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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 21.09.2007
Aktenzeichen: 9 U 123/06
Rechtsgebiete: BNotO, KostO, BGB


Vorschriften:

BNotO § 19 Abs. 1
BNotO § 19 Abs. 1 Satz 2
BNotO § 23
KostO § 2 Ziff. 1
KostO § 3 Abs. 2
KostO § 8 Abs. 2
BGB § 291
BGB § 288 Abs. 1 Satz 2
Eine Grundbucheintragung ist nicht im Sinne des Treuhandauftrages des Hinterlegers "gewährleistet", wenn die Eintragungskosten nicht gedeckt sind und der Notar nicht für diese Kosten einsteht.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 9 U 123/06

verkündet am: 21.09.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21.09.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Nippe und die Richter am Kammergericht Damaske und Bulling für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 31.5.2006 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 84 O 111/05 - geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.021 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.1.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beklagte beurkundete am 7. bzw. 15.7.2003 Vertragsangebot und -annahme betreffend den lastenfreien Kauf einer Eigentumswohnung zum Preis von 83.100 EUR. Gemäß Treuhandauftrag vom 6.8.2003 hinterlegte die Klägerin als Darlehensgeberin der Käufer 87.700 EUR auf Notaranderkonto der Beklagten und machte eine Verfügung der Beklagten über diese Summe u. a. davon abhängig, dass die Eintragung einer Grundschuld über 90.000 EUR zu ihren Gunsten ohne Vorlasten in Abt. III des Grundbuchs gewährleistet ist. Die Beklagte, welche die Eintragung der Grundschuld am 30.7.2003 beantragt hatte und der hinsichtlich der vorrangig eingetragenen Grundpfandrechte eine Löschungsbewilligung der Gläubigerin vorlag, zahlte das hinterlegte Geld am 6.8.2003 aus. Am 26.4.2004 reichte sie u. a. den Antrag auf Löschung der vorrangigen Grundpfandrechte beim Grundbuchamt ein und bat, die Löschungskosten der Verkäuferin in Rechnung zu stellen und die Gebührenrechnung direkt der Verkäuferin zu übersenden. Mit Schreiben vom 11.1.2005 an die Beklagte machte das Grundbuchamt die Löschungen von der Einzahlung eines Vorschusses in Höhe von 2.021 EUR abhängig. Nachdem die Verkäuferin die Kosten für die Löschung der Grundpfandrechte nicht übernahm und das Grundbuchamt mit Zurückweisung der Anträge drohte, riet die Beklagte den Käufern, die Gebühren zu überweisen. Daraufhin zahlte die Klägerin, welche den Darlehensvertrag mit den Käufern zwischenzeitlich wegen Zahlungsverzuges gekündigt hatte, 2.021 EUR an das Grundbuchamt. Diesen Betrag verlangt sie mit der Klage von der Beklagten als Schadensersatz wegen Treuhandverstoßes. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der Anträge im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit seinem am 6.6.2006 zugestellten Urteil die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist am 14.6.2006 beim erkennenden Gericht eingegangen, die Begründungsfrist ist auf den am 3.8.2006 eingegangenen Antrag der Klägerin bis zum 7.9.2006 verlängert worden und die Berufungsbegründung ist am 25.8.2006 eingegangen.

Die Klägerin verfolgt die Klageforderung weiter und macht geltend, die rangrichtige Eintragung der Grundschuld sei zum Zeitpunkt der Auszahlung im Hinblick auf die Löschungskosten nicht gewährleistet gewesen, weil die Beklagte nicht bereit gewesen sei, die Kostenvorschüsse selbst einzuzahlen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Berlin - 84 O 111/05 - vom 31.5.2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.021 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und betont, die Notare seien grundsätzlich nicht verpflichtet, Grundbuchkosten zu tragen.

II.

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Klägerin kann gemäß § 19 Abs. 1 BNotO die von ihr verauslagten Grundbuchkosten von der Beklagten ersetzt verlangen.

1.

Die Beklagte hat mit der Auszahlung des hinterlegten Geldes gegen ihre Amtspflichten aus § 23 BNotO verstoßen, weil im Hinblick auf die mangelnde Deckung der Grundbuchkosten für die Löschung der vorrangigen Grundpfandrechte nicht - wie sich die Klägerin mit Treuhandauftrag vom 6.8.2003 ausbedungen hatte - gewährleistet war, dass die Grundschuld zugunsten der Klägerin an erster Rangstelle in Abteilung III des Grundbuchs eingetragen wird.

Die Eintragung eines Rechts oder einer Rechtsänderung ist dann gewährleistet bzw. sichergestellt, wenn hierzu nur noch das pflichtgemäße Handeln des Notars und des zuständigen Grundbuchbeamten notwendig ist (vgl. BGH DNotZ 1987, 560, 561; BGH DNotZ 2004, 218, 219). Dies war vorliegend nicht der Fall. Zum einen war von vornherein nicht auszuschließen, dass das Grundbuchamt die Löschung der Altlasten von der Zahlung eines Kostenvorschusses abhängig machen würde (dazu unter a.). Zum anderen war die Bezahlung dieses Vorschusses nicht deshalb gewährleistet, weil sie unter die Amtspflichten der Beklagten gefallen wäre (dazu unter b.).

a.

Gemäß § 8 Abs. 2 KostO soll die Vornahme des Geschäfts in Grundbuchsachen zwar nur dann von der Zahlung oder Sicherstellung des Vorschusses abhängig gemacht werden, wenn dies zur Sicherung des Eingangs der Kosten angebracht erscheint. Eine Grundbucheintragung hat daher im Regelfall unabhängig von einer Vorschusszahlung zu erfolgen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 37.Auflage, § 8 KostO, Rn. 10; Lappe in: Korintenberg u. a., KostO, 16. Auflage, § 8 Rn. 14) und dies mag auch dem üblichen Ablauf entsprechen, wie ihn die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht hat. Der Notar kann aber kaum überblicken, ob aus Sicht des Grundbuchamts Anhaltspunkte für Zweifel an der Bonität des Kostenschuldners bestehen und deshalb ein Ausnahmefall vorliegt. Ferner wird die Auffassung vertreten, eine allgemein verringerte Zahlungsbereitschaft und die Höhe der anfallenden Kosten könnten es rechtfertigen, die Eintragung an einen Vorschuss zu binden (vgl. LG Düsseldorf KostRsp. KostO § 8 Nr. 15 mit ablehnender Anmerkung Lappe). Gemäß dem Gebot des sichersten Weges (vgl. BGH NJW 1992, 3237, 3239 mit weiteren Nachweisen) muss der Notar deshalb berücksichtigen, dass eine mangelnde Zahlung oder Sicherstellung des Kostenvorschusses der Grundbucheintragung entgegenstehen kann.

b.

Die Beauftragung der Beklagten in § 21 Abs. 3 des Kaufvertrages, für die Vertragsparteien bzw. die Käufer als Zahlungspflichtige die Zahlung u. a. der Gerichtskosten vorzunehmen - wofür die Käufer zusätzlich zum Kaufpreis einen weiteren Betrag auf das Notaranderkonto zu zahlen hatten -, bezog sich nicht auf die Kosten der Löschung bestehender Belastungen, die gemäß § 6 des Kaufvertrages von der Verkäuferin zu tragen waren. Dem entsprechend hat die Beklagte die Löschungskosten nicht einbehalten, sondern den Kaufpreis insgesamt ausgezahlt.

Ebenso wenig hatte die Beklagte diese Kosten im Zeitpunkt der Auszahlung vom 6.8.2003 gemäß § 3 Abs. 2 KostO durch Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt übernommen. Dies hat sie auch im Nachhinein nicht getan, sondern in ihrem Löschungsantrag vom 26.4.2003 darum gebeten, die diesbezügliche Gebührenrechnung der Verkäuferin direkt zu übermitteln.

Die Beklagte konnte sich zwar gleichwohl darauf verlassen, vom Grundbuchamt benachrichtigt zu werden, bevor der Löschungsantrag mangels Einzahlung des Kostenvorschusses zurückgewiesen wird (vgl. BGH DNotZ 1969, 173, 176). Trotzdem durfte sie die erste Rangstelle für die Grundschuld der Klägerin nicht als gewährleistet ansehen. Dabei kann dahin stehen, ob es zur ordnungsgemäßen Erfüllung eines wie vorliegend formulierten Treuhandauftrages gehört, dass der Notar angeforderte Gerichtskosten erforderlichenfalls selbst einzahlt (so KG DNotZ 1991, 762; a. A. OLG Celle DNotZ 1994, 117). Jedenfalls ist die Eintragung in einer solchen Konstellation nur dann sicher gestellt, wenn der Notar bereit und in der Lage ist, den Kostenvorschuss notfalls vor Fristablauf selbst zu zahlen (vgl. KG a. a. O.). Eine solche Bereitschaft war aber bei der Beklagten unstreitig nicht vorhanden.

c.

Die Beklagte beruft sich zu Unrecht darauf, die Klägerin habe selbst für die Löschungskosten einstehen müssen. Zum einen kann der Treuhandauftrag vom 6.8.2005 nur so verstanden werden, dass die rangrichtige Eintragung der Grundschuld ohne Kosten für die Klägerin gewährleistet sein musste. Zum anderen war die Klägerin gegenüber dem Grundbuchamt nicht gemäß § 2 Ziffer 1 KostO Kostenschuldner. Im Namen der Klägerin wurde nur die Eintragung der Grundschuld zu ihren Gunsten beantragt. Die Löschung der bestehenden Grundpfandrechte ist gemäß § 6 des Kaufvertrages nur im Namen der Vertragsparteien beantragt worden und gegenüber dem Grundbuchamt auch erst mit dem Schreiben der Beklagten vom 26.4.2004.

2.

Der Beklagten ist Fahrlässigkeit anzulasten, auch wenn das Landgericht (gestützt auf Hertel in: Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung, Rn. 1771; s. a. ders. in: Würzburger Notarhandbuch, Teil 2 Rn. 725) die Eintragung trotz der offen stehenden Eintragungsgebühren als sichergestellt angesehen hat. Einerseits musste sich die Beklagte darüber im Klaren sein, dass die Löschung nur von ihrem pflichtgemäßen Verhalten und pflichtgemäßem Verhalten des Grundbuchamtes abhängen durfte und dass die Grundbucheintragung an eine Vorschusszahlung gekoppelt werden könnte, und andererseits ging sie gerade nicht von einer eigenen Zahlungspflicht aus und war nicht zum Ausgleich einer Vorschussforderung bereit.

3.

Auf das Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit kommt es gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO angesichts des vorliegenden Verstoßes gegen eine (selbständige) Betreuungspflicht nicht an.

4.

Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

5.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Zulassung der Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache geboten, weil sich die Vorschussproblematik bei der Abwicklung vieler notarieller Treuhandaufträge stellt und weil die hierzu zitierte obergerichtliche Rechtsprechung aus der Zeit vor der Änderung des § 8 Abs. 2 KostO durch das Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz stammt.

Ende der Entscheidung

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