Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 16.05.2003
Aktenzeichen: Not 27/01
Rechtsgebiete: BNotO


Vorschriften:

BNotO § 6 Abs. 3
Zu den Auswahlkriterien bei Bewerbungen von Rechtsanwälten mit einem Abschluss als Diplom-Jurist um eine Notarstelle.
Not 27/01 Not 28/01

In der Notarsache

wegen Bestellung zum Notar und einstweiliger Anordnung

hat der Senat für Notarsachen des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Erich, den Notar Jung und die Richterin am Kammergericht Dr. Stresemann am 16. Mai 2003 beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Oktober 2001 - M 541 G KG - wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

3. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

4. Der Wert des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz wird auf 10.225,84 EUR (20.000.- DM), derjenige in der Hauptsache auf 51.129,19 EUR (100.000.- DM) festgesetzt.

Gründe:

A.

Der 1956 geborene Antragsteller studierte Rechtswissenschaft in der Fachrichtung Wirtschaftsrecht an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg. Er schloß das Studium 1983 mit dem Gesamtprädikat "gut" ab, daneben wurde ihm der akademische Grad des Diplom-Juristen mit dem Prädikat "sehr gut" verliehen. In der Folgezeit absolvierte er an der Universität in Halle-Wittenberg ein wirtschaftsrechtliches Forschungsstudium und promovierte 1987 zum "Dr. jur.".

Im Mai 1990 wurde der Antragsteller vom Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik - Ministerium der Justiz - zum Rechtsanwalt zugelassen, zunächst mit Sitz in Potsdam, ab August 1990 mit Sitz in Berlin. Im Dezember 1990 erfolgte die Zulassung des Antragstellers bei dem Landgericht Berlin.

Im Jahr 1995 trat der Antragsteller den Referendardienst im Bezirk des Kammergerichts an und legte im Februar 1997 vor dem Justizprüfungsamt Berlin die zweite juristische Staatsprüfung mit der Note "befriedigend" (7,30 Punkte) ab. Seit 1998 ist er als Rechtsanwalt auch bei dem Kammergericht zugelassen.

Der Antragsteller hat sich um eine der im Amtsblatt für Berlin vom 31. März 2000 (ABl. S. 1091) ausgeschriebenen 60 Notarstellen beworben. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2001 teilte ihm die Antragsgegnerin mit, daß beabsichtigt sei, die Notarstellen anderen Bewerbern zu übertragen. Die in der Besetzungsliste auf den Plätzen 1 bis 60 geführten Bewerberinnen und Bewerber hätten Punktzahlen von 123,45 (Rang 1) bis 100,35 (Rang 60) Punkten erreicht. Seine fachliche Eignung sei mit 95,40 Punkten zu bewerten. Die Antragsgegnerin hat dabei die Note der vom Antragsteller abgelegten zweiten juristischen Staatsprüfung zugrunde gelegt und hierfür 36,50 Punkte (7,30 x Multiplikator 5) berücksichtigt.

Gegen diesen, ihm am 29. Oktober 2001 zugestellten Bescheid wendet sich der Antragsteller mit seinem am 13. November 2001 eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

Er meint, die Antragsgegnerin hätte bei der Bewertung der fachlichen Eignung seine Benotung als Diplom-Jurist zugrunde legen müssen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei Diplom-Juristen der Zugang zum Notariat unter den gleichen Voraussetzungen wie Juristen mit der Befähigung zum Richteramt zu gewähren. In seinem Fall folge aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung, daß er gegenüber Bewerbern aus dem Beitrittsgebiet, die es beim Diplom haben bewenden lassen, nicht benachteiligt werden dürfe, also auch für ihn statt des zusätzlich erworbenen zweiten Staatsexamens sein Zeugnis als Diplom-Jurist maßgeblich sei. Da er das Diplom mit der Note "gut" erworben habe, sei gemäß § 12 Abs. 2 a) der AVNot der Mittelwert dieser Notenstufe zugrunde zulegen, entsprechend 12,74 Punkte. Unter Berücksichtigung des Multiplikators 5 ergebe sich ein Punktwert von 63,70 für die Staatsprüfung und damit eine Gesamtpunktzahl von 122,60.

Der Antragsteller beantragt,

der Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn zum Notar zu bestellen,

hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten, seinen Antrag auf Bestellung zum Notar unter Beachtung der Auffassung des Gerichts neu zu bescheiden,

sowie

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, eine der im Amtsblatt für Berlin vom 31. März 2000 (ABl. S. 1091) ausgeschriebenen Notarstellen bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache freizuhalten.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie meint, das Diplom des Antragstellers sei schon deshalb zu Recht unberücksichtigt geblieben, weil es nicht innerhalb der Bewerbungsfrist eingereicht worden sei. Außerdem sage das Ergebnis der vom Antragsteller im Jahr 1997 abgelegten zweiten juristischen Staatsprüfung mehr über seine fachliche Eignung für das angestrebte Notaramt aus als der Hochschulabschluß mit Fachrichtung Wirtschaftsrecht aus dem Jahr 1983.

Jedenfalls aber sei es weder geboten noch zulässig gewesen, die Abschlußnote des Diploms mit der entsprechenden Notenstufe der zweiten juristischen Staatsprüfung gleichzusetzen. Dies hätte Notarbewerber (nur) mit zweitem juristischem Staatsexamen unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG unangemessen benachteiligt. Nach Auskunft von in der DDR tätigen Hochschullehrern seien Leistungen der Diplom-Juristen in den Hochschulzeugnissen überwiegend mit "gut" oder "sehr gut" bewertet worden. Die zweite juristische Staatsprüfung werde dagegen von der Mehrzahl der Absolventen mit der Note "ausreichend" oder "befriedigend" abgelegt. Sofern eine Umrechnung der Abschlußnote der Diplom-Juristen überhaupt in Betracht zu ziehen sei, müßte das Verhältnis der Abschlußnote zum Notendurchschnitt im jeweiligen Studienjahr auf der Basis des Notendurchschnitts in der zweiten juristischen Staatsprüfung in die Notenskala des Gesetzes über die juristische Ausbildung übertragen werden. Hierdurch würde sich für den Antragsteller keine höhere Punktzahl ergeben, da die von ihm im Diplom erzielte Abschlußnote eine durchschnittliche Bewertung gewesen sei und damit der Bewertung seines zweiten juristischen Staatsexamens entspreche.

Generell stünden einer solchen Umrechnung zudem unlösbare Probleme bei der inhaltlichen Vergleichbarkeit der Abschlüsse sowie der Umstand entgegen, daß in der DDR weder im Ministerium der Justiz noch an den juristischen Fakultäten der Universitäten Listen oder Statistiken über die erzielten Abschlußnoten geführt worden seien. Künftig würden in Berlin Notarstellen daher für Bewerber mit Diplom-Abschluß einerseits und für Bewerber mit zweiter juristischer Staatsprüfung andererseits getrennt ausgeschrieben werden (sog. Kontingentlösung, Nr. 1 Abs. 3 Satz 3 AVNot vom 22. April 1996 <ABl. S. 1741>, zuletzt geändert durch die Verwaltungsvorschriften zur Änderungen der AVNot vom 23. Januar 2003 <ABl. S. 406>).

Der Antragsteller erwidert hierzu: Die Kontingentlösung widerspreche eklatant den tragenden Erwägungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. September 2001 (1 BvR 1740/98). Darin sei ausdrücklich festgestellt worden, daß Diplom-Juristen in Berlin unter den gleichen Voraussetzungen wie Volljuristen Zugang zum Anwaltsnotariat haben müßten. Eine von Verfassungs wegen erforderliche Gleichstellung von Diplom- und Volljuristen schließe zwangsläufig eine Gleichsetzung der Abschlußnoten ein, unabhängig davon, inwieweit die Ausbildungen tatsächlich vergleichbar seien. Nach der vom Bundesverfassungsgericht zitierten Regelung in Nr. 12 Abs. 2 a Satz 3 AVNot sei in seinem Fall zwingend vom Mittelwert der Diplom-Note "gut" auszugehen.

Eine sinnvolle Lösung sei auch nicht durch die "Umrechnung" seiner Note als Diplom-Jurist auf der Basis der in der Bundesrepublik im zweiten juristischen Staatsexamen durchschnittlich erzielten Ergebnisse zu erreichen. Dabei würden wesentliche Unterschiede zwischen der Juristenausbildung in der DDR und der Bundesrepublik übersehen. In der DDR habe es eine Zugangsbeschränkung zum Abitur gegeben, so daß dabei bereits eine Leistungsauswahl stattgefunden habe. Aufgrund der hohen Nachfrage nach Studienplätzen habe zudem eine Abiturnote von mindestens "gut" als unabdingbare Voraussetzung für den Zugang zum Studium gegolten. Im Verlauf des Studiums seien außerdem leistungsschwächere Studenten in den ersten Studienjahren exmatrikuliert worden. Folglich sei die Zahl der nicht bestandenen Abschlußprüfungen gering gewesen. Die von der Antragsgegnerin erwogene Umrechnung der Noten bedeute im übrigen, daß bei Abschlüssen, die im Notendurchschnitt der Diplom-Juristen an der unteren Grenze lägen ("ausreichend"), das Nichtbestehen der zweiten juristischen Staatsprüfung unterstellt werden müsse. Setze man diese Absolventen dagegen mit den Bewerbern gleich, die die zweite juristische Staatsprüfung mit "ausreichend" bestanden haben, würden die leistungsstärkeren Absolventen aus der DDR benachteiligt werden.

Dem Senat lagen die bei der Senatsverwaltung für Justiz in Berlin und der Rechtsanwaltskammer Berlin geführten Personalakten des Antragstellers sowie die Bewerbungsakte des Antragstellers für das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Auswahlverfahren (M 541 G KG - Bew 5/00) vor.

B.

Der Antrag zur Hauptsache ist zulässig, insbesondere innerhalb der Monatsfrist des § 111 Abs. 2 Satz 1 BNotO eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat er keinen Erfolg. Die Anfechtung eines nach der Bundesnotarordnung ergangenen Verwaltungsakts ist nur dann begründet, wenn er den Antragsteller in seinen Rechten beeinträchtigt, weil er rechtswidrig ist (§ 111 Abs. 1 Satz 2 BNotO). Es müssen daher, wenn der Antrag Erfolg haben soll, stets zwei Feststellungen getroffen werden: die Feststellung, daß der Verwaltungsakt objektiv rechtswidrig ist und die Feststellung, daß durch diese Rechtsverletzung der Antragsteller subjektiv in seinen Rechten beeinträchtigt wird (vgl. Schippel-Lemke, Kommentar zur Bundesnotarordnung, 7. Aufl. 2000, Rdn. 25 zu § 111 BNotO). Letzteres ist hier nicht der Fall, denn der Bescheid vom 25. Oktober 2001 verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.

I. Das dem Bescheid zugrunde liegende Auswahlverfahren litt zwar objektiv an einem Mangel, nämlich dem Ausschluß von Diplom-Juristen. Die Antragsgegnerin hat sich bei der Besetzung von Notarstellen bislang allein an § 5 BNotO orientiert und nur Bewerber berücksichtigt, die Volljuristen im Sinne des bundesrepublikanischen Rechts sind. Diese Praxis ist vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden (BVerfG vom 26. September 2001 - 1 BvR 1740/98 - = NJW-RR 2002, 492).

Von dieser objektiven Rechtswidrigkeit des Auswahlverfahrens war der Antragsteller jedoch nicht betroffen. Da er aufgrund des 1997 abgelegten zweiten Staatsexamens Volljurist ist, hat sich die Praxis der Antragsgegnerin, Diplom-Juristen nicht in das Auswahlverfahren einzubeziehen, für ihn nicht ausgewirkt. Er ist als Bewerber um die ausgeschriebenen Stellen zugelassen und nach den allgemeinen Regeln behandelt worden.

II. Rechte des Antragstellers sind nicht dadurch verletzt worden, daß die Antragsgegnerin sein in der DDR erworbenes Diplom im Rahmen der Auswahlentscheidung des § 6 Abs. 3 BNotO nicht berücksichtigt hat.

1. Daß die Ausbildung zum Diplom-Juristen bei der Beurteilung der fachlichen Eignung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 BNotO Niederschlag finden müßte, weil die Erfahrungen und Kenntnisse, die den Antragsteller für das Amt des Notars qualifizieren, sonst nur unvollständig erfaßt wären, kann nicht angenommen werden und wird vom Antragsteller auch nicht geltend gemacht.

2. Die Nichtberücksichtigung des Diploms beeinträchtigt auch nicht die Rechte des Antragstellers aus Art. 3 Abs. 1 GG.

a) Der Antragsteller kann nicht verlangen, daß im Rahmen der Auswahlentscheidung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 BNotO die Abschlußnote seines Diploms ("gut") anstelle der Punktzahl seines zweiten Staatsexamens zugrunde gelegt wird.

Zwar wird aufgrund der im Zuge der Wiedervereinigung getroffenen gesetzgeberischen Entscheidungen für die Berufe der Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Notare die Gleichwertigkeit der Ausbildungsgänge von Volljuristen und in der Deutschen Demokratischen Republik ausgebildeten und tätigen Diplom-Juristen fingiert, mit der Folge, daß Abweichungen hiervon der Rechtfertigung bedürfen (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 494). Dies ist grundsätzlich auch bei einem Auswahlverfahren unter mehreren geeigneten Bewerbern für das Amt des Notars zu beachten. Es wäre beispielsweise unzulässig, das bundesdeutsche Staatsexamen generell stärker zu gewichten als ein Diplom der DDR (z.B. mit einem höheren Multiplikator), weil damit der Zugang zum Amt des Notars für die Diplom-Juristen mittelbar eingeschränkt würde. Daß das Staatsexamen besser für das Amt eines bundesdeutschen Notars qualifiziert als das DDR-Diplom, stellt keinen rechtfertigenden Grund für eine Ungleichbehandlung dar. Denn der Gesetzgeber wollte zum Zwecke der Integration der bereits tätigen Diplom-Juristen gerade die Gleichwertigkeit der Ausbildungsgänge fingieren (BVerfG, a.a.O.). Aus diesen Grundsätzen folgt aber nicht zugleich, daß bei Auswahlentscheidungen die Noten und Prädikate der Ausbildungsgänge in jedem Fall gleichzusetzen sind, das "gut" eines Diplom-Juristen also zwingend wie ein "gut" im Staatsexamen zu behandeln ist.

aa) Entgegen der Auffassung des Antragstellers geht dies nicht aus der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hervor. Sie enthält lediglich den Hinweis, daß sich in der AVNot bereits eine Regelung für die Bewerber findet, deren Zeugnis "eine Benotung nicht enthält". Gemeint ist erkennbar Nr. 12 Abs. 2 a) Satz 4, 1. Halbsatz AVNot, wonach ein unbenotetes Zeugnis über das Bestehen der Staatsprüfung mit 4 Punkten bewertet wird. Eine darüber hinaus gehende Vorgabe für die Umrechnung bzw. Gleichsetzung der Noten läßt sich der Entscheidung nicht entnehmen. Zum einen hat das Bundesverfassungsgericht formuliert, für bestimmte Bewerber bestünden schon Sonderregelungen, mithin angenommen, für andere Bewerber müßten noch Regelungen geschaffen werden. Dies wäre überflüssig, wenn die Noten nach Auffassung des Gerichts von Verfassungs wegen "eins zu eins" umzurechnen wären. Zum anderen hat das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Vermeidung von Problemen bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Bewerbern kein Gemeinwohlbelang darstelle, der die vollständige Sperre des Berufszugangs rechtfertige. Es hat damit Bezug genommen auf die Bedenken des Bundesministeriums der Justiz (a.a.O., S. 494), welches auf die Schwierigkeiten hingewiesen hatte, die Abschlüsse der Diplom-Juristen in das Punktesystem zur Vergabe von Notarstellen einzubeziehen (Seite 12 unten des Beschlußumdrucks - insoweit in NJW-RR 2002, 492 nicht abgedruckt). Dieser Hinweis wäre ebenfalls nicht verständlich, wenn das Gericht der Auffassung wäre, daß die Noten des Diploms (Ost) und des Staatsexamens (West) gleichzusetzen sind.

bb) Auch unabhängig von der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts folgt aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG nicht, daß die Antragsgegnerin bei der Auswahlentscheidung für die im Jahr 2000 ausgeschriebenen Stellen statt der Note des bundesdeutschen Staatsexamens des Antragstellers diejenige seines Diploms ansetzen mußte. Eine Ungleichbehandlung des Antragstellers mit anderen Bewerbern liegt nicht vor, da die Antragsgegnerin nur die Noten von Staatsexamen miteinander, also Gleiches mit Gleichem verglichen hat. Hätte sie dem Antragsteller Punkte nach Maßgabe seiner Diplomnote zugestanden, wären demgegenüber die Rechte seiner Mitbewerber mit Staatsexamen verletzt worden.

Bei der Auswahlentscheidung müssen im Hinblick auf die Konkurrenzsituation der Bewerber auch die verfassungsmäßigen Rechte der Mitbewerber aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG berücksichtigt werden. Denn bei einem Auswahlverfahren unter mehreren geeigneten Bewerbern wirkt sich die Entscheidung zugunsten eines Bewerbers zum Nachteil eines anderen Bewerbers aus (vgl. BGH NJW 1994, 3353 <3355 f.>). Die Antragsgegnerin weist zu Recht darauf hin, daß eine Bevorzugung der Diplom-Juristen einträte, wenn ihre Noten "eins zu eins" umgerechnet würden. Auch wenn es kein statistisches Material über die Notendurchschnitte bei den Abschlüssen zum Diplom-Juristen in der DDR gibt, ist jedenfalls davon auszugehen, daß die Notenstruktur nicht derjenigen des zweiten juristischen Staatsexamens entsprochen hat, bei dem vorwiegend die Noten "befriedigend" und "ausreichend" erzielt werden und deutlich unter 10 % der Kandidaten die Note "gut" oder "sehr gut" erreichen. Die Antragsgegnerin hat von zwei Hochschullehrern der juristischen Fakultät der Humboldt-Universität, die dort bereits vor der Wiedervereinigung tätig waren (Prof. Klinkert und Prof. Will), die Auskunft erhalten, daß die Leistungen der Diplom-Juristen in den Hochschulabschlußzeugnissen überwiegend mit "gut" und "sehr gut" bewertet wurden. Von einer unterschiedlichen Notenstruktur geht auch der Antragsteller aus, denn er versucht zu begründen, worauf die im Durchschnitt besseren Noten der Diplom-Juristen beruhen. Würden die Noten "eins zu eins" umgerechnet werden, liefe das auf eine Benachteiligung der Juristen mit Staatsexamen hinaus. Es würde fingiert werden, daß die Diplom-Juristen überwiegend "Spitzenexamen" abgelegt hätten, obwohl ihre Leistungen zu DDR-Zeiten nur durchschnittlich waren oder knapp darüber lagen. Angesichts der Bedeutung, die der Examensnote im Auswahlverfahren zukommt - sie ist oftmals entscheidend, da viele Bewerber in den anderen Bereichen (Dauer der hauptberuflichen Tätigkeit und Fortbildungskurse) die höchstmögliche und damit dieselbe Punktzahl haben -, ergäbe sich eine gravierende Ungleichbehandlung.

Eine "Umrechnung" der Noten der Diplom-Juristen auf das Niveau der Noten, die im Staatsexamen erzielt werden, dürfte praktisch nicht möglich sein. Das machen bereits die zwischen den Parteien ausgetauschten Argumente deutlich. Das Argument des Antragstellers, die Ergebnisse der Examen in der DDR seien besser gewesen, weil dort zu verschiedenen Zeitpunkten (Abitur, Zulassung zum Studium, Zulassung zur Abschlußprüfung) immer wieder eine "Leistungsauswahl" stattgefunden habe, ist angesichts der Bevorzugung "linientreuer" Bürger bei der Ausbildung nicht tragfähig. Zudem gibt es ähnlich unterschiedliche Notenstrukturen auch innerhalb der Bundesrepublik, ohne daß dies auf einer "Leistungsauswahl" bei den Studenten beruht. Es wäre andererseits auch nicht zulässig, die Noten "sehr gut" und "gut" der Diplom-Juristen in die durchschnittlich beim Staatsexamen erzielten Noten "befriedigend" und "ausreichend" umzurechnen. Die Diplom-Juristen hätten dann von vornherein einen nicht zu kompensierenden Nachteil gegenüber den Bewerbern, die das Staatsexamen mit "vollbefriedigend" oder besser bestanden haben, da sie eine entsprechende Punktzahl nicht erreichen könnten. Zugleich entstünde das vom Antragsteller angesprochene Problem, wie die Note "ausreichend" eines Diplom-Juristen umzurechnen sei, ohne die Diplom-Juristen mit einem besseren Abschluß zu benachteiligen.

b) Der Antragsteller konnte auch nicht verlangen, daß für ihn eine andere Vergleichsgruppe geschaffen wurde, in der sein Diplom zum Tragen kam. Denn sein Interesse an der Einrichtung eines Diplom-Juristen-Kontingents im Sinne der neugefaßten AVNot (Nr. 1 Abs. 3 Satz 3) ist nicht durch Art. 3 Abs. 1 GG geschützt.

Die in der AVNot für künftige Ausschreibungen vorgesehene Kontingentlösung beruht nicht auf einem Anspruch der Diplom-Juristen, bei der Bewerbung um Stellen, um die sich auch Volljuristen bemühen, unter sich zu bleiben, sondern ist nur Folge der Unmöglichkeit, beide Abschlüsse zum Zwecke der Bestenauslese unter Wahrung der gewollten Gleichstellung der Diplom-Juristen miteinander zu vergleichen. Auch eine bei Schaffung eines Diplom-Juristen-Kontingents möglicherweise höhere Chance des Antragstellers, eine Notarstelle zu erhalten, begründete kein subjektives Recht auf Einrichtung einer solchen Vergleichsgruppe. Aus der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichstellung der Diplom-Juristen folgt nicht, daß ihnen die bestmögliche Chance zu verschaffen ist, eine Notarstelle zu erlangen. Sie sollen die gleichen Chancen haben wie die Mitbewerber mit Staatsexamen, wobei sich aus ihrer unterschiedlichen Ausbildung keine (vermeidbaren) Nachteile ergeben dürfen. Demgemäß ist Zweck der Kontingentlösung nicht die Optimierung der Chancen von Bewerbern aus dem Beitrittsgebiet, sondern die Eröffnung der - anders nicht zu erreichenden - Möglichkeit für Diplom-Juristen, sich unter fairen Bedingungen auf eine Notarstelle zu bewerben. Dies ist dem Antragsteller nicht verwehrt worden, da er aufgrund seines Staatsexamens Zugang zum Auswahlverfahren hatte und bei der Auswahl wie jeder andere Bewerber behandelt wurde.

III. 1. Der Antragsteller kann sich schließlich nicht darauf berufen, daß er sein zweites Staatsexamen unter erschwerten Bedingungen, nämlich ohne vorausgegangenes bundesdeutsches Studium und nach verkürzter Referendarzeit abgelegt und deswegen eine nur durchschnittliche Note erzielt habe, die ihn im Vergleich zu anderen Bewerbern mit Staatsexamen benachteilige. Indem er das zweite Staatsexamen abgelegt hat, hat er eine Grundlage geschaffen, auf der er mit anderen Volljuristen verglichen werden kann. Die dabei erzielte Note kann nicht unter Hinweis auf widrige Umstände, unter denen die Prüfung bestanden wurde, heraufgesetzt werden, weil sonst neue Abgrenzungsschwierigkeiten entstünden.

2. Daß der Antragsteller - wie er in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat - möglicherweise besser gestanden hätte, wenn er das zweite Staatsexamen nicht abgelegt, sondern die Bestellung zum Notar auf der Grundlage seines Diploms klageweise geltend gemacht hätte, führt zu keinem anderen Ergebnis.

Richtig ist zwar, daß der Antrag auf gerichtliche Entscheidung eines (Nur-) Diplom-Juristen, dessen Bewerbung um eine der im Jahr 2000 ausgeschriebenen Notarstellen von der Antragsgegnerin unberücksichtigt geblieben ist, Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Da der Ausschluß vom Verfahren nach § 6 Abs. 3 BNotO die Rechte eines solchen Bewerbers verletzt hätte, wäre die Antragsgegnerin zu verpflichten gewesen, diesen bei der Auswahl zu berücksichtigen. Praktisch hätte das die nachträgliche Einrichtung eines Diplom-Juristen-Kontingents mit jedenfalls einer Stelle bedeutet (dafür hätte die im Hinblick auf eine beantragte einstweilige Anordnung freigehaltene Stelle zur Verfügung gestanden). Ob die Stelle mit dem klagenden Bewerber zu besetzen gewesen wäre, ist allerdings offen. Denkbar wäre nämlich auch, daß sich die Antragsgegnerin mit Rücksicht auf ihre zwischenzeitlich für verfassungswidrig erklärte Verfahrensweise entschlossen hätte, die noch vorhandene Stelle für Diplom-Juristen neu auszuschreiben. Aber selbst wenn davon auszugehen wäre, daß ein klagender (Nur-)Diplom-Jurist mangels anderer Bewerber als Ergebnis des gerichtlichen Verfahrens eine Notarstelle erhalten hätte, folgt daraus nichts zugunsten des Antragstellers. Denn diese Möglichkeit zeigt keine strukturelle Ungleichbehandlung zwischen Diplom-Juristen und Volljuristen auf. Der Klageweg wäre nur deshalb erfolgreich gewesen, weil keine weiteren Diplom-Juristen ihn gewählt hatten. Aus einer solchen denkbaren besonderen Konstellation folgt kein Anspruch des Antragstellers auf gleichen Erfolg.

C.

Da der Hauptantrag keinen Erfolg hat, war auch der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

D.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO in Verbindung mit § 201 Abs. 1 BRAO. Den Wertfestsetzungen liegen die §§ 111 Abs. 4 BNotO, 202 Abs. 2 BRAO und 30 Abs. 2 KostO zugrunde; dabei wurde berücksichtigt, daß die Kosten nach der alten DM-Gebührentabelle entstanden sind (§§ 161 KostO, 134 Abs. 1 BRAGO).

Beschwerde zurückgewiesen, BGH Beschluss vom 3. November 2003 - NotZ 14/03

Ende der Entscheidung

Zurück