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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 18.12.2007
Aktenzeichen: 9 U 95/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
Zur Berichterstattung über Einzelheiten der jetzigen Lebenssituation eines ehemaligen Mitglieds der sog. Roten Armmeee Fraktion (RAF).
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 9 U 95/07

verkündet am: 18.12.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18.12.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Nippe und die Richter am Kammergericht Dr. Vossler und Damaske

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. Juni 2007 (27.O.462/07) abgeändert:

Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an einem Vorstandsmitglied, untersagt,

das Bildnis des Wohnhauses des Antragstellers zu verbreiten, wie in der B -Zeitung vom ... April unter der Überschrift "Hier wohnt RAF-Terrorist W " geschehen.

Im Übrigen wird die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin vom 8. Mai 2007 (27.O.462/07) aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe:

I.

Der Antragsteller war als Mitglied der sog. zweiten Generation der Rote Armee Fraktion (RAF) Ende der siebziger Jahre an terroristischen Anschlägen, so an der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten S , beteiligt. Er wurde 1978 festgenommen und 1981 zu zweimal lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. 1999 wurde er auf Bewährung entlassen. Im Frühjahr 2007 nahm die Generalbundesanwaltschaft erneut Ermittlungen wegen des Mordes an Generalbundesanwalt B auf, die sich auch gegen den Antragsteller richten.

Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin auf Unterlassung der Verbreitung eines Fotos der Straßenfassade von dessen Wohnhaus sowie von Einzelheiten über dessen jetzige Lebenssituation in Anspruch, die die Antragsgegnerin unter der Überschrift "Hier wohnt RAF-Terrorist W " in der Köln-Ausgabe der B -Zeitung vom ... April veröffentlichte.

Das Landgericht Berlin hat die antragsgemäß erlassene einstweilige Verfügung vom 8. Mai 2007 durch Urteil vom 19. Juni 2007 bestätigt. Das Urteil ist der Antragsgegnerin am 2. Juli 2007 zugestellt worden. Mit ihrer am 12. Juli 2007 eingelegten und zugleich begründeten Berufung verfolgt die Antragsgegnerin die Aufhebung der einstweiligen Verfügung weiter.

Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts vom 19. Juni 2007 die einstweilige Verfügung vom 8. Mai 2007 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

Dem Antragsteller steht nur teilweise ein Anspruch auf Unterlassung der angegriffenen Berichterstattung gegen die Antragsgegnerin aus § 823 Absatz 1 BGB in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 1 sowie 1 Absatz 1 GG zu.

Ob ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers vorliegt, ist anhand einer Güterabwägung mit den schutzwürdigen Interessen der Antragsgegnerin, hier also der Presse- und Meinungsfreiheit zu bestimmen. Zwar beinhaltet das allgemeine Persönlichkeitsrecht einerseits das Recht, in gewählter Anonymität zu bleiben und die eigene Person nicht in der Öffentlichkeit dargestellt zu sehen (BGH NJW-RR 2007, 619), auch dieses Grundrecht wird jedoch nicht grenzenlos gewährt. Im Einzelfall können das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und die Meinungsfreiheit Vorrang haben.

Der Antragsteller hat vorliegend die Berichterstattung der Antragsgegnerin über einzelne Fakten seiner derzeitigen Lebensverhältnisse wegen der überwiegenden Interessen der Antragsgegnerin hinzunehmen, nämlich insoweit als die Berichterstattung eine Identifizierung des Antragstellers für Dritte über die Namensnennung hinaus nicht ermöglicht. Bezüglich der Verbreitung des Fotos seines Wohnhauses überwiegen dagegen die Interessen des Antragstellers.

1.

Es bestand ein bedeutendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Berichterstattung der Antragsgegnerin, dies nicht allein hinsichtlich der Mitteilung über die Aufnahme von Ermittlungen gegen den Antragsteller wegen des Mordes an dem Generalbundesanwalt B , sondern darüber hinaus vor dem Hintergrund der besonderen historischen Bedeutung der Taten der RAF und deren vielfältiger Nachwirkungen im öffentlichen Bewusstsein bis zum heutigen Tag auch bezüglich über die bloße Namensnennung hinausgehender Informationen über die aktuelle Lebenssituation des Antragstellers.

a) Nach wie vor besteht ein überragendes historisches Interesse an der RAF, ihren Taten sowie ihren Mitgliedern, zu denen der Antragsteller gehörte.

Das gilt uneingeschränkt trotz des im Jahr 1992 erklärten Verzichts der RAF auf Gewaltanwendung und der im Jahr 1998 erklärten Selbstauflösung der RAF und der seitdem verstrichenen Zeit. Die Mitglieder der RAF und die von ihnen verübten Taten haben über das allgemeine Interesse der Öffentlichkeit an Kapitalverbrechen hinaus ein weit gesteigertes und anhaltendes Interesse geweckt an dem persönlichen und politischen Werdegang der RAF-Mitglieder, deren Gerichtsverfahren, Strafvollzug und auch darüber hinaus, wie an der Diskussion um vorzeitige Haftentlassungen und Gnadengesuche deutlich wurde. Maßgeblich ist, dass die Vorgänge um die Attentate der RAF und die Auswirkungen auf die Angehörigen der Opfer sowie die gesamte deutsche Gesellschaft Anfang 2007 eine intensiv geführte breite Diskussion, die alle gesellschaftlichen Schichten erfasst haben dürfte, ausgelöst haben. Die Bundesrepublik Deutschland ist durch wenige Ereignisse so stark geprägt worden wie durch die Anschläge der RAF, für die sich auch der Antragsteller zu verantworten hatte. Die Bedeutung der damaligen Ereignisse reichte dabei weit über die eigentlichen Straftaten und den Strafvollzug der Täter als solchen hinaus. So erfuhr (als ein Teilaspekt der deutschen Gesellschaftsordnung neben weiteren) u.a. die Rechtsordnung der Bundesrepublik - ausgelöst durch die Verfolgung der RAF - im Bereich insbesondere des Strafprozessrechts erhebliche Veränderungen. An bestimmten Jahrestagen wird die RAF-Geschichte der Öffentlichkeit mit allen ihren damaligen Protagonisten stets wieder in Erinnerung gerufen. Vor diesem Hintergrund der besonderen historischen Bedeutung der Taten der RAF-Mitglieder und deren vielfältigen Nachwirkungen im öffentlichen Bewusstsein bis zum heutigen Tag erhält der vorliegende Fall seine besondere Prägung, auch wenn der Antragsteller nur für einen Teil der der RAF zugeschriebenen Anschläge persönlich verantwortlich ist. Dass der weitere Werdegang der noch inhaftierten wie auch der bereits aus der Haft entlassenen früheren RAF-Mitglieder seit Anfang 2007 wieder verstärkt und - allseits kontrovers und intensiv diskutiert - unübersehbar in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt ist, hat der Antragsteller aufgrund seiner früheren Zugehörigkeit zur RAF hinzunehmen. (Senat AfP 2007, 376).

b) Darüber hinaus stellt zudem die Tatsache, dass die Generalbundesanwaltschaft erneut Ermittlungen - u.a. gegen den Antragsteller - im Zusammenhang mit dem Mord auf den Generalbundesanwalt B aufgenommen hat, einen tagesaktuellen Anlass, der im vorliegenden Fall zusätzlich ein bedeutendes Interesse der Öffentlichkeit hervorgerufen hat.

Damit ist die Person des Antragstellers nicht allein wegen der engen Verbindung mit der Geschichte der RAF in das Interesse der Öffentlichkeit geraten. Vielmehr begründet gerade der Umstand, dass die Generalbundesanwaltschaft dreißig Jahre nach dem Mord an Generalbundesanwalt B erneut Ermittlungen wegen dieses RAF-Mordanschlages aufgenommen hat und sich der Verdacht gegen den Antragsteller als möglichen Todesschützen richtet, ein besonderes öffentliches Informationsinteresse gleichermaßen an der Person des Antragstellers selbst.

c) Dieses Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht deshalb auch für Details aus der aktuellen Lebenssituation des Antragstellers.

Eine aktuelle Berichterstattung über eine schwere Straftat rechtfertigt nicht allein die Namensnennung eines Täters, sie schließt grundsätzlich auch sein persönliches Leben ein. Dies gilt anerkanntermaßen, soweit sich hieraus Umstände ergeben, die in unmittelbarer Beziehung zur Tat stehen, Aufschlüsse über die Motive oder andere Tatvoraussetzungen geben und für die Bewertung der Schuld des Täters als wesentlich erscheinen (BVerfG NJW 1973, 1227, 1231 - Lebach I). Aber auch ohne einen solchen konkreten Bezug zur von dem Straftäter begangenen Tat kann eine Berichterstattung über dessen persönliches Leben durch ein öffentliches Informationsinteresse gerechtfertigt sein. Wenngleich zudem eine über eine aktuelle Berichterstattung hinausgehende, zeitlich unbeschränkte Befassung mit der Person eines Straftäters und dessen Privatsphäre im Regelfall unzulässig wäre, kann bei einem entsprechenden überragenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit ein solcher wiederholter Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Straftäters selbst dann gerechtfertigt sein, wenn die das öffentliche Interesse veranlassende Tat mit der Strafverfolgung und strafgerichtlichen Verurteilung die im Interesse des öffentlichen Wohls gebotene Reaktion der Gemeinschaft bereits erfahren hat. (BVerfG NJW 1973, 1227, 1231 - Lebach I).

Ein derartiger Ausnahmefall ist vorliegend gegeben. Gerade wegen des enormen Einflusses, den die RAF und ihre Mitglieder auf das öffentliche Leben und die Geschichte der Bundesrepublik ausgeübt haben, ist auch ein öffentliches Informationsinteresse daran anzuerkennen, welchen Werdegang ein verurteilter RAF-Terrorist genommen hat. Insoweit interessiert es die Öffentlichkeit, wie sich der weitere Lebensweg der ehemaligen RAF-Mitglieder vollzogen hat, ob und wann sie aus der Haft entlassen worden sind, was nach der Haftentlassung aus ihnen geworden ist. Insbesondere ist es hierbei von Interesse, ob es den bereits aus der Haft entlassenen, ehemaligen Mitgliedern der RAF gelingt, sich in die Gesellschaft wiedereinzugliedern, ob sie fähig und willens sind, in der Gesellschaft Fuß zu fassen, die sie früher mit Waffengewalt bekämpft haben, ob sie in der Lage sind, sich unter den Bedingungen einer freien Gesellschaft ohne Rechtsbruch zu behaupten, ihre Chancen wahrzunehmen und ihre Risiken zu bestehen (BVerfG NJW 1973, 1227, 1231 - Lebach I).

Deshalb besteht auch ein Interesse daran, wie sich der Antragsteller als ehemaliger "RAF-Häftling" zwischenzeitlich nach seiner Haftentlassung entwickelt hat, was für ein Leben er heute führt. An einer solchen Personalisierung der ansonsten nur abstrakt als terroristische Vereinigung bekannten RAF besteht angesichts der herausragenden Bedeutung der Geschichte der RAF ein anhaltendes Informationsinteresse.

d) Dem steht nicht entgegen, dass im Zuge der Ermittlungen gegen den Antragsteller kein Haftbefehl erlassen worden ist. Ebenso wenig sind die Einschätzungen des Antragstellers sowie anderer Medien über die Äußerungen des RAF-Mitglieds B im Zusammenhang mit dem Mord an Generalbundesanwalt B ausschlaggebend. Maßgeblich ist allein, dass der Mordanschlag der RAF auf den Generalbundesanwalt B dreißig Jahre nach seiner Begehung erneut Gegenstand von Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft geworden ist und dass der Antragsteller als möglicher Todesschütze im Zentrum der Ermittlungen steht. Dies aber ist zwischen den Parteien unstreitig.

2.

Diesem Berichterstattungsinteresse der Presse entgegenstehende Interessen des Antragstellers greifen demgegenüber nur teilweise durch.

a) Zwar beinhaltet das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht, in gewählter Anonymität zu bleiben und die eigene Person nicht in der Öffentlichkeit dargestellt zu sehen (BGH NJW-RR 2007, 619). Alles in allem haben die Interessen des Antragstellers hinter den Belangen der Antragsgegnerin aber im o.g. Umfange zurückzustehen. Insoweit genießt das Interesse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung Vorrang vor den Interessen des Antragstellers. Die Berichterstattung der Antragsgegnerin über einzelne Fakten seiner derzeitigen Lebensverhältnisse hat der Antragsteller daher hinzunehmen.

aa) Durch die Verbreitung der Informationen, der Antragsteller habe einen fünf Jahre alten Sohn und lebe getrennt von einer 43 Jahre alten Freundin, wird der Antragsteller nicht in seiner Privatsphäre betroffen. Weder der räumliche Schutzbereich (als Raum, in dem der Einzelne frei von öffentlicher Beobachtung und erzwungener Selbstkontrolle zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen kann,) noch der thematische Schutzbereich der Privatsphäre (d.h. Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als "privat" eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst,) ist hier berührt (vgl. BVerfGE NJW 2000, 1021, 1023). Vielmehr sind diese Informationen der Sozialsphäre zuzuordnen, mithin dem außerhalb des Privaten liegenden Bereich, der nach Außen grundsätzlich von jedermann wahrgenommen werden kann (vgl. Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap 5., Rn. 65).

Ohnehin ist das Recht des Antragstellers nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne hat keine absolute, uneingeschränkte Herrschaft über "seine" Daten; denn er entfaltet seine Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft. In dieser stellt die Information, auch soweit sie personenbezogen ist, einen Teil der sozialen Realität dar, der nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Über die Spannungslage zwischen Individuum und Gemeinschaft ist im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und -gebundenheit der Person zu entscheiden (BGH NJW 2004, 762). Zur Sozialsphäre darf deshalb grundsätzlich berichtet werden. Äußerungen zu der Sozialsphäre desjenigen, über den berichtet wird, dürfen nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind (BGH NJW-RR 2007, 619 - Klinikchef).

Derartige negative Folgen der Äußerungen über Kind und Freundin des Antragstellers sind für den Antragsteller nicht ersichtlich. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass nur wenige aktuelle Informationen aus dem Leben des Antragstellers preisgegeben werden und diese auch nur abstrakt und wenig detailliert. Die Berichterstattung beschränkt sich auf die Mitteilung nur der wenigen Tatsachen, dass der Antragsteller eine Freundin sowie einen Sohn hat und von diesen getrennt lebt. Ferner wird das Alter der Freundin und des Sohnes angegeben. Diese Angaben sind jedoch durch das ernsthafte öffentliche Informationsinteresse, welches an der Person des Antragstellers besteht, gerechtfertigt. Dass diese Einzelheiten in erster Linie nur das Bedürfnis einer mehr oder minder breiten Leserschicht nach oberflächlicher Unterhaltung und Neugier befriedigen sollen, ist nicht ersichtlich.

Auch erscheint es ausgeschlossen, dass der Antragsteller allein durch diese nur vagen Angaben für Dritte sicher als der ehemalige RAF-Terrorist W identifizierbar sein könnte. Die Umstände, dass der Antragsteller einen Sohn hat sowie eine Freundin hat und von dieser getrennt lebt, erscheinen angesichts der Häufigkeit, mit der diese gleichermaßen auf andere Personen zutreffen, als konkrete Identifizierungsmerkmale auch bei gleichzeitiger Kenntnis des Namens des Antragsteller ungeeignet.

Auch eine Beeinträchtigung des gleichermaßen verfassungsmäßig verbrieften Rechts des Antragstellers auf Pflege und Erziehung seines Kindes (Artikel 6 Absatz 2 GG) stehen der Berichterstattung nicht entgegen.

Zweifelsohne bedürfen Kinder eines besonderen Schutzes, weil sie sich zu eigenverantwortlichen Personen erst entwickeln müssen. Soweit das Kind des Antragstellers durch die Berichterstattung der Antragsgegnerin in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sein sollte, stehen diesem jedoch eigene Ansprüche zu.

Zwar fällt auch die elterliche Hinwendung zu einem Kind in den Schutzbereich von Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG. Der Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfährt auf diese Weise eine Verstärkung durch Artikel 6 Absatz 1 und 2 GG (BVerfGE NJW 2000, 1021, 1023; BVerfG vom 9. März 2007 1 BvR 1946/04). Dass aber der Kläger durch die Berichterstattung der Antragsgegnerin in seinem Persönlichkeitsrecht wegen einer Beeinträchtigung seiner spezifischen Eltern-Kind-Beziehung verletzt ist, ist nicht ersichtlich. Hierbei wirkt sich insoweit wiederum aus, dass es ausgeschlossen erscheint, dass der Antragsteller allein durch die im Rahmen der Berichterstattung gemachten Angaben für Dritte sicher als der ehemalige RAF-Terrorist W identifizierbar sein könnte. Konkrete Beeinträchtigungen des familiären Umgangs zwischen dem Antragsteller und dessen Kind sind nicht vorgetragen. bb) Auch die Berichterstattung, der Antragsteller halte sich mit Hartz IV und Gelegenheitsjobs über Wasser, ist durch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerechtfertigt und deshalb vom Antragsteller hinzunehmen.

Hierbei kann letztlich offen bleiben, ob die Mitteilung dieser Details bereits einen Eingriff in die Privatsphäre darstellen. Zwar gehören die Einkommensverhältnisse einer Person anerkanntermaßen zur besonders geschützten Privatsphäre (Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap. 5, Rn. 56; Soehring, Presserecht, 3. Auflage, Rn. 19.20). Allerdings erscheint es zweifelhaft, ob bereits die Angabe, dass und wie jemand die Mittel für seinen Lebensunterhalt aufbringt, hierunter fällt. So erscheint es fragwürdig, ob die Tatsache, dass jemand als Angestellter, Arbeiter, Selbständiger oder Unternehmer sein Geld verdient oder aber Rente erhält oder staatliche Leistungen zur Grundsicherung in Anspruch nimmt, noch der Privatsphäre unterfällt.

Dies kann jedoch dahinstehen, denn auch die Privatsphäre ist nicht absolut geschützt (vgl. Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap 5., Rn. 60) und vorliegend ist ein solcher Eingriff durch das Berichterstattungsinteresse der Öffentlichkeit gerechtfertigt. Angesichts des überragenden Informationsinteresses daran, ob die bereits aus der Haft entlassenen, ehemaligen Mitglieder der RAF in der Lage sind, sich in die Gesellschaft wiedereinzugliedern, kommt gerade der Frage eine große Bedeutung zu, ob es ihnen hierbei auch gelungen ist, Arbeit zu finden, einen Beruf auszuüben und auf diese Art und Weise ebenso in der Arbeitswelt Fuß zu fassen. Die Tatsache, dass der Antragsteller Hartz-IV-Leistungen erhält und Gelegenheitsjobs nachgeht, illustriert eben diesen Aspekt der konkreten Lebenssituation.

cc) Darüber hinaus enthält die Berichterstattung der Antragsgegnerin auch keine eigenständigen Verletzungseffekte. Sie erfolgte sachlich sowie wahrheitsgemäß und nicht polemisch. Sie erzeugt auch keinerlei Prangerwirkung.

b) Im Übrigen ist der Antragsteller jedoch in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Die Berichterstattung der Antragsgegnerin beeinträchtigt durch die Veröffentlichung des Bildes vom Wohnhaus des Antragstellers verbunden mit dem Hinweis, dass dieses in Köln steht, dessen Anonymität sowie sein Recht zur Entscheidung über eine Offenbarung seiner persönlichen Lebensumstände. Insoweit ist der Antragsteller auch gegenüber Eingriffen zu schützen, die den Antragsteller gegen seinen Willen für die Öffentlichkeit "verfügbar" machen (BGH NJW 2004, 762).

Auch die Abbildung des Wohnhauses des Antragstellers stellt zwar keinen Eingriff in die Privatsphäre des Antragstellers dar. Werder der räumliche Schutzbereich der Privatsphäre noch der thematische Schutzbereich der Privatsphäre (BGH NJW 2000, 1021, 1022) wird durch die Verwendung des Fotos vom Wohnhaus des Antragstellers berührt. So wird dem Leser im vorliegenden Fall durch das verwendete Foto kein Einblick in der Privatsphäre zuzuordnende Lebensbereiche des Inneren der Wohnung oder des Hauses gewährt, was anerkanntermaßen eine geschützte Sphäre darstellt (BGH NJW 2004, 762 sowie 766; BVerfG NJW 2006, 2836).

Vorliegend ist jedoch ausschlaggebend, dass die Antragsgegnerin mit der angegriffenen Berichterstattung den Antragsteller in dessen unmittelbarem Wohnumfeld und damit in dessen engerem Lebensbereich gegen dessen Willen als den "RAF-Terroristen W " bekannt macht.

Es geht hier nicht wie in den von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidungen um die Offenbarung von Einzelheiten aus dem privaten Lebensbereich von Prominenten (BGH NJW 2004, 762 sowie 766 - Luftbildaufnahmen; Senat AfP 2006, 564 - Grönemeyer-Villa). In jenen Fällen wollten die Betroffenen einer Zuordnung des konkreten Gebäudes zu ihrer der Öffentlichkeit bekannten Person verhindern und damit der Gefahr vorbeugen, dass ihr Wohnhaus in seiner Eignung als privater Rückzugsort dadurch beeinträchtigt wird, dass eine Lokalisierung des Wohnhauses eine erhebliche Anlock- und Anreizwirkung für Neugierige mit der Folge der weiteren Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten bewirken kann (BVerfG NJW 2006, 2836).

Das besondere an dem vorliegenden Fall ist demgegenüber, dass der Antragsteller bislang in seiner Nachbarschaft weitgehend anonym gelebt hat. Von seiner RAF-Vergangenheit war dort nichts bekannt. Die Veröffentlichung des Fotos des Wohnhauses lässt es nunmehr - auch wenn die Antragsgegnerin kein aktuelles Foto des Antragstellers selbst veröffentlicht hat - zu, den Antragsteller in seinem Wohnhaus, in seiner Straße, ggf. auch in seinem Wohnviertel als den ehemaligen Terroristen W zu identifizieren. Jedenfalls in diesem Bereich aber ist das Gebäude anhand des Fotos sowie der Mitteilung, dass der Antragsteller in Köln wohnt hinreichend erkennbar. Ob das Gebäude auf dem Foto derart dargestellt ist, dass es auch über diesen Bereich hinaus wiedererkannt werden kann, kann dahinstehen.

In diesem Zusammenhang ist auch der Gesichtspunkt der Resozialisierung im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Eine wiederholte Berichterstattung über eine Straftat ist dann unzulässig, wenn sie die Resozialisierung des Täters gefährdet (BVerfG NJW 1973, 1227, 1231 f. - Lebach I).

Gerade im Hinblick auf die Identifizierung des Antragstellers in seinem konkreten Wohnumfeld ist es jedoch denkbar, dass die Berichterstattung der Antragsgegnerin zu einer Stigmatisierung oder gar Isolierung des Antragstellers führen kann. Hierdurch würde der Antragsteller in seinem individuellen Lebensbereich, in seiner sozialen Existenz als Grundlage dafür, sich in die freie Gesellschaft wieder einzugliedern, betroffen. Auch der Täter, der durch schwerste Straftaten in das Blickfeld der Öffentlichkeit getreten ist und die allgemeine Missachtung erweckt hat, bleibt dennoch ein Mitglied der Gesellschaft und hat Anspruch auf den Schutz seiner Individualität. Den Antragsteller in seinem unmittelbaren Wohnumfeld bloß zu stellen, würde über diesen als Straftäter, der die verhängte Strafe verbüßt hat, eine erneute soziale Sanktion verhängen (BVerfG NJW 1973, 1227, 1231 - Lebach I). Dies wäre durch ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht gerechtfertigt. Insoweit überwiegen acht Jahre nach Verbüßung der gegen ihn verhängten Strafe und seiner seither vollzogenen Wiedereingliederung in die Gesellschaft die Interessen des Antragstellers, in seinem individuellen Lebensbereich "allein gelassen zu werden" (BVerfG NJW 1973, 1227, 1231 - Lebach I), das öffentliche Interesse an aktueller Berichterstattung.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 sowie 97 Absatz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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