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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 03.07.2003
Aktenzeichen: 8 U 71/02
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 535 Abs. 2
BGB § 571
BGB § 571 Abs. 1
BGB § 736 Abs. 2
HGB § 160
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 71/02

In dem Berufungsrechtsstreit

Verkündet am: 3. Juli 2003

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2003 durch die Richter am Kammergericht Dr. Müther und Markgraf und die Richterin am Kammergericht Dr. Henkel für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten zu 1. und 2. gegen das am 13. Dezember 2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Die Beklagten zu 1. und 2. haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten zu 1. und 2. dürfen jedoch die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 77.000,- Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am 6. März 2002 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 8. Mai 2002 an diesem Tag begründete Berufung der Beklagten zu 1. und 2. richtet sich gegen das am 13. Dezember 2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin, das den Beklagten zu 1. und 2. am 8. Februar 2002 zugestellt worden ist. Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird Bezug genommen.

Die Beklagten zu 1. und 2. verfolgen im Berufungsrechtszug den auf Klageabweisung gerichteten erstinstanzlich gestellten Antrag weiter und begründen ihre Berufung wie folgt:

Aufgrund der Regelung unter Ziffer 11.2 des Mietvertrages seien sie, die Beklagten zu 1) und 2) zum Ablauf des 30. Juni 2002 im Hinblick auf die Kündigung des Gesellschaftsvertrages aus dem Mietverhältnis ausgeschieden, wobei der Beklagte zu 3) als Rechtsnachfolger das Mietverhältnis fortgesetzt habe. Die Bestimmung der Ziffer 11.2 des Mietvertrages müsse nach §§ 133, 157 BGB dahingehend ausgelegt werden, dass diese nicht allein auf einen Mieterwechsel, sondern auch auf ein Ausscheiden einzelner Mieter Anwendung finde. Der Wortlaut knüpfe an eine "Veräußerung" des Betriebes an und damit an das obligatorische Rechtsgeschäft. Es könne aber, ähnlich wie bei § 571 Abs. 1 BGB, nicht auf das obligatorische Geschäft, sondern nur auf den dinglichen Vollzug ankommen. Deshalb sei nicht einzusehen, warum es aufgrund der Formulierung im Mietvertrag allein auf die Art des zugrundeliegenden obligatorischen Geschäfts für den Eintritt des Rechtsnachfolgers ankommen solle. Im Übrigen finde auf der Vermieterseite entsprechend § 571 BGB diese Bestimmung auch beim Wechsel der Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft Anwendung. Bei der Auslegung sei auch zu berücksichtigen, dass die Regelung in Ziffer 11.2 und 11.3 gerade die Identität von Mietpartei und Betriebsinhaberschaft habe sicherstellen sollen. Parteiwechselklauseln in Mietverträgen seien daher nicht eng, sondern weit auszulegen, da Änderungen auf der Mieterseite erleichtert werden sollten. Aus alledem müsse der Schluss gezogen werden, dass beim Ausscheiden von Gesellschaftern und dem Übergang der Betriebsinhaberschaft auf einen verbleibenden Gesellschafter auch Ziffer 11.2 des Mietvertrages anzuwenden sei.

Der Kläger sei nicht berechtigt gewesen, der diesbezüglichen Rechtsnachfolge auf der Mieterseite zu widersprechen. Das Insolvenzrisiko bestünde ständig und hänge letztlich davon ab, ob ein Mieter seriös und solvent sei. Dies sei bezüglich des Beklagten zu 3) zu bejahen, denn er sei ein niedergelassener Vertragsarzt, an dessen Seriosität und Solvenz kein Zweifel bestehen könne.

Die Beklagten zu 1. und 2. beantragen,

das Urteil vom 13. Dezember 2001 abzuändern und die Klage, soweit sie sich gegen sie richtet, abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist dem Berufungsvorbringen der Beklagten zu 1. und 2. mit Schriftsatz vom 21. August 2002 entgegengetreten, auf den im Einzelnen verwiesen wird.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der eingereichten Schriftsätze und vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagten sind durch das angefochtene Urteil zu Recht zur Mietzinszahlung gemäß § 535 Abs. 2 BGB verurteilt worden, weil sie innerhalb des Zeitraums, für den Mietzins verlangt wird (bis einschließlich Juni 2002) nicht aus dem Mietverhältnis ausgeschieden sind, jedenfalls nach § 736 Abs. 2 BGB i. V. m. § 160 HGB für diese Beträge einzustehen haben.

Die Beklagten zu 1) und 2) berufen sich zu Unrecht auf eine sinngemäße Anwendung der Ziffer 11.2 des Mietvertrages. Das Ausscheiden eines oder mehrerer Gesellschafter aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgrund von Kündigung ist keine "Veräußerung des gesamten Betriebes oder eines Teilbetriebes". Aufgrund der Kündigung einzelner Gesellschafter findet lediglich, sofern die Gesellschaft nicht aufgelöst wird, ein Anwachsen der Gesellschaftsanteile auf die verbleibenden Gesellschafter statt. Das ist keine Veräußerung des gesamten Gesellschaftsvermögens.

Für eine analoge Anwendung der Ziffer 11.2 des Mietvertrages auf den Fall des Ausscheidens von Gesellschaftern gibt es keinen Anlass, da dieser Fall letztlich hinreichend durch § 736 Abs. 2 BGB i. V. m. § 160 HGB geregelt ist. Danach besteht für die ausscheidenden Gesellschafter eine Nachhaftung, die erst nach fünf Jahren endet. Die Vertragsparteien hatten insofern keinen Bedarf, diese Nachhaftung in irgendeiner Weise zu begrenzen, soweit es um die Frage der Übertragung des Betriebes ging. Es mag sein, dass für die ausscheidenden Gesellschafter eine derartige Regelung günstig gewesen wäre; für die Vermieterseite kann dies aus den im angefochtenen Urteil angegebenen Gründen (Verlust von zwei mithaftenden Mietern) jedenfalls nicht angenommen werden. Daher ist auch nicht anzunehmen, dass insoweit eine Vertragslücke vorliegt. Zudem kann aus den genannten Gründen jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger als Vermieter mit einer derartigen Regelung einverstanden gewesen wäre. Die Regelung in Ziffer 11.2 des Mietvertrages ist daher darauf zu beschränken, wofür sie getroffen wurde, nämlich für den Fall der Veräußerung der gesamten Praxis, wobei anstelle der bisherigen Mieter entweder ein oder mehrere neue Mieter als Praxisnachfolger in den Mietvertrag eingetreten wären.

Die übrigen Argumente der Beklagten zu 1) und 2) in ihrer Berufsbegründung liegen neben der Sache: Der Vergleich mit der Regelung beim Wechsel auf der Vermieterseite im Fall des § 571 BGB bzw. beim Gesellschafterwechsel auf der Vermieterseite kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Vermieterwechsel bei diesen Tatbeständen auf einer Einigung der Beteiligten beruht, während im vorliegenden Rechtsstreit eine Kündigung der Gesellschaft durch Mitgesellschafter zur Änderung des Mietverhältnisses führen soll. Außerdem haben die Regelung des § 571 BGB und auch die von der Rechtsprechung angenommene analoge Anwendung des § 571 BGB auf den Gesellschafterwechsel auf der Vermieterseite allein ihren Grund darin, die Rechte des Mieters aus dem Mietvertrag zu sichern und durch etwaige Wechsel auf der Vermieterseite unberührt zu lassen. Wenn dieser Rechtsgedanke auf den Fall des Wechsels auf der Mieterseite übertragen wird, würde sich daraus gerade ergeben, dass auch dem Vermieter durch Wechsel auf der Mieterseite kein Schaden entstehen darf, was aber der Fall wäre, wenn ihn durch Veränderungen in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch Ausscheiden von Gesellschaftern ohne weiteres zwei mithaftende Mieter genommen werden würden. Das Gesetz hat für genau diesen Fall den Kompromiss in der Regelung des § 736 Abs. 2 BGB geschaffen, wobei der Gesetzgeber gerade an Erwerbsgesellschaften wie Gemeinschaftspraxen und Sozietäten gedacht hat (vgl. Palandt-Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., § 736 BGB Rdnr. 11).

Da Ziffer 11.2 des Mietvertrages keine Anwendung findet, kommt es auch nicht darauf an, ob der Widerspruch des Klägers berechtigt war; dies ergibt sich daraus, dass der Widerspruch nicht Voraussetzung für die Nachhaftung der Beklagten zu 1) und 2) gemäß § 736 Abs. 2 BGB i. V. m. § 160 HGB ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO und § 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht ersichtlich sind.

Ende der Entscheidung

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