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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 21.10.2002
Aktenzeichen: 8 U 255/01
Rechtsgebiete: BGB, HGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 4 Abs. 1 a.F. | |
BGB § 535 Satz 2 | |
BGB § 765 Abs. 1 | |
BGB § 766 | |
HGB § 1 Abs. 1 | |
HGB § 1 Abs. 2 n. F. | |
HGB § 350 | |
ZPO § 91 Abs. 1 | |
ZPO § 543 Abs. 2 Satz 1 | |
ZPO § 543 Abs. 2 Satz 2 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 |
Kammergericht Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: 8 U 255/01
Verkündet am: 21. Oktober 2002
hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch die Richterin am Kammergericht Spiegel als Einzelrichterin auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2002 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 21. Mai 2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits im ersten und zweiten Rechtszuge hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist begründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch in Höhe von 31.131,04 DM gemäß § 765 Abs.1 BGB.
Entgegen den Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung ist der Beklagte aufgrund der am 16. Oktober 1995 von seinem Sohn, dem Herrn Ö unterzeichneten Bürgschaftserklärung nicht verpflichtet, für die Erfüllung der Verbindlichkeiten von Frau und Herrn C gegenüber dem Kläger aus dem Mietverhältnis über die im Erdgeschoss des Hauses T Damm in Berlin gelegenen Ladenräume einzustehen. Der Unterzeichnende war zur Abgabe der Bürgschaftserklärung nicht wirksam bevollmächtigt. Es kann insoweit dahin gestellt bleiben, ob der Beklagte den Unterzeichnenden mündlich oder nach den Grundsätzen der Anscheins- oder Duldungsvollmacht bevollmächtigt hat, denn unstreitig hat er den Unterzeichnenden nicht schriftlich bevollmächtigt.
Die Vollmacht zur Erteilung einer Bürgschaft hätte im vorliegenden Fall schriftlich erklärt werden müssen, da es sich bei dem Beklagten nicht um einen Kaufmann handelt.
Gemäß § 766 BGB ist zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrages die schriftliche Erteilung der Bürgschaftserklärung erforderlich. Der Zweck der Schutzvorschrift des § 766 BGB, dem Bürgen Inhalt und Umfang seiner Haftung deutlich vor Augen zu führen, erfordert es, dass auch die Vollmacht zur Erteilung einer Bürgschaft schriftlich erklärt wird (BGH in NJW 1996, 1467). Die Formvorschrift des § 766 Satz 1 BGB findet auf eine Bürgschaft dann keine Anwendung, wenn diese auf der Seite des Bürgen ein Handelsgeschäft ist, § 350 HGB (BGH in NJW 1997, 1779). Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an der Kaufmannseigenschaft des Beklagten. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob der Beklagte den Imbiss überhaupt jemals selbst betrieben hat. Wenn der Beklagte, wie von ihm behauptet, mit dem Imbiss nichts zu tun hatte und im fraglichen Zeitraum bei der Firma S als Schweißer beschäftigt war, liegt eine Kaufmannseigenschaft schon per se nicht vor. Wenn er den Imbiss - gleich in welcher Form - betrieben haben sollte, könnte gleichwohl nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte als Kaufmann tätig war. Gemäß § 1 Abs.1 HGB (a.F.) ist Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuches, wer ein Handelsgewerbe betreibt. Um ein solches Grundhandelsgewerbe dürfte es sich bei dem streitgegenständlichen Imbiss handeln, denn bei dem Imbiss handelt es sich um einen Gewerbetrieb, der die Anschaffung und Weiterveräußerung von beweglichen Sachen (Waren) zum Gegenstand hatte (§ 1 Abs.2 Ziffer 1 HBG (a.F.)). Gemäß § 4 Abs.1 BGB (a.F.) finden die Vorschriften über die Firmen, die Handelsbücher und die Prokura jedoch keine Anwendung auf Personen, deren Gewerbetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert. Art und Umfang des Imbisses lassen den Schluss zu, dass er nach Art und Umfang einen in Kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.
Die Terminologie zur Abgrenzung zwischen Voll- und Minderkaufleuten ist in § 1 Abs.2 HGB (n.F.) übernommen worden. Die seit der Einführung des, Handelsrechtsreformgesetzes erforderliche Abgrenzung zwischen Voll- und Nicht-Kaufleuten folgt daher den gleichen Grundsätzen wie die Abgrenzung der bis dahin erforderlichen Abgrenzung zwischen Voll- und Minderkaufleuten (Ralph Schmitt, Der Entwurf eines Handelsrechtsreformgesetzes, in WiB 21, 1997, 1113).
Die Beantwortung der Frage, ob ein Betrieb nach Art oder Umfang kaufmännische Einrichtungen erfordert, setzt nach alter - hier maßgeblicher- und neuer Gesetzeslage eine Gesamtwürdigung der Verhältnisse des einzelnen Betriebs voraus, wobei insbesondere in Betracht zu ziehen sind, die Zahl der Beschäftigten und die Art ihrer Tätigkeit, der Umsatz, das Anlage und Betriebskapital, die Vielfalt der in dem Betrieb erbrachten Leistungen und der Geschäftsbeziehungen, die Inanspruchnahme von Kredit, die Teilnahme am Wechselverkehr. Das bedeutet aber nicht, dass bei dem einzelnen Betrieb jedes dieser Merkmale das Erfordernis kaufmännischer Einrichtung ergeben müsste. Entscheidend ist vielmehr das aus einer umfassenden Würdigung derartiger Merkmale sich ergebende Gesamtbild im maßgeblichen Zeitpunkt (BGH in DB 1960, 1067).
Bei dem vorliegenden Geschäftsbetrieb handelt es sich um einen Imbiss für türkische Schnellgerichte, in dem ausschließlich Schnellgerichte wie Döner und Curry-Wurst sowie Erfrischungsgetränke und Bier angeboten wurden. Der Warenverkauf erfolgte ausschließlich über einen zur Straße hin geöffneten Verkaufstresen an Passanten.
Laut Mietvertrag betrug die Grundfläche des Gewerberaumes 13 qm. Diesen unstreitigen Geschäftsmerkmalen entsprechen die weiteren Angaben des Beklagten zur Art des Geschäftsbetriebes, nämlich dass lediglich eine kaufmännisch ungeschulte Teilzeitkraft ausreichte, um den Geschäftsbetrieb zu führen, dass sämtliche Geschäfte im Barverkehr abgewickelt wurden und der Lieferantenkreis ebenso klein war, wie das Sortiment. Dem Vortrag des Beklagten mangelt es entgegen der Behauptung des Klägers insoweit auch nicht an Substanz.
Auch unter Berücksichtigung des Umsatzes, wobei dahin gestellt bleiben kann, ob dieser letztlich, 10.000,00 DM, 13.000,00 DM oder 20.000,00 DM im Monat betrug, muss davon ausgegangen werden, dass der Imbiss nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erforderte. Im Einzelhandel wird Kaufmannseigenschaft in aller Regel ab einem Umsatz in Höhe von ca. 500.000,00 DM angenommen (Steffen Kögel; Der nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichtete Geschäftsbetrieb - eine unbekannte Größe; DB 1998, 1802). Bei einem Jahresumsatz unter 500.000,00 DM wird angesichts des heutigen Geldwertes und der inzwischen in der Wirtschaft üblichen Größenverhältnisse in aller Regel nur ein Kleingewerbe angenommen (Röhricht/Graf von Westphalen, HOB, 2. Auflage, § 1, Rdnr.118). Im vorliegenden Fall betrug der Jahresumsatz höchstens 240.000,00 DM.
Entgegen der Auffassung des Klägers war die Schriftform der Vollmachtserklärung im vorliegenden Fall auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Beklagte bei deren Unterzeichnung anwesend war. Der Beklagte hat unbestritten vorgetragen, dass der Inhalt der Bürgschaftsurkunde nicht mit ihm erörtert worden sei. Die Bürgschaftsurkunde enthält - anders als die zeitgleich unterschriebene weitere Vereinbarung - auch keinen derartigen Erörterungshinweis. Der Schutz- und Warnfunktion des § 766 BGB ist daher in keiner Weise genüge getan worden.
Der Kläger hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Zahlung von 31.131,04 DM als Gesamtschuldner neben Frau und Herrn gemäß § 535 Satz 2 BGB.
Der Beklagte ist aufgrund des Vertragsübernahmevertrages vom 16. Oktober 1995 wirksam aus dem Mietvertrag vom 30. November 1993 ausgeschieden. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen, das die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs.2 Satz 1 und 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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