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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 20.03.2009
Aktenzeichen: 9 W 49/09
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 309 Nr. 6
BGB § 309 Nr. 9
1. Eine formularvertragliche Regelung, wonach die ordentliche Kündigung eines Unterrichtsvertrags nur unter Einhaltung einer fünfmonatigen Kündigungsfrist zum Semesterende möglich ist, verstößt gegen § 309 Nr. 9 BGB.

2. Eine Vertragsstrafe nach § 309 Nr. 6 BGB setzt nicht zwingend voraus, dass der andere Vertragsteil im Falle eines Verstoßes zu einer gesondert ausgewiesenen Leistung verpflichtet wird. Vielmehr genügt es auch, wenn ihm lediglich eine zuvor gewährte Vergünstigung entzogen wird, solange es sich nicht um eine reine Vorfälligkeitsklausel handelt.

3. Zur Wirksamkeit einer Klausel in einem Unterrichtsvertrag, wonach das monatliche Entgelt auch während der unterrichtsfreien Schulferien zu entrichten ist.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 9 W 49/09

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Richter am Kammergericht Dr. Vossler als Einzelrichter am 20. März 2009 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 13. Januar 2009 - 37 O 473/08 - teilweise abgeändert und der Beklagten Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin C P gewährt, soweit die geltend gemachte Klageforderung den Betrag von 1152 EUR übersteigt. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Klägerin ist Trägerin einer privaten Fachoberschule. Die Beklagte schloss am 2. Juni 2006 mit der Klägerin einen Ausbildungsvertrag für ihre Tochter A E Ausbildungsziel war die Vermittlung der Fachhochschulreife. Als Vertragsbeginn wurde der 1. August 2006 vereinbart, wobei sich die Ausbildung über zwei gesetzliche Schuljahre im Vollzeitunterricht erstrecken sollte. Nachdem die Beklagte das Vertragsverhältnis am 13. Mai 2007 vorzeitig kündigte, nimmt die Klägerin sie auf Zahlung des nach ihrer Auffassung noch geschuldeten Schulgeldes in Höhe von 7.992,00 EUR gerichtlich in Anspruch. Den Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Landgericht mit der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen, wogegen sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde wendet.

II. Das gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO zulässige Rechtsmittel der Beklagten ist überwiegend begründet. Die beabsichtigte Rechtsverteidigung hat größtenteils Aussicht auf Erfolg und ist auch nicht mutwillig (§ 114 ZPO), da die erhobene Klage nach dem derzeitigen Aktenstand bis auf einen Betrag von 1152 EUR als unbegründet abzuweisen wäre. Darüber hinaus hat die Beklagte auch nachgewiesen, dass sie nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aus eigenen Mitteln aufzubringen.

1. Der Klägerin steht die mit der Klage geltend gemachte Schuldgeldforderung lediglich in Höhe von 1152,00 EUR zu. Aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 13. Mai 2007 wurde das streitgegenständliche Vertragsverhältnis nach Ablauf der in § 621 Nr. 3 BGB vorgesehenen Frist zum Ablauf des 31. Mai 2007 beendet. Die Laufzeitvereinbarungen in den Vertragsbedingungen der Klägerin stehen dem nicht entgegen, da diese aufgrund eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 9 BGB unwirksam sind.

a. Die Regelung in Ziffer 3 Nr. 1 des Vertrages, wonach dieser "grundsätzlich" über die Dauer der vereinbarten Ausbildung abgeschlossen wird, verstößt gegen § 309 Nr. 9 lit. a BGB. Zwar beträgt die Ausbildungsdauer gemäß Ziffer II Nr. 3 der Vertragsbedingungen an sich lediglich zwei Jahre und überschreitet damit für sich genommen noch nicht die in § 309 Nr. 9 lit. a BGB vorgesehene maximale Laufzeit von ebenfalls zwei Jahren. Allerdings ist die genannte Vorschrift nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung dahin auszulegen, dass die den anderen Vertragsteil bindende Laufzeit eines Dauerschuldverhältnisses nicht erst mit dem Zeitpunkt der Leistungserbringung, sondern bereits mit dem Abschluss des Vertrages beginnt. Dies folgt aus dem Wortlaut und vor allem dem Schutzzweck der Bestimmung, wonach verhindert werden soll, dass der Verbraucher durch eine übermäßig lange Vertragsbindung in seiner Dispositionsfreiheit beeinträchtigt wird (BGHZ 122, 63, 67 ff. = NJW 1993, 1651; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 309 Rn. 84). Da der vorliegende Vertrag bereits zwei Monate vor Beginn der Leistungserbringung geschlossen wurde, wird die maximale Bindungsfrist insgesamt deutlich überschritten, was zur Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung führt.

b. Ferner wird das ordentliche Kündigungsrecht der Beklagten auch nicht durch Ziffer IV Nr. 1 der Vertragsbedingungen eingeschränkt, da die dortigen Regelungen gegen § 309 Nr. 9 lit. c. BGB verstoßen und deshalb unwirksam sind. Nach der genannten Bestimmung ist eine ordentliche Kündigung des Vertrags nur zum Ende eines Semesters und unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von fünf Monaten möglich. Zwar ist § 309 Nr. 9 lit. c. BGB nach seinem Wortlaut an sich nur auf befristete Vertragsverhältnisse anwendbar. Ob die Anwendung der Vorschrift allerdings auch dann ausgeschlossen ist, wenn ein Vertrag - wie vorliegend - gemäß § 306 Abs. 2 BGB als unbefristet zu behandeln ist, weil sich eine vertraglich vorgesehene Befristung infolge eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 9 lit. a BGB als unwirksam erweist, ist bislang - soweit ersichtlich - nicht geklärt und bedarf auch vorliegend keiner abschließenden Entscheidung.

Denn die Anwendbarkeit von § 309 Nr. 9 lit. c. BGB folgt hier bereits aus dem Umstand, dass eine Kündigung des Vertrags nach Ziffer IV Nr. 1 der Vertragsbedingungen lediglich zu zwei bestimmten Terminen im Laufe eines Jahres möglich sein soll. Diese Regelung hat im Ergebnis die gleiche Wirkung wie die Vereinbarung einer stillschweigenden Vertragsverlängerung. Versäumt der Verbraucher eine rechtzeitige Kündigung des Vertrages, ist er insgesamt elf weitere Monate gebunden. Somit verwirklicht sich genau das von § 309 Nr. 9 lit. c BGB ins Auge gefasste Risiko, dass sich der Vertrag bei Versäumung der Kündigung um einen Zeitraum verlängert, welcher erheblich über den Umfang des Versäumnisses hinausgeht, weshalb eine (zumindest entsprechende) Anwendung der Vorschrift gerechtfertigt erscheint (AG Hamburg, NJW-RR 1998, 1593; Wolf/Lindacher/Pfeifer/Dammann, AGB-Recht, 5. Aufl., § 309 Nr. 9 Rn. 75; Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 309 Rn. 86; a. A. AG Gütersloh, MDR 1984, 404). Im Ergebnis ist die in Ziffer IV Nr. 1 der Vertragsbedingungen vorgesehene Einschränkung des Kündigungsrechts somit infolge einer Überschreitung der maximalen Kündigungsfrist von drei Monaten gemäß § 309 Nr. 9 lit. c BGB unwirksam.

2. Darüber hinaus kann auch die in der Zusatzvereinbarung zum Ausbildungsvertrag enthaltene Verfallsklausel keinen Bestand haben. Nach der dort vorgesehenen Regelung entfallen Zahlungserleichterungen, welche die Klägerin ihren Vertragspartnern in der Form eines von ihr so bezeichneten "Stipendiums" gewährt, wenn diese mit der Zahlung von zwei Raten des vereinbarten Entgelts um mehr als zwei Wochen in Verzug kommen. Statt eines ermäßigten Schuldgeldes von 36 Monatsraten á 96,00 EUR (insgesamt 3456,00 EUR) hat der betreffende Vertragspartner dann 24 Monatsraten á 460,00 EUR (insgesamt 11.040,00 EUR) zu entrichten. Ein Zahlungsverzug wirkt sich nach dieser formularvertraglichen Bestimmung nicht nur auf die in der Zukunft fälligen Raten aus, sondern führt zum rückwirkenden Wegfall der gewährten Zahlungserleichterungen, wobei sich ergebende Nachzahlungen sofort fällig werden sollen.

Diese Regelung ist bereits aufgrund eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 6 BGB unwirksam. Denn bei der in Rede stehenden Bestimmung handelt es sich der Sache nach um eine durch den Zahlungsverzug des Verbrauchers ausgelöste Vertragsstrafe, auch wenn sie in den Vertragsbedingungen der Klägerin nicht als solche bezeichnet wird. Soweit das Landgericht hingegen die Auffassung vertritt, dem Schuldner werde durch die Regelung lediglich eine zuvor gewährte Vergünstigung entzogen, wogegen nichts einzuwenden sei, ist dies nicht stichhaltig. Nach überwiegender und zutreffender Auffassung findet § 309 Nr. 6 BGB auch auf Verfallsklauseln Anwendung, die dem Schuldner keine zur Hauptleistungspflicht hinzutretende Geld- oder Sachleistungspflicht auferlegen, sondern (lediglich) zum Wegfall gewährter Vergünstigungen führen (Wolf/Lindacher/Pfeifer/Dammann, a. a. O., § 309 Nr. 6, Rn. 16; Bamberger/Roth/Becker, BGB, 2. Aufl., § 309 Nr. 6), sofern es sich nicht um reine Vorfälligkeitsklauseln handelt (vgl. dazu BGH, NJW 1986, 46, 48). Die Gegenauffassung, nach der es darauf ankommen soll, ob der Kunde zu einer gesondert ausgewiesenen Zahlung verpflichtet wird (so Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., § 309 Nr. 6 Rn. 7), vermag im Hinblick auf Schutzzweck der Norm nicht zu überzeugen.

Sofern man dessen ungeachtet den Anwendungsbereich von § 309 Nr. 6 BGB dennoch nicht als eröffnet ansehen wollte, wäre die in Rede stehende Vertragsbestimmung jedenfalls infolge eines Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam, da sie die Vertragspartner der Klägerin entgegen von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Die von der Klägerin verwendete Verfallsklausel kann - insbesondere aufgrund der dort vorgesehenen Rückwirkung - zu außerordentlich unbilligen Härten führen, welche durch die berechtigten Interessen der Klägerin nicht gerechtfertigt werden. So wäre es etwa im ungünstigsten Fall denkbar, dass ein Vertragspartner erst mit den letzten beiden Monatsraten geringfügig in Verzug gerät, was für ihn zur Folge hätte, dass er für die von der Klägerin erbrachten Leistungen satt 3.456,00 EUR mit 11.040,00 EUR mehr als den dreifachen Betrag zu zahlen hätte, obwohl er seine Vertragspflichten nur ganz geringfügig verletzt hat. Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin an einer derart einseitigen Regelung ist entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung nicht erkennbar.

4. Der Umstand, dass das monatliche Schuldgeld nach den Vertragsbestimmungen der Klägerin auch während der Ferienzeit bezahlt werden muss, ist im Ergebnis hingegen nicht zu beanstanden. Zwar wird in derartigen Vergütungsregelungen bei Unterrichtsverträgen teilweise ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 u. 2 BGB gesehen, weil je nach Laufzeit des Vertrages der Preis für eine Unterrichtsstunde wesentliche Unterschiede aufweisen könne und außerdem durch die Verschleierung des wahren Preises gegen das Transparenzgebot verstoßen werde (OLG Frankfurt, NJW-RR 1992, 1207; Wolf/Lindacher/Pfeifer/Dammann, a. a. O., Klausel U 4). Allerdings weist das vorliegende Vertragsverhältnis die Besonderheit auf, dass es auf eine feste Laufzeit und einen bestimmten Abschluss angelegt ist. Anders als bei sonstigen Unterrichtsverträgen ist für den Verbraucher in Anbetracht dessen der Preis einer einzelnen Unterrichtsstunde lediglich von untergeordneter Bedeutung. Schließlich ist der Vertrag entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 138 BGB sittenwidrig und nichtig, wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt hat.

5. Im Ergebnis erscheint die von der Klägerin geltend gemachte Forderung somit in Höhe von 1152,00 EUR berechtigt. Eine Vergütungspflicht der Beklagten besteht nach den obigen Ausführungen lediglich für den Zeitraum von August 2006 bis Mai 2007. Bei einer Gesamtvergütung für die eigentlich vorgesehene zweijährige Gesamtlaufzeit des Vertrags von 3456,00 EUR (36 Monatsraten á 96,00 EUR) beträgt das auf einen Monat entfallende Entgelt 144,00 EUR. Für die insgesamt zehnmonatige Vertragslaufzeit schuldet die Beklagte somit 1440,00 EUR, wovon sie 288,00 EUR bereits bezahlt hat, womit eine Restforderung in der genannten Höhe von 1152,00 EUR verbleibt.

6. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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