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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 22.06.2004
Aktenzeichen: 9 U 53/04
Rechtsgebiete: KUG
Vorschriften:
KUG § 23 Abs. 1 |
Kammergericht Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: 9 U 53/04
verkündet am: 22.06.2004
In dem Rechtsstreit
hat der 9. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22.6.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Nippe, den Richter am Kammergericht Bulling und den Richter am Landgericht Dethloff für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22.1.2004 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 27 O 672/03 - teilweise geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beklagte veröffentlichte in der Zeitschrift "nn " vom 20.8.2003 Bilder der Klägerin mit nnnn Gnnn . Das Landgericht hat der Unterlassungsklage hinsichtlich derjenigen Fotos, welche die Klägerin und Gnnnnn in einem Londoner Straßencafé zeigen, stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der gestellten Anträge in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Die Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen ihre Verurteilung und macht geltend, ihre Berichterstattung sei nach den Maßstäben der Begleiterrechtsprechung zulässig gewesen. Insbesondere habe das Straßencafé in einem bei deutschen Touristen beliebten Stadtteil Londons keinen abgeschiedenen Ort dargestellt. Darauf, dass die Antragstellerin und Gnnnnn erkennbar für sich sein wollten, komme es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht an.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 22.1.2004 in vollem Umfang abzuweisen. Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin meint, der Besuch des Cafés könne nicht als öffentliches Auftreten gewertet werden, und verteidigt im Übrigen das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 1 und 2 BGB, §§ 22, 23 KUG sowie Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG nicht zu.
1.
Die Veröffentlichung von Fotos, welche die Klägerin zeigen, wie sie mit nnnn Gnnnnn in einem Londoner Straßencafe sitzt, war rechtmäßig. Es handelte sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, deren Verbreitung kein berechtigtes Interesse der Klägerin im Sinne von § 23 Abs. 2 KUG verletzte.
a.
Die vertraute Begleitung einer absoluten Person der Zeitgeschichte in der Öffentlichkeit stellt ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG dar (vgl. BVerfG NJW 2001, Seite 1921, 1923).
b.
nnnn Gnnnnn war im August 2003 wie heute eine sog. "absolute Person der Zeitgeschichte", d. h. eine Person, die unabhängig von einzelnen Ereignissen aufgrund ihres Status und ihrer Bedeutung allgemeine öffentliche Aufmerksamkeit findet (zur Definition vgl. BVerfG NJW 2000, Seite 1021, 1025). Dies wird auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt.
c.
Die Klägerin war "vertraute Begleiterin" von Gnnnnn , denn zwischen beiden bestand (und besteht) eine partnerschaftliche Beziehung. Im "Spiegel"-Interview vom 10.2.2003 hatte Gnnnnn bestätigt, dass es eine neue Frau in seinem Leben gebe, und unstreitig handelte es sich dabei um die Klägerin. Durch den gemeinsamen Besuch der Premiere von "Leonce und Lena" Anfang Mai 2003 und den auf den streitgegenständlichen Fotos abgebildeten Austausch von Zärtlichkeiten war auch nach außen erkennbar, dass die Klägerin und Gnnnnn sich nahe standen. Gegenstand der Berichterstattung war daher nicht nur eine Spekulation über eine solche Verbindung (wie z. B. im Verfahren des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 758/97, NJW 2001, Seite 1921, 1926).
d.
Bei dem Cafebesuch hat die Klägerin Gnnnnn in der Öffentlichkeit begleitet. Die Behandlung eines Begleiters als relative Person der Zeitgeschichte setzt nicht zwingend eine bewusste gemeinsame Zuwendung zur Öffentlichkeit voraus (so aber Strobl-Albeg in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap. 8 Rz. 25).
Die Anwendung von § 23 Abs. 1 KUG kann nicht generell davon abhängen, dass die Betroffenen ein Medieninteresse in Kauf nehmen, denn in einem solchen Fall liegt regelmäßig bereits eine konkludente Einwilligung vor, gemäß § 23 KUG kann ein Verbreitungsrecht aber auch ohne Einwilligung bestehen. Vielmehr kann entsprechend der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung ein schlichtes öffentliches Auftreten ausreichen. Im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26.4.2001 heißt es (NJW 2001, Seite 1921, 1923):
"Bildnisse von der Begleitperson dürfen danach verbreitet werden, wenn diese zusammen mit dem betreffenden Partner in der Öffentlichkeit auftritt oder wenn sie mit ihm zusammen oder an seiner statt öffentlich repräsentiert".
Hiernach muss es sich nicht um ein repräsentatives Auftreten handeln. Im gleichen Sinne hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 19.12.1995 die Klage von nnnn nnnnnn gegen die Verbreitung eines Fotos, welches sie mit einem Schauspieler in einem Gasthaus zeigte, abgewiesen und hierzu u. a. ausgeführt (NJW 1996, Seite 1128, 1131):
"Dementsprechend wird im Rahmen des § 23 I Nr. 1 KUG ein schützenswertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit schon dann anzuerkennen sein, wenn es lediglich darum geht, wie sich der Betreffende als einfacher Mensch, also auch außerhalb seiner öffentlichen Funktionen, in der Öffentlichkeit bewegt."
Durch Urteil vom 15.12.1999 hat das Bundesverfassungsgericht diese Entscheidung bestätigt und darauf hingewiesen, dass die Betroffene in dem gut besuchten Lokal "unter den Augen der anwesenden Öffentlichkeit" stand (NJW 2000, Seite 1021, 1026), und hat lediglich hinsichtlich der Abbildung von Kindern darauf abgestellt, ob sich ihre (prominenten) Eltern mit den Kindern bewusst der Öffentlichkeit zuwenden, etwa gemeinsam an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen oder gar in deren Mittelpunkt stehen (a. a. O. Seite 1023).
Der Begleiter ist in einer solchen Situation nicht etwa weitergehend vor Bildveröffentlichungen zu schützen als die absolute Person der Zeitgeschichte. Wer eine enge persönliche Beziehung mit einem Prominenten eingeht und sich dabei den Blicken der Öffentlichkeit aussetzt, muss die Verbreitung von Bildern, die beide in der Öffentlichkeit zeigen, grundsätzlich genau so hinnehmen wie sein Partner (vgl. OLG Hamburg ZUM 1995, Seite 494, 495). Dementsprechend hat das OLG Hamburg (GRUR 1990, Seite 35) einer Anspruchstellerin, die eingehakt mit Roy Black bei einem Bummel durch die Hamburger Innenstadt abgebildet worden war, einen Unterlassungsanspruch versagt. Die Entscheidung des OLG Hamburg AfP 1997, Seite 535 betraf die Abbildung eines minderjährigen Kindes und ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.
e.
Die Beklagte hat die Bilder der Klägerin zur Berichterstattung über ein zeitgeschichtliches (Begleit-) Ereignis verbreitet (zu dieser Voraussetzung des § 23 Abs. 1 KUG vgl. BGH NJW 2004, Seite 1795). Die streitgegenständlichen Fotos und der zugehörige Text befriedigten ein Informationsinteresse an den Lebensumständen des begleiteten Prominenten, nämlich daran, dass nnnn Gnnnnn eine neue Partnerin gefunden hat.
f.
Die Verbreitung der streitgegenständlichen Aufnahmen stellte entgegen dem angefochtenen Urteil keinen gemäß § 23 Abs. 2 KUG unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre der Klägerin dar.
Das Straßencafe bzw. die Straße in London, wo die Klägerin fotografiert wurde, gehörte nicht zu ihrer geschützten Privatsphäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2000, Seite 1021, 1023)
"muss der Einzelne grundsätzlich die Möglichkeit haben, sich auch in der freien, gleichwohl abgeschiedenen Natur oder an Örtlichkeiten, die von der breiten Öffentlichkeit deutlich abgeschieden sind, in einer von öffentlicher Beobachtung freien Weise zu bewegen. Das gilt gerade gegenüber solchen Aufnahmetechniken, die die räumliche Abgeschiedenheit überwinden, ohne dass der Betroffene dies bemerken kann. (...) Plätzen, an denen sich der Einzelne unter vielen Menschen befindet, fehlt es von vornherein an den Voraussetzungen des Privatsphärenschutzes i. S. von Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG. Sie können das Rückzugsbedürfnis nicht erfüllen und rechtfertigen deswegen auch nicht den grundrechtlichen Schutz, den dieses Bedürfnis aus Gründen der Persönlichkeitsentfaltung verdient. Der Einzelne kann solche Orte auch nicht etwa durch ein Verhalten, das typischerweise nicht öffentlich zur Schau gestellt würde, in seine Privatsphäre umdefinieren. Nicht sein Verhalten, ob allein oder mit anderen, konstituiert die Privatsphäre, sondern die objektive Gegebenheit der Örtlichkeit zur fraglichen Zeit. Verhält er sich daher an Orten, die nicht die Merkmale der Abgeschiedenheit aufweisen, so, als stünde er nicht unter Beobachtung, hebt er das Schutzbedürfnis für Verhaltensweisen, die an sich die Öffentlichkeit nichts angehen, selbst auf."
Es kommt deshalb nicht darauf an, dass der Austausch von Zärtlichkeiten zwischen der Klägerin und Gnnnnn - die dem Medieninteresse zuvor nach Möglichkeit ausgewichen waren - in dem Straßencafe offenbar in der Vorstellung erfolgte in London nicht von der Presse beobachtet zu werden. Die Tatsache, dass die Klägerin die Aufnahme der Bilder nicht bemerkt hat, gibt ihr für sich genommen keinen Grund die Unterlassung der Veröffentlichung zu verlangen (vgl. auch BGH NJW 1996, Seite 1128, 1130).
Der Argumentation des Landgerichts, die Klägerin und Gnnnnn hätten sich in dem Londoner Straßencafe in eine "örtliche Abgeschiedenheit" begeben, kann nicht gefolgt werden. Eine Abgeschiedenheit und Vertraulichkeit des Ortes ist vom BGH (a. a. O.) und vom BVerfG (a. a. O.) zwar bei "einem mit Glühbirnen nur unvollkommen beleuchteten Gartenlokal" angenommen worden, nicht aber - wie bereits zu lit. d. erwähnt - bei einem gut besuchten Gasthaus. Vorliegend saßen die Klägerin und Gnnnnn am helllichten Tag vor dem an einer Straßenecke im Londoner Stadtteil Camden gelegenen Cafe und setzten sich damit den Blicken einer unüberschaubaren Zahl von Passanten aus. Auch wenn die Popularität von Gnnnnn auf Deutschland konzentriert und er in London den Einheimischen unbekannt sein mag, kann diese Weltstadt - die von vielen Deutschen besucht wird - für Gnnnnn und die Klägerin nicht als abgeschiedener, verborgener Rückzugsort gewertet werden. Für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Verfahren 1 BvR 758/97 (NJW 2001, Seite 1921, 1926) hat es auch keine Rolle gespielt, dass angebliche gemeinsame Hotelaufenthalte von Prinzessin Caroline und Prinz Ernst August in Rangun und Bangkok Gegenstand der Berichterstattung waren. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass Gnnnnn - wie in Deutschland allgemein bekannt ist - in London wohnt und arbeitet. Es war daher nicht generell unzulässig dort aufgenommene Fotos der Klägerin mit Gnnnnn zu veröffentlichen. g.
Bei der Abwägung gemäß § 23 Abs. 2 KUG ist ferner zu berücksichtigen, dass Gnnnnn seine Gefühle nach dem Verlust seiner Ehefrau öffentlichkeitswirksam künstlerisch verarbeitet hatte - insbesondere durch das Lied "Der Weg" auf dem millionenfach verkauften Album "Mensch" - und auch in Interviews offensiv mit dem Thema umgegangen war. Nachdem er im "Spiegel" vom 10.2.2003 immerhin bestätigt hatte, dass es nunmehr eine neue Frau in seinem Leben gibt, war von einem gesteigerten Interesse an der Person seiner neuen Partnerin in erheblichen Teilen der Bevölkerung auszugehen.
Dementsprechend hatte die "Bild"-Zeitung - unbeanstandet - am 3.5.2003 ein Foto von der Klägerin und Gnnnnn beim Besuch der Premiere von "Leonce und Lena" veröffentlicht, obwohl sich nach eigenem Vortrag der Klägerin beide darum bemüht hatten unerkannt zu bleiben. Der Klägerin war, selbst wenn dieser Bericht ihr und ihrem laufend in Pressesachen für sie tätigen Prozessbevollmächtigten seinerzeit nicht zur Kenntnis gelangt sein sollte, mithin offenbar bekannt, dass sie ein besonderes Medieninteresse auf sich zog.
Schließlich mögen die streitgegenständlichen Fotos zwar als indiskret zu werten sein, doch ist die Klägerin nicht ungünstig dargestellt und die abgebildeten Zärtlichkeiten sind dezent. Die Pressefreiheit der Beklagten fällt zwar bei Medienberichten mit besonderem Bezug zum demokratischen Prozess stärker ins Gewicht, erstreckt sich aber auch auf unterhaltende Beiträge, bei denen eine Personalisierung ein besonders wichtiges Mittel zur Erregung der Aufmerksamkeit der Leser ist (vgl. BVerfG NJW 2001, Seite 1921, 1923). Dahinter muss das verständliche Interesse der Klägerin sich frei und unbeobachtet bewegen zu können angesichts der Prominenz ihres Lebensgefährten zurücktreten.
2.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 ZPO.
Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Insbesondere entzieht sich der Gesichtspunkt, ob Fotografien im Ausland gefertigt worden sind, einer generalisierenden Bewertung. Der erkennende Senat sieht sich bei seiner Würdigung der Umstände des Einzelfalles - wie dargelegt - im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Ende der Entscheidung
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