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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 03.11.2003
Aktenzeichen: 8 U 277/02
Rechtsgebiete: FGB-DDR


Vorschriften:

FGB-DDR § 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 277/02

Verkündet am: 03.11.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3. November 2003 durch den Richter am Kammergericht Markgraf als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten zu 2. wird das 3. September 2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 29 des Landgerichts Berlin geändert:

Die Klage wird in vollem Umfange abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Auf die erstinstanzlichen Feststellungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen. Der Beklagte zu 2. verfolgt mit seiner Berufung den auf volle Klageabweisung gerichteten Antrag im Berufungsverfahren weiter und beantragt, das am 3. September 2002 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 29.O.656/00 - abzuändern und die Klage auch gegenüber ihm, dem Beklagten zu 2., abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Der Einzelrichter ist gemäß § 526 Abs. 1 ZPO aufgrund des Beschlusses des Senats vom 23. Januar 2003 zur Entscheidung des Berufungsrechtsstreits berufen. Eine Vorlage des Berufungsrechtsstreits an den Senat zur Entscheidung über eine Übernahme gemäß § 526 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind. Ein übereinstimmender Antrag der Parteien liegt nicht vor. Auch die Voraussetzungen nach § 526 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sind nicht gegeben.

Die zulässige Berufung des Beklagten zu 2. ist begründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 2. kein Anspruch auf Mietzins nach § 535 Satz 2 BGB a. F. zu.

Der Ergänzungsvertrag zwischen dem Beklagten zu 2. und der Firma...vom 25. Februar 1991 ist nicht wirksam, weil bei der Abänderung des Nutzungsvertrages vom 12. November 1985 die geschiedene frühere Ehefrau des Beklagten zu 2. - Frau....... - hätte mitwirken müssen. Denn berechtigte Nutzer aus dem Nutzungsvertrag vom 12. November 1985 sind sowohl der Beklagte zu 2. als auch seine damalige Ehefrau, Frau......., geworden. Die damalige Ehefrau des Beklagten zu 2. ist ausdrücklich als "Übernehmer" in dem Vertrag mit aufgeführt worden. Für die Wirksamkeit des Nutzungsvertrages in Bezug auf Frau...... war es weder erforderlich, dass der Beklagte zu 2. ausdrücklich im Namen seiner damaligen Ehefrau auftrat noch, dass diese den Nutzungsvertrag unterzeichnete. Für den am 12. November 1985 in der damaligen DDR geschlossenen Nutzungsvertrag ist bezüglich dessen Zustandekommens das Recht der ehemaligen DDR anwendbar (Artikel 232 § 1 EGBGB; vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Auflage, Artikel 232 § 1 EGBGB Rdnr. 2). Nach § 11 des Familiengesetzbuchs der DDR war der Beklagte zu 2. berechtigt, seine Ehefrau "in Angelegenheiten des gemeinsamen Lebens" zu vertreten.

Hierzu gehört auch der Abschluss von Miet- und Nutzungsverträgen (vgl. Familienrecht der DDR, 5. Auflage, § 11 FGB Anmerkung 1.2.). Ausnahmen bestanden insoweit nur hinsichtlich bestimmter Verfügungsgeschäfte (§ 15 Abs. 2 Satz 1 FGB). Da Zweck des Nutzungsvertrages die Nutzung der überlassenen Fläche als "Garten" war, kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Übernahme des Grundstücks durch den Nutzungsvertrag eine Angelegenheit des gemeinsamen Lebens der beiden damaligen Ehegatten gewesen ist. Einer ausdrücklichen Erklärung des Beklagten zu 2., auch im Namen seiner damaligen Ehefrau zu handeln, bedurfte es nicht, da nach dem Recht der DDR bei der gegenseitigen Vertretung der Ehegatten gemäß § 11 FGB die Vertretungswirkung auch eintrat, wenn nur im eigenen Namen gehandelt wurde (vgl. Zivilrecht/Lehrbuch [DDR] Seite 198 unter 3.2.3.2.).

Es ist nicht ersichtlich, dass und wann ggf. Frau..... aus diesem Nutzungsverhältnis ausgeschieden sein sollte. Soweit das Landgericht darauf abstellt, Frau..... habe nach der Scheidung die Nutzung des Grundstücks dem Beklagten zu 2. allein überlassen, wird dies durch den Vortrag beider Parteien nicht getragen. Vielmehr hat die Klägerin selbst noch im Berufungsverfahren vortragen lassen, dass sie nie behauptet habe, Frau....habe das Grundstück dem Beklagten zu 2. überlassen. Vorgetragen wurde lediglich, dass Frau..... das Grundstück nach der Scheidung nie wieder betreten habe. Allein dieses Verhalten, das im Übrigen streitig ist, reicht nicht aus, eine Zustimmung bezüglich des Ausscheidens aus dem Nutzungsvertrag anzunehmen. Voraussetzung für eine derartige Willenserklärung durch schlüssiges Verhalten wäre im Übrigen auch, dass der Erklärungsempfänger das diesbezügliche Verhalten derartig verstanden hat oder hätte verstehen müssen. Davon kann keine Rede sein, weil die Klägerin selbst behauptet, die Vertragschließenden seien bei Abschluss der Ergänzungsvereinbarung vom 25. Februar 1991 davon ausgegangen, dass der Nutzungsvertrag vom 12. November 1985 nur mit dem Beklagten zu 2. zustandegekommen sei. Im Hinblick hierauf bestand für die Vertragschließenden am 25. Februar 1991 keine Veranlassung, das Verhalten der Frau..... in irgendeiner Weise als Willenserklärung zu würdigen, geschweige denn, ein Ausscheiden der Frau...... aus dem Vertragsverhältnis zu vereinbaren. Dies hat zur Folge, dass der Beklagte zu 2. allein über eine Änderung des Vertragsverhältnisses vom 12. November 1985 nicht verfügen konnte und aus diesem Grunde der Ergänzungsvertrag vom 25. Februar 1991 als Änderungsvertrag keine Wirksamkeit entfaltete und zwar auch nicht gegenüber dem Beklagten zu 2., weil ein Miet- oder Nutzungsverhältnis mit mehreren Mietern bzw. Nutzern nur einheitlich geändert werden kann.

Der Vertrag vom 15. Februar 1991 kann auch nicht als eine Neuvermietung im Sinne einer Doppelvermietung angesehen werden, da die Vertragschließenden ausdrücklich von einer Änderung des Vertrages vom 12. November 1985 ausgingen.

Damit steht zwar fest, dass dem Vertrag vom 25. Februar 1991 die Geschäftsgrundlage fehlt, weil die Vertragschließenden irrtümlich annahmen, der Nutzungsvertrag vom 12. November 1985 habe lediglich mit dem Beklagten zu 2. bestanden. Dies hat jedoch nur zur Folge, dass die Vertragschließenden eine Anpassung des Vertrages für die Zukunft verlangen können, was, betreffend den Zeitraum, für den Miete verlangt wird, nicht geschehen ist.

Es verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben, wenn der Beklagte zu 2. sich darauf beruft, dass das Nutzungsverhältnis aufgrund des Vertrages vom 12. November 1985 nicht allein mit ihm, sondern auch mit seiner damaligen Ehefrau bestanden hat. Derartiges wird zwar angenommen, wenn nach Trennung einer Mietergemeinschaft ein Mieter das Objekt verlässt, und die neue Anschrift des weggezogenen Mieters dem Vermieter absichtlich vorenthalten wird. Diese Voraussetzungen liegen schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin, wie ihrem Vorbringen zu entnehmen ist, die Anschrift der geschiedenen Ehefrau des Beklagten zu 2. kennt. Jedenfalls behauptet die Klägerin nicht, dass der Beklagte zu 2. ihr Auskünfte über den Aufenthaltsort seiner früheren Ehefrau verweigert hätte.

Schließlich kann dem Beklagten zu 2. ein Verstoß gegen Treu und Glauben im Hinblick auf seine Rechtsverteidigung auch nicht deshalb zur Last gelegt werden, weil das Grundstück - wie in der Ergänzungsvereinbarung vom 25. Februar 1991 vereinbart - anschließend gewerblich genutzt worden sein soll. Diese Frage ist zwischen den Parteien streitig. Dem diesbezüglichen Beweisantritt der Klägerin ist schon deshalb nicht nachzugehen, weil der Beweisantritt sich auf einen anderen Zeitraum, nämlich die Jahre 1994 bis 1996, bezieht und die Behauptung der gewerblichen Nutzung im Übrigen im Hinblick auf das Bestreiten des Beklagten zu 2. unsubstantiiert ist. Jedenfalls genügt die einmalige Benutzung des auf dem Grundstück befindlichen Bungalows für eine Betriebsfeier nicht, um von einer ständigen gewerblichen Nutzung auszugehen, gegen die im Übrigen auch die eingereichten Lichtbilder sprechen. In diesem Zusammenhang kann schließlich auch nicht von der Hand gewiesen werden, dass der Vortrag des Beklagten zu 2., er habe die hier betroffene Fläche nicht gewerblich genutzt, sondern für die gewerbliche Nutzung einen weiteren Mietvertrag über eine andere Fläche unter dem 1. Januar 1992 mit der...... geschlossen, plausibel erscheint.

Ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 557 BGB a. F. (§ 546 a BGB n. F.) scheidet schon deshalb aus, weil die Kündigung der Klägerin vom 13. August 1997 nicht auch an Frau...... gerichtet worden ist. Ansprüche nach § 20 Schuldrechtsanpassungsgesetz in Verbindung mit § 6 der Nutzungsentgeltverordnung scheiden aus, weil die Klägerin bisher keine entsprechende Erklärung bezüglich des geforderten Entgelts gegenüber beiden Nutzern aufgrund des Nutzungsvertrages vom 12. November 1985 abgegeben hat.

Dem Antrag der Klägerin, ihr eine weitere Frist zur Stellungnahme bezüglich der Vertretungsbefugnis des Beklagten zu 2. für seine frühere Ehefrau bei Abschluss des Nutzungsvertrages vom 12. November 1985 und bezüglich der Wirksamkeit des Vertrages vom 25. Februar 1991 einzuräumen, war nicht zu entsprechen. Beide Fragen waren während des gesamten Prozesses sowohl im ersten wie auch im zweiten Rechtszug Gegenstand der Erörterung der Parteien. Die Anwendbarkeit des Familiengesetzbuchs der DDR auf den Vertragsschluss vom 12. November 1985 kann für die Klägerin nicht überraschend sein, da die Klägerin selbst den von dem früheren VEB Werkstein Berlin mit dem Beklagten zu 2. abgeschlossenen Nutzungsvertrag vorgelegt hat und sich die Anwendbarkeit des DDR-Rechts im Übrigen aus Artikel 232 § 1 EGBGB ergibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO und den §§ 711, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht ersichtlich sind. Dabei geht der Senat davon aus, dass auch der Einzelrichter nach Übertragung gemäß § 526 ZPO als "Berufungsgericht" zur Entscheidung über die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO berufen ist (vgl. Baumbach-Albers, ZPO, 62. Auflage, § 526 ZPO Rdnr. 6; BGH in BGH-Report 2003, Seite 1234).



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