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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 20.07.2009
Aktenzeichen: 8 U 96/09
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 522 Abs. 2 |
2. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Mangel eines neuen Pkw (hier: Wassereintritt in den Innenraum eines neuen "Smart fortwo coupé") als unerheblich anzusehen ist.
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 8 U 96/09
In dem Rechtsstreit
hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, durch die Richterin am Kammergericht Spiegel als Vorsitzende, die Richterin am Kammergericht Dr. Henkel und den Richter am Landgericht Niebisch am 20. Juli 2009
beschlossen:
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe:
Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 513 Abs. 1 ZPO). Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO). Die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen auch keine andere Entscheidung.
Der Senat folgt den zutreffenden Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet worden sind. Zur Berufungsbegründung ist auszuführen:
1.
Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass bei Beregnung des Heckklappenbereichs des streitgegenständlichen Pkw "Smart fortwo coupé" Wasser zwischen die Heckscheibe und die dort im oberen Bereich aufgeklebte Kunststoffplatte eindringt, welches sich in einer dort befindlichen Mulde der Abdeckung für den Heckscheibenwischer sammelt und nach einer Beregnungszeit von rund 50 Minuten in den Innenraum gelangt, d.h. auf die dort befindliche Ablage tropft. Dies stellt (jetzt auch nach Auffassung der Beklagten) einen Sachmangel des Fahrzeugs dar.
2.
Das Landgericht hat auch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass dieser Mangel bereits bei Gefahrübergang am 28. November 2006 vorhanden war. Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Der Richter kann sich dabei in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGH NJW 1993, 935, 937). In rechtlicher Hinsicht ist dabei nur zu überprüfen, ob der Richter sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk- und Naturgesetze, Erfahrungssätze oder gesetzliche Beweisregeln verstößt (vgl. BGH NJW 1993, 935, 937; KG MDR 2004, 533). Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze in keiner Weise zu beanstanden. Gegenteiliges zeigt auch die Berufung nicht auf. Insbesondere war das Landgericht aus Rechtsgründen nicht gehalten, jede mögliche Art der Untersuchung zu beauftragen, zumal die eingeholten Sachverständigengutachten für sich genommen nicht mangelhaft oder widersprüchlich waren. Da das Landgericht die durchgeführte Beweisaufnahme rechtsfehlerfrei als ausreichend zur Überzeugungsbildung gewertet hat, hat es zutreffend davon abgesehen, gemäß § 412 Abs. 1 ZPO eine weitere Untersuchung zu veranlassen.
3.
Die vorgenannte Feststellung ist für den Senat maßgeblich.
Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen vor, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt. Dies gilt grundsätzlich auch für Tatsachenfeststellungen, die auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens getroffen worden sind. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit des Gutachtens können sich aus dem Gutachten oder der Person des Gutachters ergeben, insbesondere wenn das Gutachten in sich widersprüchlich oder unvollständig ist, wenn der Sachverständige erkennbar nicht sachkundig war, sich die Tatsachengrundlage durch zulässigen neuen Sachvortrag geändert hat oder wenn es neue wissenschaftliche Erkenntnismöglichkeiten zur Beantwortung der Sachverständigenfrage gibt (vgl. BGH NJW 2003, 3480, 3481).
Derartige Zweifel liegen hier nicht vor. Zwar hat das Landgericht davon abgesehen, zusätzlich zu den durchgeführten Untersuchungen eine Untersuchung der Klebestelle, die nur durch Zerstörungen möglich gewesen wäre, zu beauftragen. Es besteht auch theoretisch immer die Möglichkeit, dass sich bei weiteren Untersuchungen auch weitere Erkenntnisse ergeben, die zumindest theoretisch zu anderen Schlussfolgerungen führen können. Dies reicht aber nicht aus, um Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu begründen, da es auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens an einer gewissen Wahrscheinlichkeit hierfür fehlt.
Der Sachverständige Dr.-Ing. T hat auf S. 8 seines Ergänzungsgutachtens vom 14. November 2008 festgestellt, dass Heckscheibe und Kunststoffplatte nicht zerstörungsfrei getrennt werden konnten und bislang nicht getrennt oder demontiert wurden, woraus er geschlossen hat, dass der Fehler bei Übergabe jedenfalls angelegt gewesen sein musste. Auf S. 9 hat er ausgeführt, dass keine (mechanischen) Veränderungen an der Abdichtung vorgenommen worden sind. Dies hat er bei seiner Anhörung vom 27. März 2009 bekräftigt, indem er ausgeführt hat, Eingriffe durch den Nutzer in diesem Bereich für völlig unwahrscheinlich zu halten, keine Manipulationsspuren festgestellt zu haben und eine unsachgemäße Bedienung der Heckklappe als Ursache für ausgeschlossen zu halten. Er hat es als für ihn feststehend gewertet, dass die Undichtigkeit bereits im Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs angelegt war. Dabei handelt es sich nicht lediglich um eine Mutmaßung oder Vermutung des Sachverständigen, sondern um eine Schlussfolgerung aus den festgestellten Tatsachen auf Grundlage seiner Sachkunde.
Hieraus ergibt sich keine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine andere Ursache, die durch eine weitere Untersuchung aufgedeckt werden könnte. Dies wird auch in der Berufungsbegründung nicht aufgezeigt. Nicht entscheidend ist in diesem Zusammenhang, warum die Klägerin erstmals am 16. August 2007 den Eintritt von Wasser bemerkt hat, so dass weder der Sachverständige noch das Landgericht Anlass dafür hatten, dieser Frage nachzugehen. Neben den vom Landgericht auf S. 5 des Urteils genannten Gründen kommt beispielsweise auch in Betracht, dass zuvor ebenfalls Wasser eingetreten war und die Klägerin dies nur nicht bemerkt hatte.
4.
Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung, auf die verwiesen wird, festgestellt, dass es sich nicht um einen unerheblichen Mangel im Sinne von § 323 Abs. 5 S. 2 BGB handelt. Dabei kommt es nicht maßgeblich darauf an, dass die voraussichtlichen Kosten der Mangelbeseitigung mit Neuteilen nach der Kalkulation des Sachverständigen 285,36 € brutto betragen würden, der Sachverständige auch eine Abdichtung mit Dichtmittel für möglich hält, die nach seiner Schätzung ca. 50,00 € brutto kosten würde, und dass der Kaufpreis 12.433,70 € betrug. In erster Linie ist auf die Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeugs abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2008 zu VIII ZR 166/07, NJW 2009, 508, 509). Diese ist nicht unerheblich, zumal beim Eindringen von Feuchtigkeit in den Innenraum mit der Gefahr weitergehender Schäden zu rechnen ist (vgl. OLG Karlsruhe DAR 2005, 31). Das Fahrzeug ist deshalb nicht nur für längere Regenfahrten kaum geeignet, sondern sollte je nach Witterungsverhältnissen auch nicht im Freien geparkt werden.
Das Landgericht hat auch zutreffend berücksichtigt, dass die Beklagte den Mangel trotz vierfacher Nachbesserungsversuche nicht beseitigen konnte. Das Landgericht hat den Vortrag der Beklagten zutreffend gewürdigt. Die Klägerin hat auf S. 3 und 4 der Klageschrift Beseitigungsversuche der Beklagten im Jahr 2007 vorgetragen (Einstellen von Heckklappe bzw. Heckscheibe, Austausch der Dichtung im Bereich der Heckklappe). Das ergibt sich auch aus dem als Anlage K 16 (Bl. 27 d.A.) eingereichten Reparaturauftrag. Zudem hat sie vorgetragen, die Beklagte habe nach der vierten Reklamation behauptet, Mängelbeseitigungsarbeiten durchgeführt zu haben. Dies war erstinstanzlich gemäß § 138 Abs. 2 und 3 ZPO unstreitig, da die Beklagte dies nicht bestritten hat, sondern lediglich auf S. 2 f. der Klageerwiderung vom 26. Juni 2008 (Bl. 49 f. d.A.) behauptet hat, bei einer Untersuchung am 10. Januar 2008, also nach der Rücktrittserklärung, keine Mängel festgestellt zu haben. Sollte die Beklagte die Nachbesserungsversuche jetzt erstmals bestreiten wollen, wäre sie hiermit ausgeschlossen, § 531 Abs. 2 ZPO.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Wassereintritt nicht als lediglich geringfügig und damit unerheblich angesehen werden. Es kann dahinstehen, ob das Eindringen lediglich geringer Wassermengen hinzunehmen ist, wie die Beklagte offenbar meint. Dass auf den Bildern 10 bis 13 des Gutachtens vom 2. September 2008 keine großen Wassermengen zu sehen sind, liegt daran, dass der Sachverständige die Beregnung abgebrochen hat, als er den Wassereinbruch festgestellt hat (S. 10 des Gutachtens vom 2. September 2008). Da es nach den Feststellungen des Landgerichts erst zu Wassereinbrüchen kommt, wenn sich die Mulde der Abdeckung mit Wasser gesammelt hat (s. auch S. 6 des Ergänzungsgutachtens vom 14. November 2008), kann gerade nicht festgestellt werden, dass es bei weiterem Regen bei geringfügigen Wassereinbrüchen bleiben würde (zur Beweislast des Verkäufers im Rahmen des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2008, 1199, 1201; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl. 2009, Rn. 545; Grothe in Bamberger/Roth, Beck'scher Online-Kommentar zum BGB, Stand 01.02.2007, Edition 13).
Die Beklagte hat zutreffend erkannt, dass nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2009, 508, 509) ein Mangel nicht unerheblich ist, wenn ein Käufer deswegen vom Kauf Abstand nehmen würde. Warum dies nur für Gebrauchtwagen, nicht aber für Neuwagen gelten soll, ist nicht ersichtlich und ergibt sich auch nicht aus der zitierten Entscheidung. Es ist zwar zutreffend, dass ein Neuwagenkäufer höhere Anforderungen an den Zustand des Fahrzeugs stellen wird als ein Gebrauchtwagenkäufer. Das liegt schon wegen des in der Regel wesentlich höheren Kaufpreises in der Natur der Sache und muss auch bei der Frage, welche Mängel erheblich sind, Berücksichtigung finden. Es erscheint daher abwegig, wenn die Beklagte bei einem Neuwagenkauf darauf abstellen will, ob sich der durchschnittliche Käuferkreis eines entsprechenden Gebrauchtwagens vom Kauf abhalten lassen würde. Ein Käufer eines Neuwagens würde sich nicht mit dem Eintritt von Wasser in den Innenraum abfinden und vom Kauf Abstand nehmen. Das müsste im Übrigen auch für den Käufer eines entsprechenden Gebrauchtwagens angenommen werden, zumal der Mangel in der Werkstatt des SBB C B bei vier Nachbesserungsversuchen nicht beseitigt werden konnte.
5.
Es wird daher angeregt, zu überprüfen, ob die Berufung fortgeführt werden soll.
Ende der Entscheidung
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