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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 16.05.2008
Aktenzeichen: 9 U 122/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, Fahrerlaubnis-VO


Vorschriften:

ZPO § 313 a Abs. 1
ZPO § 540 Abs. 2
BGB § 823 Abs. 1
Fahrerlaubnis-VO § 31
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 9 U 122/06

verkündet am: 16.05.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Nippe, die Richterin am Amtsgericht Abels und den Richter am Kammergericht Damaske

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 4. Mai 2006 (27.O.52/06) abgeändert. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin vom 24. Januar 2006 wird aufgehoben, der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Der Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf Unterlassung der Verbreitung folgender Aussage in Anspruch:

"D S ohne gültigen Führerschein erwischt" wie in 'S W' vom ... Januar 20... Seite ... geschehen.

Die Antragstellerin konnte Ende Dezember 2005 bei einer Polizeikontrolle keinen gültigen Führerschein vorweisen, weil sie ihren US-amerikanischen Führerschein nicht rechtzeitig hatte umschreiben lassen.

Das Landgericht hat die Antragsgegnerin durch einstweilige Verfügung antragsgemäß zur Unterlassung verpflichtet und die einstweilige Verfügung durch Urteil bestätigt.

Im Übrigen wird gemäß § 313 a Absatz 1 in Verbindung mit § 540 Absatz 2 ZPO von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

1. Der Antragstellerin steht kein Anspruch auf Unterlassung der Berichterstattung gegen die Antragsgegnerin aus § 823 Absatz 1 BGB in Verbindung mit Art. 2 Absatz 1, 1 Absatz 1 GG zu.

Ob ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin vorliegt, ist anhand einer Güterabwägung mit den schutzwürdigen Interessen der Antragsgegnerin, hier also der Presse- und Meinungsfreiheit, zu bestimmen. Zwar beinhaltet das allgemeine Persönlichkeitsrecht einerseits das Recht, in gewählter Anonymität zu bleiben und die eigene Person nicht in der Öffentlichkeit dargestellt zu sehen (BGH NJW-RR 2007, 619), auch dieses Grundrecht wird jedoch nicht grenzenlos gewährt. Im Einzelfall können das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und die Meinungsfreiheit Vorrang haben.

Die Antragstellerin hat vorliegend die Berichterstattung wegen der überwiegenden Interessen der Presse hinzunehmen. Im Ergebnis der Güterabwägung haben die Interessen der Antragstellerin hinter den Belangen der Antragsgegnerin zurückzustehen. Im vorliegenden Fall genießt die aktuelle Berichterstattung Vorrang vor den Interessen der Antragstellerin, weil ein nicht unerhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Berichterstattung über das von der Antragstellerin begangene Fehlverhalten besteht, der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht durch die lediglich die Sozialsphäre betreffende, wahre Meldung über den Verstoß gegen das StVG demgegenüber nicht erheblich ist und die Antragstellerin durch die Berichterstattung der Antragsgegnerin weder stigmatisiert noch an den Pranger gestellt wird.

a) Es bestand ein nicht unerhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Berichterstattung über das Fehlverhalten der Antragstellerin.

aa) Die Antragstellerin ist in der Vergangenheit immer wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt.

Zum einen ist die Antragstellerin Ehefrau von T S , einem der bekanntesten deutschen Schauspieler der Gegenwart. Als solche ist sie bereits in erheblichem Maße der Öffentlichkeit bekannt. Seit die Antragstellerin und T S 1995 geheiratet haben, war auch die Antragstellerin dauerhaft in den Medien präsent. Dies hat die Antragsgegnerin durch Vorlage entsprechender Medienberichte ausreichend dargetan. Dem Senat ist auch die öffentliche Bewältigung der Trennung der Eheleute S Ende 20 durch ein zweiteiliges Exklusiv-Interview in der Bild-Zeitung (... November 20...) hinlänglich bekannt. Gerade in der Zeit, in die die Veröffentlichung der angegriffenen Berichterstattung der Antragsgegnerin fiel, stand die Antragstellerin daher in besonderem Maße im Lichte der Öffentlichkeit.

Vor allem aber ist die Antragstellerin als erfolgreiche Unternehmerin und zugleich Mutter von vier Kindern bekannt geworden. Sie hat gemeinsam mit anderen Müttern das Unternehmen "bellybutton" gegründet, welches Umstands- sowie Baby- und Kindermoden entwirft und vermarktet. Sie ist also nicht nur als ("stille") Begleiterin von T S bekannt geworden, sondern vor allem als Ehefrau und Mutter, der es gelungen ist, an der Seite eines bekannten Schauspielers eine eigene Karriere als Unternehmerin erfolgreich zu gestalten und hierbei sowohl Beruf als auch ihre Rolle als vierfache Mutter gleichermaßen zu bewältigen und "unter einen Hut zu bekommen". Mit diesem Bild ist die Antragstellerin in der Öffentlichkeit bekannt geworden und seitdem anerkannt und beachtet. Von diesem öffentlichen Bild hat sie auch profitiert, insbesondere als erfolgreiche Unternehmerin.

bb) Darüber hinaus hat die Antragstellerin - was im vorliegenden Fall von besonderer Bedeutung ist - mit ihrem Unternehmen einen besonders baby- und familienfreundlichen PKW "Smart forfour bellybutton" mitentwickelt. Dieser ist auf der IAA im September 2005 vorgestellt worden. Für dieses Fahrzeug hat die Antragstellerin öffentlich Werbung gemacht. Auch in dieser Hinsicht stand die Antragstellerin seinerzeit, als die Veröffentlichung der angegriffenen Berichterstattung der Antragsgegnerin erfolgte, in besonderem Maße im Lichte der Öffentlichkeit. Darüber hinaus hat sie auf der IAA 2005 für eine neu entwickelte Einparkhilfe geworben.

Wenn ein Prominenter in dieser Weise für ein Auto Werbung macht, gleichzeitig jedoch ohne gültige Fahrerlaubnis am Straßenverkehr teilnimmt, dann ist an diesen Umständen ein öffentliches Informationsinteresse anzuerkennen. Gerade, wenn die Antragstellerin in der Öffentlichkeit damit hervortritt, in besonderem Maße Erfahrungen und Kenntnisse darüber zu haben, wie ein Auto für Fahrten bzw. Reisen mit der Familie und insbesondere mit Kleinkindern beschaffen und ausgestattet sein muss, besteht ein Interesse der Öffentlichkeit daran, wenn sie andererseits Straßenverkehrsvorschriften nicht so genau nimmt.

Insoweit kann sich die Antragstellerin nicht darauf berufen, die ganze Angelegenheit gehe niemanden etwas an. Das durch das Persönlichkeitsrecht grundsätzlich verliehene Recht, selbst zu bestimmen, welche persönlichkeitsrelevanten Informationen in die Öffentlichkeit gelangen sollen, reicht nicht soweit, dass es der Betroffene in der Hand hätte, ausschließlich selbst darüber zu befinden, wie die eigene Person in der Öffentlichkeit dargestellt wird.

cc) Schließlich nimmt sich der Artikel mit dem Umstand, dass die "US-Lizenz" der Antragstellerin "abgelaufen" ist, eines Themas an, an dem ebenfalls ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Insoweit informiert die Berichterstattung - wenn auch am Rande - darüber, dass Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis - wie vorliegend die Antragstellerin - unter Umständen, nämlich wenn sie einen ordentlichen Wohnsitz im Inland begründen, nur für eine bestimmte Dauer im Inland Kraftfahrzeuge führen dürfen (§ 4 Absatz 1 der Verordnung über internationalen Kraftfahrzeugverkehr) und dann gemäß § 31 Fahrerlaubnis-Verordnung die Erteilung einer Fahrerlaubnis (sog. Umschreibung) beantragen müssen, was auch mit einer Fahrerlaubnisprüfung verbunden sein kann.

dd) Wegen dieses insgesamt nicht unerheblichen Informationsinteresses der Öffentlichkeit an der Berichterstattung über das Fehlverhalten der Antragstellerin ist es für eine Zulässigkeit der Berichterstattung nicht zusätzlich erforderlich, dass die Antragstellerin durch ein vergleichbares Verhalten in der Vergangenheit, etwa durch andere Verkehrsverstöße, bereits Beachtung in der Öffentlichkeit gefunden und dadurch ein besonderes Interesse an dem (neuen) Verkehrsverstoß geweckt hätte.

b) Erhebliche dem Berichterstattungsinteresse der Presse entgegenstehende Interessen der Antragstellerin sind nicht ersichtlich.

aa) Wahrheitswidrige Tatsachen werden in der Berichterstattung der Antragsgegnerin nicht verbreitet.

Wahre Äußerungen sind aber grundsätzlich auch dann hinzunehmen, wenn sie für den Betroffenen nachteilig sind. Dies gilt jedenfalls, wenn die Meldung nicht die Intim-, Privat- oder Vertraulichkeitssphäre, sondern die Sozialsphäre betrifft. Vorliegend ist allein die Sozialsphäre berührt, da die Antragstellerin am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen und hierbei ohne gültige Fahrerlaubnis angetroffen worden ist. Die die Sozialsphäre betreffenden Äußerungen dürfen aber nur im Fall schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen untersagt bzw. mit negativen Sanktionen verknüpft werden, etwa bei Stigmatisierung oder sozialer Ausgrenzung sowie beim Eintreten einer Prangerwirkung (BGH NJW-RR 2007, 619; Senat KG NJW 2004, 3637 m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Weil die Berichterstattung der Antragsgegnerin lediglich der Wahrheit entsprechende Tatsachen zum Gegenstand hatte, spielt es auch keine Rolle, dass die Antragstellerin vor der hier streitigen Berichterstattung nicht angehört worden ist. Dass falsche Tatsachen mitgeteilt worden sind, die durch eine Anhörung der Antragstellerin hätten vermieden werden können, ist nicht geltend gemacht.

bb) Zu Unrecht wendet die Antragstellerin ein, ihr würde mit der Berichterstattung der Antragsgegnerin öffentlich eine Straftat vorgeworfen.

Dies ist weder nach dem Wortlaut noch nach dem Kontext der Berichterstattung der Fall. Es wird lediglich berichtet und festgestellt, dass die Antragstellerin keinen gültigen Führerschein besitzt, weil die "US-Lizenz abgelaufen" ist. Damit ist im Rahmen der Berichterstattung eine Wertung, ob das Verhalten der Antragstellerin tatsächlich eine Straftat darstellt, nicht vorgenommen worden. In der Berichterstattung kommt damit nicht zum Ausdruck, dass es sich bei dem Fehlverhalten der Antragstellerin um eine Straftat handelt. Die Begehung einer Straftat wurde der Antragstellerin in der angegriffenen Berichterstattung der Antragsgegnerin nicht vorgeworfen.

cc) Die Berichterstattung selbst enthält keinen eigenständigen Verletzungseffekt.

Sie ist sachlich, ausgewogen und zurückhaltend. Der Antragstellerin werden keinerlei Vorwürfe gemacht.

Der Bericht mag für die Antragstellerin lästig und peinlich gewesen sein. Eine erhebliche Belastung, Stigmatisierung, Ausgrenzung oder gar eine Prangerwirkung hat die Berichterstattung nicht zur Folge gehabt.

Die Antragstellerin ist auch selbst der Ansicht, dass der begangene Verstoß lediglich eine Bagatelle darstelle. Auch der Leser versteht die Berichterstattung dahin, dass es sich bei dem Unterlassen der Umschreibung des Führerscheins eher um ein Missgeschick der Antragstellerin gehandelt habe. Die Antragstellerin wird deshalb durch die Berichterstattung der Antragsgegnerin in der Öffentlichkeit nicht nachhaltig negativ qualifiziert. Wie schon ausgeführt, wird noch nicht einmal mitgeteilt, dass es sich bei dem Vergehen der Antragstellerin um eine Straftat gehandelt hat.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 Satz 1 ZPO.

Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit war nicht erforderlich §§ 704 Absatz 1, 542 Absatz 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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