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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 23.05.2002
Aktenzeichen: 8 U 60/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 543 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 60/01

Verkündet am: 23. Mai 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergericht in Berlin auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, den Richter am Kammergericht Markgraf und den Richter am Amtsgericht Dr. Müther für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 19. Dezember 2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 29 des Landgerichts wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf jedoch die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 72.600,00 EUR abwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am 26. Februar 2001 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26. April 2001 an diesem Tag begründete Berufung des Beklagten richtet sich gegen das am 19. Dezember 2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 29 des Landgerichts Berlin, das dem Beklagten am 25. Januar 2001 zugestellt worden ist. Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird Bezug genommen.

Der Beklagte verfolgt im Berufungsrechtszug seinen erstinstanzlich auf Klageabweisung gerichteten Antrag weiter und begründet seine Berufung wie folgt:

Der Klägerin sei durch die Beendigung des Mietverhältnisses auf Grund der Kündigung vom 20. September 1999 kein Schaden entstanden, weil die Klägerin sich die Vorteile aus dem Nachfolgemietvertrag mit der Firma vom 8. Dezember 1999 anrechnen lassen müsse. Auf Grund des gekündigten Mietvertrages hätte die Klägerin von der Firma für den Zeitraum bis zum 31. März 2007 insgesamt 10.491.539,10 DM Mietzins erhalten. Demgegenüber belege der Mietvertrag mit der Firma dass für denselben Zeitraum die Klägerin von diesem Unternehmen einen Mietzins in Höhe von 13.711.600,00 DM erhalte. Daraus folge, dass die Kündigung des Vertragsverhältnisses der Parteien der Klägerin keinen Schaden gebracht habe, sondern der neue Mietvertrag für die Klägerin um 3.000.000,00 DM vorteilhafter sei. Im Gegensatz zu den Ausführungen im angefochtenen Urteil könne bei einem über feste Zeiträume abgeschlossenen Gesamtgeschäft nur in einer Gesamtschau der erforderliche Vergleich zwischen dem vertragsgemäßen Erfüllungszustand und dem schadensbedingten Zustand gezogen werden; eine "Monatsbetrachtung" greife schadensrechtlich zu kurz und verkenne das wirtschaftliche Gesamtgebilde. Künftige Mietmehreinnahmen auf Grund eines Nachfolgemietvertrages müssten daher als schadensmindernd anerkannt werden. Hinzu käme, dass die Klägerin sich die Gesamtinvestitionen der Firma im Zeitraum von 1993 bis 1996 in Höhe von insgesamt 4.438.000,00 DM bei der Neuvermietung habe zu Nutze machen können. Diese Investitionen hätten sich für die Firma nicht rentiert, da die Klägerin ihre Zusage zur Umgestaltung und Modernisierung des nicht eingehalten habe. Bedingt dadurch sei die Geschäftsentwicklung der Firma unbefriedigend verlaufen, nachdem auch noch der Verfall des laufend zugenommen habe.

Die Klägerin habe zu Unrecht die als Nachmieter abgelehnt. Dieses Unternehmen sei in Österreich Marktführer für Buch, Musik, Papier, Neue Medien, Video und Nummer bei der Telekommunikation. Im habe die Expansion des Unternehmens nach Deutschland beginnen sollen, nachdem dieses zunächst vier kleinere Testfilialen in Deutschland betrieben habe. Auf Grund einer Vereinbarung vom 17. Juni/1. Juli 1999 habe die die Räume zum 1. September 1999, spätestens zum 1. Oktober 1999 von der Firma übernehmen wollen. Die Haltung der Klägerin bezüglich der angeblich mangelnden Attraktivität der sei nicht glaubhaft, weil die Klägerin mit der unter starkem Zeitdruck befindlichen Geheimverhandlungen geführt und dieser schließlich "mit Druck" anderweitige leerstehende Flächen vermietet habe. Zum anderen habe die Klägerin die von der Firma mit hohen eigenen Investitionen attraktiv gemachten Flächen an die Firma vermieten können, die bereit gewesen sei, eine deutlich höhere Miete zu zahlen. Am 22. Juni 2000 habe die schließlich in den Räumen der Klägerin die neue Filiale eröffnet.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. Dezember 2000, 29.0.162/00, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin erwidert:

Die vollständige Anrechnung der angeblichen Vorteile durch den Abschluss des Mietvertrages mit der Firma scheitere schon daran, dass der Beklagte neue Investitionen für diese Vermietung, die sie, die Klägerin, in Höhe von 1,8 Mio. aufgebracht habe, nicht berücksichtige. Die Mieteinheit für die Firma habe aufwendig umgebaut und modernisiert werden müssen, zudem sei sie erheblich erweitert worden. So betrage die Mietfläche im Basement statt 70 nunmehr 95 qm, im Erdgeschoss statt 715 qm 775 qm, im ersten Obergeschoss statt 1175 qm 1379 qm und im zweiten Obergeschoss zusätzlich 450 qm.

Im Übrigen sei mit dem angefochtenen Urteil davon auszugehen, dass es allein auf die Betrachtung der Situation in den einzelnen Monaten ankomme, für welche Mietausfallschaden geltend gemacht werde. Sie, die Klägerin, habe im Übrigen den von dem Beklagten behaupteten Vorteil noch nicht erlangt. Allein auf Grund der vertraglichen Verpflichtung der Firma könne nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass sie, die Klägerin, die Zahlungen auch tatsächlich erhalte und damit den behaupteten Gewinn, realisiere. Schon aus diesem Grunde werde die Verrechnung des tatsächlich eingetretenen Schadens mit in Zukunft fälligen Ansprüchen den Grundsätzen des Schadensersatzrechts nicht gerecht.

Die Investitionen der Firma seien schließlich dadurch abgegolten worden, dass der Firma von Anfang an im Hinblick auf die erforderlichen Investitionen während der Mietzeit von über zwölf Jahren besonders günstige Vertragskonditionen eingeräumt worden seien. Darüber hinaus habe sie, die Klägerin, selbst weitere 2 Mio. für Umbauten der Räume der Firma investiert. Ein Versprechen, das umfassend umzugestalten und zu modernisieren, sei zu keinem Zeitpunkt abgegeben worden; es werde auch bestritten, dass die Firma ausschließlich im Hinblick auf dieses angebliche Versprechen ihre Investitionen vorgenommen habe. Es komme hinzu, dass kein hochwertiges Bekleidungsgeschäft die alte Ausstattung seines Vorgängers übernehme, da die Ausstattung der Visitenkarte derartiger Geschäftsbetriebe gleichkomme. Die unbefriedigende Geschäftsentwicklung der Firma dürfte im Übrigen darauf zurückzuführen sein, dass diese auf Grund eines veralteten Geschäftskonzepts nicht mehr konkurrenzfähig gewesen sei, wie die Aufgabe der übrigen Filialen in neben der Berliner Filiale erkennen lasse.

Außerdem habe es sich bei der als Nachmieterin angebotenen keinesfalls um ein "Bonitätsrisiken ausschließendes Unternehmen" gehandelt, da die sich inzwischen auf Grund erheblicher finanzieller Probleme aus Deutschland zurückgezogen habe.

Im Übrigen wird bezüglich des Vorbringens der Parteien im Einzelnen auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze und eingereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten bleibt in der Sache erfolglos.

Das Landgericht hat der Klage zu Recht insoweit entsprochen, als es der Klägerin einen Anspruch aus positiver Forderungsverletzung zuerkannt hat. Danach ist davon auszugehen, dass der Klägerin durch die Kündigung des Mietverhältnisses mit der zumindest ein Schaden in Höhe des für den Monat November 1999 geschuldeten Nettomietzinses entstanden ist; nur dieser Schaden wird geltend gemacht.

Das Landgericht hat es zu Recht abgelehnt, angebliche Vorteile aus dem Mietvertragsabschluss zwischen der Klägerin und der auf diesen Schaden anzurechnen. Es steht fest, dass die Klägerin für den November 1999 keinen Mietzins und zwar auch nicht von der erhalten hat. Dieses Unternehmen war vielmehr auf Grund des ersten Nachtrages zum Mietvertrag vom 29. Mai/8. Juni 2000 verpflichtet, erst ab 1. Mai 2000 den auf Grund des Mietvertrages vom 8. Dezember 1999 mit der Klägerin vereinbarten Mietzins zu zahlen. Der von dem Beklagten errechnete angebliche Vorteil aus dem Mietvertragsabschluss mit der Firma besteht schon deshalb nicht in der geltend gemachten Höhe, weil die Klägerin unbestritten geltend macht, die Verträge seien im Hinblick auf die erheblich vergrößerten Mietflächen und die von der Klägerin vorgenommenen weiteren Investitionen nicht ohne weiteres vergleichbar. Daher ist der Vortrag des Beklagten, der Klägerin sei durch den neuen Vertrag mit der Firma ein Vorteil von 3 Mio. entstanden, unsubstantiiert.

Im Übrigen ist die Rechtsauffassung des Landgerichts richtig, wonach die Anrechnung von Vorteilen auf Grund des Nachfolgemietvertrages für spätere Zeiträume wegen des fehlenden zeitlichen Zusammenhangs ausscheidet. Dies ergibt sich schon daraus, dass zum Zeitpunkt des Fälligkeitstermins für die Mietzinszahlung per November 1999 bereits ein Schadensersatzanspruch in Höhe des Mietzinses für November 1999 entstanden war. Der Mietzinsanspruch war auf Grund der Kündigungserklärung der Klägerin vom 5. Juli 1999 entfallen; der Schadensersatzanspruch entstand, soweit der Mietzins für November 1999 betroffen ist, mit dem Zeitpunkt, zu dem der Mietzins fällig geworden wäre. Dies war nach § 5 Ziff. 5.7. der jeweils dritte Werktag des betreffenden Monats, woraus folgt, dass der Schadensersatzanspruch insoweit am 3. November 1999 entstanden ist. Spätere Ereignisse können diesen einmal entstandenen Schadensersatzanspruch nicht wieder zum Erlöschen bringen. Dies kann auch nicht durch die von dem Beklagten geforderte sogenannte Gesamtschau erfolgen, nur, weil der Schadensersatzanspruch nicht sogleich, sondern später geltend gemacht wurde, nachdem bekannt war, dass es einen angeblich günstigeren Nachfolgemietvertrag gegeben hat. Eine derartige Gesamtschau unter Anrechnung von Vorteilen, die durch das schädigende Ereignis entstanden sind, kommt nur in Betracht, wenn das schädigende Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen (vgl. BGH NJW 1998 S. 138 [140] m.w.N.; BGH Urteil vom 2. April 2001 - II ZR 331/99 -). Im Hinblick auf den allgemeinen Verfall der Mietpreise auf dem Gewerbesektor kann nicht festgestellt werden, dass die Auflösung eines Gewerbemietverhältnisses im Allgemeinen geeignet ist, wegen der Möglichkeit eines günstigen Mietvertragsabschlusses mit einem neuen Mietinteressen Vorteile zu schaffen, die den durch den Leerstand nach Auflösung des Mietverhältnisses entstehenden Auflösungsschaden des Vermieters ausgleichen. Insoweit fehlt es an einem qualifizierten Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und den von dem Beklagten geltend gemachten vorteilhaften Umständen infolge des nachfolgenden Mietvertrages.

Im Übrigen könnten, wenn überhaupt, derartige Vorteile aus dem Nachfolgemietvertrag für künftige Zeiträume nur insoweit eine Rolle spielen, als der daraus zu erzielende Mietzins bereits realisiert ist, da das Vermietungsrisiko zu berücksichtigen ist, das sich sowohl im Mietverhältnis mit der Firma als auch, wie unwidersprochen vorgetragen, mit der Firma realisiert hat.

Der Schadensersatzanspruch scheitert auch nicht daran, dass die Klägerin die als Nachfolgemieterin von der Firma vorgeschlagene nicht als Nachmieterin für das Mietobjekt akzeptiert hat. Die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts bezüglich des dem Vermieter eingeräumten Ermessens sind, bezogen auf den Mietinteressenten nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass die Klägerin schließlich an die an anderer Stelle Räume vermietet hat, widerspricht dem nicht, weil die Klägerin zu Recht auf die für die Werbewirksamkeit des wichtige Lage des Mietobjekts der Firma hingewiesen hat.

Soweit der Beklagte die Ansicht zu vertreten scheint, der geltend gemachte Schaden sei jedenfalls durch die erheblichen Investitionen der Firma ausgeglichen, die die Klägerin sich bei der Neuvermietung zu Nutze machen könne, wird sein Vorbringen durch die Klägerin insofern widerlegt, als diese unwidersprochen geltend macht, dass der Nachfolgemieter die Ausstattung nicht übernommen habe und aus Imagegründen auch nicht habe übernehmen können. Im Übrigen fehlt es an einem substantiierten Vortrag, dass die Klägerin gerade im Hinblick auf diese Investitionen einen besonders günstigen, nämlich höheren Mietzins bei dem Vertragsabschluss mit der Firma hat erzielen können. Dem steht schon entgegen, dass, wie bereits ausgeführt, die Mieträume der einen anderen Zuschnitt haben und wesentlich größer sind.

Völlig unsubstantiiert ist das Vorbringen des Beklagten, soweit er die negative Geschäftsentwicklung seines Unternehmens auf den angeblichen Verfall des Europacenters und die Nichteinhaltung von Versprechungen zur Modernisierung des zurückführt. Abgesehen davon, dass ein derartiges Versprechen, dass von der Klägerin im Übrigen bestritten wird, jedenfalls im Mietvertrag nicht festgehalten ist, fehlt es an jeglicher Substantiierung, inwieweit gerade die mangelnde Attraktivität des enters für die negative geschäftliche Entwicklung der verantwortlich sein sollte. Dementsprechend hat die Klägerin eine diesbezügliche Kausalität dadurch in Abrede gestellt, dass sie auf die Schließung vieler weiterer Filialen der Verwiesen hat, woraus zu Recht der Schluss gezogen werden kann, dass jedenfalls auch noch andere Ursachen als die Eigenschaften des Mietobjekts des Standorts in Berlin für die negative Geschäftsentwicklung verantwortlich sein können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO und § 711 ZPO.

Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 1 ZPO zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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