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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 11.08.2003
Aktenzeichen: 8 U 124/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB a.F. § 544
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 124/02

Verkündet am: 11.08.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. August 2003 durch die Richter am Kammergericht Dr. Müther und Markgraf und die Richterin am Kammergericht Dr. Henkel für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14. März 2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Die im Berufungsrechtszug von den Beklagten erhobene Feststellungswiderklage wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen jedoch die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 24.000,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am 15. Mai 2002 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 17. Juli 2002 am 16. Juli 2002 begründete Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 14. März 2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin, das den Beklagten am 16. April 2002 zugestellt worden ist. Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird Bezug genommen.

Die Beklagten verfolgen mit ihrer Berufung die erstinstanzlich gestellten Anträge weiter und begehren darüber hinaus die Feststellung, dass das Mietverhältnis durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten zu 1) vom 28. Mai 2001 mit Ablauf des 31. Mai 2001 beendet worden sei. Sie begründen ihre Berufung wie folgt:

Der Beklagte zu 1) habe zu Recht durch anwaltliches Schreiben vom 28. Mai 2001 das Mietverhältnis wegen erheblicher Gefährdung der Gesundheit gekündigt. Nach § 544 BGB a.F. müsse die Gesundheitsgefährdung zwar konkret drohen, jedoch noch nicht eingetreten sein. Der Beklagte zu 1) habe nicht abzuwarten brauchen, bis die mykotoxischen Wirkungen von Pilzsporen tatsächlich eingetreten seien, denn Mykotoxien könnten durch jede Art Schimmelpilz entstehen. Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die gesundheitsgefährdende Beschaffenheit der Räume zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 31. Mai 2001 nicht mehr feststellbar sei. Die Durchfeuchtung der Räume sei offensichtlich eine Dauererscheinung. Auch der vom Kläger beauftragte Sachverständige......habe in seiner Stellungnahme vom 1. November 2001 feuchte Schäden und Schimmelpilzbildungen festgestellt. Mit dem bloßen Entfernen der Schimmelpilze sei die objektiv konkrete Gesundheitsgefährdung nicht gebannt; eine Intoxikation könne bereits eintreten, bevor der Pilzbefall so deutlich hervortrete, dass er beseitigt werden müsse.

Der Kläger habe die mit Schreiben vom 26. April 2002 erbetene kurzfristige Überlassung der Schlüssel für das Mietobjekt verweigert, nachdem er das Mietverhältnis mit Schreiben vom 3. Mai 2002 fristlos gekündigt gehabt habe. Damit habe der Kläger vereitelt, dass sie, die Beklagten, den Zustand der ehemals gemieteten Gewerberäume nochmals in Gegenwart hinzugezogener Sachverständiger oder behördlicher Vertreter hätten in Augenschein nehmen können.

Die außerordentliche Kündigung des Beklagten zu 1) werde auch nicht durch § 23 Ziff. 5 des Mietvertrages ausgeschlossen. Denn die Schäden an den streitrelevanten Mieträumen rührten von außen her, sie lägen in der defekten oder gar nicht vorhandenen Außenisolierung des Mauerwerks.

Jedenfalls könne nicht Inhalt der getroffenen Vereinbarung sein, dass der Mieter zwecks Behebung solcher Schäden eine komplette Außensanierung durchführen müsse. Wegen der erheblichen Gesundheitsgefährdung sei der Beklagte zu 1) auch nicht verpflichtet gewesen, vor Ausspruch der fristlosen Kündigung eine Nachfrist zu setzen. Dies sei auch deshalb entbehrlich, weil der Kläger sich unter Hinweis auf § 23 Nr. 7 des Mietvertrages darauf berufe, nicht zur Mängelbeseitigung verpflichtet zu sein.

Gegenüber den Mietzinsforderungen des Klägers sei wirksam die Aufrechnung erklärt worden. Der Kläger sei nach Beendigung des Mietverhältnisses zur Freigabe der geleisteten Mietsicherheit verpflichtet. Der Anspruch auf Freigabe des als Kaution verwendeten Sparguthabens sei ein geldwerter Anspruch; komme der Kläger der Freigabe nicht nach, könne Schadensersatz in Geld verlangt werden. Jedenfalls bestehe gegenüber den Mietzinsforderungen im Hinblick auf das Kautionsguthaben ein Zurückbehaltungsrecht.

Der ebenfalls zur Aufrechnung gestellte Anspruch wegen Erstattung der Gutachterkosten ergebe sich aus Geschäftsführung ohne Auftrag. Sie, die Beklagten, hätten die gesundheitsgefährdende Eigenschaft der vermieteten Räume feststellen lassen müssen; dabei habe es sich um eine Pflicht des Klägers als Geschäftsherrn gehandelt, die im öffentlichen Interesse bestanden habe. Der Anspruch bestehe auch als Schadensersatzanspruch wegen Verzugs; dabei sei eine Fristsetzung entbehrlich gewesen, weil der Kläger als Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert habe oder besondere Umstände vorgelegen hätten, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs gerechtfertigt hätten.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 14. März 2002

1. die Klage abzuweisen,

2. auf die Widerklage festzustellen, dass das Mietverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten zu 1) vom 28. Mai 2001 mit Ablauf des 31. Mai 2001 beendet worden sei,

3. auf die Widerklage den Kläger zu verurteilen, an sie, die Beklagten, 12,35 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Widerklageanträge abzuweisen.

Der Kläger ist dem Berufungsvorbringen der Beklagten mit Schriftsatz vom 31. Januar 2003 entgegengetreten, auf den im Einzelnen Bezug genommen wird. Im Übrigen wird hinsichtlich des Vorbringens der Parteien auf den vorgetragenen Inhalt der eingereichten Schriftsätze und Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache erfolglos; auch die im Berufungsrechtszug erhobene weitere Widerklage der Beklagten ist als unbegründet zurückzuweisen.

I) Feststellungsklagen:

Die negative Feststellungsklage des Klägers ist aus den im angefochtenen Urteil angegebenen zutreffenden Gründen zulässig; sie ist auch begründet, weil die fristlose Kündigung des Beklagten zu 1) vom 28. Mai 2001 das Mietverhältnis nicht beendet hat.

Die fristlose Kündigung nach § 544 BGB a.F. setzt eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit voraus, d.h. es muss eine konkrete Gefahr bestehen. Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil zu Recht darauf hingewiesen, dass die Ausführungen in dem Gutachten des TÜV vom 10. Mai 2001 zur Darlegung einer derartigen Gefährdung nicht ausreichen können, weil in dem Gutachten zwar das Vorhandensein von Schimmel festgestellt wurde, jedoch bezüglich der gesundheitlichen Gefahr durch diesen Schimmel nur allgemeine Ausführungen in dem Gutachten enthalten sind. Unstreitig ist keine Messung bezüglich des Vorhandenseins von Schimmelsporen bzw. toxischen Stoffen durchgeführt worden. Demnach steht noch nicht einmal fest, ob sich überhaupt Schimmelsporen in der Luft befunden haben, wogegen sprechen könnte, dass es sich um verhältnismäßig kleine Stellen handelt, an denen Feuchtigkeit eingedrungen ist, wie sich aus den Lichtbildern ergibt. Allein die Möglichkeit, dass auf Grund der beobachteten Schimmelbildung sich einmal Schimmelsporen und toxische Stoffe in der Atemluft befinden könnten, stellt jedenfalls noch keine konkrete Gesundheitsgefährdung dar, die eine fristlose Kündigung im Sinne von § 544 BGB a.F. hätte rechtfertigen können.

Das Landgericht hat im Übrigen zu Recht die Einholung eines Sachverständigengutachten insoweit abgelehnt, da durch ein derartiges Gutachten nicht mehr festgestellt werden kann, ob zum Zeitpunkt des Zugangs der fristlosen Kündigung vom 28. Mai 2001 eine derartige Gefährdungslage vorlag. Insoweit reicht es nicht aus, dass die Beklagten sich im Berufungsverfahren darauf berufen, die Feuchtigkeit und Schimmelbildung seien in den genannten Räumen ein "Dauerzustand" gewesen.

Auch der Senat sieht keine Veranlassung, ein derartiges Gutachten einzuholen. Die Beklagten behaupten selbst nicht substantiiert, dass der derzeitige Zustand, der allein den Feststellungen eines vom Gericht beauftragten Sachverständigen zugänglich wäre, Rückschlüsse darauf zulassen könnte, welche Anhäufung von Schimmelsporen bzw. sonstigen Stoffen sich bei Messungen zum Zeitpunkt des Zugangs der fristlosen Kündigung vom 28. Mai 2001 ergeben hätten. Denn es liegt auf der Hand, dass die Kontamination der Luft durch derartige Schadstoffe ständigen Veränderungen unterliegt, zumal das Eindringen von Feuchtigkeit in das Mauerwerk ein langfristiger Vorgang ist, der sich steigern, aber auch nachlassen kann und häufig auch von der jeweiligen Witterung abhängig ist. Der bloße Hinweis auf einen "Dauerzustand" kann demzufolge nicht für die Darlegung ausreichen, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der fristlosen Kündigung vom 28. Mai 2001 bereits eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit vorgelegen hat.

Die Beklagten können sich auch nicht darauf berufen, dass diesbezüglich eine Umkehr der Beweislast stattgefunden habe, weil der Kläger sich geweigert hat, der Bitte der Beklagten mit Schreiben vom 26. April 2002 um Überlassung der Schlüssel zwecks Untersuchung der Räume nachzukommen. Den Beklagten ist allein dadurch jedenfalls nicht der von ihnen zu führende Beweis vereitelt worden, denn die Beklagten hätten es in der Hand gehabt, die für sie erforderlichen Feststellungen in einem gegen den Kläger gerichteten Beweissicherungsverfahren durch einen gerichtlich beauftragten Sachverständigen treffen zu lassen.

Die fristlose Kündigung des Beklagten zu 1) konnte auch nicht auf § 542 BGB a.F. gestützt werden, da jedenfalls der Beklagte zu 1) dem Kläger keine Frist zur Mängelbeseitigung insoweit gesetzt hat. Eine derartige Fristsetzung wäre nicht entbehrlich gewesen, denn die Beklagten behaupten selbst nicht, dass der Kläger sich vor Ausspruch der fristlosen Kündigung geweigert hätte, diesbezüglich zur Mängelbeseitigung tätig zu werden; auf die Bestimmung des § 23 Ziff. 7 des Mietvertrages hat sich der Kläger erst im Mietprozess, d.h. nach Zugang der fristlosen Kündigung vom 28. Mai 2001 berufen.

Die im Berufungsrechtszug von den Beklagten erhobene positive Feststellungsklage ist nach § 533 ZPO n.F. zulässig, auch wenn der Kläger seine Einwilligung nicht erklärt hat. Der Senat hält die Zulassung der Klage insoweit für sachdienlich, weil die Widerklage der Beklagten denselben Tatsachenstoff betrifft, wie die negative Feststellungsklage des Klägers und die Widerklage der Beklagten demnach auf Tatsachen gestützt wird, die der Senat ohnehin nach § 529 ZPO n.F. zu Grunde zu legen hat. Das Feststellungsinteresse der Beklagten besteht darin, dass im Falle einer Abweisung der negativen Feststellungsklage des Klägers keine bindende Feststellung vorläge, dass die fristlose Kündigung vom 28. Mai 2001 wirksam war. Insoweit haben die Beklagten für die ab Juli 2001 bis zur fristlosen Kündigung des Klägers geschuldeten Mieten ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 ZPO.

Die auf Feststellung gerichtete Widerklage der Beklagten ist jedoch aus denselben Gründen unbegründet, wie der negativen Feststellungsklage des Klägers zu entsprechen war.

II)

Der Mietzinsanspruch des Klägers ist nach § 535 BGB begründet. Eine Minderung des Mietzinsanspruchs wird vom Kläger selbst nicht geltend gemacht, obwohl das Landgericht im angefochtenen Urteil diese Frage angesprochen hat. Es ist auch nicht ersichtlich, ob insoweit eine erheblich Tauglichkeitsminderung für den maßgeblichen Zeitraum vorlag.

Die Aufrechnung des Beklagten zu 1) mit Gegenansprüchen greift nicht durch: Ein Anspruch auf Rückzahlung der Kaution bestand zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung der Beklagten im Schriftsatz vom 3. Januar 2002 schon deshalb nicht, weil das Mietverhältnis zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht beendet war. Darüber hinaus hätte dem Beklagten zu 1) selbst bei Beendigung des Mietverhältnisses kein zur Aufrechnung geeigneter gleichartiger Anspruch insoweit zugestanden, weil er dem Kläger lediglich ein Guthaben verpfändet hatte und daraus sich nur ein Anspruch auf Freigabe des Guthabens hätte ergeben können. Ein solcher Anspruch ist nicht im Sinne von § 387 BGB gleichartig mit dem Anspruch auf Zahlung des Mietzinses. Aus der verweigerten Freigabe würde sich auch nicht ein Schadensersatzanspruch in Höhe des Guthabens ergeben, da die Freigabe nicht unmöglich ist, sondern durch Urteil erzwungen werden könnte.

Der Beklagte zu 1) hat darüber hinaus auch keinen Schadensersatzanspruch bezüglich der Kosten für das Gutachten des TÜV. Insbesondere bestand kein Anspruch aus § 538 BGB a.F. wegen Verzugs des Klägers mit der Mängelbeseitigung. Die Beklagten haben jedenfalls nicht substantiiert vorgetragen, dass und inwieweit sie den Kläger vor Auftragserteilung bezüglich des Guthabens wegen der Mängelbeseitigung in Verzug gesetzt hätten. Insoweit wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Beklagten selbst nicht behaupten, der Kläger habe sich bereits vor Ausspruch der fristlosen Kündigung auf § 23 Ziff. 7 des Mietvertrages berufen. Ein Schadensersatzanspruch wäre auch nur in Betracht gekommen, wenn das Gutachten eingeholt worden wäre, um die akute Gesundheitsgefährdung durch Schimmelpilzsporen und toxische Stoffe festzustellen; gerade dies hat das Gutachten (bautechnisches Gutachten) - wie bereits ausgeführt - nicht ergeben.

Zur Feststellung der reinen Feuchtigkeitsschäden bedurfte es im Übrigen keines Gutachtens. Ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag nach den §§ 677, 678, 679, 670 BGB scheitert daran, dass die Einholung des Gutachtens nicht dem Willen des Klägers entsprach; der Beklagte erfüllte damit auch keine Verpflichtung des Klägers, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse gelegen hätte. Dies wäre allenfalls in Betracht gekommen, wenn deutliche Anzeichen für eine konkrete Gesundheitsgefährdung bestanden, woran es, wie dargelegt, fehlt.

Hiernach scheitert auch die im Hinblick auf die Aufrechnung mit Gegenansprüchen erhobene, auf Zahlung gerichtete Widerklage der Beklagten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO und § 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO nicht ersichtlich sind.



Ende der Entscheidung

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