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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 04.10.2001
Aktenzeichen: 8 U 1086/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 123 Abs. 1
BGB § 123 II
BGB § 119
BGB § 123
BGB § 812 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer 8 U 1086/00

Verkündet am: 4. Oktober 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber und die Richterinnen am Kammergericht Eilinghoff-Saar und Spiegel auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 22. November 1999 verkündete Urteil der Zivilkammer 34 des Landgerichts Berlin - 34 O 261/99 - teilweise abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.254,32 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29. Oktober 1999 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsrechtsstreits haben die Kläger 19/23 und der Beklagte 4/23 zu tragen. Hinsichtlich der Kosten erster Instanz verbleibt es bei der landgerichtlichen Entscheidung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Parteien übersteigt 60.000,- DM nicht.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat zum Teil Erfolg. Die Klägerin kann für die Zeit von Beginn des Mietverhältnisses bis zum 30. September 1999 lediglich den aus dem Tenor ersichtlichen Fehlbetrag geltend machen. Auszugehen ist von Folgendem:

1. Das Untermietverhältnis zwischen den Parteien ist durch die vom Beklagten mit Schriftsatz vom 5. April 2000 erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung als von Anfang an nichtig anzusehen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Zeuge den Beklagten bei Abschluss des Mietvertrages im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB arglistig getäuscht hat. Die Zeugen haben in ihrer Vernehmung übereinstimmend bekundet, dass der Zeuge anlässlich der Vertragsverhandlungen gebeten worden ist, beim Geschäftsführer der Klägerin um eine Reduzierung des geforderten Mietzinses nachzusuchen. Der Zeuge habe jedoch erklärt, dass eine solche Reduzierung nicht möglich sei, da der geforderte Mietzins genau demjenigen Mietzins entspreche, den die Klägerin ihrerseits an die Vermieterin zu zahlen habe und die Klägerin an den geforderten Mietzins nichts verdienen wolle. Demgegenüber hat der Zeuge lediglich bekundet, dass er sich nicht erinnern könne, entsprechende Erklärungen abgegeben zu haben. Da nach dem persönlichen Eindruck der Zeugen an deren Glaubwürdigkeit keine Zweifel bestehen und die Aussage des Zeugen ihren Bekundungen gerade nicht entgegensteht, ist die entsprechende Behauptung des Beklagten durch die Beweisaufnahme bestätigt worden. Die Erklärung des Zeugen war auch objektiv falsch, da der von der Klägerin an die Vermieterin gezahlte Mietzins entsprechend dem im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13. September 2001 vorgelegten Mietvertrag vom 30. Oktober 1995 tatsächlich nur 57,- DM pro/m² betrug. Durch diese Täuschung ist der Beklagte nach seinen insoweit unwidersprochenen Vortrag auch zur Unterzeichnung des Mietvertrages veranlasst worden, da er sich wegen der Erklärung des Zeuge mit der Höhe des geforderten Mietzinses abgefunden habe. Die Erklärung des Zeugen erfolgte auch arglistig, weil wider besseres Wissen. Der Geschäftsführer der Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13. September 2001 erklärt, dass der Zeuge keine Kenntnis vom Inhalt des zwischen der Klägerin und der Vermieterin abgeschlossenen Mietvertrages haben konnte: Damit stellte sich die Erklärung des Zeugen als "ins Blaue hinein" und damit arglistig (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., Rdnr. 11 zu § 123) dar.

Diese Erklärung des Zeugen muss sich die Klägerin auch zurechnen lassen. Der Zeuge war nicht "Dritter" i. S. d. § 123 II BGB, sondern Vertreter der Klägerin. Nach dem Vortrag des Geschäftsführers der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung ist die Tätigkeit des Zeugen dadurch ausgelöst worden, dass ihm das Mietobjekt als zur Anmietung freistehend mitgeteilt worden ist. Die daraufhin entfalteten Aktivitäten des Zeugen erfolgten für die Klägerin und letztlich mit deren Billigung, wie sich aus dem anschließenden Vertragsabschluss ergibt. Damit handelte der Zeuge für die Klägerin, so dass diese sich dessen Verhalten zurechnen lassen muss (vgl. Palandt/Heinrichs, aaO., Rdnr. 14 a. E. zu § 123).

Die vom Beklagten erklärte Anfechtung ist im Gegensatz zu der in erster Instanz erklärten Anfechtung auch nicht verspätet. Nach dem insoweit ebenfalls unwidersprochenen Vortrag der Beklagten hatte er von der Tatsache, dass die Klägerin an die Vermieterin einen niedrigeren Mietzins als er zahlte, erst im Juli 1999 erfahren, so dass die im Schriftsatz vom 5. April 2000 erklärte Anfechtung fristgemäß erfolgte.

Die vom Beklagten erklärte Anfechtung bewirkte auch die Nichtigkeit des Mietvertrages "per tunc". Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 17. November 1966 (MDR 1967, 404) entschieden, dass die nach §§ 119, 123 BGB begründete Anfechtung zur Nichtigkeit des Vertrages von Anfang an führt. Hieran hält der Senat fest.

Soweit demgegenüber zum Teil (vgl. die Nachweise bei Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., II, Rdnr. 673) die Auffassung vertreten wird, dass die Wirkungen der Anfechtung erst ab Zugang der Erklärung eintreten, vermag der Senat dem nach wie vor nicht zu folgen. Der zur Begründung gegebene Hinweis auf "Rückabwicklungsschwierigkeiten" kann nicht dazu führen, eine vom Gesetz ausdrücklich als Regelfall vorgesehene Rechtsfolge zu unterlaufen. Soweit der Ausschluss der Rückwirkung damit abgelehnt wird, dass das In-Vollzug-Setzen des Mietverhältnisses einen "sozialen Tatbestand" geschaffen habe, der nur noch für die Zukunft beseitigt werden könne, mag diese Überlegung im Bereich des Gesellschafts- und Arbeitsrechts ihre Rechtfertigung haben. Jedenfalls für das Gebiet der Geschäftsraummiete lässt sich ein die Rückabwicklung ausschließender sozialer Einschlag nicht erkennen.

Da das Mietverhältnis zwischen den Parteien von Anfang an nichtig ist, kann die Klägerin vom Beklagten nach § 812 Abs. 1 BGB lediglich den ortsüblichen Mietzins verlangen. Soweit der Beklagte diesen als zwischen 16,- und 33,- DM pro/m² liegend bezeichnet, ist weder ersichtlich noch vorgetragen, welche Vergleichsobjekte hierfür herangezogen worden sind. Der Senat brauchte deshalb das vom Beklagten angebotene Sachverständigengutachten nicht einzuholen: Dieses liefe auf die Einholung eines unzulässigen Ausforschungsbeweises hinaus.

In Ermangelung anderer Anhaltspunkte ist daher als der für die Geschäftsräume des Beklagten als damals ortsüblich zu bezeichnende Mietzins derjenige anzusetzen, den die Klägerin an die Vermieterin auf der Grundlage des weiteren, zwischen ihr und der Vermieterin unter dem 1. September 1996 abgeschlossenen Mietvertrages, der gerade auch die vom Beklagten angemietete Nettokaltmietzins von (7.000,- DM: 88 m² =) 79,54 DM. Für den vom Beklagten genutzten Teil von 56 m² ergibt sich deshalb folgende Nutzungsentschädigung:

(79,54 x 56 =) 4.454,54 DM zuzüglich Betriebskostenpauschale 170,00 DM zuzüglich 15 % Umsatzsteuer 693,68 DM bis 31.03.1998 mithin 5.318,22 DM.

Ein Heizkostenvorschuss war nicht in Ansatz zu bringen, da dieser einerseits längst abgerechnet werden musste und andererseits die entsprechende Klage im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2001 zurückgenommen worden ist.

Für die Zeit ab 1. April 1998 ergab sich unter Berücksichtigung einer Umsatzsteuer von 16 % eine vom Beklagten zu entrichtende Nutzungsentschädigung in Höhe von 5.364,46 DM.

Unter Berücksichtigung des Beginnes des Mietverhältnisses am 21. Oktober 1996 ergibt sich somit für die Zeit bis zum 31. März 1998 folgende Berechnung:

21.10. bis 31.10.1996 (5.318,22 : 31 x 10 =) 1.715,55 DM 17 x 5.318,22 DM = 90.409,74 DM 92.125,29 DM abzüglich (s. § 4 des Mietvertrages) 5.000,00 DM ergibt 87.125,29 DM

Für die Zeit vom 1. April 1998 bis zum 30. September 1999 ergibt sich folgende Berechnung:

18 x 5.364,46 DM = 96.560,28 DM zusammen 183.685,57 DM.

abzüglich Zahlungen ausweislich der Aufstellung der Klägerin (eingereicht mit Schriftsatz vom 18.09.1999 - Bl. 62/63 d. A. -) in Höhe von 175.431,25 DM ergibt sich ein Saldo zu Lasten des Beklagten in Höhe von 8.254,32 DM.

Die Kostenentscheidung folgt für die zweite Instanz aus § 92 Abs. 1 ZPO. Soweit es die Kosten erster Instanz angeht, musste es bei der Kostenentscheidung des Landgerichts verbleiben, da erst die im Berufungsverfahren erklärte - weitere - Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage führen konnte.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Nach § 546 Abs. 2 ZPO war der Wert der Beschwer im Urteil festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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