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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 07.08.2003
Aktenzeichen: 8 U 266/02
Rechtsgebiete: AGBG, BGB, ZPO


Vorschriften:

AGBG § 9
BGB § 138 Abs. 2
BGB § 138 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 690 Abs.1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 266/02

Verkündet am: 07.08.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 7. August 2003 durch den Richter am Kammergericht Dr. Müther, den Richter am Kammergericht Markgraf und die Richterin am Kammergericht Dr. Henkel für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 15. August 2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000,-- EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 15. August 2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 12, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Die Beklagten trägt zur Begründung ihrer Berufung vor:

a)

Der Mietvertrag vom 03.04.1991 und der Nachtrag Nr. 1 vom 19.10/12.11.1993 seien nichtig, da der vereinbarte Mietzins die ortsübliche Markmiete um 100 % übersteige.

Aufgrund des überhöhten Mietzinses sowie der umfassenden Überwälzung der gesamten Instandhaltung und Instandsetzung sei der Mietvertrag wegen eines auffälliges Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung unwirksam. Nach dem Mietvertrag betrage der Mietzins für die Hauptnutzfläche 20,00 DM/qm, für die Kellerfläche 10,00 DM/qm. Der Marktmietzins habe jedoch im Jahre 1991 und in den Folgejahren nur 10,00 DM/qm für die Hauptnutzfläche und 5,00 DM/qm für die Kellerfläche betragen. Dies ergebe sich aus den Mietverträgen für vergleichbarer Mietobjekte, welche in der Nähe der von der Beklagten betriebenen Zahnarztpraxis in Wilhelmsruh liegen. Wegen der Einzelheiten des Vortrags wird auf die Berufungsbegründungsschrift nebst eingereichten Mietvertragsauszügen Bezug genommen. Nach der bereits erstinstanzlich eingereichten Statistik der Kassenärztlichen Vereinigung hätten in den neuen Bundesländern die Gewerberaummieten für Zahnarztpraxen im Jahre 1993 durchschnittlich 20.731,00 DM, im Jahre 1994 23.380,00 DM und im Jahre 1995 24.400,00 DM betragen. Die Jahrsmiete der Beklagten habe indes für 1991 schon 61.800,00 DM betragen. Daraus ergebe sich, dass die Gewerbemiete der Beklagten dreimal höher sei als die Durchschnittsmieten der Zahnarztpraxen in den neuen Bundesländern. Es liege daher Mietwucher vor. Das Landgericht hätte über die Frage der Überhöhung des Mietzinses Beweis erheben müssen.

Eine weitere Substantiierung hierzu hätte von ihr nicht verlangt werden können. Jedenfalls hätte das Landgericht darauf hinweisen müssen, dass es den Vortrag nicht für ausreichend ansehe, ein solcher Hinweis sei nicht erfolgt.

Das auffällige Missverhältnis ergebe sich auch daraus, dass das Gebäude stark instandsetzungs- und renovierungsbedürftig gewesen sei. Sie habe daher erhebliche Instandsetzungsarbeiten durchführen lassen, allein die Architekten- und Ingenieurleistungen hätten sich auf 66.672,46 DM belaufen. Daran ändere auch nichts, dass die Klägerin sich mit 103.500,- DM an den Kosten habe beteiligen wollen, da die Kosten nach dem Kostenvoranschlag der Firma Lüdtke mindestens 157.629,51 DM betragen hätten.

Ferner sei zu berücksichtigen, dass der Beklagten nach den Allgemeinen Vertragsbestimmungen (AVB) die gesamte Instandhaltung und Instandsetzung überbürdet worden sei sowie der Beklagten auch die Bauunterhaltung in "Dach und Fach" oblegen habe. Die Regelungen in Nr. 9 AVB sowie Nr. 17 Ziff. 7 der sonstigen Vereinbarung seien gemäß § 9 AGBG unwirksam.

Zudem habe sich die Beklagte bei Abschluss des Mietvertrages in einer Zwangslage befunden. So hätte sie ihre Zahnarztpraxis schon vor der Wende in Wilhelmsruh betrieben, wo sich ihr Patientenstamm befinde. Daher sei sie auf die Anmietung von Räumen in dieser Gegend angewiesen gewesen. Im übrigen sei sie in rechtlichen Fragen unerfahren gewesen und habe auf die Seriosität der Klägerin vertraut.

b)

Die Klageforderung sei jedenfalls verjährt. Durch die Zustellung des Mahnbescheid sei die Verjährung nicht unterbrochen worden, weil die Ansprüche hierin nicht ausreichend individualisiert seien. Die Ansprüche seien nicht so genau bezeichnet worden, dass sie, die Beklagte, hätte erkennen können, welche Ansprüche geltend gemacht würden. So seien im Mahnbescheid unstreitig Mieten von September 1993 bis Mai 1995 geltend gemacht worden, jedoch erst im Klageverfahren habe die Klägerin vorgetragen, dass ein Verrechnung mit dem Bürgschaftsbetrag von 60.000,- DM auf die Mieten September 1993 bis August 1994 vorgenommen worden sei. Es sei daher nicht deutlich gewesen, was Streitgegenstand gewesen sei. Schließlich sei mit dem Mahnbescheid lediglich ein Saldo rückständiger Mieten geltend gemacht worden. Das Landgericht habe verkannt, dass sich der geltend gemachte Gesamtbetrag rückständiger Mieten aus einer Vielzahl von Einzelforderungen zusammengesetzt habe, die im einzelnen hätten bezeichnet werden müssen. Ebenso seien die Forderungen auf Nachzahlung von Nebenkosten verjährt. Auf den Zugang der Abrechnungen komme es nicht an, weil anderenfalls die Verjährung von Seiten des abrechnungspflichtigen Vermieters hinausgezögert werden könne.

c)

Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei die erstinstanzliche Hilfsaufrechnung zulässig. Zwar sei gemäß Nr. 5 Ziff. 1 AVB die Aufrechnung mit Gegenforderungen von einer vorherigen Anzeige abhängig. Diese Formularklausel gelte aber nur bis zum Zeitpunkt der Rückgabe des Mietobjektes. Bei Vertragsbeendigung und Rückgabe der Mietsache, wie vorliegend, entfalle die Mietzinszahlungspflicht, so dass nur noch eine wechselseitige Abrechnung stattzufinden habe, so dass die vorherige Anzeige der Aufrechnung sinnwidrig wäre. Hinsichtlich der zur Aufrechnung gestellten Ansprüche bezieht sich die Beklagte auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

d)

Schließlich sei die Klageforderung verwirkt. Denn sie habe die Umbauarbeiten im Vertrauen darauf durchgeführt, dass der Mietvertrag bis zum Jahre 2001 verlängert werde. Insoweit habe sie eine Zusage der Klägerin gemäß Schreiben vom 23.10.1991 erhalten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15.August 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin trägt vor:

a)

Der Mietvertrag sei nicht sittenwidrig, da - wie das Landgericht zutreffend festgestellt habe ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht vorliege. Der neue Tatsachenvortrag, hier die Angabe von Vergleichsobjekten, sei nicht zu berücksichtigen (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Eines besonderen Hinweises durch das Gericht habe es nicht bedurft, weil sie, die Klägerin, in ihrem Schriftsatz vom 14.06.2002 bereits darauf hingewiesen habe, dass die Angaben zu durchschnittlichen Mietkosten in den neuen Bundesländern aufgrund mangelnder Vergleichbarkeit mit dem Berliner Markt nicht mitherangezogen werden könnten. Die vereinbarte Miete überschreite die ortsübliche Miete nicht um 100 %. Soweit die Beklagte nunmehr Mietverträge vorlege, aus denen sich ein geringerer Mietzins ergebe, seien die Verträge teilweise nicht vergleichbar. Wegen der Einzelheiten des Vortrags wird auf die Berufungserwiderung verwiesen.

Die Regelungen in Nr. 17 Ziff. 7 sonstige Vereinbarungen seien zwischen den Parteien im einzelnen besprochen worden. Soweit die Beklagte eine Kostenbelastung mit mindestens 60.000,- DM behauptet, ergebe sich eine solche nur in Höhe von 54.000,- DM und im übrigen seien diese durch die Mietzeit bis Februar 1996 abgegolten.

Es werde bestritten, dass die Beklagte bei Abschluss des Mietvertrages in einer Zwangslage gewesen sei. Es sei nicht ersichtlich, dass die von der Klägerin angebotenen Räume die einzigen in Berlin- Wilhelmsruh anmietbaren Räume gewesen seien.

b)

Die Klageforderung sei nicht verjährt. Die Forderungen seien im Mahnbescheid auch ausreichend individualisiert. Die von der Beklagten zitierten Rechtsprechung sei hier nicht einschlägig, denn es handele sich nicht um verschiedene Einzelforderungen aus unterschiedlichen Lebenssachverhalten, sondern um einen Anspruch aus einem einheitlichen Mietverhältnis.

c)

Der Beklagten stünden die zur hilfsweisen Aufrechnung gestellten Forderungen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt habe, nicht zu. Daher könne die Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung dahingestellt bleiben.

d)

Soweit die Beklagte geltend mache, dass sie auf die Fortsetzung des Mietvertrages bis zum Jahre 2001 vertraut habe, treffe dies nicht zu. Vielmehr habe die Beklagte mit Schreiben vom 23.10.1995 mitgeteilt, dass sie, die Beklagte, an einer raschen Beendigung des Mietvertrag interessiert sei.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagte ist unbegründet.

Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung der rückständigen Miete in Höhe von 21.460,75 EUR (= 41.973,51 DM) sowie der Nebenkosten in Höhe von 3.026,47 EUR (= 5.919,27 DM) verurteilt. Die dagegen mit der Berufung erhobenen Einwände greifen nicht durch.

a)

Der Mietvertrag vom 03.04.1991 sowie der Nachtrag von 12.11.1993 sind - entgegen der Ansicht der Beklagten - weder nach § 138 Abs. 2 BGB noch nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ist nicht feststellbar.

Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen, denen sich der Senat anschließt. Soweit die Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz ihre Behauptung, dass der zwischen den Parteien vereinbarte Mietzins den ortsüblichen Mietzins um mehr als 100 % übersteige, durch Benennung von Vergleichsobjekten substantiiert hat, ist sie mit diesem Vortrag gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Die Beklagte hat in erster Instanz ohne nähere Vortrag behauptet, dass die vertraglich vereinbarte Miete von 5.150,- DM und ab 01. April 1992 von 6.400,- DM weit überhöht sei, dass allenfalls ein Mietzins von rund 2.500,- DM angemessen und ortsüblich sei und hätte verlangt werden können. Diesen Vortrag hat die Beklagte jedoch nicht ausreichend substantiiert, weil - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - weder die Statistik der Kassenärztlichen Vereinigung von 1993 über die Durchschnittsmieten von Zahnarztpraxen in den neuen Bundesländern noch der Mietvertrag der Mieter Stoll und Rhein hierzu aussagekräftig sind.

Denn zum einen ist allein die ortsübliche Miete zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrages maßgeblich und zum anderen lässt sich aus den Durchschnittsmieten zur ortsübliche Miete für vergleichbare Objekte in vergleichbarer Lage nichts entnehmen. Daher war das Landgericht nicht gehalten, dem angebotenen Beweisantritt auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzugehen. Soweit die Beklagte rügt, dass das Landgericht sie im Rahmen der Aufklärungspflicht darauf hätte hinweisen müssen, dass es den Vortrag nicht für ausreichend ansehe, kann dem nicht gefolgt werden. Denn bereits die Klägerin hat im Schriftsatz vom 14. Juni 2002 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Durchschnittsmieten nicht zum Vergleich mitherangezogen werden können. Damit hatte die Beklagte Gelegenheit, ihren Vortrag zur Überhöhung des Mietzinses durch weiteren Tatsachenvortrag zu substantiieren. Hat nämlich der Prozessgegner schon in einem Schriftsatz auf den fraglichen Umstand aufmerksam gemacht, dann braucht das Gericht dies nicht zusätzlich zu tun (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 60. Auflage, § 139 ZPO; Rdnr.54 unter Hinweis auf BGH NJW 1984, 311; OLG Nürnberg MDR 2000,227; OLG Oldenburg NJW- RR 2000, 949; a.A. Zöller/Greger, a.a.O., § 139 ZPO, Rdnr.3). Eine mangelnde Aufklärung durch das Landgericht liegt daher nicht vor (§ 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Aus diesem Grunde sind die neu im Berufungsverfahren vorgetragenen Tatsachen nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Es handelt sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch um neu vorgetragene Tatsachen i.S. der genannten Vorschrift und nicht nur um die Konkretisierung bereits schlüssigen Vorbringens.

Neu ist Vorbringen, welches im ersten Rechtszug nur angedeutet und erst in der Berufungsinstanz substantiiert wird und schlüssig ist (Thomas/Putzo/Reichhold, ZPO, 25. Auflage, § 531 ZPO, Rdnr. 13; OLG Koblenz NJW- RR 1993,1408; vgl. BGHZ 91,303 für fehlende Substantiierung einer vorher erklärten Aufrechnung).

Ohne Erfolg macht die Beklagte mit der Berufung geltend macht, dass sich ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung auch daraus ergebe, dass die Beklagte ein stark renovierungsbedürftiges Objekt übernommen habe und ihr zusätzlich die Instandsetzung und Instandhaltung überbürdet worden sei. Denn insoweit hat das Landgericht ebenso zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin sich nach dem Nachtrag Nr.1 zum Mietvertrag vom 19.10.1993/12.11.1993 mit Kosten in Höhe von 103.500,- DM an den Arbeiten der "Erstinstandsetzung" haben beteiligen wollen. Zwar ergibt sich aus dem Kostenvoranschlag der Lüdtke & Partner Ingenieurgesellschaft mbH vom 28. Oktober 1992, dass die Kosten voraussichtlich 157.629,51 DM betragen würden. Aus der Differenz zwischen diesen veranschlagten Kosten und der von der Klägerin zugesagten Kostenbeteiligung von über 54.000,- DM ergibt sich eine Sittenwidrigkeit des Vertrages nicht.

Für die Entscheidung kann dahingestellt bleiben, ob die Regelungen in Nr. 9 AVB und Nr. 17 Ziff. 7 der sonstigen Vereinbarungen der Inhaltskontrolle nach dem AGBG nicht standhalten würden, wie die Beklagte weiter geltend macht. Selbst wenn diese Regelungen nach dem AGBG unwirksam wären, ergebe sich daraus nicht die Unwirksamkeit des gesamten Mietvertrages.

Da schon die objektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit nicht vorliegen, kann für die Entscheidung dahingestellt bleiben, ob die Beklagte zu den subjektiven Voraussetzungen ausreichend vorgetragen hat. Allerdings ergibt sich eine Zwangslage nicht bereits daraus, dass die Beklagte - wie sie behauptet - wegen des Patientenstammes auf die Anmietung von Gewerberäumen in dieser Lage angewiesen war. Zum einen sind dies allein Umstände aus der Sphäre der Beklagten und es ist auch nicht ersichtlich, dass dies der Klägerin überhaupt bekannt gewesen ist und inwiefern dies die Klägerin ausgenutzt haben sollte.

Zum anderen hat die Beklagte nicht behauptet, dass sie gerade dringend auf dieses konkrete Mietobjekt angewiesen gewesen wäre und andere Räume nicht zur Anmietung zur Verfügung gestanden hätten.

b)

Der Anspruch auf rückständige Miete sowie Erstattung von Grundsteuer ist nicht verjährt.

Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen, denen sich der Senat anschließt. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte mit der Berufung weiterhin darauf, dass die geltend gemachten Ansprüche im Mahnbescheid nicht ausreichend individualisiert sind, weil sich aus dem Mahnbescheid nicht ergebe, welche Mietzinsen die Klägerin verlange und die Klägerin erst im Klageverfahren klargestellt habe, auf welche Mietzinsforderungen sie den Bürgschaftsbetrag von 60.000,- DM verrechnet habe. Zwar trifft es zu, dass ein Mahnbescheid nach der ständigen Rechtsprechung des BGH die Verjährung des geltend gemachten Anspruches nur unterbrechen kann, wenn die Forderung nach § 690 Abs.1 Nr.3 ZPO durch weitere Informationen im Mahnbescheid hinreichend individualisiert ist. Der im Mahnbescheid bezeichnete Anspruch muss durch die Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden können, dass er über einen Vollstreckungsbescheid Grundlage eines Vollstreckungstitels sein kann und dass dem Schuldner die Beurteilung möglich ist, ob er sich gegen den Anspruch zu Wehr setzen will oder nicht (BGH NJW 1993,862 mit den dort angeführten Rechtsprechungsnachweisen; zuletzt BGH NJW 2001,305 und NJW 2002,520). Wann diesen Anforderungen Genüge getan ist, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von den zwischen den Parteien bestehendem Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (BGH NJW 2000,1420). Im vorliegenden Fall genügt der Mahnbescheid diesen Anforderungen. Nach dem Mahnbescheid wird "1. Miete für Geschäftsraum (einschließlich Nebenkosten) gemäß Nachtrag Nr. 1 v. 3.4.91 - 5618 366 9397 vom 01.09.93 bis 31.05.95 und 2. BK-NZ 18.08.1995 und - 30.04.1996 vom 01.04.91 bis 15.02.96 " geltend gemacht. Zwischen den Parteien bestand nur dieses Mietverhältnis, so dass die Bezugnahme auf den Nachtrag unter Angabe der Vertragsnummer ausreichte. Für die Beklagte war eindeutig erkennbar, dass Mietzinsansprüche für bestimmte Zeiträume und Nebenkosten geltend gemacht werden. Die Klägerin war - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch nicht verpflichtet, die einzelnen Mietzinsforderungen im Mahnbescheid gesondert aufzuführen. Zwar trifft es zu, dass bei der Geltendmachung einer Mehrzahl von Einzelforderungen deren Bezeichnung im Mahnbescheid dem Beklagten ermöglichen muss, die Zusammensetzung des verlangten Gesamtbetrages aus für ihn unterscheidbaren Ansprüchen zu erkennen (BGH NJW 2001,305; vgl. auch Senatsurteil vom 16.09.2002 - 8 U 62/01 - GE 2002, 1490 = KG-Report 2003,161). Vorliegend liegt aber eine Mehrheit von Forderungen in diesem Sinne, die weitere Angaben erforderlich machen würden, um sie voneinander unterscheidbar zu machen, nicht vor. Es handelt sich vielmehr sämtlichst um Forderungen aus dem einheitlichen Mietverhältnis und im übrigen auch um fortlaufend monatlich fällig werdende Mietzinsforderungen für bestimmte Zeiträume und nicht um verschiedene aus anderen Rechtsgründen bestehende Einzelforderungen, die gesondert hätten ausgewiesen werden müssen. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von der vorgenannten Entscheidung des Senats vom 16.09.2002, auf die sich die Beklagte für ihre Argumentation beruft. Denn im dem dort entschiedenen Fall ging es um verschiedene Ansprüche, nämlich um solche auf Wiederherstellung der Mietsache/Schönheitsreparaturen und Mietausfallschaden, die wegen ihrer Verschiedenartigkeit der weiteren Individualisierbarkeit im Mahnbescheid bedurften. Soweit die Beklagte geltend macht, dass die Klägerin erst im Klageverfahren klargestellt habe, auf welche Mietzinsforderung sie die Bürgschaft von 60.000,- DM verrechnet habe und deswegen die Rückstände für die Monate September 1993 bis August 1994 ausgeglichen gewesen seien und daher nur Rückstände ab September 1994 bestanden hätten, was insoweit nicht der Angabe im Mahnbescheid entspreche, ist dies unerheblich. Denn dies ist vielmehr eine Frage der Begründetheit der Forderung.

Auch die Nachforderung auf Zahlung der Grundsteuer, gegen die die Beklagte mit der Berufung im Grunde keine Einwendungen erhebt, sind nicht verjährt. Auch insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen. Für die Beklagte war aufgrund der Angaben im Mahnbescheid ersichtlich, welche Nebenkostenforderungen geltend gemacht werden. Denn im Mahnbescheid wird auf vorangegangene Abrechnungsschreiben vom 18. August 1995 und 30. April 1996 Bezug genommen, mit denen die Klägerin zuvor die Nachzahlung der Grundsteuern verlangt hat. So genügt es für die Individualisierung, wenn im Mahnbescheid auf eine bereits zuvor erteilte Abrechnung Bezug genommen wird (Landgericht Bielefeld WuM 1997,112; Landgericht Bremen NJW- RR 1991,58). Aber selbst wenn die Beklagte diese Abrechnungen nicht erhalten haben sollte, wie sie in erster Instanz geltend gemacht hat, so ist eine Verjährung nicht eingetreten. Denn dann ist die Fälligkeit der Forderung - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - erstmals mit Zugang der Abrechnungen im Prozeß eingetreten. Die Verjährung beginnt dann erst mit Zugang der nachprüfbaren Abrechnung beim Mieter (BGH NJW 1991,836 = BGHZ 113,188; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingsrechts, 8. Auflage, Rdnr. 531;Bub/Treier/Gramlich, a.a.O., VI, Rdnr.64). Dem steht nicht entgegen, dass die Verjährung durch verzögerte Abrechnung des Vermieters hinausgeschoben werden könnte.

Der Mieter ist insofern geschützt, als er seinen Anspruch auf Abrechnung gerichtlich durchsetzen und so die Fälligkeit begründen kann.

c)

Die Klageforderung ist entgegen der mit der Berufung vertretenen Ansicht auch nicht verwirkt. So hat sich die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf berufen, dass sie davon ausgegangen sei, dass das Mietverhältnis bis zum Jahre 2001 verlängert werden würde.

Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, inwiefern dadurch einen Verwirkungstatbestand erfüllt werden sollte, hat demgegenüber die Klägerin unbestritten vorgetragen, dass die Beklagte selbst mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 23. Oktober 1995 ihr Interesse an der raschen Beendigung des Mietverhältnisses bekundet habe.

d)

Die Klageforderung ist auch durch Aufrechnung mit Gegenansprüchen nicht erloschen (§§ 387, 389 BGB). Zwar ist die Aufrechnung nicht bereits wegen Nr. 5 der AVB, wonach der Mieter mit einer Gegenforderung nur aufrechnen kann, wenn er dies dem Bund mindestens einen Monat vor Fälligkeit des Nutzungsentgeltes angekündigt hat, ausgeschlossen. Denn der Vermieter kann die Einhaltung einer solchen Bestimmung nicht mehr verlangen, wenn das Vertragsverhältnis beendet ist und der Mieter das Mietobjekt geräumt und an den Vermieter herausgegeben hat. Eine derartige Regelung verliert ihren Sinn, wenn das Mietobjekt herausgegeben ist und lediglich die noch bestehenden wechselseitigen Ansprüche abzurechnen und auszugleichen sind (BGH WuM 1988, 159 = NJW- RR 1988,329; BGH NZM 2000, 336 = NJW-RR 2000, 530); Bub/Treier/Bub, a.a.O., II, Rdnr. 429; Wolf/Eckert/Ball, a.a.O., Rdnr. 494). Jedoch hat das Landgericht die geltend gemachten Gegenansprüche bereits dem Grunde verneint. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen, denen sich der Senat anschließt und die die Beklagte mit der Berufung auch nicht angegriffen hat.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich (§ 543 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 ZPO).



Ende der Entscheidung

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