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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 13.04.2006
Aktenzeichen: 8 U 160/05
Rechtsgebiete: BGB, HGB, UmwG


Vorschriften:

BGB § 540
BGB § 1922
HGB § 25
HGB § 28
UmwG § 152
UmwG § 155
UmwG § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 160/05

verkündet am : 13.04.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber und die Richterinnen am Kammergericht Dr. Henkel und Spiegel auf die mündliche Verhandlung vom 13. 4. 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 13.7.2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 29 des Landgerichts Berlin - 29 O 112/05 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 4.200,- EUR abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

1. Die Berufung der Klägerin richtet sich gegen das am 13. 7. 2005 verkündete Urteil des Landgerichts, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

a) Im Februar 1994 schloss der Beklagte mit der Cnnn Jnn & Snnnnn oHG den streitgegenständlichen Mietvertrag ab, wobei Gesellschafter der oHG die Herren Mnnn Nnnnn und Jnnn Fnnnnn waren.

b) Auf einer Gesellschafterversammlung der Mieterin am 24. 8. 1995 wurde der Austritt des M. Nnnnn zum 2. 1. 1996 beschlossen; die entsprechende Eintragung in das Handelsregister erfolgte 2. 1. 1996.

c) Am 4. 1. 1996 gründeten Jnnn Fnnnnn , H. Fnnnnn und T. Fnnnnn die Cnnn Jnn & Snnnnn Gnnnnnnnnnnnn -GmbH.

d) Ebenfalls an diesem Tag gründeten H. Fnnnnn und T. Fnnnnn sowie die Cnnnn Jnn & Snnnnn Gnnnnnnnnnnnn -GmbH die Cnnn Jnnn & Snnnnn Gnnnnn GmbH & Co.

Dieser Kommanditgesellschaft trat sodann Jnnn Fnnnnn als Kommanditist mit einer Einlage von 250.000,- DM bei; die Erbringung der Kommanditeinlage erfolgte durch Einbringung der zuvor aus dem Einzelunternehmen ausgegliederten Großhandelsgüter, zu denen der Mietvertrag nicht gehörte. Dieser sollte danach als Vermögenswert bei J. Fnnnnn verbleiben.

e) Ebenfalls am 4. 1. 1996 gründete J. Fnnnnn als alleiniger Gesellschafter die Cnnn Jnn & Snnnnn Bnnnnnn -GmbH; diese GmbH tat sodann in das Einzelunternehmen des J. Fnnnnn "als Vollhafterin" ein. Danach trat J. Fnnnnn als "Vollhafter" aus der ohG aus und ihr zugleich wieder bei, und zwar als Kommanditist mit der Einlage des Einzelhandelunternehmens.

f) Nach Änderung der Firma der Kommanditgesellschaft verschmolz diese mit der Dn Mnn nn GmbH, die später in die Klägerin umfirmierte.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie nunmehr Partei des Mietvertrages mit dem Beklagten von Februar 1994 sei. Sie hält das angefochtene Urteil, mit dem das Landgericht die Klage abgewiesen hat, für unzutreffend, weil das Landgericht die zum Übergang des Mietverhältnisses auf sie führenden Umstände unzutreffend gewürdigt habe. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin in der Berufungsinstanz wird auf ihre Schriftsätze vom 30. 9. 2005, 23. 1., 22. 3. und 7. 4. 2006 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass sie seit dem 30. 3. 2000 alleinige Mieterin der Gewerberäume in nnnnnn , nnnnnnnnnnnnnn ist und als Rechtsnachfolgerin auf Mieterseite gemäß dem Mietvertrag vom 15./18. 2 1994 als alleinige Mieterin berechtigt und verpflichtet ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält das landgerichtliche Urteil für zutreffend. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Beklagten in der Berufungsinstanz wird Bezug genommen auf seine Schriftsätze vom 23. 12. 2005, 3. 2. und 4. 4. 2006.

2. Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet, weil das Landgericht zu Recht entschieden hat, dass die Klägerin nicht Partei des Mietvertrages von Februar 1994 geworden ist.

Zur Begründung wird zunächst Bezug genommen auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in den Entscheidungsgründen des Urteils. Im Hinblick auf die Berufungsbegründung ist folgendes zu ergänzen:

Für die Entscheidung kommt es darauf an, ob das Mietverhältnis auf irgend eine Weise von der oHG auf die Klägerin übergegangen ist.

Ausgehend davon, dass eine Mieterauswechselung grundsätzlich nur durch eine Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter erfolgen kann, eine solche aber hier im Verhältnis zwischen der oHG und der Beklagten nicht vorliegt, kann die Klägerin nur Mieterin geworden sein, wenn die Vorgänge unter handels- oder gesellschaftsrechtlichen Gesichtspunkten einen Übergang des Mietverhältnisses kraft Gesetzes bewirkt haben. Die jeweiligen Ereignisse sind also unter diesen Gesichtspunkten zu untersuchen.

a) Ausscheiden des Gesellschafters Nnnnn

Mit dem Ausscheiden des zweiten Gesellschafters ist aus der oHG ein Einzelhandelsunternehmen geworden. Alle Rechte und Pflichten der oHG sind im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf J. F. als Inhaber des Unternehmens übergegangen und damit auch die Mieterstellung der oHG. Diese Rechtslage entspricht derjenigen wie z. B. der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB oder sämtlichen Umwandlungstatbeständen nach dem Umwandlungsgesetz (Bub/Treier-Heile, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., II Rn. 837; Baumbach/Hopt, HGB, 30. Aufl., Einl. v. § 105 Rn. 23; Karsten Schmidt, Festschrift für Medicus 1999, S. 555 ff., 570).

Diese Rechtslage entspricht somit einer Fallkonstellation, mit der der Beklagte bei Abschluss des Mietvertrages rechnen musste, weil er an eine oHG vermietet hatte ("Wer unternehmensbezogen kontrahiert, muss nicht nur damit rechnen, dass ihm ein zunächst unbekannter Unternehmensträger als ŽrichtigerŽ Vertragspartner vorgesetzt wird, er muss auch mit einem Vertragspartnerwechsel durch Unternehmensträgerwechsel rechnen" Karsten Schmidt, aaO., S. 569/570).

b) Eintritt der GmbH in das Einzelhandelsunternehmen

Mit dem Eintritt der GmbH in das Einzelhandelsunternehmen am 4. 1. 1996 ist aus diesem eine oHG geworden, und zwar eine "neue" oHG (Baumbach/Hopt, aaO., Einl. v. § 105 Rn. 22). Hierdurch hat sich die Mieterstellung des J. F. aber nicht geändert. Für den Fall, in denen der Inhaber eines Unternehmens, der zugleich Partei eines Mietvertrages auf der Mieterseite ist, dieses etwa durch eine Unternehmensveräußerung (ggfls. in Form der Einbringung) in eine bestehende oHG oder KG einbringt, wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass der Erwerber (oder "neue Inhaber") nur in die Mieterstellung einrücken kann, wenn der Vermieter zustimmt (BGH, Urt. v. 25. 4. 2001 - XII ZR 43/99, NJW 2001, 2251=GE 2001, 848; Palandt/Weidenkaff, BGB, 65. Aufl., § 540 Rn. 6). Dagegen vertreten K. Schmidt (Festschrift für Medicus 1999, 555 ff., 567) und Lieb (Die Haftung für Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen bei Unternehmensübergang 1992, S. 16) unter Hinweis auf den Regelungsgehalt der §§ 25, 28 HGB die Meinung, dass unternehmensbezogene Rechte und Pflichten auch im Falle des Unternehmensübergangs beim Unternehmen zu belassen sind und dem jeweiligen (neuen) Unternehmensträger zuzuweisen sind. Für diese Auffassung spricht z. B. die Regelung über die Ausgliederung des von einem Einzelkaufmann betriebenen Unternehmens oder von Teilen desselben nach § 152 UmwG. Nach § 155 UmwG hat die Ausgliederung des gesamten Unternehmens des Einzelhandelskaufmanns das Erlöschen der von ihm geführten Firma zur Folge. Da damit auch die Mieterstellung des Einzelhandelskaufmanns erlöschen würde träte genau die Folge ein, die der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung - allerdings ohne die Bestimmungen des UmwG zu berücksichtigen - als Argument gegen die Möglichkeit der Übertragung des Mietverhältnisses auf einen Dritten erwähnt. Konsequent wäre es deshalb auch im Hinblick auf den Wortlaut des § 157 UmwG, der nur eine zeitliche Haftung des übertragenden Kaufmanns von fünf Jahren für die im Ausgliederungs- und Übernahmevertrag "aufgeführten Verbindlichkeiten" vorsieht, die Mietvertragsstellung auf den neuen oder den übernehmenden Rechtsträger übergehen zu lassen, wenn man die Folge des Erlöschens vermeiden will. Allerdings kann für den vorliegenden Rechtsstreit dahinstehen, ob der Auffassung von Schmidt und Lieb zu folgen ist. Es liegt gerade keine Übertragung des Einzelhandelsunternehmens des J. F. auf eine (bestehende) oHG oder KG vor, sondern (quasi umgekehrt) der Eintritt der GmbH in das Unternehmen des F., so dass vielleicht gefragt werden könnte, was mit den ihr zuvor zugeordneten Rechtsverhältnissen geschehen ist.

Festzuhalten ist deshalb, dass durch den Eintritt der GmbH das dem J. F. zuzuordnende Mietverhältnis nicht auf die oHG übergegangen ist.

c) Ausscheiden des J. F. aus der oHG und Wiedereintritt als Kommanditist mit der Einlage des (Rest-)Einzelunternehmens

Durch diesen Vorgang ist aus der oHG eine KG entstanden, deren persönlich haftende Gesellschafterin die GmbH geworden ist. Es liegt aber auch hier kein "unternehmensbezogenes" Geschäft vor, das zu einem Übergang der Mieterstellung des J. F. auf die KG führen konnte. Es gibt keine Veräußerung oder Unternehmensübertragung und keine schuldrechtlichen Verträge, die diese Rechtsfolge herbeiführen sollte oder rechtfertigen könnte. Vielmehr liegt ein Handeln vor, das unter Ausnutzung der entsprechenden gesellschafts- und handelsrechtlichen Möglichkeiten aus dem Einzelhandelsunternehmen des J. F. eine juristische Person mit beschränktem Haftungsumfang schaffen sollte. Dies konnte jedoch bei der gegebenen Sachlage nicht dazu führen, dass die Mieterstellung auf die neue Gesellschaft überging. Zwar dürfte anders, als der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung unter Berufung auf das Schrifttum meint, die Bestimmung des § 540 BGB nicht entgegenstehen. § 540 BGB hat mit einem Vertragspartnerwechsel nicht zu tun (Karsten Schmidt, Gedächtnisschrift für Jürgen Sonnenschein 2002, S. 497 ff., 510). Geregelt wird dort nur die Gebrauchsüberlassung an einen Dritten, die zu Kündigungsrechten von Mieter oder Vermieter führen kann. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass weder die KG noch die Klägerin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in die bei J. F. entstandene Mieterstellung einrücken konnten.

Soweit der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 25. 4. 2001 ausgeführt hat, dass die Rechtslage für den Vermieter anders sein könnte, wenn er "von vorneherein an eine Gesellschaft vermietet hat und das damit verbundene Risiko deshalb bewusst eingegangen ist", hilft das für den vorliegenden Rechtsstreit nicht weiter, weil nicht klar ist, was der Bundesgerichtshof damit zum Ausdruck bringen wollte. Jedenfalls liegen keine gesellschaftsbezogenen Handlungen der ursprünglichen Mieterin vor, die etwa unmittelbar zur Änderung der Gesellschaftsform geführt haben. Das Ausscheiden des Mitgesellschafters Nnnnn hätte auch durch dessen Tod erfolgen können, so dass das vom Bundesgerichtshof angesprochene "Risiko" sich an sich nur auf diesen Fall - der dem vorliegenden gleich steht - beziehen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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