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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 20.05.2009
Aktenzeichen: 8 U 38/09
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 513 Abs. 1
ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 529
ZPO § 531 Abs. 2 Ziff. 3
BGB § 536
BGB § 543 Abs. 1
BGB § 543 Abs. 2 Ziff. 3
BGB § 546 Abs. 1
Werden Kellerräume nicht zur Nutzung als Keller sondern zur Nutzung für jeden behördlich zulässigen Zweck - mit Ausnahme eines Bordells - vermietet und werden diese Räume dann als Wellnesszentrum genutzt, trifft das Risiko der Zwecktauglichkeit den Vermieter.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 8 U 38/09

20.05.2009

In dem Rechtsstreit hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, die Richterin am Kammergericht Dr. Henkel und die Richterin am Kammergericht Spiegel am 20. Mai 2009 beschlossen:

Tenor:

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin zu 1) durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Berufungsklägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

Gründe:

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat folgt den sorgfältig begründeten, zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet worden sind. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

I.

Nach § 513 Absatz 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist nicht der Fall.

Die Klägerin zu 1) hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Kellerflächen gemäß § 546 Abs. 1 BGB.

Ein wichtiger Grund zur Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Ziffer 3 BGB lag nicht vor.

Der Beklagte war zur Minderung des Mietzinses in dem vom Landgericht im angefochtenen Urteil festgestellten Umfang berechtigt, da die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch seit dem 1. August 2006 gemindert war. Aufgrund des ihm zustehenden Leistungsverweigerungsrechtes bis zur Mangelbeseitigung befand er sich mit der Zahlung des Mietzinses nicht in Verzug.

Die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch war nicht nur wegen des Ratten- und Geruchsbefalls, sondern auch wegen der im sogenannten Ruheraum im Bereich der Außenwand aufgetretenen Feuchtigkeit und Schimmels gemindert. Diese Feuchtigkeit nebst Schimmel stellt einen Mangel im Sinne von § 536 BGB dar, da sie die Tauglichkeit der Mietsache zu dem von den Vertragsparteien konkret vorausgesetzten Gebrauch mindern. Die Klägerin zu 1) hat die Räume ausweislich der unter Ziffer 1 des Mietvertrages enthaltenen Regelung nicht zur Nutzung als Kellerräume, sondern zur Nutzung für jeden behördlich zulässigen Zweck - mit Ausnahme eines Bordells - an den Beklagten vermietet.

Ausweislich Ziffer 9 des Mietvertrages war der Klägerin zu 1) bekannt, dass der Beklagte die Absicht hatte, in den Mieträumen ein Dampfbad und Massageräume zu erstellen, zur gewerblichen Nutzung als Wellnesszentrum. Entgegen der Auffassung der Klägerin mussten die Räume daher nicht nur zur Nutzung als Lagerraum, sondern - unter der Vorraussetzung der behördlichen Zulässigkeit - zu jeder anderen gewerblichen Nutzung, auch zur Nutzung als Wellnesszentrum geeignet sein.

Ausweislich des Gutachten des Sachverständigen ... - Seite 24 - war aber eine "hochwertige Nutzung" aufgrund der fehlenden Abdichtung der Außenkellerwand wegen der Gefahr von Feuchtigkeitsschäden nicht möglich.

Das Risiko der Zwecktauglichkeit trifft vorliegend die Klägerin, da sie die Kellerräume nicht zur Nutzung als Kellerräume, sondern zur Nutzung für jeden behördlich zulässigen Zweck, also auch zu einer "hochwertigen Nutzung" vermietet hat. Das Risiko der Zwecktauglichkeit wurde auch nicht etwa deshalb auf den Beklagten verlagert, weil die Parteien in dem Mietvertrag unter Ziffer 1 vereinbart haben, dass der Vermieter den Gebrauch der Räume in seinem derzeitigen Zustand gewährt und der Mieter auf die Beseitigung anfänglicher Mängel verzichtet. Aufgrund dieser Regelung bestand zwischen den Vertragsparteien Einigkeit darüber, dass der Ausbau der Räume zu dem jeweils beabsichtigten Zweck dem Mieter und damit dem Beklagten obliegt. Diese Regelung beinhaltet keine Verlagerung des Risikos der Zwecktauglichkeit. Der Senat folgt dem Landgericht, soweit dieses in der angefochtenen Entscheidung ausführt, das die Regelung, wonach der Mieter auf die Beseitigung anfänglicher Mängel verzichtet, sich bei interessengerechter Auslegung nur auf den damals erkennbaren Zustand der Kellerräume im Inneren, nicht aber auf die Kelleraußenwand beziehen konnte. Bei der Auslegung ist insbesondere auch zu berücksichtigen, vor welchem Hintergrund es zu dieser Vereinbarung kam. Ausweislich der Präambel der zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin zu 1) und dem Beklagten am 20. Juli 2000 getroffenen Vereinbarung (Bd. I Bl. 83) wurde der Mietvertrag zur Erledigung des Streites über die Frage, ob der Geschäftsführer der Klägerin zu 1) aufgrund arglistiger Täuschung zur Zahlung eines vom Beklagten mit 1.239.975,20 DM bezifferten Schadensersatzanspruches an den Beklagten verpflichtet ist. Darüber hinaus verpflichtete sich der Geschäftsführer der Klägerin zu 1) einen Betrag in Höhe von 50.000,00 DM an den Beklagten zu zahlen. Das heißt, der Mietvertrag vom 20. Juli 2000, der mit einer Laufzeit von 25 Jahren und einem Mietzins in Höhe von 250,00 DM monatlich für den Beklagten sehr günstige Konditionen beinhaltete, sollte den vom Beklagten geltend gemachten Schadensersatzanspruch kompensieren. Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen, die dem Vertragsabschluss zugrunde lagen, kann die Vereinbarung, wonach der Mieter auf die Beseitigung anfänglicher Mängel verzichtet, sich nur auf den bei Vertragsabschluss erkennbaren Zustand der Kellerräume im Inneren beziehen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Mangel der Beklagten auch nicht infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn dasjenige unbeachtet gelassen wird, was jedem hätte einleuchten müssen (Palandt/Weidenkaff, BGB, 68. Auflage, § 536 b, Rdnr. 6). Grobe Fahrlässigkeit kann im vorliegenden Fall schon deshalb nicht vorliegen, weil die Klägerin selbst bis zum Bekanntwerden des Gutachtens stets behauptet hat, es liege kein Baumangel vor. Das heißt, auch ihr hat nicht "eingeleuchtet", dass eine hochwertige Nutzung der Kellerräume nicht möglich ist, weil die Kelleraußenwand nicht abgedichtet ist.

Die Klägerin hat das Mietverhältnis auch nicht etwa deshalb gemäß § 543 Abs. 1 BGB wirksam gekündigt, weil der Beklagte trotz Aufforderung mit Fristsetzung die aufzugsfremden Anlagen nicht aus dem Maschinenraum des Fahrstuhl entfernt hat. Der Senat folgt auch insoweit den sorgfältig begründeten in vollem Umfang zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung.

Auch die neuerliche Kündigung vom 21. Januar 2009, die allein darauf beruht, dass der Beklagte die aufzugsfremden Anlagen bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht entfernt hat, ist nicht begründet. Der Klägerin zu 1) war aufgrund des Schreibens des Beklagten vom 17. November 2008 (Bd. II Bl. 234) bekannt, dass dieser die Anlagen in Abstimmung mit ihr, der eine Besichtigung vor Ort voraus gehen sollte, entfernen wollte. Die Klägerin hat sich einer derartigen - durchaus sinnvollen Abstimmung ausweislich ihres Schreibens vom 19. November 2008 (Bd. II Bl. 235) verweigert. Davon abgesehen ergibt sich aus der von der Klägerin zu 1) in der Berufungsinstanz eingereichten Prüfbescheinigung des TÜV Rheinland vom 28. Januar 2009, dass der vom TÜV Rheinland bereits im Jahr 2008 beanstandete, allein in ihrem Verantwortungsbereich liegende gefährliche Mangel (II, 206) im Schachtbereich 3. OG, wodurch eine sichere Fahrkorbführung beeinträchtigt ist, im Jahr 2009 immer noch zu beanstanden war. Demgegenüber handelt es sich bei der aufzugsfremden Anlage des Beklagten nur um einen geringfügigen Mangel, der vom TÜV Rheinland im Jahr 2008 noch nicht einmal bemerkt und im Prüfbericht festgehalten worden ist. Unter Abwägung der beiderseitigen Interessen und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls kann daher auch die Kündigung vom 21. Januar 2009 keinen Bestand haben.

Auch die in der Berufungsbegründung erklärte Kündigung greift nicht durch. Soweit die Klägerin diese Kündigung auf die Behauptung stützt, der Beklagte habe den gesamten Technikraum vor dem Fahrstuhl zugestellt, handelt es sich um einen gemäß § 531 Abs. 2 Ziffer 3 ZPO nicht zu berücksichtigenden Vortrag. Bereits im Jahr 2008 hat der TÜV Rheinland beanstandet, dass der Triebwerksraum nicht frei zugänglich sei (Bd. II Bl. 207), ohne dass die Klägerin hierauf eine Kündigung gestützt hätte. Genau dieselbe Beanstandung im Jahr 2009 (Bd. II Bl. 34) nimmt die Klägerin nun zum Anlass, eine Kündigung gegenüber dem Beklagten auszusprechen, ohne nachvollziehbar darzulegen, warum sie dies nicht bereits in erster Instanz getan hat.

Aus den oben dargelegten Gründen ist die Verurteilung der Klägerin zu 1), die in der Anlage 2) zum erstinstanzlichen Urteil rot markierten Wände der Kellerräume dergestalt sach- und fachgerecht gegen Feuchtigkeit abzudichten, dass eine Durchfeuchtung der Wände in diesem Bereich und das Auftreten von Feuchtigkeit Schimmelpilz- und Stockfleckenbildung an der Innenseite der markierten Wände ausgeschlossen sind sowie die markierten Innenwandbereiche nach Austrocknen von Schimmelpilz und Stockflecken zu befreien und sodann mauerer- und malermäßig instandzusetzen, zu Recht erfolgt.

Auch die Verurteilung der Klägerin zu 1) die vom Beklagten gemieteten Kellerräume im Hause ... straße , ... dergestalt instandzusetzen, dass das Eindringen von Ratten und anderen Tieren insbesondere durch die Abwasserrohre und die Durchbrüche der Wasser- und Abwasserrohre nachhaltig verhindert wird, ist zu Recht erfolgt. Der Senat folgt auch insoweit den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung. Soweit die Klägerin zu 1) in der Berufungsinstanz erstmals vorträgt, der Beklagte habe den hinter der Revisionsklappe liegenden Durchbruch zum Nachbarkeller geschaffen und dabei auch das dort liegende Abwasserrohr beschädigt, ist sie mit diesem Vortrag gemäß § 531 Abs. 2 Ziffer 3 ZPO ausgeschlossen.

Mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung den Umfang der Minderung wegen des beanstandeten Ratten- und Geruchsbefalls mit 30 % berücksichtigt. Bei der Bemessung des Grades der Mietminderung ist bei gewerblichen Räumen primär auf die Störung der Betriebsausübung abzustellen (Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 536, Rdnr. 33). Nach dem Vortrag des Beklagten konnte die Untermieterin wegen des Rattenbefalls und des Gestanks den Raum III nicht mehr nutzen und musste in Folge dessen auf der Bewerbung ihres Bio-Tuning Angebotes bis auf weiteres absehen. Dies und der Umstand, dass sich Rattenbefall mit dem Betrieb eines Wellnesszentrums in keiner Weise in Einklang bringen lässt, auch wenn - zunächst - nur eine relativ kleine Fläche betroffen ist, rechtfertigt die vom Landgericht festgestellte Minderung in vollem Umfang.

Die Klägerin zu 1) hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Wasserkosten in Höhe von 3.173,84 €, da dem Beklagten aus den dargelegten Gründen sowohl ein Minderungs- als auch ein Aufrechnungsrecht zusteht.

II.

Im Übrigen hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich.

III.

Es wird daher angeregt, die Fortführung der Berufung zu überdenken.

Ende der Entscheidung

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