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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 15.02.2007
Aktenzeichen: 8 U 130/06
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 538 Abs. 2 |
Kammergericht Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: 8 U 130/06
verkündet am : 15.02.2007
In dem Rechtsstreit
hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber und die Richterinnen am Kammergericht Dr. Henkel und Spiegel auf die mündliche Verhandlung vom 15.2.2007
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufungen der Beklagten wird der Rechtsstreit unter Aufhebung des landgerichtlichen Verfahrens und des am 16. 2. 2006 verkündeten Urteils an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Landgerichts vorbehalten.
Die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren bleiben außer Ansatz.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
1. Mit der Klage vom 4.10.2002 begehrte der Kläger vom Beklagten zu 1) auf der Grundlage eines Mietvertrages vom 28.7.2000, eines "Anhangs" vom 11.9.2001, einer Stundungsvereinbarung vom 20.6.2002, einer Abtretungsvereinbarung vom 20.6.2002 und der Kündigung vom 9.8.2002 Zahlung rückständiger Miete bzw. Nutzungsentschädigung für die Zeit bis September 2002 in Höhe von 22.028,84 EUR sowie Räumung und Herausgabe der Gaststätte "nnn " einschließlich von Nebenflächen. Gegenüber dem Klagebegehren hat der Beklagte zu 1) mit Schriftsatz vom 5.5.2003 zunächst geltend gemacht, dass der Vorstand des Klägers einen Beschluss zur Klageerhebung gegen ihn nicht gefasst und den Prozessbevollmächtigten des Klägers zur Klageeinreichung nicht beauftragt habe. In der Sache selbst hat sich der Beklagte zu 1) darauf berufen, dass kein zur Kündigung berechtigender Mietrückstand bestanden habe, weil er zur Aufrechnung mit Rückzahlungsansprüchen wegen geleisteter Betriebskostenvorauszahlungen berechtigt gewesen sei und die Miete wegen verschiedener Mängel gemindert gewesen sei. Zur Begründung der Minderung hat sich der Beklagte zu 1) darauf berufen, dass zeitweise das für den Betrieb der Gaststätte notwendige warme Wasser abgestellt gewesen sei, dass Baulärm und -schmutz den Betrieb beeinträchtigt habe, dass ein Baugerüst zu Beeinträchtigungen geführt habe, dass gegen das Konkurrenzschutzgebot mit der Vermietung zum Betrieb weiterer Gaststätten verstoßen worden sei und die Klägerin die weiteren Nutzer des "Kunsthauses Tacheles" zum Boykott seines Cafés aufgerufen habe. Mit Schriftsatz vom 19.6.2003 hat der Beklagte zu 1) die behaupteten Gebrauchsbeeinträchtigungen weiter substantiiert und hilfsweise die Aufrechnung gegenüber dem Zahlungsanspruch mit Schadensersatzforderungen wegen entgangenen Gewinns erklärt und die Höhe des zur Aufrechnung gestellten Betrages im Einzelnen unter Beweisantritt erläutert.
Der Kläger ist dem Vortrag des Beklagten zu 1) mit den Schriftsätzen vom 10.7. und 18.9.2003 insbesondere zur Konkurrenzschutzverletzung entgegengetreten.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30.10.2003 ist gegen den nicht erschienenen Beklagten zu 1) ein Versäumnisurteil ergangen, durch das er zur Zahlung von 22.028,84 EUR nebst Zinsen an den Kläger und zur Räumung und Herausgabe der Gaststätte nebst Nebenräumen verurteilt worden ist.
Nach rechtzeitigem Einspruch des Beklagten zu 1) gegen das Versäumnisurteil hat der Kläger die Klage u.a. auf die Beklagten zu 2) bis 4) erweitert. Anlass hierfür war der Umstand, dass die Beklagten zu 2) bis 4) anlässlich der Zwangsvollstreckung gegenüber der zuständigen Gerichtsvollzieherin erklärt hatte, dass sie gemeinsam mit dem Beklagten zu 1) in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts Parteien des Mietvertrages seien. Mit Schriftsatz vom 12.3.2004 haben die Beklagten zu 2) bis 4) Klageabweisung beantragt und unter Hinweis auf verschiedene Schriftstücke zur Rechtsform und zu den Personen auf Mieterseite des Vertrages vom 28.7.2000 vorgetragen.
Mit Schriftsatz vom 3.8.2004 hat der Kläger die Klage gegen den Beklagten zu 1) um die Zahlung weiterer Nutzungsentschädigung für die Zeit von Oktober 2002 bis August 2004 erweitert und weitere 107.631,12 EUR geltend gemacht.
Nachdem die Beklagten mit den Schriftsätzen vom 31.8. und 10.9.2004 geltend gemacht hatten, dass der Kläger wegen nicht ordnungsgemäß durchgeführter Vorstandswahlen nicht ordnungsgemäß vertreten sei und die Aussetzung des Rechtsstreits wegen dessen Prozessunfähigkeit angeregt hatten, haben die Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 28.9.2004 einen Zwischenvergleich abgeschlossen. Darin verpflichtete sich der Beklagte zu 1) ab Oktober 2004 zur Zahlung eines Betriebskostenbetrages in Höhe von 400,- EUR monatlich an den Kläger, wobei der Streit zwischen den Parteien, ob nach dem Mietvertrag eine Pauschale oder ein Vorschuss geschuldet war, vom Abschluss des Vergleichs unberührt bleiben sollte. Zugleich erklärten die Parteien ihre Absicht, neue Vorstandswahlen für den Kläger durchführen zu wollen. Ein neuer Termin sollte auf Antrag einer der Parteien anberaumt werden.
Mit Schriftsatz vom 13.9.2005 beantragte der Kläger unter Hinweis darauf, dass der Beklagte zu 1) nur für zwei Monate Betriebskosten gezahlt habe, die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung.
Mit den Schriftsätzen vom 9., 16. und 20.12.2005 haben die Beklagten weiter vorgetragen, und zwar der Beklagte zu 1) insbesondere zu der von ihm behaupteten Schadensersatzforderung und die Beklagten zu 2) bis 4) zur fehlerhaften Vertretung des Klägers.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 20. 12. 2005 haben die Parteien sodann streitig verhandelt.
Am 16.2.2006 hat das Landgericht ein Urteil verkündet, mit dem das gegen den Beklagten zu 1) ergangene Versäumnisurteil vom 30.10.2003 aufrechterhalten worden ist. Das Landgericht hat ferner den Beklagten zu 1) zur Zahlung weiterer 95.701,10 EUR nebst Zinsen seit dem 14.9.2004 an den Kläger sowie die Beklagten zu 2) bis 4) als Gesamtschuldner neben dem Beklagten zu 1) zur Räumung und Herausgabe der Gaststätte an den Kläger verurteilt.
Gegen dieses ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe ergangene Urteil des Landgerichts richtet sich die am 3.8.2006 (Beklagte zu 2) bis 4)) bzw. 14.8.2006 (Beklagter zu 1)) eingegangene Berufung, die mit den Schriftsätzen vom 14.8.2006 (Beklagter zu 1)) bzw. - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 16.10.2006 - mit dem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz der Beklagten zu 2) bis 4) begründet worden ist.
Der Beklagte zu 1) beantragt,
das am 16.2.2006 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht Berlin zurückzuverweisen,
hilfsweise,
die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Landgerichts vom 30.10.2003 und unter Abänderung des Urteils des Landgerichts vom 16.2.2006 abzuweisen.
Die Beklagten zu 2) bis 4) beantragen,
das am 16.2.2006 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht Berlin zurückzuverweisen,
hilfsweise,
die gegen sie gerichtete Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts vom 16.2.2006 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze der Parteien vom 14.8. und 16.10.2006 sowie 14.11.2006 verwiesen.
2. Auf die zulässige Berufung und entsprechend dem Hauptantrag der Beklagten war das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16.2.2006 aufzuheben und der Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen. Das Verfahren vor dem Landgericht leidet an einem wesentlichen Mangel, aufgrund dessen eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig ist, § 538 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO. Das Landgericht hat den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt und ohne zureichenden Grund eine erforderliche Beweisaufnahme unterlassen.
a) Nachdem die Beklagten unter Darlegung der ihrer Auffassung nach hiergegen sprechenden Tatsachen die ordnungsgemäße Zusammensetzung des Vorstands des Klägers bestritten hatten, hätte das Landgericht dem durch Überprüfung der Rechtmäßigkeit des entsprechenden Beschlusses der Hauptversammlung nachgehen müssen. Insbesondere deshalb, weil die Parteien in Ziff. 3 des Zwischenvergleichs vom 28.9.2004 eine Klärung des Mitgliederbestandes des Klägers und eine Neuwahl des Vorstandes vereinbart hatten, durfte das Landgericht ohne entsprechenden übereinstimmenden Vortrag der Parteien nicht davon ausgehen, dass der bisherige Vorstand des Klägers gleichwohl zur Vertretung berechtigt war. Insoweit wäre eine Aufklärung durch das Landgericht erforderlich gewesen, die aber - wie dem bisherigen Vorbringen der Parteien hierzu entnommen werden kann - eine umfangreiche Beweisaufnahme erfordert.
b) Die Beklagten zu 2) bis 4) haben im Einzelnen vorgetragen, dass ein gegen sie gerichteter Herausgabeanspruch an dem Umstand scheitert, dass Mieterin des Cafés eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gewesen sei. Auch diesem Vortrag ist das Landgericht nicht nachgegangen, so dass auch insoweit das Recht der Beklagten zu 2) bis 4) auf rechtliches Gehör verletzt worden ist.
c) Gegenüber dem Mietanspruch hat der Beklagte zu 1) wegen im Einzelnen bezeichneter Mängel Minderung geltend gemacht. Das Landgericht hat den insoweit bestrittenen Sachvortrag des Beklagten zu 1) nicht aufgeklärt; dem Tenor seines Urteils lässt sich auch nicht entnehmen, ob und in welchem Umfang etwa eine Minderung berücksichtigt worden ist. Der gegenüber dem Beklagten zu 1) geltend gemachte Gesamtzahlungsanspruch des Kläger beläuft sich auf (22. 028, 84 RUR - Versäumnisurteil - zuzüglich 95.701,10 EUR - streitiges Urteil - =) 117.729,94 EUR. Vom Kläger sind jedoch insgesamt 129.659,96 EUR an rückständiger Mieter bzw. Nutzungsentschädigung geltend gemacht worden, sodass in keiner Weise ersichtlich ist, wie dieser Betrag etwa aufgrund welcher Gebrauchsbeeinträchtigung zu ermitteln ist.
d) Das Landgericht ist auch dem Vortrag des Beklagten zu 1) hinsichtlich der zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzforderung wegen Umsatzrückgangs infolge der Eröffnung von Konkurrenzbetrieben nicht nachgegangen. § 14 des Mietvertrages enthält die ausdrückliche Verpflichtung des Klägers, auf dem Gesamtgelände keine Vermietung an Unternehmen mit gleicher Branche vorzunehmen. Hierzu hat der Beklagte zu 1) unter Beweisantritt vorgetragen und auch den durch die Eröffnung zweier weiterer gastronomischer Betriebe entstandenen Umsatzrückgang mit Schriftsatz vom 19.6.2003, S. 8 ff. (Bd. I Bl. 133 ff.) im Einzelnen dargelegt. Da der entsprechende Anspruch vom Kläger sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bestritten worden ist, müsste auch hierzu eine Klärung aufgrund einer Beweisaufnahme erfolgen.
Soweit der Kläger sich auf den Hinweisbeschluss des 12. Zivilsenats des Kammergerichts vom 10.7.2006 - 12 U 217/05 - beruft und geltend macht, dass eine Zurückverweisung aus den dort dargestellten Gründen nicht in Betracht käme, vermag der Senat dem nicht zu folgen. In dem dort entschiedenen Fall ist im Gegensatz zum vorliegenden Sachverhalt das Urteil - wenn auch erst nach Ablauf von etwa elf Monaten seit der Verkündung begründet worden. Der 12. Zivilsenat hat deshalb ausgeführt, dass die Nichtbegründung des Urteils allein nicht zur Zurückverweisung ausreiche, sondern erst dann in Betracht komme, wenn auch eine umfangreiche Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz notwendig wäre. So aber liegt der Fall hier, sodass eine Zurückverweisung geboten ist.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Landgericht überlassen (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 538 Rdnr. 58).
Die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren waren nach § 21 Abs. 1 GKG nicht in Ansatz zu bringen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Ziff. 10 ZPO.
Revisionszulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 ZPO sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Ende der Entscheidung
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