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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 25.01.2007
Aktenzeichen: 8 U 140/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 536
Eine vertragswidrige Konkurrenzsituation stellt einen zur Minderung des Mietzinses berechtigenden Sachmangel der Mietsache dar.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 140/06

verkündet am: 25.01.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, die Richterin am Kammergericht Dr. Henkel und der Richterin am Kammergericht Spiegel für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 17. Juli 2006 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10% abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Berufung der Kläger richtet sich gegen das am 17. Juli 2006 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird. Die Kläger tragen zur Begründung der Berufung vor: Das vom Landgericht in Bezug genommene Urteil des Bundesgerichtshofes vom 23. Dezember 1953 - VI ZR 244/52 - sei nicht einschlägig.

Zudem habe das Landgericht verkannt, dass es sich bei dem ausdrücklich mietvertraglich vereinbarten Konkurrenzschutz um eine zugesicherte Eigenschaft der Mietsache handele. Die zugesicherte Eigenschaft sei durch den Betrieb der Frau Dr. Ynnnnnn später weggefallen. Ein Anspruch auf Mietminderung bestehe auch, ohne dass es zu Umsatzeinbußen gekommen sein müsse. Die Kläger beantragen, das am 17. Juli 2006 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin abzuändern und a) die Beklagte zu verurteilen, an sie 29.932,93 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

b) festzustellen, dass die Kläger berechtigt sind, bis zur Beseitigung des Konkurrenzverhältnisses zwischen den Klägern und der Frau Dr. Ynnnnnn , nnnnnnnnnnnnnnnnn die Miete um 1.032,17 € pro Monat zu mindern. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor: Die Kläger hätten durch den vermeintlichen Verstoß gegen die Konkurrenzschutzklausel keine Schäden erlitten. Da die Umsätze der Kläger nach Einzug der Frau Dr. Ynnnnnn sogar gestiegen seien, verhielten sich die Kläger treuewidrig, wenn sie sich auf einen Verstoß gegen die Konkurrenzschutzklausel beriefen.

Der Kläger zu 1) habe vor Abschluss des Mietvertrages zwischen der Beklagten und der Konkurrentin Dr. Ynnnnnn im Frühjahr 1999 in Vertretung für die Klägerin zu 2) unter Verzicht auf alle Formerfordernisse ausdrücklich erklärt, dass sie kein Problem damit hätten, wenn Frau Dr. Ynnnnnn im selben Haus eine Praxis für chinesische Medizin etabliere und als Allgemeinmedizinerin tätig werden würde.

Der Senat hat aufgrund des am 11. Januar 2007 verkündeten Beweisbeschlusses die von der Beklagten benannten Zeugen Dr. Hnn Rnnnn und Tnnn Knnn zu der Behauptung der Beklagten vernommen, der Kläger zu 1) habe vor Abschluss des Mietvertrages zwischen der Beklagten und der Konkurrentin Dr. Ynnnnnn im Frühjahr 1999 in Vertretung für die Klägerin zu 2) unter Verzicht auf alle Formerfordernisse ausdrücklich erklärt, dass sie kein Problem damit hätten, wenn Frau Dr. Ynnnnnn im selben Haus eine Praxis für chinesische Medizin etabliere und als Allgemeinmedizinerin tätig werden würde. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 11. Januar 2007 (Bl. 124 ff) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Kläger ist unbegründet.

Die Kläger haben gegen die Beklagte weder gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung von im Zeitraum von Juni 2003 bis Oktober 2005 ohne Rechtsgrund gezahlten Mietzinses, noch haben die Kläger gemäß § 256 ZPO einen Anspruch auf Feststellung, dass sie berechtigt sind, bis zur Beseitigung des Konkurrenzverhältnisses zwischen ihnen und der Frau Dr. Ynnnnnn die Miete um 1.032,17 € pro Monat zu mindern.

Entgegen der vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Rechtsauffassung scheitern die geltend gemachten Ansprüche allerdings nicht daran, dass, wie das Landgericht rechtsirrig meint, ein Konkurrenzschutzverstoß nicht zu einem Sachmangel im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB führe.

Die Mietsache ist seit Juni 2003 mit einem Sachmangel im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB behaftet. Die Beklagte hat die ihr vertraglich obliegende Verpflichtung, den Klägern Konkurrenzschutz zu gewähren, verletzt.

Im Sommer 2000 vermietete die Beklagte in dem streitgegenständlichen Gebäudekomplex Räumlichkeiten an Frau Dr. Ynnnnnn zum Betrieb einer Arztpraxis mit dem Tätigkeitsschwerpunkt chinesische Heilpraxis. Später, nämlich spätestens im Juni 2003 - erweiterte Frau Dr. Ynnnnnn ihre Tätigkeit und wurde auch als praktische Ärztin tätig.

Spätestens seit Juni 2003 wurde der zwischen den Parteien vertraglich vereinbarte Konkurrenzschutz durch die Tätigkeit der Ärztin Dr. Ynnnnnn verletzt. Laut Mietvertrag wird Konkurrenzschutz für folgenden Umfang vereinbart:

"Praktischer Arzt speziell hausärztlicher Internist"

Diese Vereinbarung kann nur dahingehend ausgelegt werden, dass sich der Konkurrenzschutz sowohl auf die Tätigkeit praktischer Arzt als auch hausärztlicher Internist beziehen soll. Es handelt sich bei dem praktischen Arzt und dem hausärztlichen Internisten um verschiedene Fachärzte mit identischem Tätigkeitsbereich. Beide betreiben eine so genannte Hausarztpraxis, haben also eine identische Klientel. Unerheblich ist, dass Frau Dr. Ynnnnnn als praktische Ärztin mit der speziellen Ausrichtung Chinesische Heilkunde tätig ist. Als praktische Ärztin ist sie Konkurrentin der Kläger. Unerheblich für die Konkurrenzsituation ist auch der Umstand, dass es sich bei Frau Dr. Ynnnnnn um eine gebürtige Chinesin und bei dem Kläger zu 1) um einen gebürtigen Russen handelt. Entscheidend ist die von den beiden Ärzten ausgeübte Tätigkeit als praktischer Arzt.

Es ist sowohl in der Literatur (Schmitt-Futterer, Mietrecht, 8. Auflage, 536, Rdnr. 172; Ermann, BGB, 11. Auflage, 535, Rdnr. 45; Dr. Joachim, BB Beilage 6/1986 zu Heft 19/1986; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, III. B Rdnr. 1250; Staudinger, BGB, 2003, 535, Rdnr. 23; Soergel, BGB, 12. Auflage, 535, 536, Rdnr. 175; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 8. Auflage, 536, Rdnr. 11; Sternel, Mietrecht, 3. Auflage, II, 518; Dr. Gather, GE 2000, 1450; Kulik, NZM 1999, 546), als auch in der Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, NZM 2001, 1033; OLG Düsseldorf, ZMR 1997, 583; OLG Düsseldorf, ZMR 2000, 451; RGZ 119, 353; OLG Karlsruhe; NJW-RR 1990, 1234) herrschende Meinung, dass eine vertragswidrige Konkurrenzsituation einen zur Minderung des Mietzinses berechtigenden Sachmangel der Mietsache darstellt. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 23. Dezember 1953 (ZMR 1954, 78 = BB 1954, 177) nicht ausgeführt, dass ein Konkurrenzschutzverstoß nicht zu einem Sachmangel im Sinne des 536 Abs. 1 BGB führe. Nach den Ausführungen des BGH in dieser Entscheidung sind die Mieträume eines hinzukommenden Mieters nicht mit einem Sachmangel behaftet, wenn die Vermietung an diesen hinzukommenden Mieter einer Konkurrenzschutzpflicht des Vermieters gegenüber einem anderen Mieter zuwiderläuft, weil diese schuldrechtliche Verpflichtung die Tauglichkeit der Räume des Zweitmieters nicht unmittelbar beeinflusse. Damit ist aber nicht gesagt, dass das örtliche Konkurrenzverhältnis als solches keinen Mangel der Mieträume darstellen kann, denn hierauf kam es in jenem Fall gar nicht an, weil der Zweitmieter die örtliche Konkurrenzsituation bei Vertragsschluss genau kannte. Er irrte nur über den Umfang des Konkurrenzschutzes des ansässigen Mieters und damit über dessen Abwehrbefugnisse gegenüber der Zweitvermietung (Bub/Treier, a.a.O.). Aufgrund des Konkurrenzschutzverstoßes weicht der tatsächliche Zustand der Mietsache in für den Mieter nachteiliger Weise von dem vertraglich vorausgesetzten Zustand der Mietsache ab (Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Auflage, 536, Rdnr. 16). Für die Beurteilung der Frage, ob ein Konkurrenzschutzverstoß zu einem Mangel der Mietsache führt, ist es ohne Belang, ob dieser nachweisbar mit Umsatzeinbußen des Mieters einhergeht (OLG Düsseldorf, ZMR 2000, 451; OLG Düsseldorf, ZMR 1997, 583; OLG Düsseldorf,, Kulik, a.a.O.). Dass die Abweichung des vertraglich vereinbarten Zustandes vom tatsächlichen Zustand der Mietsache bei Vorliegen eines Konkurrenzschutzverstoßes für den Mieter nachteilig ist, ergibt sich schon allein daraus, dass die Miete für ein Objekt ohne Konkurrenz im Allgemeinen höher ist, als diejenige für Räume, bei denen eine Konkurrenzsituation besteht (OLG Düsseldorf a.a.O., Kulik, a.a.O.).

Die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gebieten es aber den Klägern ein Minderungsrecht zu versagen (so auch OLG Düsseldorf, ZMR 2000, 451). Nach dem Ergebnis der am 11. Januar 2007 durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senates fest, dass der Kläger zu 1) vor Abschluss des Mietvertrages zwischen der Beklagten und der Konkurrentin Dr. Ynnnnnn im Frühjahr 1999 in Vertretung für die Klägerin zu 2) unter Verzicht auf alle Formerfordernisse ausdrücklich erklärt hat, dass sie kein Problem damit hätten, wenn Frau Dr. Ynnnnnn im selben Haus eine Praxis für chinesische Medizin etabliere und als Allgemeinmedizinerin tätig werden würde.

Entgegen der Meinung der Kläger konnten sowohl der Zeuge Dr. Hnn Rnnnn , als auch der Zeuge Tnnn Knnn als Zeuge vernommen werden. Beide Personen sind weder selbst Partei noch gesetzlicher Vertreter einer Partei (Zöller, ZPO, 25. Auflage, § 373, Rdnr. 1).

Die Beklagte hat bereits mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2006 unbestritten vorgetragen, dass alleinige Geschäftsführerin der Beklagten nunmehr Frau Mnnnn Rnnnn sei. Einer Vernehmung des früheren Geschäftsführers Knnn als Zeugen steht daher nichts mehr im Wege.

Herr Dr. Hnn Rnnnn ist zwar Gesellschafter der Beklagten, ist aber gleichwohl zeugnisfähig (Baumbach, ZPO, 65. Auflage, Übers. § 373, Rdnr. 15).

Beide Zeugen haben übereinstimmend und glaubhaft ausgesagt, dass sie den Kläger zu 1) vor Abschluss des Vertrages mit Frau Dr. Ynnnnnn darauf hingewiesen hätten, dass Frau Dr. Ynnnnnn Interesse an Mieträumen im Haus hätte und dort als praktische Ärztin chinesische Heilkunde ausüben wolle und dass der Kläger zu 1) ausdrücklich auch im Namen der Klägerin zu 2) erklärt habe, dass er gegen eine Vermietung an Frau Ynnnnnn keinerlei Einwände habe. Beide Zeugen haben aus eigenem Antrieb erklärt, weshalb es ihnen wichtig gewesen sei, mit den Klägern über die Frage der Vermietung an Frau Dr. Ynnnnnn zu sprechen.

Sie haben insoweit bekundet, dass es ihnen im Hinblick auf die mit den Klägern vereinbarte Konkurrenzschutzklausel wichtig gewesen sei, mit diesen abzuklären, ob diese aus ihrer Sicht Probleme mit einer Vermietung an Frau Dr. Ynnnnnn hätten. Der Zeuge Tnnn Knnn hat insoweit überzeugend ausgeführt, dass es in der damaligen Vermietersituation völlig widersinnig gewesen wäre, eine Neuvermietung nicht mit den bereits vorhandenen Mietern abzusprechen. Sie hätten einerseits möglichst viele Ärzte in das Ärztehaus holen wollen, natürlich aber auch Ärger mit den vorhandenen Ärzten wegen der Überschneidung der einzelnen Fachgebiete vermeiden wollen. Beide Zeugen haben spontan und überzeugend ausgesagt, dass der Kläger zu 1) erklärt habe, dass er seiner Auffassung nach sogar von der Eröffnung einer Praxis durch Frau Ynnnnnn profitieren würde.

Der Zeuge Dr. Rnnnn meinte sich zu erinnern, dass der Kläger zu 1) ausdrücklich auch im Namen der Klägerin zu 2) erklärt habe, dass er mit einer Vermietung der Frau Dr. Ynnnnnn als Allgemeinmedizinerin einverstanden sei. Der Zeuge Knnn konnte sich genau daran erinnern, dass der Kläger zu 1) sein Einverständnis auch im Namen der Klägerin zu 2) erklärt habe und dass dies für ihn auch nichts überraschendes gewesen sei, da dieser immer als Sprachrohr für die Klägerin zu 2) tätig gewesen sei. Beide Zeugen konnten sich auch ungefragt an die äußeren Umstände des Gespräches erinnern. Sie wussten noch genau, dass sie den Kläger zu 1) im Foyer des Hauses angetroffen haben und sich dann mit ihm in das Vermietungsbüro begeben haben, um dort mit ihm in Ruhe die ihnen wichtige Angelegenheit zu besprechen.

Die Glaubhaftigkeit der Zeugen wurde nicht durch die Bekundungen des gemäß § 141 Abs. 1 ZPO persönlich gehörten Klägers zu 1) erschüttert. Dieser hat zunächst erklärt, er könne sich an ein Gespräch, wie von dem Zeugen Dr. Rnnnn geschildert nicht erinnern. Auf Nachfragen hat er dann erklärt, ein derartiges Gespräch habe nicht stattgefunden. Er hat sodann erklärt, dass es möglicherweise später ein Gespräch gegeben habe, das möglicherweise in der Küche seiner Praxis stattgefunden habe und zwar zwischen ihm, der Klägerin zu 2) und einem Gesprächspartner, an den er sich nicht mehr genau erinnere und dass er sich an den Inhalt dieses Gespräches auch nicht mehr so genau erinnere. Erst auf Nachfragen hat er dann erklärt, dass es später ein Gespräch zwischen ihm, der Klägerin zu 2) und Herrn Knnn in der Küche seiner Praxis gegeben habe, bei dem Herr Knnn mitgeteilt habe, dass eine chinesische Ärztin entweder einziehen werde oder schon eingezogen sei und in ihrer Praxis Privatpatienten nach traditioneller chinesischer Medizin behandeln werde und dass dies keine Konkurrenz für sie, die Kläger, sei.

Die unerklärlichen Erinnerungslücken des naturgemäß am Ausgang des Rechtsstreits interessierten Klägers lassen seine Bekundungen wenig glaubhaft erscheinen. Jedenfalls sind die Erklärungen des Klägers zu 1) nicht geeignet, Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der beiden angehörten Zeugen zu wecken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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