM und dem Ingenieurvertrag "Heizung, Lüftung, Sanitär" vom 10. Juli 2000 über 17.000,00 DM zu. Dabei folgt dieser Anspruch nicht aus § 812 Abs. 1 BGB, sondern unmittelbar aus den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien, denn aus einer Vereinbarung über Abschlagszahlungen folgt die vertragliche Verpflichtung des Auftragnehmers, seine Leistungen abzurechnen. Der Auftraggeber hat einen vertraglichen Anspruch auf Auszahlung eines Überschusses. Macht der Auftraggeber einen solchen Anspruch geltend, so genügt er grundsätzlich seiner Darlegungspflicht mit dem Bezug auf die Schlussrechnung des Auftragnehmers und dem Vortrag, dass sich daraus ein Überschuß ergebe. Es ist dann Sache des Auftragnehmers dieser Berechnung entgegenzutreten und nachzuweisen, dass er berechtigt ist, die Abschlagszahlungen endgültig zu behalten (BGH BauR 2004, 1940 m. w. N.). Im vorliegenden Fall besteht zwar die Besonderheit, dass die Beklagte zunächst keine eigene Schlussrechnung gestellt hat, die Parteien sich aber darüber geeinigt haben, dass die Beklagte aufgrund der Vorauszahlungen bereits überzahlt war. Darin sieht der Senat eine Schlussrechnungsvereinbarung, an die die Beklagte nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausnahmsweise gebunden ist.
Für die Entscheidung war es unerheblich, dass der ursprüngliche Architektenvertrag vom 8. September 1999 nicht die Klägerin, sondern die von ihrer Mutter betriebene Hausverwaltung als Bauherrin und Vertragspartnerin ausweist. Zunächst sprechen die Gesamtumstände dafür, dass der Vertrag unmittelbar zwischen den Parteien des Rechtsstreits zustande gekommen ist, da das gesamte Vertragsverhältnis allein zwischen diesen Parteien abgewickelt worden ist (unschädliche Falschbezeichnung). Jedenfalls ist die Klägerin aufgrund der Abtretungsvereinbarung vom 1. Juli 2002 (Bl. 65 d. A.) berechtigt, die Ansprüche aus diesem Vertrag selbst dann im eigenen Namen geltend zu machen, wenn der Architektenvertrag zunächst nicht mit ihr, sondern mit ihrer Mutter zustande gekommen sein sollte.
Die Beklagte kann sich auch nicht (mehr) mit Erfolg darauf berufen, dass die Honorarvereinbarungen gegen den Mindestpreischarakter der HOAI (§ 4 Abs. 1 HOAI) verstoßen. Die jeweiligen Vertragsparteien hatten Pauschalhonorare vereinbart, wobei streitig ist, ob insbesondere die Honorarherabsetzung vom 11. Juli 2000 und die darin vereinbarte Tragwerksplanung die Schriftform im Sinne des § 4 Abs. 1 HOAI eingehalten haben. Insoweit hat die Beklagte den Zugang eines von der Klägerin unterschriebenen Exemplars der Vereinbarung bestritten. Der Zugang ist aber grundsätzlich erforderlich (Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Aufl., § 40 Rdnr. 30).
Formfreie und den Mindestpreischarakter der HOAI außer Betracht lassende Vereinbarungen (Vergleich, Verzicht) können in der Regel formlos erst dann getroffen werden, wenn der Vertrag vom Architekten erfüllt ist und keine Leistungen von ihm mehr erbracht werden müssen, weil kein Streit darüber besteht, dass das Werk mangelfrei erbracht ist (BGH, Urteil vom 27. Februar 2003 - VII ZR 169/02 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Die Parteien haben sich jedoch im Wege einer Schlussrechnungsvereinbarung darüber geeinigt, dass die Beklagte bereits überzahlt ist und der Klägerin noch ein Rückforderungsanspruch in bestimmter Höhe zusteht.
Nach dem die Beklagte mit ihrer (Zwischen-) Rechnung vom 20. Dezember 2001 letztmals einen Teilbetrag von 2.900,00 DM angefordert hatte, stellte die Klägerin fest, dass die Beklagte inzwischen mehr erhalten hatte, als ihr nach der Summe der vereinbarten Pauschalhonorare insgesamt zustand. Dies teilte sie der Beklagten unter Darlegung des Zahlenwerkes im Einzelnen mit Schreiben vom 21. Februar 2002 mit und forderte die Beklagte auf, den Differenzbetrag von 14.605,48 DM (= 7.467,66 Euro) zurückzuzahlen. Die Beklagte erkannte in ihrem Schreiben vom 26. Februar 2002 ausdrücklich an, dass eine Überzahlung erfolgt sei, bat aber aus finanziellen Gründen um Zahlungsaufschub. Später zahlte sie unstreitig einen Teilbetrag von 4.399,91 Euro zurück.
Dieser Schriftwechsel über die Honorarüberzahlung vom 21. / 26. Februar 2002 ist ausnahmsweise als Schlussrechnungsvereinbarung zu werten.
Zwar bestand zu diesem Zeitpunkt jedenfalls noch die Leistungspflicht der Beklagten aus der Leistungsphase 9 und die Klägerin hat den Vertrag erst am 16. Juli 2003 gekündigt. Die Klägerin hat aber im Schreiben vom 21. Februar 2002 im einzelnen aufgelistet, welche Honorarforderungen der Beklagten insgesamt zustehen und eine Überzahlung errechnet. Die Beklagte hat im Schreiben vom 26. Februar 2002 daraufhin ausdrücklich eine Überzahlung eingeräumt, sich dafür entschuldigt und keine eigne Schlussrechnung entgegengesetzt. Zudem hat sie einen Teilbetrag von 4.339,91 € zurückgezahlt. Dieses Verhalten der Beklagten konnte die Klägerin nur so verstehen, dass die Honoraransprüche der Beklagten, die auf den zuvor geschlossenen Honorarvereinbarungen in den Verträgen beruhten und damit weder einen Vergleich noch einen Verzicht beinhalten, endgültig abgerechnet sind. Damit ist die Beklagte nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Bindung an die Honorarschlussrechnung nicht (mehr) berechtigt, weitere Honorarforderungen zu stellen (vgl. BGH BauR 1985, 582).
Der Bundesgerichtshof hat die Bindungswirkung des Architekten an seine Schlussrechnung nur dann verneint, wenn der Architekt gute Gründe dafür hat, nachträglich eine neue Schlussrechnung zu stellen und der Auftraggeber keinen Vertrauensschutz gegen eine Nachforderung hat (BGH NJW 1993, 659 und 661). Hier kann sich die Klägerin ausnahmsweise auf Treu und Glauben berufen, weil sie die Abrechnung selbst vorgenommen, die Beklagte dies ausdrücklich akzeptiert und sogar einen Teilbetrag zurückgezahlt hat.
Folge der Abrechnung ist nicht nur, dass die Nachforderung aufgrund der erstmals mit der Klageerwiderung vom 30. Dezember 2004 vorgelegten Schlussrechnung (Anlage B 1) unzulässig ist, sondern auch, dass die Schlussrechnungssumme aufgrund der Bindungswirkung festgeschrieben ist. Unterschreitet die verbindlich vereinbarte Schlussrechnungssumme den gezahlten Betrag, besteht ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch in Höhe des Differenzbetrages.
2. Das Landgericht hat den Auskunftsanspruch zu Recht zuerkannt. Insoweit folgt der Senat auch der Begründung des angefochtenen Urteils.
Der Anspruch auf Vorlage eines Bestandverzeichnisses über den Schriftwechsel mit den am Bau beteiligten Firmen folgt aus §§ 675, 666 BGB (BGHZ 41, 318, 321). Nach § 260 BGB kann die Erstellung eines Bestandsverzeichnisses verlangt werden, wenn der Auskunftsverpflichtete zur Herausgabe eines Inbegriffs von Gegenständen verpflichtet ist (BGH, a. a. O.). Dies trifft auch auf die Beklagte zu. Der Inhalt der Auskunft ist nach den Grundsätzen des § 242 BGB zu bestimmen. Danach trifft den Architekten eine umfassende Auskunftspflicht, die den Bauherrn nach vorzeitiger Beendigung des Architektenvertrages in die Lage versetzt soll, seine Ansprüche gegenüber den Baufirmen durchzusetzen. Dazu benötigt er den vom Architekten mit den Baufirmen geführten Schriftwechsel, den der Architekt auch herausgeben muss (vgl. OLG Köln BauR 1991, 116 zur Überprüfung des Schlussrechnung des Architekten durch den Bauherrn). Ohne eine Auflistung des Schriftwechsels kann die Klägerin ihren Herausgabeanspruch gegenüber der Beklagten nicht mit der für die Zwangsvollstreckung gebotenen Bestimmtheit beschreiben. Soweit die Beklagte behauptet, die Klägerin sei im Besitz sämtlicher Bauunterlagen, steht das dem Auskunftsanspruch nicht entgegen.
Die Klägerin hat den Erhalt der Bauunterlagen, insbesondere der Abnahmeprotokolle bestritten. Die Beklagte hat im Rechtsstreit nicht im einzelnen vorgetragen, welche Unterlagen sie wann an die Klägerin übergeben haben will. Gerade für die Kontrolle, ob die Unterlagen vollständig übermittelt worden sind, benötigt die Klägerin die von ihr verlangte Auskunft.
Das Auskunftsverlangen ist auch nicht zu unbestimmt oder rechtsmissbräuchlich. Die Erstellung des Bestandsverzeichnisses bezieht sich auf einen konkreten Architektenvertrag. Dabei hat es keine Bedeutung, ob der Klägerin alle Baufirmen bekannt sind, denn sie muss über den Stand der Tätigkeit der Beklagten informiert werden, um ihre Ansprüche gegenüber den Baufirmen durchsetzen zu können. Dabei war insbesondere zu beachten, dass die Beklagte, wie ihr Schreiben vom 14. Januar 2003 ausweist, zunächst im Rahmen der Leistungsphase 9 tätig geworden ist, sodann aber jegliche weitere Auskunkt unterlassen hat, was schließlich am 16. Juli 2003 zur Kündigung des Vertrages führte. Dies macht deutlich, dass es zumindest in der Zwischenzeit zu weiterem Schriftwechsel zwischen der Beklagten und den auf Mängelbeseitigung in Anspruch genommenen Unternehmen gekommen sein wird, dessen Inhalt der Klägerin bekannt sein muss, um ihrerseits die begonnene Nachbesserung erfolgreich zum Abschluss bringen zu können.
Demnach war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 713, 543 ZPO.
Ende der Entscheidung
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