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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 22.07.2008
Aktenzeichen: 7 W 42/08
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 116 Abs. 1 |
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 7 W 42/08
22.07.2008
In dem Prozesskostenhilfeverfahren
hat der 7. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Stummeyer und die Richter am Kammergericht Langematz und Renner am 22. Juli 2008 beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den seinen Prozesskostenhilfeantrag zurückweisenden Beschluss des Landgerichts Berlin vom 14. Februar 2008 - 31.O.26/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
Der Antragsteller begehrt als Insolvenzverwalter Prozesskostenhilfe für eine von ihm beabsichtigte Klage, mit der er von den Antragsgegnerinnen Zahlung von Werklohn der Insolvenzschuldnerin aus drei Bauvorhaben verlangt. Die Antragsgegnerinnen sind dem entgegengetreten. Die Einzelrichterin des Landgerichts hat es dahinstehen lassen, ob die Klage hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO bietet und hat die Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 14. Februar 2008 ausschließlich mit der Begründung verweigert, dass den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten die Kostenaufbringung zuzumuten ist (§ 116 Abs.1 Nr.1 ZPO). Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Beschlusses vom 14. Februar 2008 Bezug genommen.
Gegen den ihm am 21. Februar 2008 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 25. März 2008 (Osterdienstag) sofortige Beschwerde eingelegt und die Begründung nach entsprechender Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 29. April 2008 noch ergänzt. Wegen des Inhalts der Beschwerdebegründung wird auf vorgenannte Schriftsätze Bezug genommen.
Die Einzelrichterin des Landgerichts hat der Beschwerde mit Beschluss vom 10. Juni 2008, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, nicht abgeholfen und sie dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Zu diesem Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 8. Juli 2008 Stellung genommen, wobei er wegen der darin enthaltenen Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Insolvenzschuldnerin einer Übersendung an die Antragsgegnerinnen gemäß § 117 Abs.2 S.2 ZPO nicht zugestimmt hat.
Die sofortige Beschwerde ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden und somit zulässig (§§ 567 Abs.1 Nr.1, 127 Abs.2 und 3, 569 ZPO). Nachdem ihr die Einzelrichterin des Landgerichts nicht abgeholfen hat, ist hierüber durch das Beschwerdegericht zu entscheiden, wobei der an sich gemäß § 568 S.1 ZPO zuständige Einzelrichter die Sache aus den Gründen, die auch Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde gegeben haben, gemäß § 568 S.2 ZPO durch Beschluss vom 22. Juli 2008 auf den Senat übertragen hat.
Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet, denn es ist davon auszugehen, dass die Kosten vom Antragsteller als Partei kraft Amtes zwar nicht aus der verwalteten Vermögensmasse aufgebracht werden können, es aber den wirtschaftlich Beteiligten, hier den Insolvenzgläubigern, zumutbar ist, die Kosten für den vom Antragsteller beabsichtigten Prozess aufzubringen.
Zunächst ist entsprechend den Angaben des Antragstellers, die insoweit auch vom Landgericht im Nichtabhilfebeschluss zugrunde gelegt worden sind, von festgestellten Insolvenzforderungen in Höhe von rund 2,554 Mio. Euro einschließlich der voraussichtlichen Ausfallhaftung auszugehen und von aufzubringenden Prozesskosten von rund 22.286,- Euro. Zutreffend ist ferner, dass im Rahmen der Zumutbarkeitsabwägung nicht die gesamte Klageforderung von 711.655,25 Euro in Ansatz zu bringen ist, sondern ein Abschlag für Prozess- und Vollstreckungsrisiko vorzunehmen ist. Bei der Bemessung dieses Abschlags folgt der Senat der Auffassung des Antragstellers von 50% und hält den vom Landgericht zugebilligten Abzug von 20-30% für zu gering. Die Forderung ist in voller Höhe umstritten und die Antragsgegnerinnen haben unstreitig bereits ihrerseits im Jahr 2004 Klage gegen die Insolvenzschuldnerin über rund 331.000,- Euro erhoben (28.O.313/04 Landgericht Berlin), über die wegen der nachfolgenden Insolvenzeröffnung noch nicht entschieden worden ist. Dies bedeutet allerdings entgegen der Auffassung der Antragsgegnerinnen nicht, dass hier der Einwand der doppelten Rechtshängigkeit greifen würde, denn der Streitgegenstand beider Verfahren ist nicht der Gleiche.
Da nach den Angaben des Antragstellers im Schriftsatz vom 1. Juli 2008 zur Zeit nur noch von einer Masseunterdeckung von rund 2.500,-Euro auszugehen ist, würde nur die halbe Klageforderung abzüglich dieser Unterdeckung und mithin 353.327,76 Euro als Quotenbetrag anzusetzen sein, um den sich die Insolvenzmasse zugunsten der Gläubigergemeinschaft mehren würde. Daraus errechnet sich eine Quote von rund 13,83 %, während die Gläubiger ohne Prozess mit überhaupt keiner Quote rechnen könnten.
Wie der Antragsteller zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich daraus die Frage, ob es Insolvenzgläubiger gibt, denen ein Kostenbeitrag für das beabsichtigte Verfahren bei dieser Quote zuzumuten ist. Dies ist nach Auffassung des Senats im Ergebnis zu bejahen.
Wirtschaftlich Beteiligte im Sinne des § 116 Abs.1 ZPO sind die Insolvenzgläubiger. Zumutbar ist denjenigen Gläubigern die Kostenbeteiligung, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozesskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung voraussichtlich deutlich größer sein wird (BGH, Beschluss vom 6. März 2006 - II ZB 11/05 - m.w.N.).
In dieser Entscheidung hat der BGH unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls eine Zumutbarkeit bei einer Quote von 12,88% verneint. Soweit der BGH darin zur Begründung ausgeführt hat, dass zu den Gesamtumständen auch die Tatsache gehört, dass die "im Falle der Rechtsverfolgung zu erwartende Insolvenzquote ebenso wie die Quotenerhöhung unter 13% liegt", geht der Senat nicht davon aus, dass dies als Grenzwert gemeint war und der BGH bei einer darüber hinaus gehenden Quote ohnehin auf jeden Fall anders entschieden hätte. Überhaupt kann dieser Entscheidung insgesamt nicht mit der aus tatrichterlichen Sicht zu wünschenden Deutlichkeit entnommen werden, wann eine Kostenaufbringung der Beteiligten im Sinne des § 116 Abs.1 ZPO zumutbar ist und wann nicht. Soweit der BGH zum Ausdruck gebracht hat, dass neben der oben bereits dargelegten Berücksichtigung von Prozess- und Vollstreckungsrisiko ferner auch die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen ist, folgt dem grundsätzlich auch der Senat, er vermag aber nicht die nachfolgende Begründung des BGH nachzuvollziehen, warum bei der dort festgestellten Gläubigerstruktur eine Zumutbarkeit der Kostenbeteiligung verneint worden ist. Von 34 Einzelgläubigern hatte das Beschwerdegericht unter Ausschluss zweier Sozialleistungsträgern fünf Großgläubiger benannt, von denen der Größte zudem nur für den Ausfall anerkannte Forderungen inne hatte. Geht man davon aus, dass damit zumindest vier Großgläubiger verbleiben, ist nicht verständlich, warum nicht zumindest diesen eine Kostenbeteiligung zugemutet werden konnte.
Soweit der BGH dazu darauf abgestellt hat, dass es einen hohen Koordinationsaufwand für den Insolvenzverwalter erfordert und zudem davon auszugehen ist, dass bekanntermaßen die Gefahr groß ist, dass jeder Gläubiger auf die Finanzierung der Kosten durch die anderen vertraut, was eine Prozessfinanzierung wenig wahrscheinlich macht, findet dies nach Auffassung des Senats in § 116 ZPO keine Grundlage. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum es einen hohen Koordinationsaufwand des Insolvenzverwalters erfordern sollte, vier, fünf oder sieben Gläubiger dazu zu veranlassen, für die Kosten der Rechtsverfolgung aufzukommen, von der sie profitieren sollen. Mit der Begründung des BGH kann im Falle der Masseunzulänglichkeit dem Insolvenzverwalter praktisch kaum noch Prozesskostenhilfe verweigert werden, denn seither wird - und insoweit ist die Gefahr zutreffend als groß bezeichnet worden - von Insolvenzverwaltern in vergleichbaren Fällen immer wieder unter Hinweis auf die obige BGH-Entscheidung in Prozesskostenhilfeanträgen nur noch pauschal die fehlende Zumutbarkeit der Kostenbeteiligung behauptet und auf einen unzumutbaren Koordinationsaufwand abgestellt, ohne dass überhaupt einmal dargelegt wird, dass und welche Maßnahmen der Insolvenzverwalter ergriffen hat, um die Gläubigergemeinschaft oder bestimmte Gläubiger zur Finanzierung zu bewegen und warum dies nicht möglich war bzw. warum konkret dies wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Entscheidend ist nach Auffassung des Senats darauf abzustellen, ob den Insolvenzgläubigern oder zumindest einzelnen Gläubigern objektiv die Aufbringung der Prozesskosten zuzumuten ist. Es kann hierbei auch nicht entscheidend darauf abgestellt werden, ob der Koordinationsaufwand des Insolvenzverwalters, der für seine Tätigkeit schließlich honoriert wird, groß oder klein ist. Auch wenn selbstverständlich zu berücksichtigen ist, dass der Rechtsverfolgung durch den Insolvenzverwalter im Rahmen eines geordneten Insolvenzverfahrens grundsätzlich auch ein eigenständiges schutzwürdiges Interesse beizumessen ist, kann es nicht Sinn und Zweck des § 116 Abs.1 ZPO sein, dass der Insolvenzverwalter auf Kosten des Steuerzahlers Prozesse führen können soll, nur weil es einen hohen Koordinationsaufwand erfordert, die wirtschaftlich Beteiligten zur Kostenbeteiligung zu veranlassen, die sich zudem nach der Auffassung des BGH auf die Finanzierung durch Mitgläubiger verlassen würden, was eine Prozessfinanzierung wenig wahrscheinlich macht. Damit ist die Vorschrift jedoch ausgehöhlt, denn unter diesen Vorgaben wird kein Gläubiger freiwillig zur überflüssigen Eigenfinanzierung schreiten. Bevor der Insolvenzverwalter für einen Prozess Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen kann, ist es ihm durchaus zumutbar, die Finanzierung der Prozessführung durch die wirtschaftlich Beteiligten zu betreiben und zu koordinieren bzw. detailliert im Rahmen des Prozesskostenhilfeantrags darzulegen, warum und weshalb dies im Einzelfall ohne Erfolg geblieben ist und ohne Erfolg bleiben musste. Dies ist hier nicht einmal im Ansatz geschehen.
Vorliegend hat das Landgericht im angefochtenen Beschluss unter Ausschluss von Sozialleistungsträgern 21 Gläubiger mit Forderungen von mindestens 10.000,- €uro benannt, denen eine Kostenaufbringung zumutbar sein dürfte. Der Senat schließt hiervon die Nr. 84 aus, da eine Feststellung der Forderung nur teilweise und deutlich unterhalb von 10.000,- Euro erfolgt ist. Zusätzlich sind aber aus der Gläubigerliste (Anlage PKH 5) die Gläubiger zu Nr. 9, 53, 66, 108, 158 und 208 (Umsatzsteuer) hinzufügen. Es besteht kein Anlass, das Finanzamt als Gläubiger von der Kostenbeteiligungspflicht auszunehmen (Zöller, ZPO, 26.Aufl., § 116 Rn.9 m.w.N.). Diese 26 Großgläubiger repräsentieren damit rund 778.000,- Euro und mithin rund 30% der anerkannten Gesamtforderungen von 2,554 Mio.Euro. Es ist nicht ersichtlich, dass und warum es diesen 26 Insolvenzgläubigern nicht zumutbar sein soll, die Kosten von rund 22.300,- Euro für den beabsichtigten Prozess aufzubringen, durch den selbst unter Berücksichtigung eines 50%igen Risikoabschlags eine Quotenerhöhung von 0 auf 13,83 % erreicht werden könnte, was rund 107.600,-Euro der auf diese Gläubiger entfallenden Gesamtforderung entspricht. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist dieses Verhältnis keineswegs als wirtschaftlich ungünstig zu bezeichnen. Dass der eine Gläubiger - unsolidarisch - darauf vertrauen mag, dass sein auf ihn entfallender Anteil an der Kostenbeteiligung von einem anderen Gläubiger mitgetragen wird, macht weder seine Kostenbeteiligung noch die der anderen Gläubiger unzumutbar. Wenn die Gläubiger trotz objektiver Zumutbarkeit eine Kostenbeteiligung für einen vor allem auch in ihrem Interesse geführten Prozess ablehnen, dann besteht auch kein Bedürfnis diese Prozessführung über öffentliche Mittel zu ihren Gunsten zu legitimieren.
Auf die vom Landgericht offen gelassene Frage der hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage, mit der der Antragsteller im Übrigen aus den Rechnungen vom 13. April 2004 (Anlage K 3), 17. März 2004 (Anlage K 6) und 19. Januar 2004 (K9) immerhin höhere Beträge geltend macht, als sie die Insolvenzschuldnerin überhaupt in den Rechnung zur Zahlung gestellt hatte, kommt es daher auch hier nicht an. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs.1, 127 Abs.4 ZPO.
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs.1 Nr.2, Abs.2 und 3 ZPO zugelassen, weil er die Entscheidung des 2. Zivilsenats des BGH vom 6. März 2006 nicht für überzeugend hält und daher nochmals zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts für erforderlich erachtet.
Ende der Entscheidung
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