Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 03.11.2008
Aktenzeichen: 9 W 143/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 117 Abs. 1
ZPO § 117 Abs. 1 S. 2
ZPO § 118 Abs. 1 S. 1
ZPO § 127 Abs. 2 S. 2
ZPO § 129a
ZPO § 139
ZPO §§ 567 ff.
ZPO § 572 Abs. 3
Zu den Anforderungen an den Vortrag einer anwaltlich nicht vertretenen Partei im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 9 W 143/08

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Nippe und die Richter am Kammergericht Damaske und Dr. Vossler am 3. November 2008 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 24. September 2008 - 13 O 366/08 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 i. V. m. §§ 567 ff. ZPO zulässig und hat auch in der Sache vorläufigen Erfolg.

Der Antragsteller verbüßt derzeit eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt T?? . Er begehrt Prozesskostenhilfe für eine auf die Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz gerichtete Amtshaftungsklage gegen das L?? B??? . Das Landgericht hat den Antrag, ohne sich inhaltlich näher mit dem geltend gemachten Begehren auseinanderzusetzen und den Antragsgegner hierzu gemäß § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO anzuhören, zurückgewiesen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung "nicht die geringste Aussicht auf Erfolg habe" und darüber hinaus auch "grob mutwillig sei". Schon die Voraussetzungen einer Amtspflichtverletzung habe der Antragsteller nicht einmal ansatzweise dargelegt. Seinen bloßen Andeutungen sei konkret nichts zu entnehmen. Es sei aber im Zivilprozess nicht die Aufgabe des Gerichts, sich aus irgendwelchen eingereichten Unterlagen den für den Antragsteller günstigen Tatsachenvortrag selbst zusammenzusuchen. Erst Recht habe der Antragsteller aber nicht einmal ansatzweise dargelegt, dass ihm aufgrund der angeblichen Amtspflichtverletzung auch nur der geringste Schaden welcher Art auch immer entstanden sei.

Mit dieser Begründung ist die Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrags des Antragstellers entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht zu rechtfertigen. Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen an die Antragstellung einer unbemittelten Partei im Prozesskostenhilfeverfahren keine überzogenen Anforderungen gestellt werden, damit nicht schon aus formalen Gründen der Weg zu Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgeschnitten wird. Die Benachteiligung der unbemittelten Partei, der nach der Rechtsprechung des BVerfG im Hinblick auf Art. 3 GG i. v. m. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) durch die Bereitstellung von Prozesskostenhilfe abzuhelfen ist (BVerfGE 81, 347 [356] = NJW 1991, 413), besteht gerade darin, dass diese Partei ohne rechtskundigen Rat auskommen muss, den sich eine bemittelte Partei von Anfang an verschaffen kann. Das erkennende Gericht hat einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe deshalb nach Möglichkeit so auszulegen, dass er sachlich Erfolg haben kann, zumindest jedoch nicht aus formalen Erwägungen abgelehnt wird (BVerfG, StV 1996, 445 f.; MüKo-ZPO/Motzer, 3. Aufl., § 117 Rn. 14).

Diese verfassungsrechtlichen Grundsätze hat das Landgericht in seiner angegriffenen Entscheidung nicht hinreichend beachtet. Entgegen seiner Auffassung ist der Vortrag des Antragstellers nicht von vornherein ungeeignet, um die Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs und damit gemäß § 114 ZPO die Erfolgsaussichten einer Klage gegen den Antragsgegner darzulegen. Zur Begründung seiner beabsichtigten Klage nimmt der Antragsteller ausdrücklich auf die seinem Antrag beigefügten strafvollstreckungsrechtlichen Entscheidungen des Landgerichts Berlin und des Kammergerichts Bezug. Entgegen der Auffassung des Landgerichts handelt es sich bei diesen Beschlüssen nicht um "irgendwelche Unterlagen", aus denen für den Antragsteller günstige Tatsachen herausgesucht werden müssten, vielmehr wird dort - mit Bindungswirkung für einen nachfolgenden Amtshaftungsprozess (vgl. BGH, NJW 2006, 3572; BGHZ 161, 33 [34] = NJW 2005, 58) - ausdrücklich festgestellt, dass die Offenlegung eines vertraulichen Schreibens des Antragstellers sowie seine abgesonderte Unterbringung durch den Antragsgegner über einen Zeitraum von mehreren Tagen rechtswidrig waren.

Unter diesen Voraussetzungen hätte das Landgericht den Prozesskostenhilfeantrag nicht ohne weitere Bearbeitung und Prüfung ablehnen dürfen, auch wenn der Vortrag des Antragstellers derzeit wohl tatsächlich nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen des § 117 Abs. 1 S. 2 ZPO entspricht. Vielmehr wäre der Antragsteller gemäß § 139 ZPO auf die betreffenden Mängel hinzuweisen gewesen, um ihm eine Abhilfe zu ermöglichen. Gegenfalls hätte der Antragsteller auch darüber belehrt werden können, dass entsprechende Erklärungen gemäß §§ 117 Abs. 1, 129a ZPO auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts abgegeben werden können (so ausdrücklich OLG Bamberg, OLGR 2001, 273). Schließlich hätte das Landgericht vor einer Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag eine Anhörung des Antragsgegners zu veranlassen gehabt. Auf die gemäß § 118 Abs. 1 S.1 ZPO vorgeschriebene Beteiligung des Gegners kann, wenn überhaupt, nur dann verzichtet werden, wenn der Prozesskostenhilfeantrag von vornherein unbegründet erscheint (MüKo-ZPO/Motzer, a. a. O.; § 118 Rn. 7; vgl. auch BGH, NJW 2008, 1939 [1940]), was vorliegend jedoch aus den bereits genannten Gründen nicht der Fall ist.

Zu einer eigenen Sachentscheidung sieht sich der Senat nach dem derzeitigen Sachstand nicht in der Lage, da sich die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage aufgrund der bislang nicht erfolgten Bearbeitung und Förderung des Verfahrens durch das Landgericht nicht abschließend beurteilen lassen. Die Sache war deshalb gemäß § 572 Abs. 3 ZPO an das Landgericht zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der obigen Ausführungen zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

Zurück