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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 07.07.2003
Aktenzeichen: 8 U 111/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 234 Abs. 2
ZPO § 520 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 520 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 8 U 111/03

07.07.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin ohne mündliche Verhandlung am 10. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber und die Richter am Kammergericht Markgraf und Dr. Müther beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin 22. April 2003 gegen das Urteil der Zivilkammer 29 des Landgerichts Berlin vom 26. Februar 2003 wird unter Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist vom 16. Juni 2003 als unzulässig verworfen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I. Das Landgericht hat die im Urkundenprozess erhobene und auf Zahlung von Mietzins gerichtete Klage, in Höhe von 3.915,40 EUR gegen alle Beklagten als Gesamtschuldner und in Höhe von weiteren 4.461,89 EUR gegen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner, mit dem am 26. Februar 2003 verkündeten Urteil als unzulässig verworfen. Das Landgericht war der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Klage in gewillkürter Prozessstandschaft in der Person der Klägerin nicht vorliegen.

Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten am 19. März 2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 22. April 2003 (Dienstag nach Ostermontag) eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag Berufung eingelegt. Nachdem sie mit einem Schreiben des Vorsitzenden vom 26. Mai 2003, das am 30. Mai 2003 gefertigt und abgesandt worden ist, auf die fehlende Begründung hingewiesen worden ist, hat sie mit einem Schreiben vom 16. Juni 2003, das am gleichen Tag beim Gericht eingegangen ist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsschrift beantragt und die Berufung begründet. Sie ist der Auffassung, dass die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist unverschuldet sei und behauptet hierzu unter Vorlage entsprechender eideststattlicher Versicherungen, dass die bearbeitende Rechtsanwältin F die bewährte Rechtsanwaltsgehilfin P am Tag der Zustellung des Urteils dahin ausdrücklich angewiesen habe, einen Ablauf der Berufungsfrist für den 22. April 2003 mit einer Vorfrist am 8. April 2003 sowie eine Berufungsbegründungsfrist mit Vorfrist zu notieren. Die Eintragung der Begründungsfrist mit Vorfrist sei dann aber versehentlich unterblieben. Erst durch das Schreiben vom 26. Mai 2003 sei man auf die Versäumung aufmerksam geworden. Auf Nachfrage des Senats wurde weiter erklärt, dass eine Eintragung der Fristen in den Akten regelmäßig nicht erfolge, so dass auch bei der Vorlage wegen der Berufungsfrist nicht aufgefallen sei, dass die Begründungsfrist nicht notiert sei. Wegen der genauen Einzelheiten und dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherung wird auf den Schriftsatz vom 16. Juni 2003 und seine Anlagen, Bl. 184ff. d.A., sowie den Schriftsatz vom 25. Juni 2003, Bl. 205 d.A., Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin gegen das am 26. Februar 2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 29 des Landgerichts Berlin ist nach § 522 Absatz 1 Satz 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Die Berufung ist nicht innerhalb der Frist des § 520 Absatz 2 Satz 1 ZPO begründet worden. Aufgrund der Zustellung des landgerichtlichen Urteils am 19. März 2003 ist die Berufungsbegründungsfrist am 19. Mai 2003 abgelaufen. Eine Begründung der Berufung erfolgte erst mit dem am 16. Juni 2003 eingegangenen Schriftsatz.

Der Klägerin ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der entsprechende Antrag vom 16. Juni 2003 war zwar zulässig, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die 2-Wochenfrist nach § 234 Absatz 2 ZPO nicht eingehalten worden ist. Denn nach dem Abvermerk des gerichtlichen Schreibens vom 26. Mai 2003 ist von einem Zugang am Montag, den 2. Juni 2003, auszugehen. Der Antrag ist aber unbegründet, weil die Fristversäumung nicht als unverschuldet anzusehen ist. Allerdings hat eine Partei nicht für jedes Verschulden anderer Personen einzustehen. Lediglich das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten steht ihrem Verschulden nach § 85 Absatz 2 ZPO gleich. Ein solches Verschulden liegt hier vor. Ein Rechtsanwalt kann zwar die Berechnung und Notierung einfacher und in seinem Büro geläufiger Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Angestellten überlassen. Diesen Anforderungen haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch genügt. Der Rechtsanwalt hat aber durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Dazu gehört dann aber auch, dass die Eintragung einer Frist im Fristenkalender von der damit beauftragten Angestellten durch einen Erledigungsvermerk an der Fristennotierung auf den Handakten kenntlich gemacht wird (vgl. BGH, BGH-Report 2003, 697; VersR 1964, 269; VersR 1971, 1125). Die fehlende Anweisung auf die Anbringung eines solchen Vermerks wirkt sich zwar nicht schon deshalb aus, weil durch die Eintragung des Vermerks auf die fehlende Eintragung im Fristenkalender hingewiesen würde. Denn der Vermerk in den Akten folgt der Eintragung im Fristenkalender nach, so dass es regelmäßig mit der fehlenden Eintragung im Fristenkalender zum Fehlen des Vermerks kommt. Dann aber kann der Vermerk einer Versäumung ohnehin nicht vorbeugen (vgl. dazu BGH, VersR 1983, 924f.). Der Vermerk versetzt den Rechtsanwalt bei einer Vorlage der Akte aber in die Lage, die Fristberechnung und die Fristennotierung zu überprüfen. Insoweit ist anerkannt, dass diese Prüfungspflicht jedenfalls dann besteht, wenn dem Rechtsanwalt die Akte zur Bearbeitung einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt wird (vgl. BGH, NJW 2003, 497; NJW 1999, 2680, NJW 1997, 1311). So liegt der Fall aber hier, weil die Akte wegen des Ablaufs der Berufungsfrist vorgelegt worden ist, ohne dass eine Überprüfung der Eintragung dieser Frist, aber auch der Berufungsbegründungsfrist anhand der Akte möglich war. Insoweit kann auch nicht mehr auf die ältere Rechtsprechung (vgl. dazu BGH, VersR 1983, 925 mwN) abgestellt werden, nach der zum Zeitpunkt des Ablauf der Berufungsfrist keine Überprüfung der Berufungsbegründungsfrist erfolgen musste. Denn diese Rechtsprechung beruhte allein auf dem Umstand, dass der Lauf der Begründungsfrist nach altem Berufungsrecht (vgl. § 519 Absatz 1 Satz 2 ZPO a.F.) von dem Eingang der Berufungsschrift beim Gericht abhängig war. Die entsprechende Begründungsfrist konnte daher erst zu einem späteren Zeitpunkt nach der Abfassung der Berufungsschrift richtig notiert werden. Nach neuem Recht beginnt die Berufungsbegründungsfrist demgegenüber ebenfalls mit der Zustellung des Urteils zu laufen, vgl. § 520 Absatz 1 Satz 1 ZPO. Die besonderen Sorgfaltsanforderungen, die an die Notierung der Berufungsfrist gestellt werden (vgl. dazu etwa Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 233 Rn. 16a), müssen daher auch für die Notierung der Begründungsfrist gelten, weil auch hier das den Fristbeginn allein dokumentierende Empfangsbekenntnis wieder zurückzusenden ist. Dann ist auch eine entsprechende Prüfung der Begründungsfrist mit der Vorlage des Ablaufs der Berufungsfrist zu fordern. Dies gilt hier schon deshalb, weil sich gegenüber der alten Rechtslage im vorliegenden Fall erhebliche Unterschiede im Fristenlauf ergeben haben. Denn hier lief die Begründungsfrist nicht am 22. Mai 2003, sondern wegen der Urteilszustellung am 19. März 2003 bereits am 19. Mai 2003 ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO. Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil die Rechtssache im Hinblick der Notierung von Fristen von grundsätzlicher Bedeutung ist.

Ende der Entscheidung

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