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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 29.11.2001
Aktenzeichen: 8 U 5537/00
Rechtsgebiete: GesO, ZPO


Vorschriften:

GesO § 10 Nr. 4
GesO § 10 Nr. 1
GesO § 10 Abs. 1 Nr. 1
GesO § 10 Abs. 1 Nr. 4
ZPO § 97
ZPO § 711
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 5537/00

Verkündet am: 29. November 2001

In dem Berufungsrechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, den Richter am Kammergericht Markgraf und den Richter am Amtsgericht Dr. Müther für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 11. Mai 2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 21 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf jedoch die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.500,00 DM abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Sicherheit durch Vorlage einer schriftlichen, selbstschuldnerischen, unbedingten, unbefristeten und unwiderruflichen Bürgschaft der Berliner Volksbank e.G. zu leisten.

Die Beschwer des Klägers beträgt 255.103,53 DM.

Tatbestand:

Die am 10. Juli 2000 (Montag) eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 11. September 2000 am 5. September 2000 eingelegte Berufung des Klägers richtet sich gegen das am 11. Mai 2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 21 des Landgerichts Berlin, dass dem Kläger am 9. Juni 2000 zugestellt worden ist. Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.

Der Kläger verfolgt im Berufungsverfahren seinen erstinstanzlichen auf Verurteilung der Beklagten gerichteten Antrag weiter und begründet seine Berufung wie folgt:

Die Anfechtung greife nach § 10 Nr. 4 GesO durch. Die Gemeinschuldnerin sei zum 31.12.1996 zahlungsunfähig gewesen, wie sich aus ihren beiden Bilanzen per 31.12.1995 und 31.12.1996 ergebe. Zum 1.5.1997 habe die Gemeinschuldnerin die Zahlungen eingestellt. Ihre Zahlungsunfähigkeit ergebe sich im Übrigen aus den bereits vorliegenden, titulierten Forderungen, der Kürzung der Kreditlinie durch die Beklagte selbst und schließlich aus den am 30.4.1997 auftretenden Lastschriftrückgaben durch die Beklagte. Auch die Kenntnis der Beklagten von Zahlungsunfähigkeit bzw. Zahlungseinstellung sei anzunehmen, weil die Gemeinschuldnerin seit Jahren das Geschäftskonto bei der Beklagten ständig überzogen habe, die Beklagte Lastschriften zurückgegeben und schließlich auf einer Globalzession der Gemeinschuldnerin bestanden habe. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass sie die Bilanzen der Gemeinschuldnerin nicht gekannt habe, denn diese habe sie sich auf Grund der ihr nach dem K. obliegenden Verpflichtung notfalls beschaffen müssen. Insoweit sei der Beklagten jedenfalls mindestens leichte Fahrlässigkeit anzulasten, was für den Tatbestand der Anfechtung gemäß § 10 Nr. 4 GesO ausreichend sei.

Auch die Absichtsanfechtung nach § 10 Nr. 1 GesO greife durch. Die Schuldnerhandlung bestehe hier in der Konkurrentabrede mit der Beklagten. Die objektive Gläubigerbenachteiligung folge daraus, dass die Beklagte auf Grund der noch bestehenden Konkurrenzabrede keinerlei Anspruch auf die Verrechnung der eingegangenen Gutschriften gehabt habe. Die Gemeinschuldnerin habe ihr diese Verrechnung ermöglicht und sie damit vor den anderen Gläubigern bevorzugt. Damit habe die Beklagte durch den ständigen Eingang von Gutschriften ihre Forderungen gegen die Gemeinschuldnerin reduzieren können.

Die Beklagte könne sich nicht auf die sogenannten Abverfügungen berufen. Diese Abverfügungen seien nicht erforderlich gewesen, denn die Beklagte sei dazu nicht verpflichtet gewesen; sie hätte kündigen können.

Im Übrigen seien ihre Ansprüche auf Aufwendungsersatz nicht hinreichend substantiiert. Auch sei der enge wirtschaftliche und zeitliche Zusammenhang zwischen Gutschriften und Abverfügungen nicht dargelegt. Dieser enge Zusammenhang entstehe nur, wenn zwischen Gutschriften und Abverfügungen nur wenige Tage, höchstens 1 Woche lägen. Überschüsse könnten hierbei nicht übertragen werden. Es komme hinzu, dass der Betrag der Gutschriften (255.103,53 DM) den Betrag der Abbuchungen (224.254,22 DM) übersteige. Selbst bei vollumfänglicher Berücksichtigung der von der Beklagten vorgetragenen Verfügungen verbleibe ein Betrag in Höhe von 30.849,31 DM, welcher allein der Beklagten zu Gute gekommen sei.

Jedenfalls könne von einem Bargeschäft nur ausgegangen werden, wenn jeweils der Eingang der Gutschriften Voraussetzung für die Vornahme der jeweiligen, im zeitlichen Umfeld liegenden Abverfügungen ist. Dabei müsse jede einzelne Verrechnung separat auf einen derartigen engen zeitlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang geprüft werden. Unter Anwendung dieser Grundsätze liege ein Bargeschäft nicht vor, wenn der Kreditrahmen nicht voll ausgeschöpft werde und die von der Bank "bemühten" Abverfügungen aus diesem freien Rahmen heraus ohne den Eingang der im zeitlichen Umfeld vorhandenen Gutschriften hätten ausgeführt werden können. Dies folge daraus, dass die Bank in diesem Fall ihrem Kunden allein aus dem ursprünglich geschlossenen Kreditvertrag heraus verpflichtet sei, die Abverfügungen zuzulassen und keine im Zusammenhang mit den Eingängen stehende Gegenleistung erbringe. Solchenfalls entscheide allein der Kunde, ob und in welcher Höhe er Verfügungen vornehme; eine gesonderte Entscheidung der Bank sei nicht notwendig. Demzufolge müsse die Beklagte konkret darlegen, in Bezug auf welche Verrechnung sie sich auf eine Bardeckung berufe.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Berlin, Aktenzeichen 21.O.552/99, vom 11.5.2000 zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 255.103,53 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. ihm nachzulassen, Sicherheit durch Vorlage einer schriftlichen, selbstschuldnerischen, unbedingten, unbefristeten und unwiderruflichen Bürgschaft der Berliner Volksbank e.G. zu leisten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist dem Berufungsvorbringen des Klägers mit ihren Schriftsätzen vom 22.1. und 22.11.2001 entgegengetreten, auf die verwiesen wird. Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze und eingereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 1 Nr. 4 GesO liegen nicht vor. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob zum Zeitpunkt der Einstellung der geltend gemachten Gutschriften in das Kontokorrent der Gemeinschuldnerin Zahlungsunfähigkeit bzw. Zahlungseinstellung bereits vorlag und ob die Beklagte hiervon jeweils Kenntnis hatte. Entscheidend ist, dass eine Anfechtung nach diesen Bestimmungen nicht in Betracht kommt, soweit der Kontokorrentverkehr kongruent abgewickelt worden ist. Ist dies der Fall, fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass die Gemeinschuldnerin die Benachteiligung ihrer Gläubiger bewusst in Kauf genommen hat, indem sie die Eingänge auf dem von der Beklagten geführten Konto zuließ. Im Falle des § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Anfechtung kongruenter Deckungen jedenfalls dann und insoweit aus, als es sich um Bardeckungen handelt (BGH in ZIP 1999 S. 781 [783 rechte Spalte]).

Der Kläger stellt nicht in Abrede, dass die Beklagte den Kontokorrentverkehr mit der Gemeinschuldnerin vereinbarungsgemäß abgewickelt hat. Der Kläger leugnet jedoch im Hinblick auf die Anfechtung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO, dass die von der Beklagten vorgenommenen Verrechnungen auf einer einheitlichen unanfechtbaren Bardeckung im Verhältnis zu den von ihr ausgeführten Verfügungen der Gemeinschuldnerin beruhten. Insoweit ist festzustellen, dass die Verrechnung der Eingänge auf dem Konto der Gemeinschuldnerin gegen den Sollsaldo kongruent gewesen ist. Die Beklagte war auf Grund des mit der Gemeinschuldnerin abgeschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages dazu berechtigt und verpflichtet. Dabei ist es unerheblich, ob die Sicherung des Kreditinstituts früher entsteht als die Forderung gegen den Gemeinschuldner aus der Ausführung seiner Überweisungsaufträge, sofern beide wenigstens in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgen. Welcher Zeitraum damit im Einzelnen gemeint ist, wird von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht auf den Tag festgelegt. Vielmehr stellt der Bundesgerichtshof darauf ab, ob die Gutschriften in unmittelbar zeitlichem Wechsel mit den Belastungen folgten und insgesamt verhinderten, dass die Kreditobergrenze überschritten worden ist.

Diese Voraussetzungen liegen vor, wie dem in Kopie bei den Akten befindlichen Handelsbuchauszug der Beklagten betreffend das Konto der Gemeinschuldnerin für den maßgeblichen Zeitraum (30.4.-31.7.1997) zu entnehmen ist. Im Übrigen geht auch aus dem Handelsbuchauszug der Beklagten hervor, dass ohne die Gutschriften die vereinbarte Kreditobergrenze von 120.000,00 DM überschritten worden wäre. Schließlich macht der Kläger selbst geltend, dass die Beklagte ab dem 1.5.1997 jede Lastschrift zurückgegeben habe, die die Kreditgrenze überschritten hätte. Dabei ist es in dem Zeitraum vom 1.5. bis zum 31.7.1997 zu insgesamt 45 Lastschriftrückgaben seitens der Beklagten gekommen. Der entgegenstehenden Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm (vgl. ZIP 2001 S. 1683), wonach Verrechnungen wegen inkongruenter Deckung anfechtbar sind, sofern die Kreditlinie des Gemeinschuldners deutlich unterschritten bleibt, indem zeitnah einzelne Gutschriften nicht zunächst zur Einhaltung der Kreditlinie dienen, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Bundesgerichtshof hat die diesbezügliche Frage in seinem Urteil vom 25.2.1999 (ZIP 1999 S. 781) ausdrücklich offen gelassen, indem er ausgeführt hat, es brauche im ihm vorliegenden Falle nicht zu entschieden werden, ob eine Bardeckung dann nicht anzunehmen sei, wenn das Kreditlimit ohne die Gutschriften zu keiner Zeit überschritten würde. Auf diesen Umstand abzustellen, erscheint nicht sachgerecht, weil es, wenn es hierauf ankommen sollte, dem Kreditinstitut überlassen bliebe, eine einmalige, kurzfristige Überschreitung der Kreditlinie zuzulassen, womit sodann etwaige Zweifel, dass ein Bargeschäft insgesamt vorliege, behoben sein würden.

Nicht zutreffend ist im Übrigen die Auffassung, des Klägers, dass jede einzelne Verrechnung im Rahmen des Kontokorrents auf ihre Anfechtbarkeit gesondert zu überprüfen sei. Eine derartige Verfahrensweise würde den engen wirtschaftlichen, rechtlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen den Gut- und Lastschriften verkennen. Allein die Gutschriften ermöglichen den weiteren Lastschriftverkehr. Beide sind nicht zeitlich in der Weise zu trennen, dass die gesamte Kontoführung aufgespalten wird. Genauso wie die Gutschrift den Sollsaldo des Schuldners der Bank bei ihr zu verringern hilft, hat der Schuldner damit zugleich wieder den finanziellen Spielrahmen aufgebaut, um die nächsten Auszahlungen vornehmen zu können. Wenn der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Gutschriften und Lastschriften gegeben ist, erscheinen beide rechtlich als ein einheitliches Ausnutzen des Kreditrahmens, wobei der Schuldner selbst den entscheidenden Einfluss ausübt, inwieweit er eingehende Guthaben wieder zur Tilgung seiner Schulden gegenüber Dritten verwendet. In einem derartigen Fall tilgt das Kreditinstitut im Ergebnis seine eigenen Kreditforderungen gegen den Schuldner nicht einmal teilweise (vgl. BGH a.a.O.).

Da die von der Beklagten vorgenommenen Verrechnungen somit auf Grund einer einheitlichen unanfechtbaren Bardeckung erfolgten, kommt es auch nicht darauf an, dass die Gutschriften insgesamt im Betrag etwas höher liegen als die sogenannten Abverfügungen. Der Kläger ist demzufolge auch nicht berechtigt, die Einstellung der Gutschriften in das Kontokorrent wegen des diesbezüglichen von ihm geltend gemachten Differenzbetrages in Höhe von 30.849,31 DM anzufechten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO und § 711 ZPO. Nach § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO war die Beschwer des Klägers im Urteil festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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