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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 13.12.2001
Aktenzeichen: 8 U 7231/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97
ZPO § 711
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 7231/00

Verkündet am: 13. Dezember 2001

In dem Berufungsrechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, den Richter am Kammergericht Markgraf und den Richter am Amtsgericht Dr. Müther für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 3. August 2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf jedoch die Zwangsvollstreckung durch die Beklagten zu 1. und 2. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 24.000,00 DM und durch die Beklagten zu 3. bis 16. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 38.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten zu 1. und 2. bzw. zu 3. bis 16. vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in der jeweiligen Höhe leisten.

Der Wert der Beschwer des Klägers übersteigt 60.000,00 DM.

Tatbestand:

Die am 11. September 2000 (Montag) eingelegte und - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 13. November 2000 - an diesem Tage begründete Berufung des Klägers richtet sich gegen das am 3. August 2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin, das dem Kläger am 10. August 2000 zugestellt worden ist. Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.

Der Kläger verfolgt im Berufungsverfahren seien erstinstanzlich gestellten Antrag weiter und begründet seine Berufung wie folgt:

Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass "Nutzfläche" im Sinne des Mietvertrages der Parteien die vermieteten Verkehrsflächen und Funktionsflächen mitumfasse. Nach der Definition der DIN 277 sei Verkehrsfläche derjenige Teil der Nettogrundfläche, der den Zugang zu den Räumen, dem Verkehr innerhalb des Bauwerkes und auch dem Verlassen im Notfall diene wie etwa das Treppenhaus. Demzufolge würden Treppenhäuser bei der Berechnung der Nutzfläche zur Ermittlung des Quadratmetermietzinses nicht mitgerechnet.

Der Parteiwille stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Aus der Anlage D zum Mietvertrag werde deutlich, dass die Parteien sehr genaue Vorstellungen über die Nutzung und die einzelnen notwendigen Baumaßnahmen gehabt hätten; sie hätten diese Vorstellungen aber aufgrund der fehlenden Baugenehmigung nicht in Quadratmetergrößen fassen können. Es treffe zwar zu, dass es sich bei dem Vermietungsobjekt um einen entkernten Rohbau gehandelt habe. Demzufolge hätten die Beklagten die Nettogrundfläche durch Addition der vorhandenen Nutzfläche und der Funktionsfläche ermittelt. Es sei jedoch nicht richtig, dass es ein Aufmaß im Oktober 1993 gegeben hätte, wie die Beklagten behaupteten. Die insoweit als Anlage B 5 überreichten Pläne nähmen auf ein Aufmaß vom 12. Mai 1993 Bezug, während die übrigen von den Beklagten überreichten Pläne auf ein Bauaufmaß vom Dezember 1993 Bezug nähmen. In diesen Plänen (z. B. A 13) sei deutlich zwischen Nutzfläche und Verkehrsfläche unterschieden. In der Anlage zum Mietvertrag sei im Übrigen von "Zusammenstellung der Nutzflächen" die Rede. Nur der Beklagte zu 1. als Verhandlungsführer habe dabei aber gewusst, dass hierbei Nutzflächen und Verkehrsflächen zusammengerechnet worden seien. Der Beklagte zu 1. habe daher die verschiedenen Begriffe gekannt und sie täuschend fehlerhaft in der Anlage zum Mietvertrag verwendet.

Dem stehe nicht der handschriftliche Zusatz zu den Haustechnikräumen entgegen, denn es sei nicht unüblich, dass in Verträgen etwas "überlagernd" geregelt werde. Es sei unter Beweisantritt vorgetragen worden, weshalb diese Klausel zusätzlich vereinbart worden sei.

Der Klägervortrag sei auch nicht aufgrund der fehlenden Anlage des Vertrages mit "grün gekennzeichneten Flächen" unschlüssig, wie das Landgericht meine. Ihm, dem Kläger, läge jedenfalls kein Exemplar des Mietvertrages mit derart grün gekennzeichneten Flächen vor. Zwischen den Parteien bestehe aber Einigkeit über den Vertragsgegenstand, der sich aus den Flächen der von beiden Parteien überreichten Pläne ergebe, wobei die Ausmaße identisch seien. Über die Ausdehnung dieser Flächen bestehe daher kein Streit.

Schließlich habe das Landgericht zu Unrecht die aufgeworfene Frage der Sittenwidrigkeit von 23,00 DM pro Quadratmeter entfernter Rohbaunutzfläche nicht behandelt, obwohl hierzu substantiiert vorgetragen worden sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. August 2000 - 12. O. 887/98 - abzuändern und festzustellen, dass aufgrund seines, des Klägers, Anpassungsverlangen vom 6. Mai 1998 in Form des Schreibens vom 10. Juni 1998 der monatliche Gewerbekaltmietzins ab Mai 1998 für die durch ihn, den Kläger, von den Beklagten gemieteten Gewerberäume in dem Gebäude P. A. nach dem Mietvertrag der Parteien vom 24. September 1993 für das Kellergeschoss 4.999,32 DM und für die Haupträume 95.656,47 DM betrage.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten sind dem Berufungsvorbringen des Klägers mit ihren Schriftsätzen vom 6. und 12. April sowie 21. August 2001 entgegengetreten; auf diese Schriftsätze wird Bezug genommen.

Im Übrigen wird hinsichtlich des Vorbringens der Parteien auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze und eingereichten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist zwar als Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, wie das Landgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend festgestellt hat. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Anpassung des Mietzinses nach § 1 Abs. 3 des Mietvertrages nicht vorliegen. Entscheidend ist, worauf beide Parteien abstellen, in welchem Sinne der in der Anpassungsklausel verwandte Begriff "Nutzfläche" zu verstehen ist. Insofern ist dem Landgericht zu folgen, dass nicht ohne weiteres auf die Definition nach der Zweiten Berechnungsverordnung oder auf die DIN 277 zurückgegriffen werden kann. In Gewerbemietverträgen ist die Verwendung des Begriffs "Nutzfläche" nicht allgemein üblich. Entscheidend ist regelmäßig vielmehr der Begriff der "vermieteten Fläche", wobei nach verschiedenen Nutzungsarten unterschieden werden mag. Dementsprechend ist im vorliegenden Mietvertrag auch in § 1 Ziffer 2 von "unterschiedlichen Nutzungsstufen" die Rede. Allerdings sind diese letztlich offenbar deswegen nicht festgelegt worden, weil, obwohl im Vertrag vorgesehen, eine zeichnerische Darstellung der vorbezeichneten Mietflächen in der Anlage A zu § 23 des Mietvertrages nicht erfolgt ist. Das hat zur Folge, dass, worauf es allein ankommt, eine nähere Bestimmung des Begriffs "Nutzfläche", obwohl der Begriff sowohl in § 1 als auch in der Anlage zum Mietvertrag - JAW verwendet worden ist, nicht erfolgte. In der Anpassungsklausel (§ 1 Ziffer 3 des Mietvertrages) wird darauf abgestellt, dass die in § 1 Ziffer 1 des Mietvertrages genannten Flächen die "Nutzflächen" sein sollen. Da diese Flächen in der Anl. A jeweils im Plan grün gekennzeichnet hatten werden sollen und dies dann nicht geschehen ist, lässt sich nicht mehr feststellen, was die Parteien mit Nutzflächen im Mietvertrag gemeint haben, auch wenn letztlich zwischen den Parteien Einigkeit darüber besteht, welche Flächen vermietet worden sind. Wenn es allein auf die vermieteten Flächen ankommen sollte, über deren Umfang nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers zwischen den Parteien Einigkeit besteht, wäre die Klage jedenfalls, worauf das Landgericht im Ergebnis zutreffend hinweist, deshalb unbegründet, weil die Differenzberechnung, aus der der Kläger den Anspruch auf Anpassung herleitet, letztlich darauf aufbaut, dass ein Unterschied zwischen den vermieteten Flächen und den sogenannten "reinen" Nutzflächen in dem vom Kläger verwendeten Sinne besteht. Der Kläger behauptet jedenfalls nicht, dass die vermietete Fläche von den im Mietvertrag angegebenen Flächengrößen um mehr als 3 % zu seinem Nachteil abweicht.

Im Übrigen trifft es nicht zu, dass, wie der Kläger meint, Verkehrsflächen und Funktionsflächen in Gewerbemietverträgen nicht mit dem vereinbarten Mietzins abgegolten werden. Es mag zwar zutreffen, dass in einzelnen Mietverträgen insoweit bei der Mietzinsberechnung differenziert wird. Dies ist aber nicht durchweg der Fall. Soweit Verkehrs- und Funktionsflächen innerhalb des Mietobjektes liegen und vom Mieter allein benutzt werden, wird, sofern ein Quadratmetermietzins vereinbart ist, jedenfalls nicht selten ein pauschaler Mietpreis für die gesamte Mietfläche vereinbart, ohne dass in Verkehrs- und Funktionsflächen aufgegliedert wird. Aus diesem Grunde erscheint es nicht ungewöhnlich, wenn auch im vorliegenden Mietvertrag so von den Beklagten verfahren worden ist. Es mag in diesem Zusammenhang auffallen, dass bei den dem Mietvertrag vorangegangenen Flächenberechnungen der Beklagten die Treppenhäuser gesondert vermessen worden sind. Dies kann aber allein mit der Meßmethode zusammenhängen oder aber auch damit, dass es sich um ein früheres Wohnhaus handelte, wobei diese Unterscheidung noch einen Sinn gehabt haben könnte.

Letztlich ist auch das zutreffende Argument des Landgerichts zu berücksichtigen, dass die Beklagten sich schwerlich auf eine Vereinbarung hätten einlassen können, bei der es im Belieben des Klägers gestanden hätte, die Mietfläche im Sinne von "Nutzfläche" durch entsprechende Gestaltung bei den Umbauten zu verkleinern. Für die Auslegung des Landgerichts spricht schließlich auch das von diesem verwendete Argument hinsichtlich der Regelung der Haustechnikräume, der es nicht bedurft hätte, wenn als Nutzfläche Funktions- und Verkehrsflächen nicht in Betracht gekommen wären. Dabei spielt es keine Rolle, dass der handschriftliche Zusatz auf Veranlassung des als Zeugen benannten Herrn C. in den Vertrag aufgenommen worden ist. Jedenfalls hätte es keiner diesbezüglichen Klarstellung bedurft, wenn für die Definition des Begriffs "Nutzfläche" in der Anpassungsklausel Verkehrsflächen von vornherein hätten ausscheiden müssen.

Es kann schließlich auch nicht darauf ankommen, dass der Beklagte zu 1. zur Errechnung der Nutzfläche i. S. v. § 1 des Mietvertrages die eigentlichen Nutzflächen im Sinne der Zweiten Verrechnungsverordnung mit den Verkehrsflächen addiert hat und diese Berechnung dem Kläger nicht offengelegt hat. Dem Kläger wäre dies jedenfalls aufgefallen, wenn er auf Beifügung der vollständigen Anlage A zum Mietvertrag mit im Plan grün gekennzeichneten Einzelflächen bestanden hätte. Da er dies nicht getan hat, hat er sich letztlich damit abgefunden, die Flächen, wie sie sich aus dem entkernten Rohbau ergaben, als Mietgegenstand i. S. v. § 1 des Mietvertrages mit den dort angegebenen Flächen zu übernehmen.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das Landgericht zu Recht auf die Frage der angeblichen Sittenwidrigkeit des Mietzinses von 23,00 DM pro Quadratmeter entkernter Rohbaunutzfläche nicht eingegangen ist; da der Kläger insoweit keinerlei Vergleichsobjekte benannt hat, ist sein Vorbringen nicht hinreichend substantiiert. Die Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens verbietet sich unter diesen Umständen als Ausforschungsbeweis.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO und § 711 ZPO.

Nach § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO war die Beschwer des Klägers im Urteil festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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