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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 04.12.2007
Aktenzeichen: 7 U 77/07
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 631 Abs. 1 |
Kammergericht
Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: 7 U 77/07
verkündet am: 04.12.2007
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 04.12.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Stummeyer und die Richter am Kammergericht Renner und Sellin
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 23. November 2006 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin - 12 O 631/05 - abgeändert:
Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Potsdam vom 8. September 2005 - 15 B 13503/05 - wird aufrechterhalten.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
I.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz einschließlich der dort von den Parteien gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird auf das am 23. November 2006 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin - 12 O 631/05 - Bezug genommen.
Gegen das der Klägerin am 16. März 2007 zugestellte Urteil hat sie am 16. April 2007 Berufung eingelegt und diese am Montag, den 18. Juni 2007 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 16. Juni 2007 verlängert worden war. Sie trägt vor, der Beklagte habe in Zeugengegenwart zugesichert, notfalls persönlich für die Zahlung der Rechnungen haften zu wollen. Er habe sich wegen Betruges strafbar gemacht, da er die Klägerin mit Werkleistungen beauftragt habe, obwohl er nicht in der Lage gewesen sei und auch nicht die Absicht gehabt habe, diese zu bezahlen. Die ihm von der Bauherrin zur Bezahlung der Subunternehmer ausgehändigten Gelder habe er als faktischer Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin veruntreut. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens sei festgestellt worden, dass der Beklagte im großen Umfang Gelder von Bauherren eingezogen, diese aber nicht für betriebliche Zwecke verwendet habe. Zumindest über einen Betrag von 177.000,00 DM (90.498,66 EUR) habe er Schecks für sich persönlich ausgestellt und das Geld vereinnahmt. Mit Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 25. Januar 2006 sei er wegen Unterlassung einer Insolvenzbeantragung und Bankrotts zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt worden. Ihm könne nicht zugute kommen, dass er keine ordnungsgemäßen Handelsbücher geführt habe und somit die Übersicht über den Vermögensstand der Insolvenzschuldnerin erschwert habe.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Potsdam vom 8. September 2005 - 15 B 13503/05 - aufrechtzuerhalten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und bestreitet, ein Garantieversprechen abgegeben zu haben. Er trägt vor, es habe für ihn keine Veranlassung bestanden, eine persönliche Haftung zu übernehmen. Ein Schadensersatzanspruch wegen Betruges oder Untreue sei nicht schlüssig dargetan worden. Er habe keine Gelder veruntreut. Die B & S Bn un Snnnnnnnnnnnnnnnnnn mbH (B & S) habe seinerzeit davon ausgehen können, ihre Verbindlichkeiten aufgrund vertragsgerechten Verhaltens der Bauherrin bedienen zu können. Zum Hinweis des Senats vom 21. August 2007, dass auch eine Durchgriffshaftung in Betracht kommen könne, meint der Beklagte, dass die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze auf den faktischen Geschäftsführer der Gesellschaft keine Anwendung fänden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Strafakten des Amtsgerichts Rostock 22 Ds 127/04 haben zur Information des Senats vorgelegen. Sie waren im Umfang der Ablichtungen aus Bd. II, Bl. 65 - 71 Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
1. Die materielle Rechtslage richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs in der vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts geltenden Fassung, denn das den Rechtsbeziehungen der Parteien zu Grunde liegende Schuldverhältnis ist vor dem 1. Januar 2002 entstanden (Art. 229 § 5 EGBGB). Die zitierten Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) beziehen sich daher auf diese Fassung des Gesetzes.
2. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil in grober Weise gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen, indem es Vortrag der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen und insbesondere die unter Beweis gestellte Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe sich ihr gegenüber persönlich zur Zahlung verpflichtet, ohne Beweisaufnahme vorab in unzulässiger Weise gewürdigt hat. Dadurch ist es zu einem Ergebnis gekommen, das in keiner Hinsicht haltbar ist. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Beklagte gegenüber der Klägerin eine Zahlungszusage gemacht oder ihm zur Weiterleitung an die Klägerin überlassene Gelder der Bauherrin veruntreut hat; denn die Klägerin hat gegen den Beklagten aufgrund des unstreitigen Sachverhalts als den faktischen Alleingesellschafter der Insolvenzschuldnerin B & S einen Anspruch auf Zahlung von restlichem Werklohn in Höhe von 48.288,10 EUR gemäß § 631 Abs. 1 BGB nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der Durchgriffshaftung.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine persönliche Haftung von GmbH-Gesellschaftern in Betracht, wenn die Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen durch eine undurchsichtige Buchführung oder auf andere Weise verschleiert worden ist; denn dann können die Kapitalerhaltungsvorschriften, deren Einhaltung ein unverzichtbarer Ausgleich für die Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen ist, nicht funktionieren. Dies kann es rechtfertigen, ausnahmsweise den Gläubiger außer dem nicht mehr wirksam geschützten Haftungsfond der Gesellschaft das Privatvermögen der Gesellschafter zur Verfügung zu stellen (BGH NJW 1994, 1801 f, m.w.N.). Generell wird von der Rechtsprechung eine Durchgriffshaftung auf den Gesellschafter einer GmbH dann zugelassen, wann die Verwendung der Rechtsfigur der juristischen Person dem Zweck der Rechtsordnung widerspricht, sie also missbraucht wird, oder die Berufung auf die förmliche Verschiedenheit zwischen Gesellschaft und Gesellschafter gegen Treu und Glauben verstößt (BGHZ 22, 226 ff, 230).
b) Von einer "Vermögensvermengung" zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern, die trotz gesellschaftsrechtlich einwandfrei begründeter Haftungsbeschränkung unter Umständen zu einer persönlichen Inanspruchnahme der Gesellschafter führen kann, ist auszugehen, wenn sich nicht ermitteln lässt, welcher Vermögensgegenstand zum Gesellschafts- und welcher zum Privatvermögen gehört. Das wird in der Regel nur der Fall sein, wenn das Gesellschaftsvermögen in den Büchern der Gesellschaft unzureichend ausgewiesen, die Buchführung aus anderen Gründen undurchsichtig oder die Vermögensabgrenzung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern sonst verschleiert worden ist. Die deutliche, aus den Büchern zu belegende Trennung von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen gehört zu den unverzichtbaren Voraussetzungen für die beschränkte Haftung, die die Gesellschafter von Rechts wegen durch die Errichtung von Kapital- oder Kommanditgesellschaften mit jeweils eigenem Gesellschaftsvermögen herbeiführen können; die zum Schutze der Gesellschaftsgläubiger erlassenen Kapitalerhaltungsvorschriften beruhen geradezu darauf, dass ein selbständiges Gesellschaftsvermögen gebildet und seinem Umfange nach vom Eigenvermögen der Gesellschafter abgegrenzt feststellbar bleibt (BGH NJW 1985, 740).
aa) Diese Grundsätze der Durchgriffshaftung sind auf den Beklagten anzuwenden. Es kommt nicht darauf an, dass der Beklagte formell kein Gesellschafter der B&S war. Er hat sich insoweit unstreitig der formellen Gesellschafterin und Geschäftsführerin Cnnn Bnnn als Strohfrau bedient. Zwar ist Frau Bnnn damit rechtswirksam die Stellung einer Gesellschafterin erlangt und muss sich im Außenverhältnis gegenüber Dritten als solche behandeln lassen (BGH WM 1971, 306). Das schließt aber nicht aus, die Grundsätze der Durchgriffshaftung auch auf den Beklagten anzuwenden; denn nicht zuletzt aus seiner verantwortlichen Vernehmung im Strafverfahren 22 Ds 127/04 vor dem Amtsgericht Rostock und dem Bericht des Insolvenzverwalters Rechtsanwalt Dnnn vom 15. April 2002 (Anl. K 17, Bl. 91 R ff. d.A.) folgt, dass der Beklagte wirtschaftlich Träger der B&S war. Er hatte mit 24.500,00 DM den wesentlichen Anteil des Stammkapitals in Höhe von insgesamt 25.000,00 DM Frau Bnnn zur Verfügung gestellt, weil er wegen seiner Alkoholprobleme nicht "in der ersten Reihe" stehen wollte. Dieses Geld hatte er sich geliehen und musste es auch wieder zurückzahlen. Den Notartermin zum Abschluss des Gesellschaftsvertrages hatte er organisiert. Die Geschäfte der B&S hat er aufgrund einer von Frau Bnnn erteilten Generalvollmacht alleine wahrgenommen und auch die Verträge mit der Bauherrin und der Klägerin für die B&S abgeschlossen. Irgendwelche geschäftlichen Aktivitäten der B&S, an denen Frau Bnnn beteiligt war, gab es nicht. Deshalb muss der Beklagte sich gegenüber der Klägerin so behandeln lassen, als sei er der Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der B&S gewesen.
bb) Der Umstand, dass der Beklagte weder vor noch nach dem Zeitpunkt des Abschlusses des Werkvertrags mit der Klägerin für die B & S als deren faktischer Geschäftsführer eine ordnungsgemäße Buchführung veranlasst bzw. vorgenommen hat, ergibt sich ebenfalls mit großer Deutlichkeit aus dem Bericht des Insolvenzverwalters vom 15. April 2002. Der Insolvenzverwalter stellt darin fest, dass er mangels zur Verfügung stehender Geschäftsunterlagen lediglich fragmentarische Informationen über die Situation der Insolvenzschuldnerin sammeln konnte (Bl. 95 R). Offensichtlich hat der Beklagte lediglich Gelder vereinnahmt, aber keine Rechnungen bezahlt. Aus der Strafakte ergibt sich, dass er sechs Schecks über insgesamt 177.00,00 DM für sich selbst ausstellte und einlöste. Dass irgendwelche der auf Rechnungen der Insolvenzschuldnerin vereinnahmten Zahlungen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft verwendet wurden, ist danach nicht ersichtlich.
cc) Hierfür ist der Beklagte und nicht etwa allein die von ihm als Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin eingesetzte Frau Bnnn verantwortlich, die tatsächlich nur Strohfrau war. Ob diese neben dem Beklagten auch nach den Grundsätzen der Durchgriffshaftung in Anspruch genommen werden könnte, kann im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben. Entscheidend für die Haftung des Beklagten ist auch, dass Frau Bnnn nach seiner Aussage im Strafverfahren mit dem Geschäftskonto nichts zu tun hatte. Ihre Aufgabe beschränkte sich darauf, ihm Vollmachten zu erteilen, die er als faktischer Geschäftsführer benötigte. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Durchgriffshaftung kommen deshalb hier in vollem Umfang zum Tragen, sodass der Beklagte für die dem Grunde und der Höhe nach unstreitigen Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin aus dem Werkvertrag mit der Klägerin zu haften hat.
dd) Dass der Beklagte wie ein Gesellschafter verantwortlich ist, ergibt sich auch aus dem Rechtsgedanken des § 9 a Abs. 4 GmbHG. Nach dieser Vorschrift sind neben den Gesellschaftern solche Personen in gleicher Weise verantwortlich, für deren Rechnung die Gesellschafter Stammeinlagen übernommen haben. Das ist hier unstreitig der Fall; die Strohfrau Bnnn hat die Stammeinlage in Höhe von 24.500,00 DM unstreitig für Rechnung des Beklagten übernommen. Unter diesen Umständen verstößt die Berufung des Beklagten auf die Trennung von Gesellschaft und Gesellschaftern gegen Treu und Glauben (vergl. Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbH- Gesetz, 18, Aufl. § 13 Rdn. 10 m.w.N.). Hier wird die Rechtsfigur der GmbH ausschließlich benutzt, um sich der persönlichen Haftung für die eingegangenen Verbindlichkeiten zu entziehen. Es ist bereits fraglich, ob unter diesen Umständen nicht von einem Eigengeschäft des Beklagten auszugehen ist. Jedenfalls liegt darin, dass der Beklagte sich nur der Hülle der GmbH bedient hat, um der Eigenhaftung zu umgehen, ein Missbrauch, der nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zur Durchgriffshaftung des Beklagten führt.
3. Da die Klage somit gemäß § 631 Abs. 1 BGB i.V.m. den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der Durchgriffshaftung begründet ist, kann dahinstehen, ob der Beklagte außerdem wegen der nach Behauptung der Klägerin von ihm abgegebenen Garantieerklärung, nach § 826 BGB oder nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263 oder 266 StGB haftet.
4. Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB begründet.
5. Die Berufung der Klägerin musste deshalb Erfolg haben.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache der Fortbildung des Rechts dienen kann (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Zu der Frage der Durchgriffshaftung eines faktischen Gesellschafters gibt es, soweit ersichtlich, noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung.
Ende der Entscheidung
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