Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 06.04.2001
Aktenzeichen: 9 U 2200/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 833
BGB § 1359
Die Regelung des § 1359 BGB, die die Haftung eines Ehegatten auf die Einhaltung der Sorgfalt beschränkt, die er in eigenen. Angelegenheiten einzuhalten pflegt, ist auch auf die Haftung aus § 833 BGB anzuwenden.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 9 U 2200/99 28 O 272/98 Landgericht Berlin

Verkündet am: 6. April 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. April 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Baumeister, die Richterin am Kammergericht Junck und den Richter am Kammergericht Ninnemann für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. Februar 1999 teilweise geändert:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer übersteigt für die Klägerin 60.000,-- DM nicht.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs als Haftpflichtversicherin eines Hundehalters die Erstattung der Hälfte ihrer Aufwendungen zur Regulierung des der Ehefrau des Beklagten am 6. Dezember 1992 am Grunewaldsee in Berlin bei einem in seinen Einzelheiten streitigen Unfallgeschehen unter Beteiligung der Hunde des Versicherungsnehmers der Klägerin und des Beklagten entstandenen materiellen und immateriellen Schadens. Die Ehefrau des Beklagten wurde zumindest auch durch das Verhalten des Hundes des Versicherungsnehmers der Klägerin zu Fall gebracht, wobei sie sich eine Tibiakopffraktur sowie eine Fibulaköpfchenfraktur linksseitig zuzog.

Zu den Einzelheiten des unstreitigen Sachverhaltes sowie zum Inhalt des streitigen Parteivorbringens und der gestellten Anträge im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 26.717,66 DM verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zu den rechtlichen Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte sein Begehren auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Er meint, durch die Entscheidung des Landgerichts werde das Ehegattenprivileg des § 1359 BGB unterlaufen. Das Prinzip des Schutzes der Familie werde ins Gegenteil verkehrt. Zu den Einzelheiten der Argumentation des Beklagten wird auf seine Berufungsbegründung verwiesen.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. Februar 1999, soweit es den Beklagten verurteilt, zu ändern und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für rechtlich zutreffend. Zu den Einzelheiten ihres Vortrages wird auf die Berufungserwiderung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Ausgleichsanspruch gemäß den §§ 67 Abs. 1 VVG, 840, 426 Abs. 1 und 2, 833 BGB nicht zu.

Denn bei vorliegendem Sachverhalt ist ein Gesamtschuldverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Versicherungsnehmer der Klägerin im Sinne der §§ 840, 421 BGB hinsichtlich einer Haftung gemäß § 833 BGB gegenüber der Ehefrau des Beklagten nicht entstanden.

Es kann dabei dahinstehen, ob und in welchem Umfang der Hund des Beklagten und die von diesem Tier ausgehende Gefahr bei dem Unfall der Ehefrau des Beklagten mitgewirkt haben, denn die Verwirklichung des Haftungstatbestandes des § 833 BGB scheitert an der Regelung des § 1359 BGB. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Die Geschädigte ist die Ehefrau des Beklagten. Bei der Verursachung des Unfalls kann dem Beklagten auch nicht der Vorwurf gemacht werden, dass er gegen den Sorgfaltsmaßstab verstoßen hat, den er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Dass der Beklagte den hier in eigenen Angelegenheiten anzuwendenden Sorgfaltsmaßstab nicht missachtet hat, ergibt sich schon daraus, dass er durch das Loslassen des eigenen Hundes von der Leine zum Zwecke des Spiels mit dem Hund des Versicherungsnehmers der Klägerin sich selbst in gleicher Weise der Gefahr ausgesetzt hat, durch die spielenden Hunde verletzt zu werden, die sich letztlich bei seiner Ehefrau verwirklicht hat. § 1359 BGB ist auch auf einen Fall der deliktischen Gefährdungshaftung anzuwenden mit der Folge, dass ein Anspruch gegen den Ehepartner nicht entsteht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes führt die Begrenzung der Vertragshaftung auf bestimmte Schuldformen dazu, dass wegen derselben Handlung auch keine Haftung nach strengeren Deliktsvorschriften eintreten könne (vgl. BGHZ 46, 313, 316 f. m. w. Nachw.), weil damit der besondere Haftungsmaßstab weitgehend außer Kraft gesetzt werden könnte. Gleiches muss gelten, wenn der Haftungsausschluss nicht auf einer vertraglichen Grundlage beruht, sondern unmittelbar durch eine gesetzliche Regelung eintritt. Wird durch die gesetzliche Regelung eine Haftung wegen einfacher Fahrlässigkeit ausgeschlossen, bedeutet dies, dass erst recht eine Haftung wegen der Verwirklichung eines Gefährdungstatbestandes ohne Verschulden ausgeschlossen sein muss. Die Anwendung des § 1359 BGB auf alle Tatbestände des Deliktsrechts wird im Schrifttum auch weitgehend befürwortet (vgl. RGRK-Roth-Stielow, BGB, 12. Aufl., § 1359 Rdnr. 3; Staudinger-Hübner/Voppel, BGB, 13. Aufl., § 1359 Rdnr. 15; MüKo-Wacke, BGB, 4. Aufl., § 1359 Rdnr. 10; Soergel-Lange, BGB, 12. Aufl., § 1359 Rdnr. 2).

Andernfalls würde im Falle der Schadensverursachung durch ein Tier der Wertungswiderspruch eintreten, dass derjenige Ehegatte, der diese Schädigung seines Partners als Tierhalter leicht fahrlässig herbeiführt, nicht haften würde, während im Falle eines nicht vorhandenen Verschuldens seine Haftung bestehen würde. Der schuldlos handelnde Ehegatte würde dann genauso haften wie derjenige, der mittels seines Tieres vorsätzlich oder grob fahrlässig seinen Partner schädigt. Dieser Wertungswiderspruch kann auch nicht dadurch beseitigt werden, dass die Anwendung des § 1359 BGB bei Vorliegen eines Gefährdungshaftungstatbestandes unterbleibt. Allerdings wird bei der Anwendung des § 1664 BGB teilweise die Ansicht vertreten, dass die Regelung auf einen Fall der Gefährdungshaftung nach § 7 StVG keine Anwendung finden solle, wenn ein Dritter als Führer des Fahrzeuges einen Unfall verschuldet (vgl. Staudinger-Engler, BGB, 13. Aufl., § 1664 Rdnr. 37). Diese Ansicht wird aber nicht näher begründet und ist auf den hier vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar.

Sinn und Zweck von § 1359 BGB sprechen für einen Ausschluss der Gefährdungshaftung gemäß § 833 BGB durch die genannte Vorschrift. Die Anwendung eines individuellen Haftungsmaßstabes im Sinne des § 1359 BGB wird deswegen befürwortet, weil sich die Ehegatten so annehmen sollen, wie sie sind, das heißt mit allen Eigenarten, mit denen sie sich geheiratet haben. Zu diesen persönlichen Eigenarten gehört aber auch der Wunsch eines Ehegatten, sich ein Haustier zu halten und das Risiko, das von der Unberechenbarkeit eines Tieres -- der typischen Tiergefahr -- ausgeht, auf sich zu nehmen. Das Eingehen eines solchen Schadensrisikos ist -- wenn auch nicht als Verschulden vorwerfbar -- eine Frage des individuellen Sorgfaltsmaßstabes und gebietet im Rahmen einer ehelichen Gemeinschaft die Anwendung des § 1359 BGB.

Auch das Argument, die Regelung einer Gefährdungshaftung schließe gerade die Annahme eines individuellen Sorgfaltsmaßstabes aus, spricht nicht gegen einen Ausschluss der Tierhalterhaftung des einen Ehegatten gegenüber seinem Ehepartner. Denn der herangezogene Vergleich mit der Rechtsprechung zu Unfällen im Straßenverkehr, bei denen wegen der Pflicht zur strengen Beachtung der Straßenverkehrsvorschriften kein Raum für einen individuellen Sorgfaltsmaßstäben besteht, geht insoweit fehl. Bei der Teilnahme am Straßenverkehr, bei der Aufsichtspflicht und bei der Erfüllung von Verkehrssicherungspflichten kann es grundsätzlich deswegen keine eigenen Angelegenheiten und keinen individuell variierenden Sorgfaltsmaßstab für den Verpflichteten geben, weil die Verkehrsregeln und die Aufsichtspflicht immer zu beachten sowie die aus einer Verkehrseröffnung oder Verantwortlichkeit für eine Gefahrenstelle herrührenden Pflichten gegenüber allen Dritten zu erfüllen sind und damit in gleicher Weise im Umgang mit dem Ehepartner beachtet werden müssen. Bei der Tierhalterhaftung geht es jedoch nicht um die Einhaltung bestimmter Verhaltensweisen, sondern um die Zuweisung des Risikos, dass sich die Tiergefahr verwirklicht, ohne dass es auf ein Verschulden ankommt. Da auch eine Tierhaltung nicht zwingend bedingt, dass sich die tierische Gefahr gegenüber Dritten verwirklichen kann, weil nicht jedes Tier zwangsläufig mit anderen Personen in Kontakt kommen muss, bleibt auch Raum für einen individuellen Sorgfaltsmaßstab und einen Haftungsausschluss im Falle fehlenden Verschuldens oder bei Vorliegen einfacher Fahrlässigkeit. Dass sich vorliegend die von dem Hund des Beklagten ausgehende Tiergefahr in der Öffentlichkeit und im Zusammenhang mit der von einem weiteren Hund ausgehenden Tiergefahr realisiert hat, ist zufällig und damit kein geeigneter Umstand, die Anwendung des § 1359 BGB auszuschließen. Aus den vorstehenden Gründen kann auch das Argument keinen Erfolg haben, dass der durch ein Tier seines Partners geschädigte Ehegatte nur wegen des Bestehens der Ehe nicht gegenüber anderen Personen benachteiligt werden dürfe. Denn diese Ungleichbehandlung ist gerade das beabsichtigte Ziel des Gesetzgebers und macht das Wesentliche der Vorschrift aus. Die gesetzliche Wertung kann nicht als Argument gegen diese selbst gebraucht werden.

Soweit für eine einschränkende Anwendung des § 1359 BGB angeführt wird, man soll dem geschädigten Ehegatten die Ansprüche gegen die Haftpflichtversicherung seines Partners erhalten, greift dies vorliegend nicht durch, denn die vom Beklagten für durch seinen Hund verursachte Schäden abgeschlossene Haftpflichtversicherung schließt eine Regulierung von Ansprüchen der Ehefrau aus. Deshalb kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass § 1359 nicht die Begünstigung eines Versicherungsträgers gegenüber dem anderen bezweckt (vgl. Soergel-Lange, BGB. 12. Aufl., § 1359 Rdnr. 3). Denn anders als bei Haftpflichtschäden im Straßenverkehr, bei denen im Hinblick auf die Pflichtversicherung, die auch die Regulierung von Schäden der Insassen eines Kraftfahrzeuges umfasst, in der Regel zwei Haftpflichtversicherungen beteiligt sind, wenn es durch beiderseitiges Verschulden zu einem Unfall kommt, besteht eine solche Pflichtversicherung für die Tierhalterhaftung nicht.

Der Bundesgerichtshof hat zur Vorschrift des § 1664 BGB in seiner Entscheidung vom 1. März 1988 (BGHZ 103, 338, 347 = NJW 1988, 2667, 2669) die Auffassung vertreten, dass bei Eingreifen der Haftungsbeschränkung ein Gesamtschuldverhältnis mangels zurechenbarer Mitbeteiligung der Eltern an dem Schadensereignis nicht entsteht. Es kommt zu keiner Verwirklichung des Haftungstatbestandes. Die Anwendung dieser für § 1664 BGB aufgestellten Grundsätze ist auch für die Regelung des § 1359 BGB geboten (vgl. Müko-Wacke, BGB, 4. Aufl., § 1359 Rdnr. 18). denn Wortlaut und Zweckrichtung der Vorschriften sind identisch. Der Bundesgerichtshof hat in der angeführten Entscheidung auch seine zu § 1359 BGB in der Entscheidung BGHZ 35, 317, 322 f. vertretene Auffassung zu einer Kürzung der Ansprüche des Geschädigten gegenüber dem nicht privilegierten Schädiger ausdrücklich aufgegeben. Dies zeigt, dass er einen Unterschied bei der Anwendung der Vorschriften nicht für gerechtfertigt hält. Eine Schadensersatzpflicht des Beklagten ist deshalb nicht entstanden, es fehlt an einem Gesamtschuldverhältnis mit dem Versicherungsnehmer der Klägerin.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.

Die Revision ist zugelassen worden, weil die Rechtsfrage, ob § 1359 BGB auf die Tierhalterhaftung anwendbar ist, grundsätzliche Bedeutung hat. Sie ist -- soweit ersichtlich -- vom Bundesgerichtshof noch nicht entschieden worden.

Ende der Entscheidung

Zurück