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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 14.02.2005
Aktenzeichen: 8 U 144/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 562 Abs. 1
BGB § 546 Abs. 1
BGB § 546 a Abs. 1
BGB § 985
1) Hat der Vermieter an allen in den Mieträumen befindlichen Sachen das Vermieterpfandrecht nach § 562 Abs. 1 BGB ausgeübt, entfällt die Räumungspflicht des Mieters nach § 546 Abs. 1 BGB. Ein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung nach § 546 a Abs. 1 BGB steht dem Vermieter in diesem Fall nicht zu.

2) Ein auf § 985 BGB gestützter Herausgabeanspruch des Vermieters als Eigentümer entfällt dann, wenn der Mieter durch vom Vermieter veranlasste Maßnahmen (hier. Wachdienst) keinen alleinigen Zugriff auf die Mieträume mehr hat.


Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 144/04

verkündet am: 14.02.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts Elßholzstr. 30 - 33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 14.02.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 17.5.2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin - 12 O 654/02 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin der Beklagten hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 16.500,00 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Streithelferin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Berufung der Klägerin richtet sich gegen das am 17.5.2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird. Die Klägerin hält das Urteil, soweit die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben worden ist, für unzutreffend.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin hierzu wird auf ihre Schriftsätze vom 22.9.2004 und 9.2.2005 verwiesen.

Die Klägerin beantragt (teilweise unter Wiederholung der vom Landgericht zuerkannten Beträge),

unter Abänderung des am 17.5.2004 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin - 12 O 654/02 -

1. unter Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils vom 30.6.2003 und gleichzeitiger Vorbehaltloserklärung des Urkundenvorbehaltsurteils vom 20.3.2003 die Beklagte zu 1), den Beklagten zu 2) und die Beklagte zu 3) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 150.816,64 EUR zu zahlen,

2. die Beklagte zu 1) ferner zu verurteilen,

a) an die Klägerin 221.136,00 EUR sowie bis zur Räumung gemäß Ziffer 2 b) weitere 13.008,00 EUR jeweils bis zum 3. Werktag eines Monats, beginnend ab dem Monat Oktober 2004, zu zahlen und

b) die von ihr angemieteten Räume in der Liegenschaft Berlin-Mitte, Zimmerstraße 79/80, 1. OG, mit einer Größe von 584,86 qm an die Klägerin herauszugeben,

3. die Widerklage unter Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils vom 30.6.2003 abzuweisen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetretene Streitverkündete hat keinen Antrag gestellt.

Die Beklagten und die Streitverkündete halten das Urteil des Landgerichts, soweit die Klage abgewiesen worden ist, für zutreffend. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten und der Streitverkündeten wird auf ihre Schriftsätze vom 10. und 18.1.2005 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. (Weiterer) Mietzinsanspruch gegen die Beklagte zu 1)

Soweit die Klägerin von der Beklagten zu 1) für das Jahr 2002 restliche Nebenkostenvorschüsse in Höhe von 15.381,64 EUR verlangt, ist die Berufung deshalb unbegründet, weil - worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat - spätestens mit dem 31.12.2003 Abrechnungsreife in Bezug auf die Nebenkostenvorschüsse eingetreten ist, so dass Vorschüsse nicht mehr verlangt werden können. Dies entspricht allgemeiner mietrechtlicher Betrachtungsweise für den Bereich der Geschäftsraummiete in Anlehnung an § 20 Abs. 3 Satz 4 NMVO, so dass auf § 556 Abs. 3 BGB nicht zurückgegriffen werden muss (vgl. nur Schmidt/Futterer/Langenberg, Mietrecht, 8. Auflage, § 556 Rdnr. 448 m.w.N.).

2. Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 2)

a. Nebenkostenvorschüsse 2002

Soweit die Klägerin vom Beklagten zu 2) Schadensersatz im Umfang der restlichen Nebenkostenvorschüsse für 2002 in Höhe des Betrages von 15.381,64 EUR verlangt, ist die Berufung schon aus den Erwägungen oben unter II. 1. unbegründet.

b. Restlicher Mietzins bis April 2003 (80.434,91 EUR)

Der Klägerin steht ein auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB gestützter Schadensersatzanspruch im Umfang des Mietzinses bis April 2003 gegen den Beklagten zu 2) nicht zu. Es kann dahinstehen, ob der Vortrag der Klägerin hinsichtlich der desolaten finanziellen Situation der damals in Gründung befindlichen Beklagten zu 1) zutreffend ist und ob überhaupt eine Aufklärungspflichtverletzung durch den Beklagten zu 2) - der - soweit ersichtlich - nicht selbst die Vertragsverhandlungen mit der Klägerin geführt hat, in Betracht kommt. Jedenfalls hätte der Beklagte zu 2) der Klägerin im Rahmen des § 249 BGB nur das so genannte negative Interesse zu ersetzen: Die Klägerin wäre also so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn sie vom Beklagten zu 2) entsprechend ihren Vorstellungen über die finanzielle Situation der Beklagten zu 1) aufgeklärt worden wäre. Dann hätte die Klägerin nach ihrem Vorbringen zwar keinen Mietvertrag mit der Beklagten zu 1) abgeschlossen; es ist allerdings auch nichts dafür ersichtlich bzw. vorgetragen, dass die Klägerin einen Mietvertrag zu denselben (oder besseren oder schlechteren) Konditionen mit einer anderen Mietvertragspartei abgeschlossen hätte, so dass gerade nichts für einen durch den Beklagten zu 2) verursachten Schaden der Klägerin ersichtlich ist.

3. Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 3)

Soweit die Klägerin von der Beklagten zu 3) für die Zeit bis April 2003 als Schadensersatz (restlichen) Mietzins in Höhe von 80.434,91 EUR nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB verlangt, gelten jedenfalls zur Beurteilung des Schadens im Sinne des § 249 BGB dieselben Ausführungen wie oben unter II. 2. b., so dass die Berufung auch insoweit unbegründet ist.

4. Rückgabeanspruch gegen die Beklagte zu 1)

Der Klägerin steht weder ein Rückgabeanspruch nach § 546 Abs. 1 BGB noch ein Herausgabeanspruch nach § 985 BGB zu.

a. § 546 Abs. 1 BGB

Zwar ist das Mietverhältnis beendet, so dass die Beklagte zu 1) grundsätzlich zur Rückgabe der Mieträume an die Klägerin nach § 546 Abs. 1 BGB und damit zur Räumung sowie zur Einräumung des unmittelbaren Besitzes an die Klägerin verpflichtet ist.

Die Räumungspflicht entfällt jedoch dann, wenn vom Vermieter an den vom Mieter in die Mieträume eingebrachten Gegenstände das Vermieterpfandrecht nach § 562 Abs. 1 BGB ausgeübt wird (Schmidt/Futterer/Gather, a.a.O., § 546 Rdnr. 46). So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat - wie sich z.B. aus ihrem Schriftsatz vom 26.2.2003 auf Seite 5 ergibt und wie von ihr im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 14.2.2005 bestätigt worden ist - an sämtlichen in die Mieträume eingebrachten Sachen das Vermieterpfandrecht ausgeübt, so dass die Beklagte zu 1) gerade keine Räumung durchführen darf. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Umfang das Vermieterpfandrecht tatsächlich besteht:

Die bloße Geltendmachung durch den Vermieter reicht aus, um die als Teil der Rückgabepflicht des Vermieters anzusehende Räumungspflicht entfallen zu lassen.

b. § 985 BGB

Die Klägerin kann von der Beklagten zu 1) auch nicht Herausgabe der Mieträume nach § 985 BGB verlangen. Voraussetzung wäre, dass die Beklagte zu 1) noch Besitzerin im Sinne des § 854 Abs. 1 BGB ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist aber davon auszugehen, dass die Beklagte zu 1) jedenfalls ihren Besitz an den Mieträumen im Sinne des § 856 Abs. 1 BGB verloren hat. Die Klägerin selbst hat der Beklagten zu 1) durch die Einrichtung eines Sicherheitsdienstes die tatsächliche Herrschaft über die Mieträume entzogen, so dass die Voraussetzungen des § 985 BGB nicht (mehr) vorliegen. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte zu 1) die elektronischen Schlösser dekodiert hat und aus diesem Grund ein Betreten der Mieträume nicht möglich ist. Die Beklagte zu 1) kann nämlich, selbst wenn sie es wollte, aus eigenem Willen und aus eigenem Entschluss die Mieträume nicht mehr betreten, so dass keine tatsächliche Sachherrschaft über die Mieträume mehr besteht.

5. Nutzungsentschädigung gegenüber der Beklagten zu 1) nach dem 13.2.2004

Der Klägerin steht ein Nutzungsentschädigungsanspruch nach § 546 a Abs. 1 BGB für die Zeit ab dem 13.2.2004 nicht zu. Eine "Vorenthaltung" im Sinne dieser Bestimmung liegt nur dann vor, wenn die fehlende Rückgabe dem Rückerhaltungswillen des Vermieters widerspricht. So liegt der Fall aber gerade dann nicht, wenn - wie hier - der Vermieter das Vermieterpfandrecht ausgeübt hat:

In einem solchen Fall ist die Annahme eines Rücknahmewillens des Vermieters ausgeschlossen (Schmidt/Futterer/Gather, a.a.O., § 546 a Rdnr. 19), so dass die Berufung unbegründet und der mit der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz geltend gemachte Anspruch der Klägerin nicht zusteht.

6. Widerklage in Bezug auf das Vermieterpfandrecht

Auszugehen ist allerdings davon, dass der Klägerin ein Vermieterpfandrecht an den mit dem im Wege der Widerklage durch den Feststellungsantrag bezeichneten Gegenstände nicht zusteht. Der Vermieter trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Sachen, an denen er das Vermieterpfandrecht nach § 562 Abs. 1 BGB ausgeübt hat, auch im Eigentum des Mieters stehen. Insoweit kann er sich gerade nicht auf die Vermutung des § 1006 BGB berufen:

Diese gilt nur zu Gunsten des Mieters, nicht aber zu seinen Lasten (MK-Artz, 3. Auflage, Bd. 3, § 562 Rdnr. 25; Schmidt/Futterer/Lammel, a.a.O., § 562 Rdnr. 18). Insoweit hat die Klägerin weder dargelegt noch (gar) bewiesen, dass die in der Inventarliste der Anlage B 16 unter Ziff. 1. und 2. aufgeführten Gegenstände im Eigentum der Beklagten zu 1) stehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO. Revisionszulassungsgründe im Sinne des § 543 Abs. 2 BGB waren nicht ersichtlich.



Ende der Entscheidung

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