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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 10.02.2002
Aktenzeichen: 8 RE-Miet 1/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 174
BGB § 564 b
BGB § 564 b Abs. 2 Nr. 3
BGB § 573 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 8 RE-Miet 1/02

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, die Richterin am Kammergericht Spiegel und den Richter am Amtsgericht Dr. Müther am 10. Februar 2002 beschlossen:

Tenor:

Der Erlass eines Rechtsentscheids wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Kläger nehmen die Beklagten auf Räumung der von diesen innegehaltenen Wohnung in Anspruch.

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks. Durch notariellen Vertrag vom 17. Juli 1998 mit Ergänzung vom 30. Oktober 1998 kauften sie dieses mit mehreren Gebäuden und einer unterirdischen Bunkeranlage bebaute Grundstück zu dem Zweck, die bestehenden Gebäude abzureißen und ein neues Mehrfamilienhaus mit zu veräußernden Eigentumswohnungen zu errichten. Der Kaufpreis für das Grundstück betrug ursprünglich 2.000.000,00 DM und wurde durch den Änderungsvertrag vom 30. Oktober 1998 auf 1.800.000,00 DM herabgesetzt. In dem ursprünglichen Kaufvertrag hatten die Vertragsparteien als Voraussetzung für die Kaufpreisfälligkeit vereinbart, dass das Grundstück frei von Miet- und Nutzungsrechten ist.

Diese Klausel wurde als Gegenleistung für die Kaufpreisreduzierung gestrichen.

Die Beklagten sind auf Grund des Mietvertrages vom 16. Januar 1989 Mieter einer Wohnung im Hause.

Durch Schreiben vom 31. März 1999, 31. August 2000 und 4. September 2000 kündigten die Kläger das Mietverhältnis gemäß § 564 b Abs. 2 Nr. 3 BGB (a.F.). In der Kündigung vom 4. September 2000 führten sie zur Begründung aus: Sie würden bei Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden. Das Grundstück sei schon vor ihrem Eigentumserwerb nicht in einer wirtschaftlich vertretbaren Art und Weise zu bewirtschaften gewesen. Vor dem Erwerb hätten den laufenden Aufwendungen für das Grundstück in Form von Eigenkapitalverzinsung, Betriebskosten, Heizkosten, Instandhaltungsrücklagen und Verwaltungskosten von insgesamt 118.350,34 DM Mieteinnahmen von 31.200,00 DM gegenübergestanden, was zu einer Unterdeckung von 87.150,34 DM geführt habe. Bei Gebäudeerhaltung und Instandsetzung hätten sie laufende Aufwendungen von 166.889,18 DM einschließlich der Zinsen auf Anschaffungskosten und Investitionen zu tragen, während Mieteinnahmen nur in Höhe von 33.000,00 DM pro Jahr zu erwarten seien. Durch Mietsteigerung nach den geltenden Mietverträgen sei die jährliche Unterdeckung von 133.889,18 DM bis zum Jahre 2009 auf 127.648,49 DM zu verringern.

Die Kläger verfügen über eine Abbruchgenehmigung vom 26. Februar 1999. Diese ist unter der aufschiebenden Bedingung erteilt, dass die Wohnungen in dem zum Abriss bestimmten Gebäude in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht frei sind. Auf dem Grundstück ist noch eine weitere Wohnung vermietet, und zwar an die Mieter und W.

Durch Urteil vom 21. August 2000 hat das Landgericht in dem Räumungsrechtsstreit der Kläger gegen die Mieter und W - 61 S 652/99 - die Berufung der Kläger zurückgewiesen, weil die dort streitgegenständliche Kündigung vom 31. März 1999 dem dortigen Beklagten zu 2. nicht zugegangen war und die Beklagten jenes Rechtsstreits die Kündigung vom 17. September 1999 wirksam gemäß § 174 BGB zurückgewiesen hatten.

Durch das am 12. Dezember 2000 verkündete Urteil hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Abbruchgenehmigung vom 26. Februar 1999 könne in absehbarer Zeit nicht wirksam werden, weil die Räumungsklage gegen die verbleibenden Mieter rechtskräftig abgewiesen sei.

Gegen dieses Urteil haben die Kläger fristgerecht die Berufung eingelegt und begründet. Sie wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen und weisen ergänzend darauf hin, dass durch das am 7. August 2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg die Mieter M -K und W auf Grund der erneuten Kündigung vom 31. August 2000 zur Räumung verurteilt worden sind.

Die Kläger beantragen,

die Beklagten unter Änderung des angefochtenen Urteils zur Räumung und Herausgabe der von ihnen innegehaltenen Wohnung im Hause zu verurteilen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie sind der Ansicht, das Verhalten der Kläger stelle ein Spekulationsgeschäft dar. Die Kläger erlitten keinen erheblichen Nachteil, weil sie bei Erwerb des Grundstücks von der Vermietungssituation Kenntnis hatten. Die Kläger versuchten, mit der Kündigung einen wirtschaftlichen Wert zu realisieren, der ihnen niemals zur Verfügung gestanden habe, weil die Vermietung bereits den Kaufpreis gesenkt habe. Das Landgericht hält diese Argumentation der Beklagten für beachtlich, meint jedoch, dass zur Anwendbarkeit des § 564 b Abs. 2 Nr. 3 BGB a. F. auf einen Fall der vorliegenden Art in der Rechtsprechung unterschiedliche Ansichten vertreten werden. Die Frage der Anwendbarkeit dieser Bestimmung werde auch in einer unbestimmten Vielzahl von Streitigkeiten wieder auftreten, da es das erklärte Geschäftsziel der Kläger sei, unwirtschaftliche Grundstücke anzukaufen und durch Abriss und Neubebauung wirtschaftlich zu machen. Sofern das Vorgehen der Kläger von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB (n.F.) gedeckt sei, sei zu erwarten, dass diese Praxis auch von anderen Investoren auf andere Mietverhältnisse angewendet werde. Denn bei zunehmender Verdichtung der Bebauung in Berlin könnten Neubauvorhaben zunehmend nur auf bereits bebauten und vermieteten Grundstücken verwirklicht werden. Das Landgericht hat deshalb dem Senat folgende Frage zum Erlass eines Rechtsentscheids vorgelegt:

"Ist der Eigentümer mit der Verwertungskündigung gemäß § 564 b Abs. 2 Nr. 3 BGB a.F. (= § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB n.F.) wegen Unwirtschaftlichkeit der Fortführung des bestehenden Mietverhältnisses ausgeschlossen, wenn er das Grundstück in Kenntnis der Unwirtschaftlichkeit zum Zwecke der sofortigen Verwertung durch Abriss und Neubebauung erworben hat?"

II.

Der Erlass eines Rechtsentscheids war abzulehnen, da die Vorlage mangels grundsätzlicher Bedeutung unzulässig ist.

1) Der Senat kann sich schon der Ansicht des Landgerichts nicht anschließen, wonach die Frage in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet werde. Die zitierten Entscheidungen sind ausweislich der veröffentlichten Entscheidungsgründe zu anderen Sachverhalten ergangen. Die Entscheidung des Landgerichts Augsburg vom 28.4.1992 (WuM 1992, 614) betraf den Fall, dass der Vermieter das Gebäude nach Sanierung der Wohnungen wieder gewinnbringend veräußern wollte. Die Zivilkammer 64 des Landgerichts Berlin hat ihre Entscheidung vom 25.5.1993 (GE 1993, 807) darauf gestützt, dass das abzureißende "Objekt" erst durch die Ankaufsfinanzierung unwirtschaftlich geworden sei. Sonstige einander widersprechende Entscheidungen sind dem Senat - auch nach Abfrage der Juris-Rechtsprechung, Suchparameter: § 564 b BGB, Abriss, wirtschaftliche Verwertung - nicht bekannt. Vielmehr sprechen die dort zitierten Entscheidungen der Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin (MM 1990, 96) und des Amtsgerichts Berlin-Neukölln (MM 1992, 140) eher dafür, dass die zur Entscheidung gestellte Frage im Sinne des Landgerichts beantwortet wird.

2) Der Senat vermag aber auch nicht zu erkennen, weshalb sich die Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus in der Praxis auch zukünftig immer wieder stellen wird. Soweit das Landgericht auf eine zunehmende Verdichtung der Bebauung in Berlin hinweist, mag dieser Gesichtspunkt bis zum 3.10.1990 von Bedeutung gewesen sein, heute verlagert sich die Bautätigkeit in Bezug auf Wohnraum eher in die Außenbezirke Berlin bzw. dessen "Speckgürtel".

Soweit das Landgericht meint, dass die Vorgehensweise der Kläger für andere Investoren Anlass zu einer gleichen Verfahrensweise biete, dürfte nach Auffassung des Senats wohl das Gegenteil der Fall sein. Gerade die Tatsache der Vermietung von Wohnungen stellt sich als Hindernis dar, das den Erwerb eines Grundstücks zum Zwecke des Abrisses entgegensteht.

Ende der Entscheidung

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