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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 27.12.2001
Aktenzeichen: 8 U 332/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 516
ZPO § 97
ZPO § 523
ZPO § 114
ZPO § 519 b
ZPO § 99 Abs. 1
ZPO § 238 Abs. 4
ZPO § 518 Abs. 2 Ziffer 1
ZPO § 119 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 8 U 332/01

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, den Richter am Kammergericht Markgraf und die Richterin am Kammergericht Spiegel am 27. Dezember 2001 beschlossen:

Tenor:

1) Die Berufung der Beklagten zu 2) vom 31. August 2001 gegen das am 17. Juli 2001 im schriftlichen Vorverfahren erlassene Versäumnisteil- und Schlussurteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin wird als unzulässig verworfen.

2) Der Antrag der Beklagten zu 2) vom 23. November 2001 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist wird verworfen. Die Berufung der Beklagten zu 2) gegen das am 3. Juli 2001 verkündete Teilurteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin wird als unzulässig verworfen.

3) Der Antrag der Beklagten zu 2), ihr für das Berufungsverfahren gegen das am 3. Juli 2001 verkündete Teilurteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin und das am 17. Juli 2001 im schriftlichen Vorverfahren erlassene Versäumnisteil- und Schlussurteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

4) Die Beschwerde der Beklagten zu 2) gegen den Beschluss der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin vom 3. Juli 2001 wird zurückgewiesen.

5) Die Beklagte zu 2) hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich des Wiedereinsetzungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes der Berufung beträgt 32.480,00 DM.

Gründe:

Die Kläger haben am 22. Dezember 2000 gegen die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) Klage bei dem Landgericht Berlin eingereicht. Gegenstand dieser Klage ist zum einen ein ausschließlich gegen die Beklagte zu 1) gerichtetes Räumungs- und Herausgabeverlangen und zum anderen ein gegen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner gerichtetes Zahlungsbegehren in Höhe von 32.480,00 DM nebst Zinsen gewesen.

Durch ein am 3. Juli 2001 verkündetes Teilurteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin ist die Beklagte zu 2) antragsgemäß zur Zahlung verurteilt worden, wobei die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten worden ist. Durch ein im Wege des schriftlichen Vorverfahrens am 17. Juli 2001 durch die Zivilkammer 32 des Landgericht Berlin erlassenes Versäumnisteil- und Schlussurteil ist die Beklagte zu 1) antragsgemäß zur Räumung und Herausgabe sowie zur Zahlung verurteilt worden. Die Kostenentscheidung des Versäumnisteil- und Schlussurteils lautet wie folgt:

"Von den Kosten des Rechtsstreits tragen vorab die Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten 4/11 als Gesamtschuldner und darüber hinaus die Beklagte zu 1) 25/44 allein und die Beklagte zu 2) 3/44 allein."

Das Teilurteil und das Versäumnisteil- und Schlussurteil sind den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2) laut Empfangsbekenntnis am 8. August 2001 zugestellt worden.

Mit einem am 3. September 2001 bei der gemeinsamen Briefannahme eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte zu 2) "gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. 07. 2001, AZ 32.834/00 zugestellt am 06.08.2001 Berufung" eingelegt. Dem Berufungsschriftsatz ist eine beglaubigte Abschrift des am 17. Juli 2001 im schriftlichen Vorverfahren erlassenen Versäumnisteil- und Schlussurteils beigefügt gewesen. Mit einem bei Gericht am 22. September 2001 eingegangenen Berufungsbegründungsschriftsatz hat die Beklagte zu 2) folgende Anträge angekündigt:

"1. Das Teilurteil des LG Berlin vom 03.07.2001 in Verbindung mit dem Versäumnis- und Schlussurteil vom 17.07.2001, jeweils zu Aktenzeichen 32.O.834/00, zugestellt jeweils am 06.08.2001 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagten wird Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren sowie rückwirkend für das erstinstanzliche Verfahren gewährt."

Nachdem der Beklagtenvertreter mit richterlicher Verfügung vom 15. November 2001 darauf aufmerksam gemacht worden ist, dass nur gegen das Urteil vom 17. Juli 2001 Berufung eingelegt worden ist, haben die Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 23. November klargestellt, dass "es sich um einen eindeutigen und offensichtlichen Schreibfehler" handele, soweit in ihrem Berufungsschriftsatz vom 31. August 2001 das Urteil des Landgerichts Berlin vom "17.07.2001" aufgeführt worden sei. Es müsse mit entsprechender Klarheit zu verstehen gewesen sein, "dass sich die Berufung der Beklagten zu 2) nicht gegen ein lediglich die Beklagte zu 1) beschwerendes Urteil gerichtet haben kann, sondern ausschließlich gegen das Teilurteil vom 03. Juli 2001."

Rein vorsorglich hat die Beklagte zu 2) mit Schriftsatz vom 23. November 2001 einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt und diesen damit begründet, dass aufgrund eines Bürofehlers, welcher nicht von der Berufungsklägerin zu vertreten sei, gegebenenfalls die Berufungsfrist im Hinblick auf das Teilurteil vom 3. Juli 2001 versäumt worden sei.

1) Die Berufung der Beklagten zu 2) vom 31. August 2001 ist nach § 99 Abs. 1 ZPO unzulässig, denn es handelt sich insoweit um eine auf den Kostenpunkt beschränkte Berufung OLG Frankfurt in MDR 1977, 143) gegen das Versäumnisteil- und Schlussurteil vom 17. Juli 2001. Die Berufung vom 31. August 2001 kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie sich entgegen dem eindeutigen Wortlaut gegen das Teilurteil vom 3. Juli 2001 richtet. Die Beklagte zu 2) hat mit Berufungsschriftsatz vom 31. August 2001 "gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17.07.2001, AZ 32.O.834/00, zugestellt am 06.08.2001" Berufung eingelegt und diesem Schriftsatz eine beglaubigte Abschrift des am 17. Juli 2001 im schriftlichen Vorverfahren erlassenen Versäumnisteil- und Schlussurteils beigefügt. Die Bezeichnung des angefochtenen Urteils ist eindeutig im Sinne von § 518 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO. Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2) liegen die Voraussetzungen für eine Berichtigung des in der Berufungsschrift bezeichneten Urteils nicht vor. Von einem berichtigungsfähigen Schreibfehler, wie zum Beispiel einem zufällig falsch formulierten Datum, kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Richtigstellung einen Erklärungsinhalt ergibt, den die Berufungsschrift bei sinnvoller Auslegung schon von Anfang an hatte (BGH in MDR 1978, 308; Zöller, ZPO, 21. Auflage, § 518, Rdnr. 33). Wo dieser ursprüngliche Inhalt auch bei Heranziehung anderer objektiver Umstände nicht eindeutig ist und seine Bedeutung etwa von zusätzlichen Erklärungen des Rechtsmittelklägers abhängig bleibt, liegt kein Schreibfehler vor. Der Wortlaut des Berufungsschriftsatzes ist eindeutig. Auch aus dem in dem Berufungsschriftsatz genannten Zustellungsdatum des angefochtenen Urteils, nämlich dem 06.08.2001 kann nicht hergeleitet werden, dass die Beklagte zu 2) nicht das benannte Urteil vom 17. Juli 2001 sondern das Teilurteil vom 3. Juli 2001 anfechten wollte. Keines der beiden Urteile ist den Beklagtenvertretern am 6. August 2001 zugestellt worden. Ausweislich der bei den Akten befindlichen Empfangsbekenntnis sind beide Urteile den Beklagtenvertretern am 8. August 2001 zugestellt worden. Aus dem Umstand, dass die Beklagte zu 2) dem Berufungsschriftsatz eine beglaubigte Abschrift des Versäumnisteil- und Schlussurteils vom 17. Juli 2001 und nicht etwa des Teilurteils vom 3. Juli 2001 beigefügt hat, ergibt sich zweifelsfrei, dass sich die Berufung gegen das Versäumnisteil- und Schlussurteil vom 17. Juli 2001 richten sollte. Von einem bloßen Schreifehler kann unter diesen Umständen keine Rede sein.

Die Beklagte irrt auch, wenn sie meint, es sei eindeutig zu erkennen gewesen, dass sich die Berufung vom 31. August 2001 nur gegen das sie beschwerende Teilurteil vom 3. Juli 2001 richten könne, denn sie sei durch das Versäumnisteil- und Schlussurteil gar nicht beschwert. Die Beklagte zu 2) ist sehr wohl durch das Versäumnisteil- und Schlussurteil vom 17. Juli 2001 beschwert, denn diese Entscheidung enthält einen sie betreffenden und beschwerenden Kostenausspruch.

Die im Schlussurteil enthaltene Kostenentscheidung ist auch grundsätzlich anfechtbar. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Berufung ist aber die gleichzeitige Anhängigkeit der Berufung gegen das die Hauptsache betreffende Teilurteil (OLG Frankfurt in MDR 1977, 143; BGH in KTS 1987, 736, 738). Dass die Beklagte zu 2) mit der Berufung vom 31. August 2001 gleichzeitig auch gegen das Teilurteil vom 3. Juli 2001 Berufung einlegen wollte, ergibt sich aus dem Berufungsschriftsatz nicht. Ist aber ein Urteil eindeutig bezeichnet, so kann der Berufungskläger die Berufung nicht nachträglich auf ein andere Urteil beziehen (Baumbach/Albers, ZPO, 59. Auflage, § 518, Rdnr. 20). Bis zum heutigen Tag ist nicht klar zu erkennen, was die Beklagte zu 2) eigentlich wollte. In dem Berufungsbegründungsschriftsatz vom 21. September 2001 bezieht sich der angekündigte Antrag zu 1) auf die Aufhebung sowohl des Teilurteils als auch des Versäumnisteil- und Schlussurteils. In dem Schriftsatz vom 23. November 2001, erklärt sie andererseits, die Berufung habe sich ausschließlich gegen das Teilurteil vom 3. Juli 2001 gerichtet.

2) Der Antrag der Beklagten zu 2) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Beklagte zu 2) hat nicht dargetan, dass sie ohne ihr Verschulden gehindert war, die Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Teilurteil vom 3. Juli 2001 einzuhalten. Der Vortrag, die Rechtsanwalts- und Notargehilfin, Frau S. S., habe versehentlich die Berufungseinlegung mit dem Datum des Versäumnis- und Schlussurteils versehen, weil das Teilurteil vom 3. Juli 2001 und das Versäumnisteil- und Schlussurteil vom 17. Juli 2001 dem Beklagtenvertreter durch Heftklammer miteinander verbunden zugestellt worden seien und sich das Versäumnisteil- und Schlussurteil oben auf befunden habe, ist nicht geeignet, ein der Beklagten zu 2) zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten auszuschließen. Der Anwalt muss vor Unterzeichnung der Rechtsmittelschrift prüfen, ob diese vollständig und richtig ist (Baumbach/Hartmann, a.a.O., § 233, Rdnr. 171). Hierzu gehört selbstverständlich auch die Überprüfung, ob in der Rechtsmittelschrift auch die richtige Entscheidung bezeichnet ist, nämlich die, die angefochten werden soll. Eine solche Überprüfung hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 2) offensichtlich nicht vorgenommen, denn sonst wäre ihm aufgefallen, dass die Berufungsschrift sich gegen das "falsche Urteil" wendet.

Die mit Schriftsatz vom 23. November 2001 nachgeholte Berufung gegen das am 3. Juli 2001 verkündete und der Beklagten zu 2) am 8. August 2001 zugestellte Teilurteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin war gemäß § 519 b ZPO zu verwerten. Sie ist unzulässig, da sie nicht binnen der einmonatigen Notfrist des § 516 BGB eingelegt worden ist.

3) Der Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten zu 2) war zurückzuweisen, da die Berufung aus den oben dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO).

4) Soweit die Beklagte zu 2) rückwirkend Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren beantragt hat, muss dieser Antrag als Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten zu 2) zurückweisenden Beschluss der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin vom 3. Juli 2001 ausgelegt werden. Gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfolgt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für jeden Rechtszug besonders. Da das Landgericht den Antrag auf Prozesskostenhilfe für die erste Instanz bereits negativ beschieden hat, bleibt der Beklagten nur das Rechtsmittel der Beschwerde. Die zulässige Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht den Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten zu 2) zurückgewiesen, da deren Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot, (§ 114 ZPO). Zur Begründung nimmt der Senat auf die im wesentlichen zutreffenden Ausführungen in dem am 3. Juli 2001 verkündeten Teilurteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Bezug.

5) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 523, 238 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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