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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 12.06.2009
Aktenzeichen: 9 W 122/09
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 1004 Abs. 1 S. 2
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 5 Abs. 1
Bei dem Vorfall, dass gegen ein Mitglied der erfolgreichsten deutschen Girlband der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung erhoben wird, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und sogar Haftbefehl erlassen wird, handelt es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit gerechtfertigt sein kann.

Das öffentliche Informationsbedürfnis richtet sich auch auf den gegen die Betroffene erhobenen konkreten Tatvorwurf und kann hierbei zugleich einen Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen rechtfertigen, der darin liegt, dass die Mitteilung des Gegenstandes des Ermittlungsverfahrens unweigerlich die Offenbarung einer möglichen HIV-Infektion sowie der Tatsache, dass die Betroffene mit anderen Personen ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt habe, nach sich zieht.

Die bloße Mitteilung einer Erkrankung (hier: die Betroffene sei möglicherweise mit dem HI-Virus infiziert) verletzt noch nicht die absolut geschützte Intimsphäre.

Auch die Mitteilung des Tatvorwurfs, dass die Betroffene mit anderen Personen ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt habe, ohne Darstellung weiterer Einzelheiten berührt im Zusammenhang mit einer Berichterstattung über eine mögliche HIV-Infektion lediglich die Privatsphäre.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 9 W 122/09

12.06.2009

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

hat der 9. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Richter am Kammergericht Dr. Vossler, die Richterin am Amtsgericht Knecht sowie den Richter am Kammergericht Damaske

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 15. Mai 2009 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 12. Mai 2009 (27.O.485/09) wird auf deren Kosten nach einem Wert von 25.000 Euro zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Soweit das Landgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt hat, steht der Antragstellerin ein Unterlassungsanspruch gemäß § 823, 1004 Absatz 1 Satz 2 BGB analog, Art. 1 Absatz 1, Art. 2 Absatz 1 GG nicht zu.

Zwar stellt die öffentliche Berichterstattung über eine Straftat unter Namensnennung und Abbildung des Täters regelmäßig eine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts dar, weil das Fehlverhalten öffentlich bekannt gemacht und die Person in den Augen des Publikums negativ qualifiziert wird (BGH NJW 2006, 599). Dies gilt in besonderem Maße, wenn lediglich über laufende Ermittlungen berichtet wird, wegen der Gefahr, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und deshalb auch im Fall einer späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens nicht ausgeschlossen ist, dass vom Schuldvorwurf "etwas hängen bleibt" (BGH NJW 2000, 1036).

Die Antragsgegnerin hat die aus diesem Grunde besonderes hohen Anforderungen an eine zulässige Verdachtsberichterstattung über die gegen die Antragstellerin laufenden strafrechtlichen Ermittlungen jedoch erfüllt.

"Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Berichterstattung ist zunächst das Vorliegen eines Mindestbestandes an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen (...). Dabei sind die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht um so höher anzusetzen, je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird (...). Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten, also durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen strafbaren Handlung bereits überführt (...). Unzulässig ist nach diesen Grundsätzen eine auf Sensationen ausgehende, bewusst einseitige oder verfälschende Darstellung; vielmehr müssen auch die zur Verteidigung des Beschuldigten vorgetragenen Tatsachen und Argumente berücksichtigt werden (...). Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen (...). Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist." (BGH NJW 2000, 1036)

Dass es ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren sowie einen Haftbefehl gegen die Antragstellerin gab, ist unbestritten. Insoweit stützte sich die Berichterstattung der Antragsgegnerin nicht auf haltlose Verdächtigungen oder Spekulationen. Die Antragsgegnerin konnte vielmehr von einem Mindestbestandes an Beweistatsachen - letztlich aufgrund der Pressemitteilungen der Staatsanwaltschaft - ausgehen. Es liegt keine die Antragstellerin vorverurteilende Darstellung vor, sondern es wird deutlich gemacht, dass es sich lediglich um einen Verdacht handelt. Insoweit erfolgte auch keine bewusst einseitige oder verfälschende Darstellung. Aus der Berichterstattung ergibt sich weiter, dass versucht wurde, eine Stellungnahme der Antragstellerin einzuholen.

Der Senat ist auch der Auffassung, dass es sich bei dem Vorfall, dass gegen ein Mitglied der erfolgreichsten deutschen Girlband der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung erhoben wird, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und sogar Haftbefehl erlassen wird, um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handelte, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit gerechtfertigt ist. Ob insoweit ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin vorliegt, muss durch eine Güterabwägung der widerstreitenden Interessen beider Parteien bestimmt werden. Diese Abwägung führt vorliegend letztlich dazu, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin hinter der Pressefreiheit zurückstehen muss.

1. Unzutreffend ist zunächst die Auffassung der Antragstellerin, dass allein außergewöhnliche, spektakuläre Straftaten eine identifizierende Berichterstattung über ein Strafverfahren rechtfertigen können. Vielmehr kann eine Berichterstattung auch bei Straftaten unterhalb der Schwelle der Schwerkriminalität zulässig sein, wenn die Art der Tat oder die Person bzw. Stellung des Täters ein Informationsinteresse rechtfertigten (BGH NJW 2006, 599; BVerfG NJW 2006, 2835). Die Erwägungen der Entscheidung des Senates in dem Urteil zur öffentlichen Berichterstattung über den Verkehrsverstoß eines Angehörigen des Hochadels (GRUR 2004, 1059) können ohnehin nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Die tatsächlichen Grundlagen der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen sind nicht vergleichbar. Vorliegend steht ein gänzlich anderer Vorwurf im Raume, der im Hinblick auf die Rechtfertigung eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin zu prüfen ist.

2. Auch ist der Aktualitätsbezug unproblematisch gegeben, weil die Berichterstattung der Antragsgegnerin das Ermittlungsverfahren und konkret die Verhaftung der Antragstellerin zum Anlass hatte. Insoweit kommt es nicht auf den zurückliegenden Zeitpunkt der vorgeworfenen Tathandlungen an.

3. Für eine Zulässigkeit der Veröffentlichung spricht der nach wie vor gegebene Bekanntheitsgrad der Antragstellerin. Die Antragstellerin war auch im Zeitpunkt der angegriffenen Berichterstattung nach wie vor noch im Bewusstsein der Öffentlichkeit als Mitglied der Girlband N A präsent. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts (Seite 5 des Beschlusses) wird Bezug genommen.

Der BGH wie auch das BVerfG (BGH NJW 2009, 754; BVerfG NJW 2008, 1793) haben wiederholt dargelegt, dass prominente Personen der Allgemeinheit Möglichkeiten der Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen bieten sowie Leitbild- oder Kontrastfunktionen erfüllen können. Selbst die Normalität ihres Alltagslebens kann der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen. Dies trifft gerade auf die Antragstellerin zu, die mit der Girlband N A zu einem Idol und Leitbild deutscher Jugendlicher geworden ist, weil sie den Traum vieler junger Menschen, Popstar zu werden, für sich selbst realisieren und leben konnte. Zu Recht hebt das Landgericht hierbei hervor, dass der Antragstellerin insoweit auch eine Vorbildfunktion in der Öffentlichkeit zukommt.

4. Zu Recht berücksichtigt das Landgericht in der Abwägung auch, dass die Immunschwächekrankheit AIDS, der Umgang mit dieser Krankheit, Fragen der Ansteckung und Prävention, usw. nach wie vor im Interesse der Öffentlichkeit stehen. Die Haltung der Antragstellerin hierzu sowie ihr Verhalten im Umgang mit dieser Krankheit können in diesem Zusammenhang von öffentlichem Interesse sein. Insoweit werden, was für die Abwägung bedeutsam ist, durchaus Fragen thematisiert, welche die Öffentlichkeit mit Rücksicht auf eine für die Demokratie wichtige öffentliche Meinungsbildung wesentlich angehen und nicht lediglich der Befriedigung von Neugier des Publikums dienen (BGH NJW 2006, 2835).

5. Demgegenüber greift der durchaus gewichtige Umstand, dass die Berichterstattung über das Ermittlungsverfahren, den strafrechtlichen Vorwurf sowie die Verhaftung unweigerlich die Offenbarung einer möglichen HIV-Infektion sowie der Tatsache, dass die Antragstellerin mit anderen Personen ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt hat, nach sich zieht, letztlich nicht durch. Zwar liegt insoweit ein Eingriff in die Privatsphäre (nicht aber die Intimsphäre) vor, dieser ist aber ebenfalls wegen der Bekanntheit der Antragstellerin in der Öffentlichkeit und deren Bedeutung (vor allem für Jugendliche) als Idol und Leitbild und wegen der Bedeutung, die die Thematik des Umgangs mit der Immunschwächekrankheit AIDS in der Öffentlichkeit hat, gerechtfertigt. Einzelheiten aus dem Sexualleben der Antragsteller werden nicht thematisiert.

a) Die Äußerungen, die Antragstellerin solle mit drei Männern ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt haben, wobei sie zumindest einen angesteckt haben soll, berühren nicht die absolut geschützte Intimsphäre, sondern allenfalls die Privatsphäre der Antragstellerin.

Das BVerfG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass wegen der besonderen Nähe zur Menschenwürde ein Kernbereich privater Lebensgestaltung als absolut unantastbar geschützt ist (s.a. KG NJW-RR 2004, 1415 - 10. ZS). Diesem absolut geschützten Kernbereich, zu dem insbesondere auch Ausdrucksformen der Sexualität gehören, ist die Privatsphäre in der Schutzintensität nachgelagert (BVerfG NJW 2008, 39 - Esra). Selbst schwerwiegende Interessen der Allgemeinheit können Eingriffe in diesen Bereich nicht rechtfertigen; eine Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes findet nicht statt (BVerfG NJW 1990, 563- Tagebuchaufzeichnungen).

Allerdings weist das BVerfG auch darauf hin, dass schon die Berührung mit der Persönlichkeitssphäre eines anderen Menschen einer Handlung oder Information eine soziale Bedeutung verleiht. Die Zuordnung eines Sachverhalts zum unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung oder zu jenem Bereich des privaten Lebens, der unter bestimmten Voraussetzungen einem Zugriff offen steht, hängt zwar nicht allein davon ab, ob eine soziale Bedeutung oder Beziehung überhaupt besteht, sondern vielmehr davon, welcher Art und wie intensiv diese ist. Dies lässt sich nicht abstrakt beschreiben; es kann befriedigend nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des einzelnen Falls beantwortet werden. Ob ein Sachverhalt diesem Kernbereich zugeordnet werden kann, hängt entscheidend davon ab, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (BVerfG NJW 1990, 563- Tagebuchaufzeichnungen). Ob eine Darstellung der Intim- oder nur der Privatsphäre zuzurechnen ist, ist deshalb auch danach zu beurteilen, in welchem Umfang auf Einzelheiten eingegangen wird (Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap. 5, Rn. 49). Der bloße Hinweis auf einen Ehebruch enthält zwar auch die Mitteilung sexueller Beziehungen, betrifft aber nur die Privatsphäre (BGH NJW 1999, 2893 - vgl. zu weiteren Beispielen Wenzel/Burkhardt a.a.O.).

Auch im vorliegenden Fall wird allein der Umstand, dass die Antragstellerin mit ihren jeweiligen Partnern Geschlechtsverkehr gehabt hat, mitgeteilt. Dagegen werden keinerlei Einzelheiten hierzu berichtet. Andererseits gefährdet der ungeschützte Geschlechtsverkehr vor dem Hintergrund einer möglichen HIV-Infektion der Antragstellerin ihre Partner erheblich, weshalb ihr diesbezügliches Verhalten deren Belange schwerwiegend beeinträchtigt. Da dieses Handeln auch den Straftatbestand einer gefährlichen Körperverletzung erfüllen kann, sind schließlich auch Belange der Öffentlichkeit berührt. Dass die Antragstellerin mit drei Männern ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt und zumindest einen angesteckt haben soll, gehört deshalb noch nicht zur Intimsphäre. Eine Mitteilung dieser Umstände verletzte daher nicht den absolut geschützten Kernbereich der Privatsphäre.

Im Hinblick auf diese Problematik lässt sich auch die von der Antragstellerin zitierte Entscheidung BVerfG NJW 2008, 39 (Esra) nicht schematisch auf den vorliegenden Fall übertragen. Die Antragstellerin meint hierzu, wenn selbst die Kunstfreiheit eine Verletzung der Intimsphäre nicht rechtfertigen könnte, dann müsse dies umso mehr im vorliegenden Fall gelten. In dem in der Entscheidung des BVerfG behandelten Roman ging es allerdings um genaue Schilderungen intimster Details. Der Roman enthielt insoweit an mehreren Stellen die Darstellung sexueller Handlungen zwischen der vermeintlichen Klägerin und dem Ich-Erzähler. Derartige Details waren vorliegend nicht Gegenstand der Berichterstattung.

b) Auch die Mitteilung, die Antragstellerin sei möglicherweise mit dem HI-Virus infiziert, verletzt nicht die absolut geschützte Intimsphäre.

Soweit es allein um die Mitteilung der Krankheit an sich geht, gehört dies ebenfalls lediglich zur Privatsphäre und nicht zur absolut geschützten Intimsphäre. Auch dies ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt (BGH NJW 2009, 754; NJW 2007, 1977; BVerfG NJW 2008, 39). Insoweit ist die Privatsphäre ebenfalls nicht absolut geschützt. So kann ein Eingriff in die Privatsphäre durch eine Berichterstattung über eine Krankheit des Betroffenen durch ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerechtfertigt sein. Dies gilt z.B. dann, wenn die Krankheit unmittelbare Folgen für das öffentliche Wirken der betroffenen Person nach sich zieht.

Allerdings hat im vorliegenden Fall der Umstand besondere Beachtung zu finden, dass es sich bei der möglichen Erkrankung um eine HIV-Infektion handelt. Zwar sind insoweit die von der Antragstellerin in diesem Zusammenhang formulierten Bedenken zu berücksichtigen, wonach die öffentliche Nennung dieser Erkrankung zur Stigmatisierung und Isolierung im sozialen Umfeld führen kann. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass in der Öffentlichkeit mit einer HIV-Infektion anders umgegangen wird als mit einer anderen schweren Erkrankung. Deshalb bedarf dieser Aspekt in besonderem Maß einer Berücksichtigung bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen. Jedoch ist der Umgang mit der Immunschwächekrankheit AIDS in der Öffentlichkeit nicht mehr in einem solchen Maße von Irrationalität geprägt, wie dies noch vor Jahren der Fall war. Mittlerweile ist hinreichend bekannt, dass zum einen das HI-Virus auch unabhängig von bestimmten Sexualpraktiken übertragen werden kann und dass zum anderen einer Ansteckung durch präventive Maßnahmen sicher vorgebeugt werden kann. Die Erwägungen des OLG Hamburg in seiner von der Antragstellerin zitierten Entscheidung NJW-RR 1988, 736, wonach für eine Persönlichkeitsrechtsverletzung die Vermittlung des Eindruck genüge, jemand könne mit einiger Wahrscheinlichkeit mit dem HI-Virus infiziert sein, weil "angesichts der gegenwärtig herrschenden Angst vor dieser Krankheit und deren ... rational nicht mehr begründbaren Übersteigerung, der von einem solchen Verdacht Betroffene ins Gewicht fallende Beeinträchtigungen in seinem sozialen Umfeld erwarten muss", treffen deshalb nach mehr als zwanzig Jahren nicht mehr zu.

Alles in allem bestand im vorliegenden Fall demnach ein legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an dem Gegenstand des gegen die Antragstellerin geführten Ermittlungsverfahrens und in diesem Zusammenhang mit einer möglichen HIV-Infektion der Antragstellerin, welches insgesamt den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin und hierbei insbesondere die Beeinträchtigung der Privatsphäre rechtfertigte.

Dass gegen ein Mitglied der erfolgreichsten deutschen Girlband der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung erhoben wird, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und sogar Haftbefehl erlassen wird, stellt sich im Ergebnis deshalb als ein Vorgang von gravierendem Gewicht dar, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit gerechtfertigt ist.

Die Abwägung der Pressefreiheit gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Bei der Antragstellerin handelt es sich um eine in der Öffentlichkeit weithin bekannte Pop-Sängerin und die angesprochene Thematik des Umgangs mit der Immunschwächekrankheit AIDS berührt die Öffentlichkeit in besonderem Maße. An der Haltung und dem Verhalten der Antragstellerin kann dieses Thema exemplarisch besonderes deutlich gemacht werden, gerade weil der ungeschützte Geschlechtsverkehr im Falle einer möglichen HIV-Infektion den Sexualpartner erheblich gefährdet. Der Vorgang hat zudem unmittelbare Auswirkungen auf die berufliche Tätigkeit der Antragstellerin in der Öffentlichkeit.

Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass es sich um eine Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat handelt. Auch insoweit ist ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit anzuerkennen. Es dürfte Teilen der Bevölkerung zudem weitgehend unbekannt gewesen sein, dass das der Antragstellerin vorgeworfene Verhalten den Straftatbestand einer gefährlichen Körperverletzung erfüllen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Absatz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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