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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 07.08.2003
Aktenzeichen: 8 U 142/02
Rechtsgebiete: BGB, AGBG


Vorschriften:

BGB § 145
BGB § 154 Abs. 2
BGB § 139
BGB § 612 Abs. 2
AGBG § 6 Abs. 3
AGBG § 2 Abs. 1 Ziff. 2
AGBG § 6 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

7. August 2003

8 U 142/02

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. August 2003 durch die Richter am Kammergericht Dr. Müther und Markgraf und die Richterin am Kammergericht Dr. Henkel für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 18. April 2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 31 des Landgerichts Berlin geändert:

Die Klage wird abgewiesen. Auf die Widerklage des Beklagten wird festgestellt, dass zwischen den Parteien keinerlei Vertragsbeziehungen bestehen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Die Annahme des Landgerichts, dass der Beklagte mit Unterzeichnung und Einreichung der beiden Aufnahmeanträge (Application for Admission) ein bindendes Vertragsangebot im Sinne von § 145 BGB hat abgeben wollen, teilt der Senat nicht, weil nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin dem Beklagten auch die vorformulierte Annahmevereinbarung (Acceptance Agreement) vorgelegen hat und der Beklagte unstreitig die Annahmevereinbarung nicht unterzeichnet zurückgesandt hat. Da beide Formulararten eine Unterschrift des Vertragspartners vorsahen, ist bereits in Frage gestellt, ob der Beklagte mit der Unterschrift, die er lediglich auf die Aufnahmeanträge gesetzt hat, sich vertraglich hat binden wollen. Hiergegen spricht insbesondere, dass nach deutschem Rechtsverständnis eher die Aufnahmevereinbarung (Acceptance Agreement) für eine vertragliche Vereinbarung spricht als die beiden unterschriebenen Aufnahmeanträge (Application for Admission). Zwar wird in den Aufnahmeanträgen das Einverständnis mit den Regelungen und Bedingungen in der Annahmevereinbarung erklärt und damit eine Bezugnahme zwischen der Bewerbungserklärung und der Annahmevereinbarung hergestellt. Gegen die Annahme des Landgerichts, dass der Bewerber mit Unterzeichnung des Aufnahmeformulars wegen dieser Erklärung auch gleichzeitig den Schulvertrag abschließt, spricht aber, dass die Annahmevereinbarung ebenfalls eine Unterzeichnung vorsieht. Es ist zwar üblich, dass im Geschäftsverkehr zum Beweis, dass die allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Kenntnis gebracht wurden, die Verwender sich die Kenntnisnahme von den allgemeinen Geschäftsbedingungen durch Unterschrift bestätigen lassen, ohne dass dies selbst als Vertragsabschluss angesehen werden müsste. Auf eine solche bloße Bestätigung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen beschränkt sich die "Aufnahmevereinbarung" jedoch nicht, wie sich schon aus dem letztgenannten Begriff ergibt. Es handelt sich keineswegs um bloße Geschäftsbedingungen, sondern zum Teil um wesentliche Regelungen des Vertrages, insbesondere auch die Begründung bestimmter Verpflichtungen wie zum Beispiel die des regelmäßigen Schulbesuchs. Im Aufnahmeantrag ist über die Gegenleistung des Vertragspartners (Entgelt für die Schulausbildung) nur nebensächlich die Rede, in dem es unter anderem heißt, dass ein Scheck für die nicht rückerstattbare Aufnahmegebühr beigefügt wird. Von dem eigentlichen Schulentgelt ist überhaupt nicht die Rede; dieses wird erst in der Annahmevereinbarung unter dem Stichwort "Unpaid Fees" erwähnt. Der Begriff "Acceptance Agreement" (Annahmevereinbarung) spricht mehr dafür, dass es sich hierbei um den eigentlichen Vertrag handelt und nicht um bloße Geschäftsbedingungen, die dem Vertrag zugrunde gelegt werden. Das ergibt sich auch daraus, dass auf die Anmeldung (Aufnahmeformular) überhaupt nicht Bezug genommen wird, sondern lediglich auf den Namen und die Anschrift des betreffenden Schülers.

Gegen das Zustandekommen eines Schulvertrages zwischen den Parteien spricht jedenfalls die Regelung des § 154 Abs. 2 BGB. Diese Regelung gilt nicht nur für die vereinbarte notarielle Beurkundung eines Vertrages, sondern auch für die vereinbarte privatschriftliche Form. Beurkundung im Sinne dieser Bestimmung ist demzufolge auch die Errichtung einer privatschriftlichen Urkunde. Es kann davon ausgegangen werden, dass bei den Vertragsverhandlungen die Beurkundung des beabsichtigten Vertrages im Sinne der Erstellung einer privatschriftlichen Urkunde vereinbart wurde, denn insoweit reicht es aus, wenn die Parteien eines beabsichtigten Vertrages schriftliche Entwürfe austauschen (OLG Celle, MDR 1960, Seite 398) oder wenn überhaupt eine Vertragsurkunde hergestellt wird (OLG Koblenz, WM 1984, Seite 1798). Es kommt hinzu, dass die Vereinbarung einer privatschriftlichen Beurkundung ohnehin bei wichtigen und langfristigen Verträgen widerlegbar vermutet wird (vgl. BGHZ 109, 197 [200], NJWRR 1993, Seite 235).

Allerdings ist § 154 Abs. 2 BGB nicht anwendbar, wenn die Beurkundung nur Beweiszwecken dienen soll (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Auflage, § 154 Rdnr. 5 und die dort angegebenen Fundstellen). Für einen derartigen Willen müssen aber konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Ein solcher Wille ist bei wichtigen und langfristigen Verträgen im Zweifel nicht anzunehmen (vgl. Palandt-Heinrichs, a. a. O.). Allein der Umstand, dass in den Formularen eine Unterzeichnung seitens der Klägerin als Schule nicht vorgesehen war, spricht nicht gegen die Anwendung des § 154 Abs. 2 BGB, weil der Vertragsinhalt jedenfalls durch die Unterzeichnung der genannten Vorlage seitens des Vertragspartners der Klägerin festgelegt wurde und letztlich, wie die Klägerin selbst vorträgt, mit tatsächlicher Aufnahme der Schüler bzw. Übersendung der Rechnungen wegen der zu zahlenden Schulentgelte zustande kommen sollte.

Gegen die Annahme, dass die Unterzeichnung der Annahmevereinbarung lediglich Beweiszwecken bezüglich der Kenntnisnahme von allgemeinen Geschäftsbedingungen dienen sollte, spricht auch der Wortlaut der letzten Bestimmung über der Unterschriftsleiste. Hiernach heißt es:

"Die Unterschrift der Eltern oder des Vormundes gilt als gemeinsame oder einzelne Annahme der oben angegebenen Bedingungen."

Damit hat die Klägerin Vertragsinteressenten, denen sie dieses Formular aushändigt, selbst zu verstehen gegeben, dass ein wirksamer Schulvertrag erst mit Unterzeichnung dieses Formulars zustande kommen sollte.

Selbst unter der Annahme, dass der eigentliche Schulvertrag entweder mündlich abgeschlossen wurde oder aber allein aufgrund der so genannten Aufnahmeanträge zustande kommen sollte und die Annahmevereinbarung lediglich als ein Kompendium der allgemeinen Geschäftsbedingungen hätte gelten sollen, wäre der Vertrag nach § 6 Abs. 3 AGBG nicht zustande gekommen. Nach Vorbringen der Klägerin soll das Schulverhältnis der Parteien vor dem 31. Dezember 2001 zustande gekommen sein; aus diesem Grunde gilt nach Artikel 229 EG § 5 noch das bisherige Recht, d. h. auch das Gesetz zur Regelung der allgemeinen Geschäftsbedingungen. Nach der Einlassung des Beklagten erscheint zumindest zweifelhaft, ob die Annahmevereinbarung, sofern es sich dabei um allgemeine Geschäftsbedingungen handelte und auch die Aufstellung der zu zahlenden Gebühren (Schedule of fees payable) als allgemeine Geschäftsbedingungen in den Vertrag wirksam miteinbezogen worden sind. Der Beklagte bestreitet, Kenntnis von den allgemeinen Geschäftsbedingungen gehabt zu haben, so dass offen bleibt, ob die Voraussetzungen für die Einbeziehung nach § 2 Abs. 1 Ziffer 2 AGBG erfüllt sind. Zwar hat die Klägerin vortragen lassen, der Tochter des Beklagten seien die diesbezüglichen Formulare mitgegeben worden. Entscheidend ist aber, ob der Beklagte sie auch erhalten hat. Einen Beweisantritt für die Behauptung, dass dem Beklagten die allgemeinen Geschäftsbedingungen (Gebührenaufstellung und Annahmevereinbarung) zugegangen sind, liegt nicht vor. Der Zugang ergibt sich auch nicht daraus, dass die Tochter des Beklagten "Verhandlungsvollmacht" gehabt hätte, wie die Klägerin meint. Eine Vertretung des Beklagten zum Empfang der Willenserklärungen der Klägerin wäre nur in Betracht gekommen, wenn die Tochter des Beklagten die Schulverträge auch selbst hätte abschließen sollen; eine solche Vollmacht des Beklagten lag nicht vor. Wenn die Regelungen der Annahmevereinbarung als Geschäftsbedingungen nicht mit einbezogen worden sind, würden sie nach § 6 Abs. 1 AGBG nicht gelten, der Vertrag aber im Zweifel im Übrigen wirksam sein. Gegen die Wirksamkeit des Vertrages im Hinblick auf § 6 Abs. 3 AGBG spricht jedoch, dass die beiden Regelungen gerade die wichtigsten Regelungen des Schulvertrages enthalten und schon aus diesem Grunde im Hinblick auf § 139 BGB von einer Unwirksamkeit des gesamten Vertrages ausgegangen werden müsste. Dem steht § 6 Abs. 1 AGBG nicht entgegen; denn diese Bestimmung sollte nur das Schutzbedürfnis des Kunden, also des Vertragspartners des Verwenders, berücksichtigen. Allerdings stellt die gesetzliche Regelung darauf ab, ob durch das Festhalten an dem Restvertrag eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei entsteht. Wenn aber noch nicht einmal die Höhe des Schulgeldes vereinbart ist und dementsprechend nach § 612 Abs. 2 BGB "die übliche Vergütung" als vereinbart zu gelten hätte, würde dies beide Parteien in erhebliche Schwierigkeiten bringen, da es eine "übliche Vergütung" für solche Privatschulen überhaupt nicht gibt, sondern diese Institute relativ frei sind, welche Schulgebühren sie nehmen. Es wäre höchstwahrscheinlich auch für die Klägerin unzumutbar, wenn die aufgenommenen Schüler nicht den Regeln unterliegen würden, die in der Annahmevereinbarung für den Schulbesuch festgelegt sind. Der Schulvertrag hätte sodann nahezu keinen näher bestimmten Inhalt, da der Aufnahmeantrag lediglich persönliche Daten des aufzunehmenden Schülers enthält, dagegen keinerlei Regelungen bezüglich des Schulbesuchs mit Ausnahme der Erklärung, wie der Schüler die Schule erreicht und ob er an dem Schulessen teilnimmt. Es kommt hinzu, dass in dem Aufnahmeantrag die "Aufstellung der zu zahlenden Gebühren" (Schedule of fees payable) nicht enthalten ist und eine Bezugnahme auf die Gebührenaufstellung sich nicht einmal in der Annahmevereinbarung befindet. Darüber hinaus enthält die Aufstellung der zu zahlenden Gebühren auch noch eine weitere Regelung hinsichtlich der Kündigung, insbesondere die Form der Kündigung und die Folgen einer nicht fristgemäßen Kündigung.

Mangels Zustandekommens eines Schulvertrages für die beiden Söhne des Beklagten ist der Anspruch auf Zahlung des Schulgeldes unbegründet. Der Widerklage des Beklagten ist stattzugeben, weil zwischen den Parteien keinerlei vertragliche Beziehungen bestehen und der Beklagte im Hinblick auf die gegenteilige Rechtsansicht der Klägerin ein rechtliches Interesse an der mit der Widerklage begehrten Feststellung hat.



Ende der Entscheidung

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