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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 10.02.2005
Aktenzeichen: 9 U 166/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 172 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 174 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 187 Satz 1 a. F.
ZPO § 189 n. F.
ZPO § 195
ZPO § 929 Abs. 2
Zur Zustellung einer Beschlussverfügung durch Empfangsbekenntnis eines Anwalts, der bis dahin vom Antragsgegner noch nicht bevollmächtigt war; (§§ 929 Abs. 2, 172 Abs. 1, 189 ZPO.)
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 9 U 166/04

10.02.2005

In Sachen

hat der 9. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Nippe, den Richter am Kammergericht Bulling und den Richter am Amtsgericht Damaske beschlossen:

Tenor:

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für das Berufungsverfahrens auf die Gebührenstufe über 1.200 EUR bis 1.500 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Nachdem die Parteien das (Verfügungs-) Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat die Antragsgegnerin gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO nach dem bisherigen Sach- und Streitstand und billigem Ermessen die Kosten des Verfahrens zu tragen, denn die Berufung des Antragstellers hätte voraussichtlich Erfolg gehabt.

Sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zulässig und begründet. Die Wiederholungsgefahr war, wie der Senat mit Beschluss vom 15.11.2004 im Hauptsacheverfahren der Parteien - 9 W 154/04 - ausgeführt hat, bis zur strafbewehrten Unterlassungserklärung der Beklagten vom 25.6.2004 gegeben. Der Eintritt dieses erledigenden Ereignisses nach dem Urteil des Landgerichts vom 22.6.2004 macht die Berufung nicht unzulässig (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Auflage, § 91a Rn. 20 mit weiteren Nachweisen).

Die einstweilige Verfügung gemäß Beschluss des Landgerichts vom 30.3.2004 war entgegen der Auffassung im angefochtenen Urteil nicht wegen Versäumung der Vollziehungsfrist gemäß § 929 Abs. 2 ZPO aufzuheben. Vielmehr ist die einstweilige Verfügung dadurch fristgerecht vollzogen worden, dass sie gemäß §§ 195, 174 Abs. 2 Satz 1 ZPO den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 1.4.2004 von Anwalt zu Anwalt per Fax gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden ist. Es ist unschädlich, dass die Antragsgegnerin ihre Verfahrensbevollmächtigten zu diesem Zeitpunkt noch nicht mandatiert hatte:

Die Zustellung der einstweiligen Verfügung von Anwalt zu Anwalt war erst abgeschlossen, als das Empfangsbekenntnis (noch am 1.4.2004 per Fax) beim Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers einging (vgl. OLG Frankfurt a. M. NJW 1973, 1888; OLG Nürnberg MDR 1976, 939; Zöller/Stöber a. a. O. § 174 Rn. 19). Eben durch den Zugang dieses Empfangsbekenntnisses, "als Prozessbevollmächtigter des Antragsgegners die Ausfertigung der einstweiligen Verfügung (...) zugestellt erhalten" zu haben, wurden die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO als solche bestellt. Ob eine Prozessvollmacht tatsächlich bestand, ist im Hinblick auf den erforderlichen Vertrauensschutz für die Gegenseite unerheblich (vgl. BGHZ 118, 312, 322; BGH NJW 2002, 1728, 1729). Aufgrund des zitierten Empfangsbekenntnisses durfte der Antragsteller darauf vertrauen, dass es keiner Zustellung mehr bedurfte. Dass die Bezeichnung als Prozessbevollmächtigter versehentlich erfolgte, musste der Antragsteller nicht erkennen, auch wenn das Empfangsbekenntnis von seinem Verfahrensbevollmächtigten vorformuliert war und die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin bis dahin weder gegenüber dem Landgericht noch gegenüber dem Antragsteller tätig geworden waren. Der Antragsteller konnte ohne weiteres davon ausgehen, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin das vorformulierte Empfangsbekenntnis vor seiner Unterschriftsleistung durchgelesen hatte. Auf ein fehlendes Erklärungsbewusstsein ihrer Verfahrensbevollmächtigten kann sich die Antragsgegnerin schon deshalb nicht berufen, weil eine rechtserhebliche Erklärung - das Empfangsbekenntnis - tatsächlich abgegeben werden sollte und der betreffende Anwalt sich allenfalls über deren genauen Inhalt - wenn nicht gar nur über ein bestehendes Mandatsverhältnis - irrte.

Im Übrigen wäre die Zustellung, wenn man gleichwohl auf das fehlende Mandat bei Abgabe des Empfangsbekenntnisses (vor dessen Zugang) abstellen wollte, gemäß § 189 ZPO geheilt. Dabei kann dahin stehen, ob die zum Zwecke der Zustellung übermittelte Faxkopie der Ausfertigung der einstweiligen Verfügung der Antragsgegnerin innerhalb der Vollziehungsfrist selbst zugegangen ist. Für eine Heilung reicht es - wie schon das Landgericht zutreffend erkannt hat - aus, dass derjenige, der ein Schriftstück erhalten hat, nachträglich richtiger Zustellungsadressat wird, wenn er das Schriftstück zu diesem Zeitpunkt noch im Besitz hat (vgl. BGH NJW 1989, 1154). Im vorliegenden Fall befand sich die zugestellte Faxkopie offenbar bei den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin, als ihr Empfangsbekenntnis wenig später beim Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers einging und sie damit - wie oben dargelegt - Verfahrensbevollmächtigte wurden. Zwar ist eine Heilung von Zustellungsmängeln bei Beschlussverfügungen verbreitet mit der Begründung abgelehnt worden, das Wirksamwerden der einstweiligen Verfügung dürfe nicht von einer gerichtlichen Ermessensentscheidung abhängig gemacht werden (vgl. OLG Hamburg WRP 1993, 822; KG WRP 1998, 410; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Auflage, Kap. 55 Rn. 46 mit weiteren Nachweisen). Diese Auffassung ist aber überholt, da § 189 ZPO n. F. im Gegensatz zu § 187 Satz 1 ZPO a. F. kein Ermessen des Gerichts mehr vorsieht (vgl. OLG Dresden NJW-RR 2003, 1721; 1721; Zöller/Vollkommer, a. a. O. § 929 Rn. 14). Daher vermag insbesondere ein Antragsgegner hinreichend klar zu beurteilen, ob eine einstweilige Verfügung wirksam geworden ist, denn er bzw. sein Prozessbevollmächtigter muss wissen, mindestens aber klären, ob ein Zugang (beim richtigen Zustellungsadressaten) tatsächlich erfolgt ist.

Der Wert des Berufungsverfahrens bestimmt sich nach den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, da mit der Berufung von vornherein die Erledigung der Hauptsache geltend gemacht worden ist.

Ende der Entscheidung

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