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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 19.08.2004
Aktenzeichen: 8 U 91/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 95 Abs. 2
BGB §§ 194 ff
BGB § 242
BGB § 547 a a.F.
BGB § 558 a. F.
BGB § 558 Abs. 2
BGB § 985
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 91/04

verkündet am: 19.08.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. August 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, die Richterin am Kammergericht Dr. Henkel und der Richterin am Kammergericht Spiegel für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass die Klägerin während des zur Zeit laufenden Mietverhältnisses nicht verpflichtet ist, die Herausgabe der in den Gewerberäumen Wnnnnnnnnnnn (ehemalige Gaststätte "Bnnn Fnnn ") und Wnnnnnnnnnnnn (ehemalige Gaststätte "Knnnn ") in nnn Bnnn befindlichen Restauranttresen und des weiteren Inventars gemäß Angebot der Firma Mnnn vom 4. November 1995 (Nr.11512) an die Beklagte zu dulden.

2. Die Beklagte hat die Kosten der ersten Instanz und des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I. Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 12. Januar 2004 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 99 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Die Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor:

Das Landgericht habe die Vorschrift des § 558 BGB a.F. fehlerhaft angewandt.

Ergänzend trage sie vor, dass sie vor der Einbringung der Gegenstände in die Räume Sicherungseigentümerin geworden sei und der Klägerin kein Vermieterpfandrecht zustehen könne. Das Inventar bestehe auch aus beweglichen Gegenständen, die nicht mit dem Mietobjekt körperlich fest verbunden seien.

Als Sicherungseigentümerin habe sie einen Herausgabeanspruch gegen die Klägerin gemäß § 985 BGB.

In der Rechtssprechung und Literatur bestehe Einigkeit, dass die kurze Verjährungsvorschrift grundsätzlich auf die Ansprüche des Eigentümers, der vom Vermieter oder Vermieter verschieden ist, nicht anzuwenden ist. Die Anwendung der kurzen Verjährungsvorschrift auf Dritte werde nur dann angenommen, wenn diese in den Schutzbereich des Vertragsverhältnisses einbezogen seien, oder wenn zwischen Eigentümer und Vermieter eine enge wirtschaftliche Verflechtung bestanden habe. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor.

Darüber hinaus habe das Landgericht übersehen, dass sich die Vorschrift des § 558 Abs.2 BGB nicht auf einen auf Eigentum gestützten Herausgabeanspruch, sondern auf das Wegnahmerecht des Mieters stütze.

Da zwischen den Gegenständen, die mit der Mietsache verbunden seien und dem unbefestigten Inventar zu unterscheiden sei, hätte dem Klageantrag ohnehin nicht uneingeschränkt stattgegeben werden dürfen.

Die Beklagte beantragt,

das am 12. Januar 2004 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 99 des Landgerichts Berlin abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor:

Die Beklagte hätte auch als Eigentümerin zu keinem Zeitpunkt einen Herausgabeanspruch gehabt. Durch Einbringen der Sachen in die Mieträume sei der dingliche Herausgabeanspruch durch einen dinglichen Anspruch auf Duldung der Wegnahme ersetzt worden. Dieser Anspruch unterliege der kurzen Verjährung des § 558 BGB.

Zumindest aber finde § 558 BGB entsprechend Anwendung.

Unerheblich, sei, ob das Inventar wesentlicher Bestandteil des Gebäudes geworden sei.

II.

Die Berufung war mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe zurückzuweisen.

Der von der Klägerin geltend gemachte Feststellungsanspruch ist jedenfalls insoweit begründet, als die Beklagte während des zur Zeit laufenden Mietverhältnisses gehindert ist, gegenüber dem derzeitigen Mieter einen Herausgabeanspruch geltend zu machen.

Sobald dieses Mietverhältnis beendet ist, ist die Klägerin verpflichtet, der Beklagten hiervon Mitteilung zu machen, damit diese vor Neuvermietung Gelegenheit hat, gegenüber der Klägerin die Herausgabe der streitgegenständlichen Gegenstände zu verlangen.

Hierzu im Einzelnen:

Die Beklagte hat grundsätzlich gegenüber dem jeweiligen Besitzer der streitgegenständlichen Gegenstände einen Anspruch auf Herausgabe gemäß § 985 BGB.

Die Beklagte ist aufgrund Übereignungsnachtragsvereinbarung vom 19. Juli 1996 Sicherungseigentümerin des streitgegenständlichen Inventars. Dieses Eigentum ist nicht aufgrund Einbaus in die Mieträume Eigentum der Klägerin geworden. Gemäß § 95 Abs.2 BGB gehören Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck in ein Gebäude eingefügt sind, nicht zu den Bestandteilen des Gebäudes. Ein Wille, die Verbindung nur zu einem vorübergehenden Zweck vorzunehmen, ist in der Regel zu bejahen, wenn der Verbindende in Ausübung eines zeitlich begrenzten Nutzungsrechts wie etwa eines Mietrechts handelt (Palandt-Heinrichs, 63. Auflage, § 95 Rdnr.3). Steht allerdings zwischen den Parteien - etwa aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung - fest, dass der Gebäudeeigentümer nach Beendigung des Nutzungsverhältnisses die Sache übernehmen soll, ist kein vorübergehender Zweck anzunehmen. Gemäß § 18 Ziffer 2 des Mietvertrages vom 1. Februar 1996 ist der Mieter berechtigt, die von ihm in den Mieträumen geschaffenen Einrichtungen wegzunehmen, wobei allerdings der Vermieter verlangen kann, dass diese Einrichtungen im Mietobjekt verbleiben. Aufgrund dieser Vereinbarung steht jedenfalls nicht fest, dass der Gebäudeeigentümer nach Beendigung des Nutzungsverhältnisses die Sache übernehmen soll. Es ist daher davon auszugehen, dass der Mieter die Verbindung nur zu einem vorübergehenden Zweck vornehmen wollte.

Besitzer des streitgegenständlichen Inventars ist der derzeitige Mieter der Gewerberäume Wnnnnnnnnnnn und nn (vormals Gaststätte "Bnnn Fnnn " und Knnnn ").

Der Herausgabeanspruch der Beklagten hat sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht mit Einbringen der Sachen in die Mieträume in einen dinglichen Anspruch auf Duldung der Wegnahme verwandelt. Für diese Rechtsauffassung gibt es keinerlei rechtliche Grundlage. Vielmehr bestand mit Einbringen der Sachen in die Mieträume ein Herausgabeanspruch der Beklagten als Eigentümerin gegen den besitzenden Mieter gemäß § 985 BGB. Zugleich hatte der Mieter gemäß § 547 a BGB a.F. gegen die Klägerin als Vermieterin ein Wegnahmerecht, das nach Rückgabe der Räume in einen Anspruch auf Gestattung der Wegnahme überging (Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, V.B Rdnr.253).

Der in der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts dargelegten Rechtsauffassung, wonach der Herausgabeanspruch der Beklagten gegenüber dem jeweiligen Besitzer gemäß § 558 BGB a.F. innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Mietverhältnisses und damit am 19. Januar 2002 verjährt sei, kann nicht gefolgt werden.

Bereits der Wortlaut des § 558 BGB a.F. spricht gegen die vom Landgericht vertretene Rechtsauffassung. Gemäß § 558 BGB a.F. verjähren Ansprüche des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung in sechs Monaten nach der Beendigung des Mietverhältnisses.

Weder handelt es sich bei dem von der Beklagten geltend gemachten Anspruch um einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung, noch handelt es sich bei der Beklagten um eine Mieterin. Zwar ist der Anwendungsbereich von § 558 BGB a.F. nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes weit zu fassen (BGH, NJW 1997, 1983), darf aber als Ausnahmevorschrift von den allgemeinen Verjährungsregeln der §§ 194 ff BGB nicht ausdehnend ausgelegt werden (BGH, NJW 1975, 2103).

Nur in einigen wenigen, eng umgrenzten Fällen hat der Bundesgerichtshof daher den Anwendungsbereich von § 558 BGB auf Ansprüche gegen Dritte erweitert. Vorliegend handelt es sich aber nicht um einen Anspruch gegen einen Dritten, sondern um den Anspruch eines Dritten gegen den Vermieter bzw. den jeweiligen Mieter des Vermieters. Das heißt, das grundgesetzlich geschützte Eigentumsrecht eines Dritten würde bei einer entsprechenden Anwendung des § 558 BGB a.F. eine nicht zu rechtfertigende Einschränkung erfahren.

Zudem liegen aber auch die weiteren Voraussetzungen, unter denen der Bundesgerichtshof eine entsprechende Anwendung von § 558 BGB a.F. als gerechtfertigt ansieht, nicht vor.

Weder ist die Beklagte als Dritte in den Schutzbereich des Mietvertrages einbezogen (BGHZ 71, 175), noch wird ein Anspruch aus abgetretenem Recht geltend gemacht (BGHZ 54, 264), noch liegt eine wirtschaftlich enge Verbundenheit zwischen Eigentümer und Vermieter bzw. Mieter (BGHZ 116, 293) vor.

Der geltend gemachte Feststellungsanspruch ist aber insoweit begründet, als die Beklagte gehindert ist, während des derzeit bestehenden Mietverhältnisses einen Herausgabeanspruch gegenüber dem derzeitigen Mieter geltend zu machen. Der Geltendmachung des Herausgabeanspruchs während des bestehenden Mietverhältnisses steht § 242 BGB entgegen. Die Klägerin hat die Beklagte unmittelbar nach der fristlosen Kündigung vom 18. Juli 2001, nämlich mit Schreiben 23. Juli 2001 über die fristlose Kündigung informiert und diese gebeten mitzuteilen, ob sie von ihrem Mieteintrittsrecht Gebrauch macht. Die Beklagte wusste demzufolge genau, dass das streitgegenständliche Inventar in den Besitz eines anderen Mieters übergehen würde. Nicht nur dass die Beklagte dies wusste, sie wollte dies auch. Dies ergibt sich aus dem unstreitigen Vortrag der Klägerin, wonach Vertreter der Beklagten mehrfach versuchten, die jeweiligen Mieter unter Hinweis auf eine nicht existente, das Inventar betreffende Herausgabeklage zum Abschluss eines Bierlieferungsvertrages zu bewegen. Das Vorhaben, einen Bierlieferungsvertrag an den Mann bzw. den jeweiligen Mieter zu bringen, wäre von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen, wenn das Inventar nicht in den Gewerberäumen verblieben wäre.

Das heißt, die Beklagte hat, obgleich es ihr möglich gewesen wäre, davon abgesehen, die Herausgabe des Inventars zu verlangen, als es für die Klägerin noch ohne Schaden möglich gewesen wäre, weil sie die Hoffnung hatte, weitere Bierlieferungsverträge abschließen zu können. Nach Treu und Glauben ist sie verpflichtet, ihr Herausgabeverlangen so lange zurückzustellen, so lange die Gewerberäume vermietet sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO, wobei es entscheidend hier darauf ankommt, dass die Beklagte zur Herausgabe auf nicht absehbare Zeit nicht berechtigt ist und deshalb ein entsprechendes Verlangen auch nicht gerichtlich durchsetzen könnte. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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