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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 23.01.2006
Aktenzeichen: 8 U 237/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 520 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 1
Der Prozessbevollmächtigte einer Partei darf sich nicht auf die Richtigkeit der Bedienungsanleitung eines ihm unbekannten Faxgerätes verlassen, wenn die Bedienungsanleitung im offensichtlichen Widerspruch zu dem auf dem Vorlageneinzug befindlichen Symbol steht. Versäumt er die Berufungsbegründungsfrist, weil er allein auf die Richtigkeit der - tatsächlich falschen - Bedienungsanleitung vertraut, ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren, da das Versäumen auf sein, der von ihm vertretenen Partei zuzurechnendes, schuldhaftes Verhalten zurückzuführen ist.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 8 U 237/05

23.01.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, die Richterin am Kammergericht Dr. Henkel und die Richterin am Kammergericht Spiegel am 23. Januar 2006 beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag des Klägers vom 18. Januar 2006 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Berufung des Klägers gegen das am 1. November 2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 36 des Landgerichts Berlin wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

3. Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.137,78 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Durch das am 1. November 2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 36 des Landgerichts Berlin ist die Klage abgewiesen und der Kläger auf die Widerklage zur Zahlung von 411,94 € nebst Zinsen an die Beklagte verurteilt worden. Gegen das ihm am 7. November 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger durch einen bei Gericht am 7. Dezember 2005 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Am Montag, den 9. Januar 2006 sind durch Fax-Übermittlung bei Gericht um 20.53 Uhr und 21.43 Uhr von einem Absender "nnnnnnnnnnn " (nnnnnn ) leere Seiten eingegangen. Am 10. Januar 2006 ist per Fax-Übermittlung bei Gericht die Berufungsbegründung eingegangen und zwar mit einem Begleitschreiben folgenden Inhalts:

"..wird vorsorglich die Berufungsbegründung nochmals per Fax vorab übersandt.

Nach hier vorliegendem Faxprotokoll ist die Berufungsbegründung gestern, 9.01.06 um 21:45 Uhr an das Gericht übersandt worden."

Nachdem der Klägervertreter mit Schreiben des Vorsitzenden vom 12. Januar 2006 darauf hingewiesen worden ist, dass am 9. Januar 2006 nur leere Seiten eingegangen seien, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 18. Januar 2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt. Zur Begründung führt er aus, dass sein Prozessbevollmächtigter die Berufungsbegründung zu Hause in seiner Privatwohnung fertig gestellt habe. Das dort vorhandene Faxgerät sei ihm nicht bekannt gewesen, weil es von seiner Ehefrau angeschafft und genutzt worden sei.

Um sich der richtigen Bedienung des Faxgerätes zu versichern, habe der Prozessbevollmächtigte die Bedienungsanleitung konsultiert. Diese habe ausdrücklich vorgeschrieben, das Original mit der bedruckten Seite nach unten in den Vorlageneinzug einzulegen. Auf dem Gerät selbst sei ein Symbol eingestanzt, welches "angeblich" auf den Umstand hinweisen solle, dass die Originale zum ordnungsgemäßen Faxvorgang mit der Schrift nach oben einzulegen seien. Dieses Symbol sei aber nicht allgemein verständlich. Maßgeblich für die ordnungsgemäße Bedienung eines Fax-gerätes sei allein die Bedienungsanleitung. Diese Bedienungsanleitung habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers konsultiert und befolgt. Die darauf hin erfolgte tatsächliche fehlerhafte Übermittlung des Telefaxes gehe also nicht auf das Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers zurück. Erst als der Prozessbevollmächtigte des Klägers am nächsten Tage, dem 10. Januar 2006 noch einmal seine Ehefrau nach der korrekten Bedienung des Telefaxgerätes gefragt habe, habe er erste Zweifel an einer ordnungsgemäßen Übersendung des Telefaxes entwickeln können. Zur Glaubhaftmachung hat der Kläger ein Bestätigungsschreiben der Firma Hewlett Packard vom 12. Januar 2006, einen Auszug aus der Bedienungsanleitung des Telefaxgerätes sowie eine eidesstattliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16. Januar 2006 zu den Akten gereicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Klägervertreters vom 18. Januar nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers gegen das am 1. November 2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 36 des Landgerichts Berlin ist nach § 522 Absatz 1 Satz 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Sie ist nicht innerhalb der Frist des § 520 Abs.2 Satz 1 ZPO begründet worden. Aufgrund der Zustellung des landgerichtlichen Urteils am 7. November 2005 ist die Berufungsbegründungsfrist am Montag, den 9. Januar 2006 abgelaufen. Eine Begründung der Berufung erfolgte erst mit dem am 10. Januar 2006 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz.

Dem Kläger ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der entsprechende Antrag vom 18. Januar 2006 ist zwar zulässig, jedoch unbegründet, weil die Fristversäumung nicht als unverschuldet anzusehen ist. Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruht auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers, das sich der Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Die Fristversäumung wäre für einen pflichtbewussten Rechtsanwalt abwendbar gewesen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers durfte sich nicht auf die Richtigkeit der Bedienungsanleitung des ihm unbekannten Faxgerätes verlassen, da die Bedienungsanleitung im offensichtlichen Widerspruch zu dem auf dem Vorlageneinzug befindlichen Symbol steht. Dieses Symbol stellt, wie dem Bestätigungsschreiben der Firma Hewlett-Packard vom 12. Januar 2006 zu entnehmen ist, ein bedrucktes Blatt Papier mit der Schrift nach oben dar und zeigt die Einschubrichtung an. Einen allgemeinen Erfahrungssatz, dass Bedienungsanleitungen grundsätzlich richtig sind und auf Geräten aufgebrachten Symbolen eher zu misstrauen ist, gibt es nicht. Hätte der Prozessbevollmächtigte des Kläger keine Bedienungsanleitung zur Verfügung gehabt, hätte er ohne weiteres auf die Richtigkeit des auf dem Gerät aufgebrachten Symbols vertrauen dürfen. Wäre auf dem Gerät kein Bedienungssymbol abgebildet gewesen, hätte sich der Prozessbevollmächtigte auf die Richtigkeit der Bedienungsanleitung verlassen dürfen. Besteht aber - wie hier - ein Widerspruch zwischen dem auf dem Gerät aufgebrachten Bedienungssymbol und der Bedienungsanleitung, ist jedenfalls nicht der Bedienungsanleitung der Vorzug zu geben, sondern es sind - im Rahmen der Zumutbarkeit - Vorkehrungen zu treffen, die den richtigen und rechtzeitigen Zugang des zu sendenden Schriftstückes gewährleisten. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat offensichtlich selbst nicht auf die Richtigkeit der Bedienungsanleitung vertraut, denn ansonsten hätte er keine Veranlassung gehabt, am nächsten Tag mit seiner Frau über die Bedienung des Faxgerätes zu sprechen und "vorsorglich" die Berufungsbegründung noch einmal per Fax zu übersenden. Im Hinblick auf den Widerspruch zwischen der Bedienungsanleitung und dem auf dem Gerät aufgebrachten Symbol hätte es der üblichen Sorgfalt eines ordentlichen Anwaltes entsprochen, die Frage, wie das zu versendende Papierstück einzulegen ist, entweder dadurch zu klären, dass er auf dem selben Gerät - was laut Bedienungsanleitung möglich ist - ein einseitiges bedrucktes Papierstück einmal mit der Schrift nach oben und einmal mit der Schrift nach unten in den Vorlageneinzug einlegt und kopiert. Eine andere zumutbare Möglichkeit, die richtige und rechtzeitige Übersendung der Berufungsbegründung sicherzustellen, wäre es gewesen, diese einmal mit der Schrift nach oben und einmal mit der Schrift nach unten in den Vorlageneinzug zu legen und an das Gericht zu versenden. Beide Verfahrensweisen wären dem Prozessbevollmächtigten des Klägers auch zumutbar gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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