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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 11.07.2002
Aktenzeichen: Not 10/01
Rechtsgebiete: BNotO


Vorschriften:

BNotO § 4
BNotO § 6
Der Antrag eines Notarbewerbers, die Justizverwaltung zur Ausschreibung von Notarstellen zu verpflichten, ist unzulässig.

Die Entscheidung der Justizverwaltung, die für die Bedürfnisprüfung nach § 4 BNotO maßgebende Zahl von Urkundsgeschäften pro Notar von 250 auf 325 heraufzusetzen, verletzt (potenzielle) Notarbewerber nicht in einem subjektiven Recht.


KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: Not 10/01

In der Notarsache

hat der Senat für Notarsachen des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Erich, den Notar Dr. Tens und den Richter am Kammergericht Feskorn am 11. Juli 2002 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Präsidentin des Kammergerichts vom 10. August 2001 - RA AR 27/01 - sowie der auf die Durchführung einer Ausschreibung gerichtete Antrag werden als unzulässig verworfen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Wert wird für den Antrag auf Bestellung zum Notar auf 100.000 DM und für den Antrag auf Ausschreibung auf 50.000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der am 1966 geborene Antragsteller ist seit 1994 bei dem Landgericht Berlin und seit Dezember 1999 zugleich bei dem Kammergericht als Rechtsanwalt zugelassen.

Die Antragsgegnerin setzte für die Zeit ab Ende Oktober 2000 die Bedürfniszahlen für das Land Berlin von 250 auf 325 Notargeschäfte je Notar und Jahr herauf (ABl. 2000, 4226) und hob die so genannte Altersstrukturregelung in Abschnitt 1 Nr. 1 Abs. 3 ihrer früheren Allgemeinen Verfügung über Angelegenheiten der Notare (AVNot 1996, ABl. 1996, 1741) auf. Auf der Grundlage der neuen Bedarfszahlen verneinte die Antragsgegnerin einen Bedarf für die Bestellung von weiteren Notaren und schrieb deshalb im Jahr 2001 keine Stellen aus.

Mit Schreiben vom 14. Juni 2001 bewarb sich der Antragsteller dennoch bei der Präsidentin des Kammergerichts um das Amt eines Notars. Diese teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 10. August 2001 mit, dass die von ihm eingereichten Unterlagen abgelegt worden seien. Weiteres könne von ihr nicht veranlasst werden, da mangels Stellenausschreibung kein Bewerbungsverfahren eröffnet sei.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit dem am 11. September 2001 beim Kammergericht eingegangen Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

Der Antragsteller trägt vor:

Er erfülle die Zugangsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 1 und 2 BNotO. Er habe sich im Vertrauen auf die zuvor geltende Regelung durch Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen auf die Bewerbung als Notar vorbereitet. Er habe auf Grund der gleichmäßigen Ausschreibungspraxis in den vergangenen Jahren davon ausgehen können, dass auch im Juni 2001 weitere 60 Notarstellen ausgeschrieben werden würden.

Er sieht durch die Ablehnung des Tätigwerdens der Antragsgegnerin sein Recht auf Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Artikel 33 Abs. 2 GG sowie Artikel 17 der Verfassung von Berlin verletzt. Die Antragsgegnerin habe diese Rechte durch eine gesetzwidrige Reduzierung der Notarstellen und das Unterlassen einer Ausschreibung unterlaufen. Daher sei sie nach Treu und Glauben so zu behandeln, als habe eine Ausschreibung stattgefunden, so dass er zum Notar zu bestellen sei.

Die frühere Altersstrukturregelung habe das Vertrauen begründet, dass bis in das Jahr 2003 jährlich etwa 60 Notarstellen ausgeschrieben werden würden. Da ohne diese Regelung damals auf einmal 374 Notare zu bestellen gewesen wären, stelle die Neuregelung den Entzug einer rechtsverbindlichen Zusage über künftig auszuschreibende Stellen dar, die außerdem für die Zukunft erneut eine Gefahr für eine geordnete Altersstruktur begründe.

Die Antragsgegnerin habe die Bedürfniszahl offensichtlich willkürlich verändert. Die Heraufsetzung der Bedürfniszahl auf 325 Urkundsgeschäfte sei nicht geboten gewesen. Sie sei insbesondere nicht durch die Gefahr des Bestandes von so genannten Kleinstnotariaten gerechtfertigt. Zum einen stellten diese keine Gefahr für die Rechtsuchenden dar, zum anderen könnte konkreten Gefahren durch geeignetere Mittel, zum Beispiel die Amtsenthebung der betreffenden Notare, entgegengetreten werden. Die Antragsgegner habe auch gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen, da sie keine Übergangsregelung vorgesehen und die Änderung ohne jede Vorankündigung vorgenommen habe. Sein Interesse an einer Fortgeltung der ursprünglichen Regelung sei insbesondere angesichts seiner erheblichen finanziellen Aufwendungen schutzwürdig.

Der Antragsteller beantragt,

der Antragsgegnerin unter Aufhebung des Bescheides vom 10. August 2001 aufzugeben, ihn zum Notar in Berlin zu bestellen,

und

die Antragsgegnerin zu verpflichten, unverzüglich in einer öffentlichen Ausschreibung diejenigen zu Bewerbungen für das Amt des Notars aufzufordern, die bis zum 3. November 2000 wenigstens nachhaltig mit der Ausbildung zum Notar begonnen haben und zwar unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen vor dem 3. November 2000, insbesondere der AVNot 1996 (Bedürfniszahl 250) und einer Bedürfnisprüfung anhand der Urkundsgeschäfte für die Jahre 1999 und 2000.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie hält die Anträge für unstatthaft. Das Schreiben vom 10. August 2001 stelle keinen Verwaltungsakt dar. Eine Ausschreibung von Notarstellen könne im Verfahren nach § 111 BNotO nicht erstritten werden, da es sich um eine Maßnahme der staatlichen Organisationsgewalt ohne unmittelbare Rechtswirkungen für potenzielle Notarbewerber handele.

Die Anträge seien außerdem unbegründet. Ihre Entscheidung, die Bedürfniszahlen auf nunmehr 325 Urkundsgeschäfte festzusetzen, sei sachgerecht. Eine zu geringe Zahl von Beurkundungsgeschäften trage wesentlich zur Bildung von so genannten Zwergnotariaten bei, die zu vermeiden seien, um Missständen bei der Betreuung der Rechtsuchenden vorzubeugen. Die bisherige Bedürfniszahl von 250 Urkundsgeschäften habe erheblich unter den Bedürfniszahlen in den übrigen Bundesländern des Anwaltsnotariats (Bremen 300, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein 400, Hessen 450) gelegen. Auch die Abschaffung der Altersstrukturregelung sei sachlich gerechtfertigt, da durch die Bestellung zahlreicher jüngerer Notare in den zurückliegenden Jahren die Altersstruktur in Berlin bis auf weiteres ausgewogen sei. Bei der aktuellen Bedürfniszahl von 325 hätte die Altersstrukturregelung keinerlei Bedeutung.

Die die Bewerbung des Antragstellers betreffenden Akten RA AR 27/01 der Präsidentin des Kammergerichts sowie die Personalakten des Antragstellers bei ihr und der Rechtsanwaltskammer Berlin lagen dem Senat vor.

II.

Der Antrag auf Bestellung zum Notar ist unzulässig, da die Antragsgegnerin nicht passiv legitimiert ist. Gemäß §§ 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO, 39 Abs. 1 BRAO ist der Antrag gegen die "Landesjustizverwaltung" zu richten. Darunter ist nicht die Senatsverwaltung zu verstehen, sondern die Justizverwaltung als Ganzes, einschließlich der nachgeordneten Behörden. Daraus ergibt sich, dass der Antrag gegen die Justizbehörde zu richten ist, die die angefochtene Entscheidung getroffen oder zu treffen hat (vgl. z.B. Schippel/Lemke, BNotO, 7. Auflage § 111 Rn 38; Abschnitt XVI Nr. 41 AVNot). Das ist hier gemäß Nr. 3 AVNot die Präsidentin des Kammergerichts.

Dieser Antrag wäre auch unbegründet. Erforderlich wäre eine Ausschreibung nach § 6 b BNotO. Ohne diese kann der Antragsteller nicht zum Notar bestellt werden (BGH, Beschluss vom 19.7.1999 - NotZ 4/99 - = MDR 1999, 1471; NJW 1993, 131; Bohrer, Das Berufsrecht der Notare, 1991, Rn 246). Der Antragsteller kann auch nicht nach Treu und Glauben oder einem vergleichbaren Gesichtspunkt (z.B. entsprechend dem Rechtsgedanken von § 162 BGB) so gestellt werden, als ob zumindest eine Notarstelle ausgeschrieben worden wäre. Die Ausschreibung dient auch dem aus Art. 12, 33 Abs. 2 GG herzuleitenden Recht aller potenziellen Notarbewerber, ebenfalls nach Leistung und Befähigung den Zugang zum Notaramt erlangen zu können (BVerfG DNotZ 1987, 121, 124). Erst nach Durchführung der Ausschreibung kann festgestellt werden, welchem Bewerber das Amt zu übertragen wäre. Durch eine isolierte (positive) Entscheidung über den Antrag des Antragstellers würden die Grundrechte aller übrigen Bewerber, die sich entsprechend der gesetzlichen Regelung erst auf eine Ausschreibung hin bewerben, verletzt werden.

Der Antrag auf Durchführung einer Ausschreibung ist ebenfalls unzulässig.

Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 111 BNotO ist grundsätzlich nur statthaft, wenn die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder die Verpflichtung der Landesjustizverwaltung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt wird. Der Antrag, die Antragsgegnerin zur (Einrichtung und) Ausschreibung von Notarstellen zu verpflichten, ist nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet.

Die Landesjustizverwaltung errichtet Notarstellen im Rahmen staatlicher Bedarfsplanung durch Ausübung des ihr in § 4 BNotO eingeräumten Organisationsermessens. Die Errichtung hat, wie auch die Einziehung, jedoch nur die abstraktorganisatorische Einheit, die als Bestandteil der öffentlichen Verwaltung der Erfüllung staatlicher Aufgaben dient, zum Gegenstand (BGH NJW1996,123 = DNotZ 1996, 902 = MDR 1996, 206; Ronellenfitsch, DNotZ 1990, 75, 78; Bohrer aaO Rn. 22, 24). Weder die Errichtung der Stelle noch deren Ausschreibung sind Verwaltungsakte (vgl. Bohrer aaO, Rn. 266). Die Maßnahmen haben keinen Regelungscharakter, die Errichtung ist darüber hinaus ein lediglich verwaltungsinterner Vorgang (BGH aaO).

Offen bleiben kann, ob entgegen dem Wortlaut von § 111 BNotO auch eine allgemeine Leistungsklage (vgl. dazu z.B. Schippel/Lemke BNotO 7. Auflage § 111 Rn 22) auf Vornahme einer Ausschreibung statthaft wäre.

Auch ein allgemeiner Leistungsantrag wäre entsprechend §§ 111 Abs. 1 Satz 2 BNotO, 42 Abs. 2 VwGO nur zulässig, wenn die behaupteten Tatsachen eine Verletzung subjektiver Rechte des Antragstellers möglich erscheinen lassen (vgl. BGH aaO; ferner BVerwG NVwZ-RR 1992, 371 mwN; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 42 Rn. 62). Das setzt voraus, dass die Verwaltung nach dem Vorbringen des Antragstellers Rechtssätzen zuwider gehandelt hat, die ausschließlich oder zumindest auch dem Schutz seiner Individualinteressen zu dienen bestimmt sind. Daran fehlt es hier. Selbst wenn die Antragsgegnerin von ihrem Organisationsermessen nach § 4 BNotO fehlerhaft Gebrauch gemacht haben sollte, wäre dadurch kein subjektives Recht des Antragstellers verletzt. Auch ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung besteht nur, wenn das materielle Recht dem Anspruchsteller ein subjektives Recht einräumt (vgl. nur Eyermann/Rennert, VwGO 11. Auflage, § 114 Rn 3).

Die Ausübung des der Justizverwaltung nach § 4 BNotO eingeräumten Organisationsermessens, die Anzahl der zu bestellenden Notare nach den Bedürfnissen einer geordneten Rechtspflege zu bestimmen, kann einen potenziellen Bewerber nicht in seinen subjektiven Rechten verletzen. § 4 BNotO ist keine Schutznorm zugunsten potenzieller Bewerber um eine Notarstelle. Die Bindung des in § 4 BNotO eingeräumten Ermessens an die Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege dient nicht dazu, die Berufsaussichten von Bewerbern, die an einer Notarstelle interessiert sind, zu sichern oder zu vergrößern. Die in § 4 BNotO statuierte Pflicht, Notare nach den Bedürfnissen einer geordneten Rechtspflege zu bestellen, besteht ausschließlich der Allgemeinheit und nicht einzelnen potenziellen Bewerbern gegenüber (BGH aaO; MDR 1998, 442; ebenso z.B. Eylmann-Vaasen/Schmitz-Valckenberg BNotO § 4 Rn 3; Schippel/Vetter aaO § 4 Rn 2; Bohrer aaO Rn 259).

Der Antragsteller kann einen Anspruch auf Durchführung einer Ausschreibung zur Ernennung weiterer Notare auch nicht aus seinen Grundrechten herleiten.

Weder Art. 12 GG noch Art. 33 Abs. 2 GG oder die entsprechenden Vorschriften der Verfassung von Berlin begründen ein subjektives Recht auf die Einrichtung und Ausschreibung einer bestimmten Anzahl von Notarstellen. Der Notar übt als Träger eines öffentlichen Amtes einen staatlich gebundenen, nach seinem Wesen und nach der Art der Aufgaben dem öffentlichen Dienst angenäherten Beruf aus. Dies hat zur Folge, dass die Bestimmung der Zahl der Amtsinhaber und der Zuschnitt der Notariate der Organisationsgewalt des Staats vorbehalten sind (BVerfGE 73, 280, 292 = DNotZ 1987, 121 = MDR 1987, 201; st. Rspr. des BGH, z. B. MDR 1992, 1167; DNotZ 1991, 89). Subjektive Rechte der Bewerber begründet Art. 12 GG insoweit nicht. Freiheit der Berufswahl besteht nur nach Maßgabe der vom Staat zur Verfügung gestellten Ämter (BVerfG aaO; BVerfG DNotZ 1964, 424, 429; BGH NJW 1996, 123, 124; 1993, 131, 132).

Zwar ist der Staat verpflichtet, die ordnungsgemäße Erfüllung der den Notaren zugewiesenen Aufgaben auch durch die Einrichtung einer angemessenen Zahl von Stellen sicherzustellen. Dabei handelt es sich aber um eine nur im öffentlichen Interesse liegende, der originären Organisationsgewalt des Staates zugewiesene Pflicht. Mit dieser korrespondieren keine Grundrechte einzelner Notarbewerber (BVerfG DNotZ 1987, 121, 123; BGH aaO). Art. 33 Abs. 2 GG gewährleistet nur den Zugang zu einem bestehenden öffentlichen Amt, begründet aber keinen Anspruch auf dessen Einrichtung.

Auch aus anderen Rechtssätzen lässt sich eine Antragsbefugnis nicht herleiten. Eine Fürsorgepflicht entsprechend beamtenrechtlichen Grundsätzen (vgl. § 48 BRRG) besteht nicht, weil der Bewerber um ein Notaramt noch nicht Notar ist. Allein die Absicht des Antragstellers, sich demnächst um eine Notarstelle zu bewerben, begründet keine Sonderrechtsbeziehung.

Eine ein subjektives Recht des Antragstellers rechtfertigende Selbstbindung der Verwaltung, auf der Grundlage bestimmter Bedürfniszahlen Notarstellen einzurichten, besteht ebenfalls nicht, da die Bedürfniszahl - zumindest seit der Novellierung von § 4 BNotO im Jahr 1991 - allein der o.g. organisationsrechtlichen Entscheidung zugeordnet ist, die keine subjektiven Rechte begründen kann (BGH DNotZ 1996, 902, 905; Bohrer aaO Rn 259 ff). Dasselbe gilt für die Aufhebung der sog. Altersstrukturregelung. Auch diese diente lediglich dem objektiven Interesse im Sinne von § 4 BNotO an einer ausgeglichenen Altersstruktur der Notare, nicht aber dem Interesse potenzieller Notarbewerber an einer (baldigen) Bestellung zum Notar.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Aufbau und Wortlaut der AVNot vom 22.4.1996. Darin findet sich kein Anhaltspunkt dafür, dass sich die Justizbehörden gegenüber potenziellen Bewerbern für die Zukunft binden wollten. Vielmehr wird unter 11 Abs. 1 ausdrücklich betont, dass sich die Bestellung von Notaren nach den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege richtet, also dem o.g. öffentlichen Interesse im Sinne von § 4 BNotO. Entgegen der Ansicht des Antragstellers enthält die AVNot 1996 auch unter Nr. 43 Abs. 1 keine Selbstverpflichtung, die Kriterien für die Bedürfnisprüfung in der AVNot bis 2006 nicht zu verändern. Die Befristung der Geltungsdauer der gesamten AVNot diente vielmehr dazu, bei bevorstehendem Zeitablauf zu prüfen, ob die Verfügung weiterhin (in dieser Form) erforderlich war. Damit wurde ein gesetzlicher Auftrag (§ 6 Abs. 5 AZG) zur Befristung von Verwaltungsvorschriften umgesetzt. Weder aus Wortlaut noch Zweck der Regelung ergibt sich eine Bindung der Verwaltung, den Inhalt der Verfügung vor dem 31. Mai 2006 nicht zu verändern. Für eine solche Regelung bestand auch keinerlei Veranlassung, da ein Bewerber grundsätzlich nicht darauf vertrauen kann, die Vorschriften über den Zugang zum Notariat würden sich nicht zu seinen Lasten verändern (BGH DNotZ 1985, 504, 506).

Entgegen der Ansicht des Antragstellers verletzt auch die Aufhebung der früher geltenden sog. Altersstrukturregelung kein ihm zukommendes subjektives Recht. Diese Regelung beruhte auf der allein objektiven Interessen dienenden Bedürfnisprüfung nach § 4 BNotO mit den Kriterien "angemessene Versorgung" (Bedarfszahl) und "geordnete Altersstruktur" (zeitliche Streckung) und konnte daher kein subjektives Recht von Notarbewerbern begründen.

Im Übrigen war die Regelung in 1 Nr. 1 Abs. 3 AVNot 1996 auch nicht geeignet, ein schutzwürdiges Vertrauen in die fortlaufende Bestellung einer bestimmten Anzahl von Notaren zu begründen. Denn die Zahl der künftig zu bestellenden Notare war nicht etwa zu einem bestimmten Zeitpunkt festgeschrieben worden, sondern wurde nach Satz 2 der Vorschrift jährlich neu ermittelt. Sowohl bei einer Reduzierung des Urkundsaufkommens wie bei einer - der Justizverwaltung möglichen - Anhebung der Bedarfszahl war daher auch nach der AVNot 1996 mit einer Verringerung der Zahl der neu zu besetzenden Notarstellen zu rechnen. Der Sache nach begrenzte die sog. Altersstrukturregelung nur die Anzahl der pro Jahr neu zu bestellenden Notare auf höchstens 1/25 der nach dem Urkundsaufkommen errechneten Gesamtzahl von Notaren, ließ aber eine sichere Vorhersage der im jeweiligen Folgejahr auszuschreibenden Anzahl von Notarstellen nicht zu.

Auch in der Sache hätte der Antrag keinen Erfolg, da die Antragsgegnerin das ihr zustehende Organisationsermessen nicht fehlerhaft ausgeübt hat.

Selbst wenn man - entgegen den obigen Ausführungen - der früheren Fassung der AVNot eine Selbstbindung der Antragsgegnerin entnehmen würde, Notare nach der Bedürfniszahl von 250 (und der Altersstrukturregelung) zu bestellen, wäre sie daran für die Zukunft nicht gebunden. Die AVNot erhält Außenwirkung nur durch den Anspruch auf Gleichbehandlung im Rahmen der ständigen Verwaltungspraxis. Eine Behörde ist nicht gehindert, ihre Praxis für die Zukunft zu ändern, wenn sie künftig alle Betroffenen gleich (schlechter) behandelt - wie durch die Änderung der AVNot - und diese Änderung nicht willkürlich ist (vgl. z.B. BVerwG NJW 1980, 75 mwN; Eyermann-Rennert, VwGO 11. Auflage § 114 Rn 28; BGH DNotZ 1985, 507, 508). Bewerber können grundsätzlich nicht darauf vertrauen, die Vorschriften über den Zugang zum Notariat würden sich nicht zu ihren Lasten verändern (BGH DNotZ 1985, 504, 506).

Der Entscheidung der Antragsgegnerin über die Änderung der AVNot liegen sachgerechte Erwägungen zugrunde.

Entgegen den Angriffen des Antragstellers ist die Verhinderung von Kleinstnotariaten ein anerkannter Grund für die Steuerung der Zahl der einzurichtenden Notarstellen. Insbesondere die durch eine niedrige Zahl von Beurkundungen begründete geringe Erfahrung stellt eine Gefahr für das rechtsuchende Publikum dar, der von Seiten der Justizbehörden entgegen zu wirken ist (std. Rspr. des BGH, z.B. DNotZ 1983, 236, 239 mwN; ebenso BVerfG DNotZ 1964, 424, 429; Bohrer, Das Berufsrecht der Notare Rn 239; Schippel/Vetter, BNotO 7. Auflage § 4 Rn 1). Diese Erwägung hat auch den Gesetzgeber zu der Änderung des § 4 BNotO durch das Gesetz vom 29.1.1991 veranlasst (vgl. BT-Drs. 11/6007, S. 9). Hinzu kommt die Gefahr des Verlustes der wirtschaftlichen Unabhängigkeit (vgl. z.B. Schippel/Vetter, BNotO 7. Auflage § 4 Rn 1 mwN; BT-Drs. 11/6007, S. 9). Diese mag im Anwendungsbereich des Anwaltsnotariats geringer sein als bei Nur-Notaren, ist aber auch hier nicht von der Hand zu weisen, wie die nicht unerhebliche Zahl von Verfahren nach § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO auch vor dem Senat zeigt.

Die Heraufsetzung der Bedürfniszahl ist dazu geeignet, wegen der größeren Anzahl der von den vorhandenen Notaren vorzunehmenden Geschäfte zu einer Erhöhung des Beurkundungsaufkommens aller Notare zu führen. Mag die Heraufsetzung der Bedürfniszahl nicht mit Sicherheit die Bildung von Kleinstnotariaten verhindern können, so wird doch die Chance zu ihrer Vermeidung erhöht. Eine Amtsenthebung von Notaren ist deutlich schlechter zur Erreichung dieses Ziels geeignet. Zum einen handelt es sich in der Regel um eine Reaktion auf einen schon aufgetretenen Missstand. Zum anderen ist gerade die fehlende Erfahrung dadurch nicht zu kompensieren.

Die Festsetzung der neuen Bedürfniszahl ist auch nicht willkürlich hoch. Sie hält sich im Rahmen der Bedürfniszahlen vergleichbarer Bundesländer, wie die Antragsgegnerin unwidersprochen vorgetragen hat (vgl. auch Schippel/Vetter aaO § 4 Rn 15: 200 - 400). Zur Schaffung einer Übergangsregelung war die Antragsgegnerin nicht verpflichtet, da § 4 BNotO aus o.g. Gründen nicht dem Schutz der Individualinteressen möglicher Notarbewerber dient. Außerdem hat auch der Gesetzgeber bei der Umstellung des § 4 BNotO von der Wartezeitenregelung auf die jetzige Regelung keine Übergangsregelung geschaffen, das Vertrauen von Rechtsanwälten, die kurz vor der Erfüllung der Wartezeit standen, also nicht als schutzbedürftig angesehen. Das Fehlen einer Übergangsregelung war verfassungsgemäß (BVerfG DNotZ 1995, 154).

Die Altersstrukturregelung war - unabhängig davon, dass sie allein öffentlichen Interessen diente - nicht geeignet, ein berechtigtes - und daher bei der Änderung der Regelung zu berücksichtigendes - Interesse der potenziellen Bewerber an ihrem (zeitweisen) Fortbestand zu begründen. Wie bereits oben ausgeführt, konnte wegen der jährlichen Neuberechnung nach Nr. 11 Abs. 3 Satz 2 AVNot i.d.F. von 199ß mit der jährlichen Ausschreibung einer bestimmten Anzahl von Notarstellen nicht gerechnet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO, 201 Abs. 1 BRAO, die Wertfestsetzung auf §§111 Abs. 4 Satz 2 BNotO, 202 BRAO, 30 Abs. 2 Satz 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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