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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 18.08.2005
Aktenzeichen: 8 U 106/04
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 305 b
BGB § 307 ff.
BGB § 125 Satz 2
BGB § 397 Abs. 1
BGB § 31
BGB n.F. § 550
HGB § 346
Von der im Vertrag vorgesehenen Schriftformklausel ist ein Verzicht auf Mietzinsrückstände für die Vergangenheit nicht erfasst.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer:

verkündet am: 18.08.2005

8 U 106/04

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts Elßholzstr. 30 - 33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 18.08.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, die Richterin am Kammergericht Dr. Henkel und den Richter am Landgericht Dittrich

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil des Senats vom 17. Februar 2005 wird aufrechterhalten.

Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Streithelfers zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beklagte darf die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht der Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 09. Februar 2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Die Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor:

Unstreitig habe am 11. Oktober 2001 ein Gespräch in den Geschäftsräumen der Klägerin zwischen dem Streithelfer, dem Geschäftsführer der Klägerin Herrn Bnnn und Herrn Mnnn als bevollmächtigter Berater der Beklagten stattgefunden, in dem es um die Neugestaltung des Mietverhältnisses, insbesondere die Höhe des Mietzinses, gegangen sei. In dem Gespräch hätten die Parteien eine abschließende Vereinbarung mit dem Inhalt getroffen, dass der Mietzins beginnend ab 01. November 2001 auf einen Betrag von 5.930,99 EUR festgesetzt werde. Ferner habe die Klägerin auf offene Mietzinsforderungen aus dem Zeitraum vor dem 01. November 2001 vollumfänglich verzichtet. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 09. November 2001 den Verrechnungsscheck in dieser Höhe übersandt und die in dem Gespräch getroffene Neuregelung bestätigt. Wenn die Klägerin nach dem Gespräch davon ausgegangen sei, dass eine Einigung nicht zustande gekommen sei, hätte die Klägerin jedenfalls nach Erhalt dieses Schreibens reagieren müssen. Das Landgericht hätte daher über die Besprechung Beweis erheben müssen. In der Entscheidung des BGH vom 12. Dezember 2001 - XII ZR 351/99 - habe der BGH entschieden, dass eine einfache Schriftformklausel stillschweigend abbedungen werden könne, aber gleichzeitig nicht ausgeführt, dass sich die Parteien über eine doppelte Schriftformklausel nicht auch kraft mündlicher Vereinbarung hinwegsetzen könnten. Der 20. Zivilsenat des Kammergerichts habe in seiner Entscheidung vom 20. November 2000 - 20 U 421/99 - (GE 2001, 279) die Auffassung vertreten, dass die Vertragsparteien, soweit es sich insbesondere beiderseits um Kaufleute handele, durch nachträgliche individuelle Vereinbarung auch eine qualifizierte Schriftformklausel außer Kraft setzen können. Die Schriftformklausel verstoße auch gegen § 305 b BGB.

Soweit die Klägerin in dem Gespräch vom 11. Oktober 2001 auf Forderungen von vor dem 01. November 2001 verzichtet habe, stelle dies einen Erlass dar, der jedenfalls formfrei vereinbart werden könne.

Es treffe zwar zu, dass nach dem Handelsregisterauszug neben Herrn Bnnn auch ein Herr Dnn zum maßgeblichen Zeitpunkt am 11. Oktober 2001 Geschäftsführer der Klägerin gewesen sei, wobei beide nur gemeinsam mit einem anderen Geschäftsführer oder einem Prokuristen vertretungsberechtigt gewesen seien. Soweit eine Willenserklärung nur durch einen Geschäftsführer erfolgt sei, so könne diese jedoch nachträglich ohne Kenntnis der Einzelheiten des Geschäfts durch den anderen Gesamtvertreter genehmigt werden. Die Klägerin habe dem Schreiben vom 09. November 2001 nicht widersprochen und damit die Willenserklärungen von Herrn Bnnn nachträglich genehmigt. Die Klägerin habe es wissentlich geschehen lassen, dass Herr Bnnn trotz Gesamtvertretung Willenserklärungen für die Klägerin abgebe. Es sei daher von einer Duldungsvollmacht auszugehen. Herr Bnnn habe im Übrigen in dem Gespräch darauf hingewiesen, dass er zur Alleinabgabe der Willenserklärung berechtigt sei.

Ferner hätte das Landgericht zur Behauptung, dass die Klägerin, vertreten durch deren Mitarbeiter Schlüter, im Juni 1996 auf die Mietsicherheit verzichtet habe, Beweis erheben müssen. Insoweit gehe es nicht um eine Änderung des Mietvertrages, sondern um den Verzicht einer sich aus dem Mietvertrag ergebenden Forderung. Auf die Frage des Schriftformerfordernisses komme es daher nicht an. Die Klägerin habe die Kaution über mehrere Jahre nicht gefordert, was für die Verzichtsvereinbarung spreche. Herr Snnnn sei bevollmächtigt gewesen, für die Klägerin Erklärungen abzugeben. Herr Snnnn sei in Bezug auf das streitgegenständliche Mietverhältnis der für die Beklagte zuständige Ansprechpartner gewesen und sei mit allen Fragen des Inhalts des Mietvertrages sowie dessen Abwicklung betraut gewesen, so dass die Beklagte von einer entsprechenden Vollmacht hätte ausgehen können.

Gegen die im Termin der mündlichen Verhandlung säumige Beklagte hat der Senat antragsgemäß ein die Berufung zurückweisendes Versäumnisurteil erlassen. Gegen das der Beklagten am 21. Februar 2005 zugestellte Versäumnisurteil hat diese mit einem bei Gericht am 07. März 2005 eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt.

Der Beklagte beantragt nunmehr,

das Versäumnisurteil des Kammergerichts vom 17. Februar 2005 aufzuheben und unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 09. Februar 2004 - 12 O 294/03 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und der Streithelfer beantragen,

das Versäumnisurteil des Kammergerichts vom 17. Februar 2005 aufrechtzuerhalten.

Die Klägerin trägt vor:

Zwar habe am 11. Oktober 2001 ein Gespräch mit den Beteiligten stattgefunden, in dem über die Behandlung der bereits zu jenem Zeitpunkt erheblichen Mietverbindlichkeiten der Beklagten in Höhe von ca. 100.000,00 EUR gesprochen worden sei. Es sei aber zu keiner Einigung über den behaupteten Verzicht bezüglich der Mietrückstände sowie die behauptete Reduzierung des Mietzinses gekommen. Der Geschäftsführer Bnnn sei auch nicht berechtigt gewesen, die Klägerin beim Abschluss der behaupteten Vereinbarungen zu vertreten. Dies ergebe sich aus dem Handelsregister, wonach Herr Bnnn nicht allein vertretungsberechtigt gewesen sei. Es sei völlig lebensfremd, dass eine solche weitreichende Erklärung ohne Wahrung der Schriftform abgeschlossen worden sein soll. Soweit die Beklagte behaupte, dass die Klägerin auf Mietrückstände in einer Größenordnung von ca. 100.000,00 EUR verzichtet habe, habe die Beklagte selbst in den Schreiben vom 09. November 2001 darauf nicht hingewiesen. Im Übrigen habe das Landgericht den Vortrag der Beklagten zutreffend als widersprüchlich und damit unerheblich gewertet. Wenn tatsächlich eine Einigung schon erzielt worden wäre, hätte die Beklagte in dem Schreiben nicht ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass "mit Einreichung des Schecks die vergleichsweise Neuregelung anerkannt werde ". Das Schreiben könne auch als kaufmännisches Bestätigungsschreiben nicht gewertet werden, weil es nicht im engen zeitlichen Zusammenhang zu dem Gespräch versandt worden sei. Eine Genehmigung der behaupteten Vereinbarung vom 11. Oktober 2001 durch den weiteren Geschäftsführer, Herrn Dnn , sei nicht erfolgt. Dem Schreiben vom 09. November 2001 komme insofern keine Bedeutung zu. Das Schreiben sei an die Buchhaltungsabteilung der Klägerin gesandt worden und Herr Dnn habe davon keine Kenntnis erhalten. Es werde bestritten, dass Herr Bnnn gesagt habe, dass er die Klägerin alleine vertreten könne.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ergebe sich aus der einschlägigen Rechtsprechung des BGH und des Kammergerichts nicht, dass auch eine qualifizierte Schriftformklausel mündlich aufgehoben werden könne. In der Entscheidung vom 12. Dezember 2001 habe der BGH nur zur einfachen Schriftformklausel Stellung genommen, woraus Schlüsse bezüglich der qualifizierten Schriftformklausel nicht gezogen werden könnten. Vielmehr habe der BGH in der Entscheidung vom 17. April 2001 (NJW-RR 1991, 1289) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein qualifiziertes Schriftform-erfordernis nicht mündlich aufgehoben werden könne, sondern allenfalls dann, wenn die Parteien den ausdrücklichen Willen gehabt hätten, das Schriftformerfordernis aufzuheben. Ein solcher Wille habe vorliegend nicht bestanden und sei von der Beklagten auch nicht behauptet. Soweit die Beklagte sich auf die Entscheidung des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 20. November 2000 berufe, lag dieser Entscheidung ein Sachverhalt zugrunde, wonach beide Parteien einen auf die Aufhebung des Schriftformerfordernisses hindeutenden Willen geäußert hätten.

Soweit die Beklagte weiter behaupte, dass Herr Snnnn für die Klägerin auf die Stellung einer Mietsicherheit verzichtet habe, sei dieser zur Abgabe solcher Erklärungen nicht befugt gewesen.

Der Streithelfer trägt vor:

In dem Gespräch vom 11. Oktober 2001 habe der Vertreter der Beklagten den Vorschlag unterbreitet, dass die Klägerin auf die Mietrückstände von nahezu 100.000,00 EUR verzichten solle. Dies sei nicht akzeptiert worden. Das Gespräch habe ohne konkretes Ergebnis geendet. Von dem an die Buchhaltung gerichteten Schreiben vom 09.November 2001 habe der Streithelfer keine Kenntnis gehabt. Aus dem fehlenden Widerspruch könne eine Zustimmung nicht abgeleitet werden.

II.

Der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch des Beklagten gegen das die Berufung zurückweisende Versäumnisurteil des Senats ist unbegründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten Zahlung restlichen Mietzinses in Höhe von 40.000,00 EUR verlangen. Ferner ist die Beklagte verpflichtet, an die Klägerin die Mietsicherheit in Höhe von 18.662,15 EUR durch Stellung einer Bürgschaft zu erbringen.

1.

Die von der Beklagten behauptete mündliche Vereinbarung der Parteien über die Reduzierung des Mietzinses ab November 2001 auf 11.600,00 DM (= 5.930,00 EUR) ist unwirksam. Es kann für die Entscheidung dahingestellt bleiben, ob die behauptete Vereinbarung bereits wegen der fehlenden alleinigen Vertretungsmacht des Geschäftsführers der Klägerin, Herrn Bnnn , (dazu unter Abschnitt 2.) unwirksam ist. Sie konnte jedenfalls keine Wirksamkeit erlangen, weil die Parteien hierbei nicht die in § 17 Abs. 3 des schriftlichen Mietvertrages vereinbarte Schriftform beachtet haben. In § 17 Abs. 3 ist geregelt, dass Änderungen und Ergänzungen des Vertrages der Schriftform bedürfen und auf dieses Schriftformerfordernis nur durch schriftliche Erklärung beider Vertragsparteien verzichtet werden kann. Bei der behaupteten Vereinbarung handelt es sich um eine solche, die als wesentliches Vertragselement - nämlich die Mietzahlungspflicht - den Inhalt des Mietvertrages und damit seine Abänderung für die Zukunft betrifft. Aus dem Wortlaut der Regelung lässt sich zweifelsohne entnehmen, dass diese gewillkürte Schriftform nicht lediglich Beweisfunktion hat, sondern Wirksamkeitsvoraussetzung für die Änderung des Mietvertrages ist.

a)

Es kann für die Entscheidung dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Mietvertrag um eine allgemeine Geschäftsbedingung handelt, die der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB unterliegt. Denn im Mietvertrag enthaltene Schriftformklausel ist - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht gemäß § 307 BGB unwirksam. Schriftformklauseln sind nicht generell unangemessen, ihre Wirksamkeit hängt vielmehr von der Ausgestaltung und dem Anwendungsbereich der konkreten Klausel ab (BGH vom 07.10.1981 - VIII ZR 229/80 -, NJW 1982,331; BGH vom 09.07.1991 - XI ZR 72/90-, MDR 1991,857 = NJW 1991,2559; BGH vom 15.02.1995 - VIII ZR 93/94-, MDR 1995, 1109 = NJW 1995,1488). Unangemessen kann die Klausel sein, wenn sie dazu dient, eine nach Vertragsschluss getroffene individual vertragliche Vereinbarung zu unterlaufen, indem sie beim anderen Vertragsteil den Eindruck erweckt, eine mündliche Vereinbarung sei entgegen allgemeinen Grundsätzen unwirksam. Auch kann die Schriftformklausel nicht den Vorrang der Individualabrede abbedingen; demgegenüber können die Vertragsparteien sie dadurch außer Kraft setzen, dass sie deutlich den Willen zum Ausdruck bringen, ihre mündliche Abmachung solle ungeachtet der Schriftformklausel gelten (BGH vom 31.10.1084 - VIII ZR 226/83 -, NJW 1985, 320; BGH vom 15.02.1995 - VIII ZR 93/94 - a.a.O.). Unter Beachtung dieses Grundsatzes ist bei langfristiger Vermietung gewerblich genutzter Räume eine Schriftformklausel wirksam und benachteiligt den Vertragspartner nicht unangemessen. Die vertragliche Regelung nimmt insoweit zunächst nur die gesetzliche Regelung in § 550 BGB n.F. auf, wonach für langfristige Verträge die Schriftform vorgesehen ist. Hinsichtlich der Folgen des Formverstoßes regelt § 550 BGB n.F., dass der Vertrag dann mit den gesetzlichen Fristen kündbar ist. Wegen der erheblichen Tragweite einer langfristigen Vermietung entspricht es aber dem Interesse beider Parteien, Änderungen des Vertrages unter Einhaltung der Schriftform zu vereinbaren, um die langfristige Vertragsbindung nicht grundlos vorfristig aufzugeben. Insoweit verfolgt die Schriftformklausel nicht nur die Interessen einer Vertragspartei, sondern dient dem Schutz beider Vertragsparteien. Es ist daher auch nicht ersichtlich, dass nur die Interessen des Verwenders einseitig berücksichtigt würden, so dass von einer unangemessenen Benachteiligung nicht ausgegangen werden kann (vgl. Senatsurteil vom 04.05.2000 - 8 U 1641/99 -, KG-Report 2000, 235; OLG Rostock vom 02.12.2002 - 3 U 162/01 -, OLG-Report Rostock 2003, 78).

b)

Nach der Rechtsprechung des BGH können auch bei der Vereinbarung einer sogenannten einfachen Schriftformklausel mündliche Absprachen über die Begründung vertraglicher Pflichten, für ihre Ergänzung und für ihre Einschränkung gleichwohl bindend sein. Die Gültigkeit derartiger formfreier - nicht notwendig ausdrücklicher - Absprachen wird dann bejaht, wenn die Parteien übereinstimmend die Maßgeblichkeit des mündlich Vereinbarten gewollt haben, sich also darüber einig waren, dass für ihre vertraglichen Beziehungen neben dem Urkundeninhalt auch die mündliche Abrede gelten soll (BGHZ 66,378): Als "actus contrarius" zur formfreien Begründung des Formzwanges ist die Aufhebung der Formabrede gleichfalls formfrei . Die Parteien müssen die Schriftformklausel nicht ausdrücklich aufheben; einfache Schriftformklauseln können stillschweigend abbedungen werden (BGH Urteil vom 12. Dezember 2001 - XII ZR 351/99- ). Der Mietvertrag der Parteien vom 06. Februar 1996 enthält jedoch in § 17 Abs. 3 nicht nur eine einfache, sondern eine sogenannte qualifizierte Schriftformklausel. Der Vertrag sieht nämlich nicht nur für die Vereinbarung als solche die Schriftform vor, sondern regelt weiter, dass auf das Formerfordernis nur durch schriftliche Erklärung verzichtet werden kann. Diese Klausel hat ersichtlich den Zweck, die Aushöhlung des Schriftformerfordernisses durch Bindung der Vertragspartner an mündliche Erklärungen oder gar an schlüssiges Verhalten unmöglich zu machen. Die Vertragsfreiheit erlaubt den Parteien, ihre rechtsgeschäftlichen Beziehungen starr an bestimmte Formen zu binden und verdient gerade im Hinblick auf die Vertragsfreiheit strikte Beachtung. Eine so formulierte Schriftformklausel kann durch eine die Schriftform nicht wahrende Vereinbarung nicht abbedungen werden (BGH Urteil vom 02. Juni 1976 - VIII ZR 97/4 - BGHZ 66, 378 = MDR 1976, 925). Wenn der Vertrag auch für die Aufhebung der Formabrede ausdrücklich Formzwang vorsieht, ist daher auch die mündlich geschlossene Vereinbarung gemäß § 125 Satz 2 BGB unwirksam, (Palandt/Hein-richs, BGB, 64. Auflage, § 125 BGB, Rdnr. 14; Einsele in Münchener Kommentar, BGB, 4. Auflage, § 125 BGB, Rdnr. 67 ). Entgegen der mit der Berufung vertretenen Ansicht ist die Entscheidung des BGH vom 12. Dezember 2001 - XII ZR 351/99 -, die sich nur mit der einfachen Schriftformklausel befasst, nicht auch auf die hier vorliegende qualifizierte Schriftformklausel übertragbar. Denn in der Verwendung gerade der doppelten Schriftformklausel wird nämlich deutlich, dass die Vertragsparteien auf die Wirksamkeit der Schriftformklausel besonderen Wert legten. Gegenüber einer solchen doppelten Schriftformklausel muss die Berufung auf die Privatautonomie zurücktreten, da ihr Vorrang auch in diesem Fall § 125 Satz 2 BGB weitgehend sinnlos machen würde (BAG NJW 2003, 3725). Aber selbst wenn den Parteien im Rahmen der Vertragsfreiheit zuzugestehen wäre, dass sie es in der Hand hätten, auch formlos die frühere anderslautende Bindung wieder aufzuheben, so würde dies jedenfalls voraussetzen, dass die Parteien über die Änderung der Schriftformklausel einig sind (vgl. BGH NJW-RR 1991,1289, 1290). Eine solche Einigung hat die Beklagte nicht konkret behauptet und ist auch nicht ersichtlich. Im Übrigen spricht das Schreiben der Beklagten vom 09. November 2001 gerade dagegen, dass eine solche verbindliche Vereinbarung unter gleichzeitiger Einigung über die Aufhebung der Schriftformklausel getroffen worden ist. Die Beklagte hat hier mitgeteilt, dass mit der Einlösung des mitübersandten Schecks "die vergleichsweise gefundene Neuregelung des Mietpreises ab 01. November 2001 beidseitig ausdrücklich anerkannt und bestätigt " sei. Eine von beiden Seiten als verbindlich getroffene Vereinbarung liegt aber (noch) nicht vor, wenn die mündlich getroffene Abrede von einer Partei schriftlich bestätigt wird (vgl. BGH NJW 1968, 32). Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte weiter auf die Entscheidung des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 20. November 2000 - 20 U 421/99 - (Grundeigentum 2001, 278) und macht geltend, dass auch die doppelte Schriftformklausel durch mündliche Vereinbarung aufgehoben werden könne. Denn anders in dem dort zu entscheidenden Fall fehlt es vorliegend an Umständen, die darauf hindeuten, dass die Parteien das Schriftformerfordernis ausdrücklich aufheben wollten. Die behauptete mündliche Vereinbarung über die Mietzinsreduzierung ab November 2001, die einen wesentliches Element des Mietvertrages beinhaltet und damit eine Vertragsänderung betrifft, ist daher unwirksam.

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, dass es sich um ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben handelt. Es bestehen bereits Zweifel, ob es sich um ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben handelt, weil das Schreiben vom 09. November 2001 nicht zeitnah zu dem Gespräch vom 11. Oktober 2001 übersandt worden ist. Ungeachtet dessen, ist § 346 HGB bei einer Schriftformklausel aber auch nicht anwendbar (Baumbach/Hopt, HGB, 31. Auflage, § 346 HGB, Rdnr. 20).

2.

Der Klägerin stehen auch die rückständigen Mietforderungen, die vor November 2001 entstanden sind, zu. Denn die Klägerin hat in dem Gespräch vom 11. Oktober 2001 hierauf nicht wirksam verzichtet, weil der Geschäftsführer Bnnn nicht alleinvertretungsberechtigt war.

Es trifft zwar zu, dass eine solche Vereinbarung nicht der Schriftform des § 17 Abs. 3 des Mietvertrages bedurfte. Es handelt sich insoweit, wie die Beklagte mit der Berufung zu Recht geltend macht, nicht um eine Änderung oder Ergänzung des Mietvertrages, sondern um einen Erlassvertrag i.S. von § 397 Abs. 1 BGB. Der Erlassvertrag ist formfrei (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 397 BGB, Rdnr. 5). Der Erlass setzt den rechtsgeschäftlichen Willen voraus, auf die Forderung zu verzichten. An die Feststellung eines solchen Willens sind strenge Anforderungen zu stellen, im Zweifel sind die Erklärungen eng auszulegen. Auch bei scheinbar eindeutigen Erklärungen darf ein Erlass erst angenommen werden, wenn sämtliche relevante Begleitumstände berücksichtigt worden sind (BGH NJW 2002,1044). Es kann für die Entscheidung dahingestellt bleiben, ob der Geschäftsführer Bnnn eine Erklärung mit dem von der Beklagten behaupteten Inhalt abgegeben hat oder wie die Klägerin geltend macht, eine Einigung zu den rückständigen Mietforderungen nicht zustande gekommen ist. Allerdings spricht das Schreiben der Beklagten vom 09. November 2001 gegen die Darstellung der Beklagten. Aus dem Schreiben lässt sich nichts dafür entnehmen, dass die Klägerin auf Mietrückstände in der Größenordnung von 100.000,00 EUR, die vor November 2001 aufgelaufen waren, verzichtet haben soll. Vielmehr wird in dem Schreiben nur darauf Bezug genommen, dass der übersandte Verrechnungsscheck von 11.600,00 DM zum Ausgleich für die Miete November 2001 überreicht wird. Dass damit auch weitere Rückstände erledigt sein sollen, wird in dem Schreiben nicht erwähnt. Vielmehr sollte mit der Einlösung des Schecks (nur) die vergleichsweise gefundene Neuregelung des Mietpreises ab 01. November 2001 anerkannt und bestätigt sein. Zwar schließt die Vermutung der Vollständigkeit eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens - so denn hier überhaupt ein solches vorliegt - nicht den Nachweis aus, dass die Parteien zusätzliche Abreden getroffen haben (BGHZ 67,381; NJW 1964,589; WM 86,168). Hierfür fehlt aber jeder konkrete Vortrag der Beklagten, aus welchen Gründen gerade diese für die Beklagte wirtschaftlich erhebliche Vereinbarung, hierin nicht bestätigt worden ist.

Aber selbst wenn eine solche Vereinbarung getroffen worden sein sollte, wäre diese mangels wirksamer Vertretung der Klägerin durch den Geschäftsführer Bnnn unwirksam.

Nach dem Handelsregisterauszug der Klägerin war neben dem Geschäftsführer Bnnn ein Herr Dnn weiterer Geschäftsführer der Klägerin, wobei beide nur gemeinsam oder ein Geschäftsführer mit einem Prokuristen vertreten dürfen. Für die wirksame Verpflichtung der Klägerin ist daher die Gesamtvertretung entsprechend der gesellschaftsvertraglichen Regelung nötig (§ 35 Abs. 2 Satz 2 GmbHG). Wenn nur beide Geschäftsführer zusammen vertretungsberechtigt sein sollen bzw. ein Geschäftsführer zusammen mit einem Prokuristen, so ist das Rechtsgeschäft, das ein Geschäftsführer allein vornimmt, grundsätzlich unwirksam (vgl. OLG Dresden NJW-RR 1995,803). Zwar ist nicht zwingend die Abgabe der Willenserklärung durch alle gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer erforderlich. Beim Handeln nur durch einen gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer ist eine nachträgliche Genehmigung durch den anderen (§ 177 BGB) oder die vorgängige Ermächtigung möglich, wobei auch die Grundsätze über die Anscheins- und Duldungsvollmacht Anwendung finden ( Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage, § 35 GmbHG, Rdnr. 63 ff.; Scholz/Schneider, GmbHG, 9. Auflage, § 35 GmbH, Rdnr. 53 ff; BGH NJW-RR 1986, 778 ).

Die Beklagte trägt keine Tatsachen vor, aus denen sich ergäbe, dass der andere Geschäftsführer die Vereinbarung genehmigt hätte. Eine Genehmigung ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht aus ihrem Schreiben vom 09. November 2001. Darin, dass die Klägerin dem Schreiben der Beklagten nicht widersprochen hat, kann eine konkludente Zustimmung des anderen am Gespräch nicht beteiligten Geschäftsführers nicht gesehen werden.

Soweit die Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz behauptet, dass der Streithelfer in dem Gespräch vom 11. Oktober 2001 deutlich gemacht habe, ohne die Einhaltung weiterer Zustimmungen und Genehmigungen zum Abschluss der getroffenen Vereinbarung befugt zu sein, ist ihr Vortrag unerheblich. Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich nicht, dass der weitere Geschäftsführer der Klägerin den Streithelfer ausdrücklich oder stillschweigend zum Abschluss der behaupteten Erlassvereinbarung vorgängig ermächtigt hat. Auf die Erklärungen des Streithelfers, kommt es dabei nicht an, sondern maßgeblich wäre, dass der andere Geschäftsführer den handelnden Geschäftsführer Bnnn tatsächlich ermächtigt hätte. Hierzu fehlt aber jeder Vortrag der Beklagten.

Nach § 31 BGB hätte die Klägerin zwar für einen der Beklagten entstandenen Schaden einzustehen, der auf die Überschreitung der Vertretungsmacht des Geschäftsführers zurückzuführen ist. Einen solchen Schaden hat die Beklagte aber nicht dargetan. Es sind auch keine Anhaltspunkte für einen solchen Schaden ersichtlich. Der Wegfall der Vorteile aus einer infolge fehlerhafter Vertretung unwirksamen Vereinbarung vermag einen solchen Schaden nicht darzustellen, weil Deckungsgleichheit von Vorteilsentfall und Vereinbarungsinhalt vorliegt. Anderenfalls würde die Schutzwirkung der Gesamtvertretungsregelung ausgehöhlt werden.

3.

Die Beklagte ist auch verpflichtet, die vertraglich vereinbarte Kaution zu stellen. Soweit die Beklagte insoweit einen Verzicht behauptet, hat sie nicht vorgetragen, dass der Mitarbeiter der Klägerin, Herr Snnnn , bevollmächtigt war, für die Klägerin eine solche gewichtige Vereinbarung zu schließen. Die Klägerin hat bereits erstinstanzlich eine entsprechende Vollmacht bestritten. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass Herr Snnnn in Bezug auf den streitgegenständlichen Mietvertrag ihr "Ansprechpartner" bei der Klägerin gewesen sei, lässt sich daraus für das Bestehen einer Vollmacht auch unter Rechtsscheinsgesichtspunkten für den Abschluss von Vereinbarungen mit einer solchen Tragweite nichts herleiten. Mit dem Schreiben vom 04. März 1996, welches Herr Snnnn unterzeichnet hat, ist der Mietvertragsentwurf übersandt und sind nur einzelne Vertragspunkte diskutiert worden. Die Mietvertragsunterzeichnung erfolgt aber durch die beiden Geschäftsführer. Auch das von Herrn Snnnn unterzeichnete Schreiben vom 10. Juli 1996 gibt für dessen Bevollmächtigung nichts her. Denn nach dem Inhalt des Schreibens geht es hier lediglich um Fragen der Abwicklung und Gestaltung des Mietverhältnisses und nicht um Fragen, die solche gewichtigen Pflichten des Mieters - wie die Stellung der Kaution - betreffen. Von einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht kann daher nicht ausgegangen werden.

Soweit die Beklagte sich weiter darauf beruft, dass die Klägerin über den Zeitraum von sechs Jahren die Stellung der Kaution nicht verlangt habe, kann die Beklagte auch daraus nichts herleiten. Der Anspruch ist nicht verwirkt (§ 242 BGB). Die Verwirkung setzt voraus, dass zum Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (vgl. BGH Urteil vom 14.11.2002 VII ZR 23/02 -, MDR 2003, 207). Zu dem sogenannten Umstandsmoment hat die Beklagte nichts vorgetragen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97, 101 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision wird nicht zugelassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).



Ende der Entscheidung

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