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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 23.08.2001
Aktenzeichen: 8 U 8644/99
Rechtsgebiete: BGB, GmbHG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 182
BGB § 284
BGB § 286
BGB § 288
BGB § 181
BGB § 125 Satz 1
GmbHG § 15 Abs. 3
GmbHG § 15 Abs. 4
ZPO § 91
ZPO § 711
ZPO § 97 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 8644/99

Verkündet am: 23. August 2001

In dem Berufungsrechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. August 2001 durch den Richter am Kammergericht Markgraf als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19. August 1999 verkündete Urteil der Zivilkammer 9 des Landgerichts Berlin geändert:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 79.044,90 DM nebst 4 % Zinsen

aus 5.000,00 DM vom 01.04.1997 bis zum 30.04.1997, aus 10.000,00 DM vom 01.05.1997 bis zum 30.05.1997, aus 15.000,00 DM vom 01.06.1997 bis zum 30.06.1997, aus 25.000,00 DM vom 01.07.1997 bis zum 31.07.1997, aus 35.000,00 DM vom 01.08.1997 bis zum 30.08.1997, aus 45.000,00 DM vom 01.09.1997 bis zum 28.09.1997

sowie 4,6 % Zinsen

aus 45.000,00 DM vom 29.09.1997 bis zum 31.09.1997, aus 55.000,00 DM vom 01.10.1997 bis zum 30.10.1997

und aus der Klageforderung ab dem 01.11.1997

zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug haben die Beklagten zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen jedoch die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 95.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Klägerin darf jedoch die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Die Beschwer der Beklagten beträgt 79.044,90 DM.

Tatbestand:

Die am 22. Oktober 1999 eingelegte und am 22. November 1999 begründete Berufung der Klägerin richtet sich gegen das am 19. August 1999 verkündete Urteil der Zivilkammer 9 des Landgerichts Berlin, das der Klägerin am 22. September 1999 zugestellt worden ist. Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird Bezug genommen.

Die Klägerin verfolgt im Berufungsrechtszug ihren erstinstanzlich gestellten Antrag weiter und begründet ihre Berufung wie folgt:

Die Wirksamkeit der Abtretungen in der Zeit vom 13. März bis 29. September 1997 sei nicht dadurch in Frage gestellt, dass Rechtsanwalt nur gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Liquidatorin gewesen sei. Die Zustimmung der Liquidatorin zu den Abtretungen durch Rechtsanwalt ergebe sich bereits aus der Vereinbarung vom 26. Februar/14. März 1997 sowie aus den Schreiben der Liquidatorin vom 7. August und 19. September 1997 an die Beklagten. Auch in dem von der Liquidatorin gefertigten, der Klägerin zugeleiteten Klageentwurf seien die Abtretungen als wirksam behandelt worden. Vorsorglich habe die Liquidatorin durch den alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer nochmals die von Herrn Rechtsanwalt abgegebenen Erklärungen nachträglich genehmigen lassen. Die schriftliche Genehmigungserklärung werde beigefügt.

Zu Unrecht gehe das Landgericht davon aus, dass sie, die Klägerin, als alleinige Gesellschafterin der beiden Unternehmen nicht die erforderliche Gestattung im Sinne von § 181 BGB wirksam habe erklären können. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Gesellschafter einer GmbH derartige Geschäfte im Einzelfall genehmigen könnten, ohne dass dafür eine satzungsmäßige Grundlage erforderlich sei. Umstritten sei lediglich, ob die Gesellschafter ohne satzungsmäßige Grundlage eine generelle Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB beschließen und im Handelsregister eintragen lassen könnten; letzteres möge aus Gründen des Verkehrsschutzes wegen der Gefahr von Unklarheiten zweifelhaft sein. Derartige Unklarheiten seien jedoch bei einer schriftlichen Einzelfallgestattung nicht denkbar. Sie, die Klägerin, habe die Gestattungen erklären können, da sie die einzige Gesellschafterin der beiden Unternehmen ( GmbH und H. GmbH) gewesen sei.

Bezüglich der Bezahlungen sämtlicher Rechnungen würden die entsprechenden Zahlungsbelege beigelegt.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 19. August 1999 zur Geschäfts-Nr. 9.O.341/98 die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie, die Klägerin, DM 79.044,90 nebst 4 % Zinsen

aus DM 5.000,00 vom 01.04.1997 bis zum 30.04.1997, aus DM 10.000,00 vom 01.05.1997 bis zum 30.05.1997, aus DM 15.000,00 vom 01.06.1997 bis zum 30.06.1997, aus DM 25.000,00 vom 01.07.1997 bis zum 31.07.1997 aus DM 35.000,00 vom 01.08.1997 bis zum 30.08.1997, aus DM 45.000,00 vom 01.09.1997 bis zum 28.09.1997

sowie 4,6 % Zinsen

aus DM 45.000,00 vom 29.09.1997 bis zum 31.09.1997, aus DM 55.000,00 vom 01.10.1997 bis zum 30.10.1997

und aus der Klageforderung ab dem 01.11.1997 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. August 1999 (9.O.341/98) zurückzuweisen.

Die Beklagten erwidern:

Der geltend gemachte Anspruch bestehe schon dem Grunde nach nicht, da der Nutzungsvertrag vom 16. April 1996 mangels Einhaltung der notariellen Form gemäß § 15 Abs. 3, Abs. 4 GmbHG in Verbindung mit § 125 Satz 1 BGB formnichtig sei. Der Nutzungsvertrag habe mit dem Geschäftsanteilveräußerungsvertrag eine rechtliche Einheit gebildet, da er lediglich eine Nebenabrede für diesen dargestellt habe. Ihr, der Beklagten Interesse an der GmbH i. L. habe sich lediglich auf das Grundstück gerichtet, so dass die vorgezogene Nutzung lediglich eine Modifikation der Vertragserfüllung zu dem Geschäftsanteilsveräußerungsvertrag gewesen sei. Ein weiteres Interesse an der GmbH i. L. hätten sie, die Beklagten, nicht gehabt. Die Änderung der Modalitäten der Vertragserfüllung sei daher als so wesentlich anzusehen, dass es nicht darauf ankomme, ob und inwieweit es sich hierbei um eine spätere Änderung handele. Es sei auch unerheblich, dass ihre, der Beklagten, Vertragspartner nicht personenidentisch gewesen seien. Dies stehe der Annahme, dass die beiden Verträge eine rechtliche Einheit bildeten, nicht entgegen, zumal die Klägerin alleiniger Gesellschafter der GmbH gewesen sei. Dementsprechend sei auch die Vereinbarung vom 26. Februar 1997 unwirksam und unbeachtlich.

Die Abtretung der GmbH i. L. an die GmbH i. L. sei unwirksam gewesen, da die erforderlichen satzungsmäßigen Grundlagen für die Befreiung von § 181 BGB nicht vorgelegen hätten. Es lägen insbesondere keine wirksamen Gesellschafterbeschlüsse vor, auf die sich die Klägerin insoweit berufen könne. Im Übrigen hätte es für die Befreiung der Liquidatorin von den Beschränkungen des § 181 BGB einer satzungsmäßigen Grundlage sowohl bei der GmbH i. L. als auch bei der GmbH i. L. bedurft. In diesem Zusammenhang komme es nicht darauf an, dass der Geschäftsführer einer GmbH im Einzelfall durch Gesellschafterbeschluss von dem Verbot des § 181 BGB befreit werden könne. Anders verhalte es sich jedenfalls bei dem Liquidator, dessen Aufgabenstellung im Gegensatz zum Geschäftsführer der GmbH ausschließlich auf Abwicklung der Gesellschaft gerichtet sei. Für die Befreiung von § 181 BGB müssten demzufolge die Voraussetzungen einer Satzungsänderung eingehalten werden; mindestens bedürfe es insoweit einer Ermächtigung der Gesellschafterversammlung in der Satzung. Insofern fehle es an einem wirksamen Gesellschafterbeschluss sowohl bei der GmbH i. L. als auch bei der GmbH i. L. Mangels Abtretung der Forderung von GmbH i. L. an die GmbH i. L. habe Letztere die Forderung auch nicht an die Klägerin abtreten können.

Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze und die eingereichten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

Die Klageforderung ergibt sich aus § 3 des Nutzungsvertrages vom 16. April 1996 in Verbindung mit den beiden Abtretungserklärungen vom 3. und 29. September 1997. Das Landgericht geht in der Begründung des angefochtenen Urteils zutreffend davon aus, dass der Nutzungsvertrag vom 16. April 1996 wirksam war und nicht, wie die Beklagten meinen, gemäß § 15 Abs. 3, Abs. 4 GmbHG in Verbindung mit § 125 Satz 1 BGB als formnichtig zu gelten hat. Insoweit kann auf die zutreffenden erstinstanzlichen Ausführungen verwiesen werden. Es kommt hinzu, dass eine rechtliche Einheit des notariellen Kaufvertrages vom 20. März 1996 mit dem Nutzungsvertrag vom 16. April 1996 schon deshalb ausscheidet, weil die Nutzungsvereinbarung gerade im Hinblick darauf abgeschlossen wurde, dass nicht feststand, ob der notarielle Kaufvertrag erfüllt werden würde bzw. inwieweit sich der Vollzug des notariellen Kaufvertrages längere Zeit hinziehen würde.

Die Höhe des geltend gemachten Anspruchs wird - soweit ersichtlich, im Berufungsrechtszug von den Beklagten nicht mehr in Abrede gestellt, nachdem die Klägerin die Zahlung der in Rechnung gestellten Beträge durch Vorlage von Kopien der Überweisungsaufträge und Kontenauszüge im einzelnen dargetan hat.

Die Einwände der Beklagten gegen die Wirksamkeit der Abtretungen vom 13. März bzw. 3. September 1997 und vom 29. September 1997 sind jedenfalls nicht mehr begründet, nachdem die Klägerin im Berufungsverfahren vorsorglich eine Genehmigungserklärung des alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführers der Liquidatorin der GmbH i. L. und der GmbH i. L. vorgelegt hat. Hiernach kann dahingestellt bleiben, ob, wie die Klägerin meint, die Liquidatorin durch sonstiges Verhalten bereits die genannten Abtretungserklärungen, die Rechtsanwalt im Namen der Liquidatorin erklärt hatte, genehmigt hat. Die undatierte Genehmigungserklärung des alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführers nimmt jedenfalls ausdrücklich auf die genannten Abtretungserklärungen Bezug, woraus hervorgeht, dass die Erklärung nach diesen Abtretungserklärungen abgegeben worden ist. Auf ein genaues Datum kommt es hiernach nicht an.

Die Beklagten berufen sich zu Unrecht darauf, dass jedenfalls die Erklärungen vom 13. März bzw. 3. September 1997 wegen Verstoßes gegen § 181 BGB nicht wirksam seien. Es trifft zwar zu, dass Rechtsanwalt bei Abgabe der Erklärungen sowohl die GmbH i. L. als auch die GmbH i. L. vertreten hat und damit die Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines Insichgeschäftes gemäß § 181 BGB zu beachten waren. Die Klägerin hat jedoch als Alleingesellschafterin der. GmbH i. L. und der GmbH i. L. jeweils in § 4 der Abtretungserklärungen vom 13. März 1997 bzw. 3. September 1997 sich mit dem geschlossenen Abtretungsvertrag einverstanden erklärt, womit hinreichend eine Gestattung im Sinne von § 181 BGB dargetan ist. Es trifft nicht zu, dass Voraussetzung für diese Gestattung eine entsprechende Ermächtigung in den Satzungen der beiden Unternehmen ist, wie die Beklagten und das Landgericht meinen. Zutreffend ist lediglich, dass die generelle Befreiung von dem Verbot des Selbstkontrahierens zu den Leitprinzipien einer gesellschaftlichen Ordnung gehören würde und aus diesem Grunde im Gesellschaftsvertrag (Satzung) ihre Ermächtigung finden müsste (vgl. hierzu BayObLG, 1985, Seite 189 [192]). Fehlt eine derartige satzungsmäßige Gestattung bzw. Ermächtigung, so kann im Einzelfall das Organ Befreiung von dem Verbot des Selbstkontrahierens erteilen, das für die Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers der GmbH zuständig ist (vgl. Schneider in Scholz, GmbHG, 9. Auflage, § 35 Rdnr 99 und die dort angegebenen Fundstellen). In der Regel sind das die Gesellschafter, die mit einfacher Mehrheit entscheiden. Ausreichend ist auch ein formloser Beschluss außerhalb der Gesellschaftsversammlung, selbst schlüssiges Verhalten der Gesellschafter reicht aus, aus dem sich die Gestattung ergibt (vgl. Schneider a. a. O.; BGH in WM 1971, Seite 1082, Konow, GmbH-Recht, 1972, Seite 262). Sogenannte Befreiungen "ad hoc" sind hiernach ohne satzungsmäßige Grundlage möglich (vgl. Rowedder, GmbHG, 3. Auflage, § 35 Rdnr. 28, Fleck in WM 1985, Seite 677 [678]). Eine Ausnahme hiervon mag lediglich in dem Fall bestehen, in dem bei der Ein-Mann-GmbH Gesellschafter und Geschäftsführer identisch sind. Diese Sachlage ist im Streitfall jedoch nicht gegeben, weil es sich bei den beiden Unternehmen zwar jeweils um eine sogenannte Ein-Mann-GmbH handelt, Geschäftsführer beider Unternehmen jedoch die von der Klägerin personenverschiedene Liquidatorin ist.

Allerdings war auch die Genehmigungserklärung des Geschäftsführers der Liquidatorin von der Klägerin im Berufungsverfahren eingereicht ist, gegenüber den beiden von der Liquidatorin vertretenen Unternehmen gemäß § 182 BGB abzugeben. Auch insofern liegt, da die Liquidatorin beide Unternehmen vertrat, ein Insichgeschäft im Sinne von § 181 BGB vor, das jedoch durch die Gestattung in § 4 der beiden Abtretungserklärungen gedeckt ist. Das folgt daraus, dass die Klägerin in jedem Falle die Wirksamkeit der Abtretungserklärungen wollte, so dass sie damit als alleinige Gesellschafterin der beiden Unternehmen auch die zur Wirksamkeit der Erklärungen erforderliche Genehmigungserklärung der Liquidatorin wollte und damit einverstanden war, dass diese Genehmigungserklärung im Wege des Selbstkontrahierens von der Liquidatorin gegenüber den beiden Unternehmen abgegeben wurde. Insoweit reicht im übrigen für die Erkennbarkeit des Insichgeschäfts aus, dass die Genehmigungserklärung der Liquidatorin in einer Urkunde enthalten ist.

Der Zinsanspruch ist nach den §§ 284, 286 und § 288 BGB begründet. Den höheren Zinsfuß von 4,6 % ab 29. September 1997 hat die Klägerin hinreichend dargetan. Dem sind die Beklagten nicht substantiiert entgegengetreten. Der symbolische Preis von 1,00 DM für die abgetretene Forderung ändert nichts daran, dass die Klägerin den ihr zustehenden Betrag bei Fälligkeit nicht zur Verfügung hatte und ihr dementsprechend der geltend gemachte Zinsschaden entstanden ist.

Nach § 91 ZPO haben die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszuge zu tragen. Dagegen waren der Klägerin gemäß § 97 Abs. 2 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen, weil sie trotz des diesbezüglichen erstinstanzlichen Bestreitens der Beklagten die Begleichung der als Aufwendungen geltend gemachten Rechnungsbeträge erst im Berufungsverfahren im einzelnen dargetan hat.

Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO und § 711 ZPO. Nach § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO war die Beschwer der Beklagten im Urteil festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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