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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 23.05.2005
Aktenzeichen: 8 U 234/04
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, EGBGB, ZPO, GVG


Vorschriften:

BGB § 204 Abs. 1
BGB § 307 n.F.
BGB § 286
BGB § 288
BGB § 326 a.F.
BGB § 548 n.F.
BGB § 548 Abs. 1
BGB § 548 Abs. 1 Satz 2
BGB § 765
BGB § 767
BGB § 768
BGB § 814
AGBG § 9
EGBGB Art. 229 § 5
EGBGB Art. 229 § 6
ZPO § 167
GVG § 19
1. Der mit einer Botschaft als Mieterin geschlossene Vertrag stellt sich als Geschäftsraummietvertrag dar, auch wenn die Räume von der Botschaft sodann an Botschaftsangehörige als Wohnräume überlassen werden.

2. Der in Anspruch genommene Bürge kann sich auf die Verjährung der Bürgschaftsschuld auch dann berufen, wenn diese erst nach Klageerhebung eingetreten ist.


Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 234/04

verkündet am: 23.05.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts Elßholzstr. 30 - 33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 23.05.2005 durch die Richterin am Kammergericht Dr. Henkel als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 25. Juni 2004 verkündete Urteil der Abteilung 14 des Amtsgerichts Mitte wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet. Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.

Zwischen den Klägern und der Beklagten zu 1) ist ein Geschäftsraummietvertrag abgeschlossen worden. Bei der rechtlichen Einordnung eines Mietverhältnisses über zum Wohnen geeignete und genutzte Räume als Wohnraum - oder Geschäftsraummietvertrag ist nach dem vereinbarten Vertragszweck darauf abzustellen, ob die Räume dem Mieter zum eigenen Wohnen überlassen werden. Sind zum Wohnen geeignete und letztlich zu Wohnzwecken auch genutzte Räume Vertragsgegenstand, liegt kein Mietverhältnis über Wohnraum vor, wenn der Mieter die Räume von vornherein nicht zum eigenen Wohnen, sondern zum Zwecke der Weitervermietung an Dritte anmietet (Bub/Treier/Reinstorff, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, I, Rdnr.83; III.A, Rdnr.1032). Lediglich der zu Wohnzwecken abgeschlossene Vertrag zwischen Mieter und Endmieter ist ein Wohnraummietvertrag (OLG Zweibrücken NJW-RR 1995,270). Mietet ein Arbeitgeber Wohnräume zum Zwecke der Weitervermietung an Betriebsangehörige, handelt es sich nicht um einen Wohnraummietvertrag, sondern um einen Geschäftsraummietvertrag (BGH NJW 1981,1377; BayObLG (RE) NJW-RR 1996,76). Bei einer juristischen Person kommt die Verfolgung eines eigenen Wohnzweckes von vornherein ohnehin nicht in Betracht (Bub/Treier/Reinstorff, a.a.O., III. A, Rdnr.1032). So liegt der Fall hier. Die Beklagte zu1 ) hat die zum Wohnen geeigneten und letztlich auch genutzten Räume zum Zwecke der Weitervermietung an die Mitarbeiter der Dänischen Botschaft angemietet.

A. Zur Klage

1.

Die Kläger können restlichen Mietzins für April 2002 und einen Teilbetrag für Mai 2002 nicht verlangen (§ 535 Abs. 2 BGB). Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Mietverhältnis durch die Kündigung der Beklagten zu 1) gemäß Schreiben vom 07. November 2001 wirksam zum 28. Februar 2002 beendet worden ist. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts verwiesen, die die Kläger mit der Berufung nicht erheblich angegriffen haben. Entgegen der mit der Berufung vertretenen Ansicht der Kläger findet die sogenannte Diplomatenklausel des Ziff.3.1.1.a) des Mietvertrages vorliegend Anwendung. In dieser Bestimmung des Mietvertrages ist geregelt, dass dem Mieter ein einseitiges Kündigungsrecht mit einer Kündigungszeit von drei Monaten " für den Fall des berufsbedingten Ortswechsels nach außerhalb der Bundesrepublik Deutschland " eingeräumt wird. Zwar trifft es zu, wie die Kläger geltend machen, dass dieser Fall naturgemäß bei der Beklagten zu 1) als Staat nicht eintreten kann. Da aber Vertragszweck des zwischen den Mietvertragsparteien abgeschlossenen Mietvertrages ersichtlich die Weitervermietung der Räume an Mitarbeiter der Beklagten zu 1) ist, wird der Fall des berufsbedingten Ortswechsels des die Wohnung nutzenden Mitarbeiters der Beklagten zu 1) von dem Regelungsgehalt dieser Bestimmung erfasst. Sinn und Zweck der Regelung zielen gerade auf diesen - im Übrigen nur denkbaren - Anwendungsfall ab. Der Diplomat nnn , der die Wohnung genutzt hat, ist unstreitig in sein Heimatland zurückberufen worden. Gerade für diesen Fall ist der Beklagten zu 1) das Sonderkündigungsrecht eingeräumt worden, weil im Fall des berufsbedingten Ortswechsels die Wohnung für den nutzenden Mitarbeiter der Beklagten zu 1) nicht mehr benötigt wird.

2.

Es kann für die Entscheidung dahingestellt bleiben, ob den Klägern ein Anspruch auf Schadensersatz wegen unterlassener Schönheitsreparaturen und wegen Beschädigung des Parkettbodens zustünde (§ 326 BGB a.F. bzw. aus positiver Vertragsverletzung). Etwaige Schadensersatzansprüche sind gemäß § 548 BGB n.F. verjährt.

Es kann für die Entscheidung daher dahingestellt bleiben, ob die Klausel in § 14 Ziff. 2 des Mietvertrages, wonach der Mieter während der Dauer des Mietverhältnisses die Schönheitsreparaturen in bestimmten - teilweise verkürzten - Regelfristen durchzuführen hat, gemäß § 9 AGBG / § 307 BGB n.F. unwirksam ist. Es kann deswegen auch offen bleiben, ob die Regelung als sogenannte "starre Fristenregelung" anzusehen ist und ob die zum Wohnraummietrecht ergangene Rechtsprechung des BGH, wonach Klauseln mit einer starren Fristenregelung unwirksam sind (vgl. BGH Urteil vom 23.Juni 2004 - VIII ZR 361/03 - GE 2004,1023), auch auf Geschäftsraummietverträge Anwendung findet.

Gemäß § 548 Abs. 1 BGB verjähren Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache in 6 Monaten. Nach § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB beginnt die Verjährung mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält. Die Wohnung wurde am 26. Februar 2002 übergeben, so dass Ersatzansprüche mit Ablauf des 26. August 2002 verjährt sind (§§ 187 Abs. 1,188 BGB). Dies gilt auch für etwaige Schadensersatzansprüche wegen unterlassener Schönheitsreparaturen gemäß § 326 BGB a.F. - der hier gemäß Art. 229 § 5 EGBGB noch anzuwenden ist, da das Mietverhältnis vor dem 01. Januar 2003 endete - , obwohl der Anspruch erst mit Ablauf der gemäß Schreiben der Kläger vom 05. März 2002 gesetzten Nachfrist entstanden ist (vgl. BGH Urteil vom 19.Januar 2005 - VIII ZR 114/04 - GE 2005,209 = WuM 2005,126).

Die Verjährung ist - entgegen der Ansicht der Kläger - nicht durch Erhebung der Klage gehemmt (§ 204 Abs. 1 BGB n.F. ). Aus Art. 229 § 6 EGBGB folgt, dass auf Ansprüche, die nach dem 31. Dezember 2001 entstehen, ausschließlich die Vorschriften des BGB über die Verjährung in der seit dem 01.Januar 2002 geltenden Fassung Anwendung finden.

Zwar haben die Kläger die Klage bei Gericht unter dem 26. August 2002 eingereicht, also genau mit Ablauf der sechsmonatigen Verjährungsfrist des § 548 BGB. Nach § 204 Abs. 1 BGB wird aber die Verjährung nicht durch Einreichung der Klage bei Gericht, sondern durch Zustellung der Klage an den Berechtigten gehemmt. Gemäß § 167 ZPO wirkt die Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage zurück, sofern die Zustellung "demnächst" erfolgt. Eine Zustellung "demnächst" nach Einreichung der zuzustellenden Klage bedeutet daher eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen selbst längeren Frist, wenn die Partei und ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan haben (OLG Karlsruhe FamRZ 1988,1154). Das ist nicht der Fall, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges, auch nur leicht fahrlässiges Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen haben (vgl. BGH VersR 1983,661). So hat der Kläger Zustellungsverzögerungen zu vertreten, die darauf zurückzuführen sind, dass der Kläger den Beklagten unrichtig bezeichnet oder seine Anschrift falsch angegeben hat (BGH VersR 1972,1080; OLG Karlsruhe a.a.O.).

Die Voraussetzungen der Rückwirkung liegen hier nicht vor. Denn die Zustellung der Klage ist erst am 14. November 2003 erfolgt und die über ein Jahr verzögerte Zustellung ist in erheblichem Maße auf das Verhalten der Kläger bzw. ihres Prozessbevollmächtigten zurückzuführen. Die Kläger haben in der Klageschrift die Beklagte zu 1), vertreten durch den Botschafter, aufgeführt und die Anschrift der Botschaft in Berlin angegeben. Die unter dieser Anschrift vorgenommen Zustellung ist nach § 19 GVG gescheitert. Nachdem die Kläger mit Schreiben des Amtsgerichtspräsidenten vom 19. November 2002 - durch das Amtsgericht mit Verfügung vom 13. Dezember 2002 übermittelt - darauf hingewiesen worden ist, dass die Vertretungsverhältnisse der Beklagten zu 1) offenbar unzutreffend angegeben worden seien, haben die Kläger in der gesetzten Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme nicht abgegeben, sondern Fristverlängerung beantragt, die aber nicht gewährt worden ist. Im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht vom 04. April 2003, in dem eine Zustellung an die Beklagte zu 1) nicht festgestellt werden konnte, ist den Klägern aufgegeben worden binnen drei Wochen, die Vertretungsverhältnisse der Beklagte zu 1) anzugeben und mitzuteilen, wie und an wen die Klage zugestellt werden solle. Mit Verfügung des Amtsgerichts vom 05.Mai 2003 hat das Amtsgericht an die Erfüllung der Auflage erinnert. Erst mit Schriftsatz vom 11. Juli 2003, eingegangen bei Gericht am 14.Juli 2003, haben die Kläger die zutreffenden Vertretungsverhältnisse mitgeteilt und, dass eine empfangsbevollmächtigte Stelle der Beklagten zu 1) im Inland nicht bekannt sei und daher die Auslandszustellung beantragt. Damit haben die Kläger erst zu diesem Zeitpunkt - nämlich erst 11 Monaten nach Einreichung der Klage - die für die Zustellung an den Beklagten zu 1) notwendigen Angaben mitgeteilt. Die erst aufgrund der mit Schriftsatz vom 27. August 2003 erfolgten Anzeige der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) veranlasste Zustellung der Klageschrift, die am 14. November 2003 bewirkt worden ist, war demnach offensichtlich nicht mehr "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO.

Die Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) sind daher gemäß § 548 BGB verjährt.

3.

Die Kläger können die Schadensersatzansprüche auch gegen die Beklagte zu 2) als Bürgin nicht gemäß § 765 BGB mit Erfolg geltend machen.

Gemäß § 768 BGB kann der Bürge die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Der Bürge kann sich daher- unabhängig von der Verjährung der Bürgschaftsschuld - auf Verjährung der Hauptschuld berufen (Münchener Kommentar - Habersack, BGB, 4. Auflage, § 768 BGB, Rdnr.5; BGH NJW 1986,310 = BGHZ 95,375). Entgegen der mit der Berufung vertretenen Ansicht, kommt es nicht darauf an, dass die Klage gegen die Beklagte zu 2) - die Bürgin - demnächst nach Klageeinreichung zugestellt worden ist. Denn für die Unterbrechung der Verjährung kommt allein die Klage gegen die Beklagte zu 1), nicht dagegen die gegen die Beklagte zu 2) in Betracht. Wenn dem Bürgen die Einrede der Vorausklage - wie im Falle der selbstschuldnerischen Bürgschaft (§ 771 BGB) - nicht zusteht, kann er sich auf die Verjährung der Hauptschuld auch dann berufen, wenn diese nach Erhebung der Bürgschaftsklage eingetreten ist. Dies erfordert die Abhängigkeit der Bürgschaftsschuld von der Hauptverbindlichkeit, § 767 BGB (Staudinger/Horn, BGB, 1997, § 768 BGB, Rdnr.13; Palandt/Sprau, BGB, 64. Auflage, § 768 BGB, Rdnr.6; BGHZ 76,22,225 = NJW 1980,1460; BGH NJW 1999,278; OLG Koblenz VersR 1981,167; OLG Hamm WM 1985,514). Für die nach neuem Recht geltende Hemmung der Verjährung kann nichts anderes gelten. Die Befugnis, sich auf Verjährung der Hauptschuld zu berufen, steht dem Bürgen sogar nach dessen rechtskräftiger Verurteilung zu (BGH NJW 1999,278; siehe auch Geldmacher in NZM 2003,502).

B. Widerklage

Aus den unter A.1. dargelegten Gründen schulden die Beklagten keinen weiteren Mietzins. Sie können deswegen die für den Monat März 2002 geleistete Mietzahlung in Höhe von 1.579,89 EUR zurückverlangen (§ 812 BGB).

Dem Rückforderungsanspruch steht auch § 814 BGB nicht entgegen.

Die Anwendung von § 814 BGB setzt positive Kenntnis der Rechtslage durch den Leistenden voraus. Der Leistende muss also im Zeitpunkt der Leistung wissen, dass er nach der Rechtslage nichts schuldet (BGH NJW 1997,2381). Der Leistungsempfänger hat zu beweisen, dass der Leistende die Leistung freiwillig in Kenntnis der Nichtschuld erbracht hat, insbesondere sich nicht über das Bestehen der Verpflichtung geirrt hat (BGH NJW 2002,3772; Palandt/Sprau, a.a.O., § 814 BGB, Rdnr.11). Hierzu fehlt jeder Vortrag der Kläger. Die Beklagten haben vielmehr unbestritten vorgetragen, dass sie die Märzmiete versehentlich noch gezahlt haben, weil der Überweisungsauftrag nicht mehr "gestoppt" werden konnte. Dies schließt eine bewusste Leistung auf eine Nichtschuld aus.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286,288 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711,713 ZPO. Die Revision wird nicht zugelassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 1und 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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