Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 24.03.2005
Aktenzeichen: 8 W 14/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 99 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 269 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 269 Abs. 3
ZPO § 269 Abs. 5
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 569 Abs. 1
ZPO § 696 Abs. 1
ZPO § 696 Abs. 4
ZPO § 696 Abs. 4 Satz 1
§ 269 Abs.3 ZPO findet grundsätzlich keine entsprechende Anwendung, wenn ein Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens gemäß § 696 Abs.4 Satz 1 ZPO zurückgenommen wird. Dem Interesse des Antragsgegners, eine Kostenentscheidung gegen den Antragsteller zu erhalten, wird dadurch Rechnung getragen, dass ihm § 696 Abs.1 ZPO die Möglichkeit eröffnet, die Durchführung des streitigen Verfahrens zu beantragen.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 14/05

24.03.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch die Richterin am Kammergericht Spiegel am 24. März 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 3. Dezember 2004 wird die Kostenentscheidung des am 16. November 2004 verkündeten Anerkenntnisschlussurteils der Zivilprozessabteilung 8 des Amtsgerichts Pankow/Weißensee abgeändert:

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 25 % und die Beklagte zu 1) zu 75 % zu tragen.

Der Beschwerdewert beträgt 206,57 €.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Gründe:

Der Kläger hat zunächst sowohl gegen die Beklagte als auch gegen den Beschwerdegegner zu 2) ein Mahnverfahren betrieben und von beiden die Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.553,20 € nebst Mahnkosten und Zinsen verlangt. Sowohl die Beklagte als auch der Beschwerdegegner zu 2) haben gegen die ihnen zugestellten Mahnbescheide Widerspruch eingelegt. Der Kläger hat daraufhin mit Schriftsatz vom 12. Juli 2004 den gegen die Beklagte geltend gemachten Anspruch begründet und beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 1.553,20 € zu verurteilen. Mit Schriftsatz vom 23. August 2004 hat er den Zahlungsantrag auf 2.021,45 € nebst Zinsen erweitert und mit Schriftsatz vom 29. September 2004 unter teilweiser Rücknahme der Klage die Zahlung von 1.520,41 € nebst Zinsen beantragt. Zugleich hat er mit diesem Schriftsatz vom 29. September 2004 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er, wie bereits aus der Anspruchsbegründungsschrift hervorgehe, seinen Anspruch nur gegen die Beklagte weiter verfolge.

Das Amtsgericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 16. November 2004 darauf hingewiesen, dass es sich bei der Beschränkung der Klage auf die Beklagte um eine Klagerücknahme gegen den Beklagten zu 2) (hier Beschwerdegegner) handele und hat entsprechend dieser Rechtsauffassung in dem Anerkenntnisschlussurteil vom 16. November 2004 von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Kläger 62 % und der Beklagten zu 1) 38 % auferlegt. Zugleich hat es von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) dem Kläger 25 % auferlegt und bestimmt, dass der Kläger die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) zu tragen habe.

Die von dem Kläger erhobene sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Anerkenntnisschlussurteils ist nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 99 Abs. 2 Satz 1, 269 Abs. 5 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist auch innerhalb der Frist nach § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt worden, weil das Urteil am 19. November 2004 zugestellt worden ist und der Beschwerdeschriftsatz am 3. Dezember 2004 beim Amtsgericht Pankow/Weißensee eingegangen ist. Der Wert des Beschwerdegegenstandes überschreitet den erforderlichen Betrag von 100,00 €.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.

Das Amtsgericht ist rechtsirrig davon ausgegangen, dass der Kläger die Klage gegen den Beschwerdegegner zurückgenommen habe. Der Kläger hat dadurch, dass er die Anspruchsbegründung vom 12. Juli 2004 nur noch gegen die Beklagte zu 1) gerichtet hat, nicht die Klage gegen den Beschwerdegegner, sondern den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens gegen den Beschwerdegegner zurückgenommen, § 696 Abs. 4 Satz 1 ZPO ( OLG München, OLGR 1992, 107).

Diese Rücknahme war wirksam, da sie vor Beginn der mündlichen Verhandlung erfolgt ist. Die Streitsache ist damit als nicht rechtshängig geworden anzusehen, § 696 Abs. 4 Satz 3 ZPO. Sie ist vielmehr ins Mahnverfahren zurückgefallen und dort blockiert, bis die Sache entweder nach der Aktenordnung wegzulegen ist oder eine der beiden Parteien Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens stellt.

Ob in dieser Situation eine Kostenentscheidung in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 ZPO ergehen kann, ist in Literatur und Rechtsprechung streitig (Zum Meinungsstand siehe OLG Stuttgart, OLGR 2000, 165).

Gegen eine entsprechende Anwendung des § 269 Abs. 3 ZPO spricht, dass für den Fall, dass sich der zunächst nicht mehr weiter betriebene Anspruch nach erneutem Betreiben des Verfahrens als begründet erweisen sollte, die Gefahr sich widersprechender Kostenentscheidungen besteht. Mit einer verbreiteten Auffassung (OLG Stuttgart, OLGZ 1989, 200; OLG Stuttgart, OLGR 2000, 165; OLG Stuttgart, MDR 1990, 557; OLG Köln, JurBüro 1988, 616; Hanseatisches OLG Hamburg, OLGR Hamburg 2000, 183; KG, KGR 1995, 11; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25 Auflage, § 696, Rdnr. 2) ist der Senat deshalb der Ansicht, dass aufgrund der bloßen Erklärung des Mahnantragstellers, er nehme den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens - teilweise - zurück, in der Regel kein Kostenbeschluss zugunsten des Antragsgegners ergehen kann. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn sich aus dem Vorbringen des Antragstellers ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er das Mahnverfahren, nicht mehr weiter betreiben wolle (so auch KG, KGR 1995, 11).

Der vielfach vertretenen Gegenauffassung kann demgegenüber nicht gefolgt werden. Da das Gesetz dem Mahnantragsteller neben der Möglichkeit der Rücknahme des Mahngesuches, bei der dann auch die Kostenfolge des § 269 Abs. 3 ZPO eintritt (BGH, NJW 2005, 512), ausdrücklich auch die Möglichkeit des § 696 Abs. 4 ZPO einräumt, muss eine Gleichstellung beider prozessualen Möglichkeiten hinsichtlich der Kostenfolge Bedenken begegnen. Angesichts der unterschiedlichen Rechtsfolgen der beiden prozessualen Erklärungen des Antragstellers erscheint es auch nicht angängig, eine ausdrücklich erklärte Rücknahme des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens ohne weitere Anhaltspunkte allgemein als Rücknahme des Mahngesuchs oder als Klagerücknahme anzusehen.

Dem Interesse des Antragsgegners, eine Kostenentscheidung gegen den Antragsteller zu erhalten, wird dadurch Rechnung getragen, dass ihm § 696 Abs. 1 ZPO ebenfalls die Möglichkeit eröffnet, die Durchführung des streitigen Verfahrens zu beantragen; er kann so den Antragsteller gegebenenfalls zur Klagerücknahme oder Erledigungserklärung veranlassen (KG, KGR 1995, 11).

Die Kosten des Rechtsstreits waren daher gemäß §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 2 Satz 2 ZPO dem Kläger zu 25 % (wegen der teilweisen Klagerücknahme gegen die Beklagte) und zu 75 % der Beklagten (soweit diese anerkannt hat) aufzuerlegen. Etwaige durch die Beteiligung des Beschwerdegegners im Mahnverfahren entstandene Kosten waren aus den dargelegten Gründen in der Kostenentscheidung des Anerkentnisschlussurteils nicht zu berücksichtigen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind gemäß § 91 Abs. 1 ZPO der Beklagten aufzuerlegen. Die irrige Rechtsauffassung des Amtsgerichts hat sich primär auf die Kostenquote zwischen dem Kläger und der Beklagten ausgewirkt. Soweit dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdegegners auferlegt worden sind, hat dies keinen eigenen Beschwerdewert, da der Beschwerdegegner nicht anwaltlich vertreten war und nicht ersichtlich ist, welche Kosten ihm entstanden sein sollen.

Ende der Entscheidung

Zurück