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Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 12.03.2007
Aktenzeichen: 10 Sa 1945/06
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO
Vorschriften:
ArbGG § 67 Abs. 4 | |
ZPO § 296 Abs. 2 |
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 12.03.2007 In Sachen
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 10. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 12.03.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht W.-M. als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Herr L. und Herr Sch.
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 13.09.2006 - 42 Ca 10192/06 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung mit sofortiger Wirkung wegen erheblicher Tätlichkeiten des Klägers gegen eine Mitarbeiterin am 5. Mai 2006, polizeilich registrierten Führens eines Krankentransporters ohne gültige Fahrerlaubnis und der nicht gerechtfertigten Verwendung des Martinshorns.
Der Kläger ist 45 Jahre alt (.... 1961) und war seit dem 1. Juni 2005 beim Beklagten als Rettungssanitäter und Kraftfahrer beschäftigt. Die Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt 1.400,-- EUR.
Mit Schreiben vom 9. Mai 2006 (Bl. 9-10 d.A.) kündigte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten "namens des K. Kr." den zwischen "Ihnen und dem N.-N. Krankentransport K. Kr., I. Straße 8, 02977 H. ... abgeschlossenen Arbeitsvertrag fristlos und mit sofortiger Wirkung". Dieses Schreiben erhielt der Kläger am 9. Mai 2006 per Telefax. Ob ihm das Original dieses Schreibens zuging, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls war dem Schreiben keine Originalvollmachtsurkunde des Prozessbevollmächtigten des Beklagten beigefügt gewesen, so dass die gegen diese Kündigung gerichtete Kündigungsschutzklage erfolgreich war. Das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin ist insoweit rechtskräftig.
Ein weiteres Kündigungsschreiben des Beklagten vom 18. Mai 2006 (Bl. 11 d.A.) wegen des gleichen Fehlverhaltens ging dem Kläger per Telefax am 18. Mai 2006 und nach den Behauptungen des Beklagten entsprechend dem Auslieferungsbeleg der Deutsche Post AG (Bl. 38 d.A.) am Freitag, dem 19. Mai 2006 im Original durch Einwurf in den Hausbriefkasten, nach den Behauptungen des Klägers aber am Dienstag, den 23. Mai 2006 zu.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 13. September 2006 die Kündigung vom 18. Mai 2006 für wirksam angesehen, da sie innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs.2 BGB zugegangen sei und der Kläger sich erheblich fehlverhalten habe. Bezüglich des Zugangs des Kündigungsschreibens sei von einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast auszugehen. Das Bestreiten des Klägers zum Zugang des Kündigungsschreibens am 19. Mai 2006 sei unsubstantiiert. Er habe lediglich behauptet, dass es am 23. Mai 2006 zugegangen sei. Nähere Angaben zum Beklagtenvortrag habe der Kläger nicht gemacht. Es sei deshalb von einem Zugang am 19. Mai 2006 entsprechend dem Auslieferungsbeleg auszugehen.
Gegen dieses ihm am 12. Oktober 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 2. November 2006 beim Landesarbeitsgericht Berlin eingegangene und nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist per Telefax am 12. Januar 2007 begründete Berufung des Klägers.
Der Kläger führt aus, dass der Zugang des Kündigungsschreibens nicht hinreichend belegt sei. Der Beklagte sei darlegungs- und beweispflichtig für den Zugang des Kündigungsschreibens innerhalb der Zwei-Wochen-Frist. Es werde bestritten, dass sich der Einlieferungsbeleg vom 18. Mai 2006 (Bl. 37 d.A.) und der Auslieferungsbeleg vom 19. Mai 2006 (Bl. 38 d.A.) auf das Kündigungsschreiben beziehen würden. Auch sei das Kündigungsschreiben nicht wirksam unterzeichnet. Zwischen den Parteien bestehe Streit, wer der Arbeitgeber des Klägers sei. Denn im Arbeitsvertrag und in einem Änderungsvertrag vom 31. Januar 2006 sei die Fa. K. Kr., Krankentransport und Personenbeförderung mit Mietwagen genannt. Die Kündigung vom 9. Mai 2006 sei unter einer anderen Firmenbezeichnung erfolgt und jetzt habe Herr Kr. persönlich gekündigt. Schließlich meint der Kläger, dass der Streitwert der angefochtenen Entscheidung fehlerhaft berechnet und von 3.430,-- EUR auf 9.800,-- EUR abzuändern sei.
In der Berufungsverhandlung hat der Kläger erstmals erklärt, dass er am 19.5., 20.5. und Montag den 22.5.2006 in seinen Hausbriefkasten gesehen habe und sich dort kein Kündigungsschreiben befunden habe.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 13. September 2006 - 42 Ca 10192/06 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 18. Mai 2006 aufgelöst worden ist.
Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und meint, dass die abgestufte Darlegungs- und Beweislast seitens des Arbeitsgerichts korrekt angewendet worden sei. Der Kläger habe den durch den Auslieferungsbeleg der Post belegten Vortrag des Beklagten nicht substantiiert entkräftet. Er habe keinerlei Versuch unternommen, einen abweichenden Geschehensablauf darzulegen. Jedenfalls sei die Kündigung hilfsweise in eine ordentliche Kündigung umzudeuten.
Hinsichtlich des Vortrags des Klägers in der Berufungsverhandlung hat der Beklagte darauf verwiesen, dass er aufgrund dieses Vortrags den Zusteller ermitteln werde, der das Kündigungsschreiben am 19. Mai 2006 ausgeliefert habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird gemäß §§ 64 Abs.6 ArbGG, 313 Abs.2 ZPO auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung vom 12. Januar 2007 sowie der Berufungsbeantwortung vom 18. Februar 2007 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs.6 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden und auch ansonsten zulässig.
Dabei ging die Kammer davon aus, dass der Hinweis des Klägers auf den zu niedrig bemessenen Streitwert im Text der Berufungsbegründung in der Berufungsinstanz nicht als gesonderter Streitgegenstand angefallen ist. Denn entsprechend dem Berufungsantrag hat der Kläger die Berufung auf die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils hinsichtlich der Abweisung der Klage gegen die Kündigung vom 18. Mai 2006 beschränkt. Sofern man trotz anders lautenden Berufungsantrags davon ausgehen würde, dass der Antrag auf Änderung des Streitwertes in der Berufungsinstanz angefallen wäre, wäre die Berufung insoweit als unzulässig zurückzuweisen gewesen, weil der Kläger durch einen nach seiner Ansicht zu niedrig bemessenen Streitwert nicht beschwert ist. Denn wenn der Streitwert zu niedrig bemessen gewesen wäre, wären die von ihm zu zahlenden Gerichtskosten selbstverständlich geringer als bei einem höheren Streitwert.
II.
Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Die Kündigung wurde vom Beklagten ausgesprochen. Wesentliche Zweifel an der Urheberschaft des Beklagten bestanden nicht. Bei einer im Handelsregister nicht eingetragenen Firma ist deren Inhaber zeichnungsberechtigt (KG Berlin, Urteil vom 3. Juli 2003 - 8 U 167/02). Dass der Kläger mit Herrn K. Kr. ein Arbeitsverhältnis begründet hatte, lag auf der Hand. Der Kläger hatte, wie er auf ausdrückliche Nachfrage in der Berufungsverhandlung bestätigt hat, auch nur ein einziges Arbeitsverhältnis mit Herrn Kr.. Dass dieses eine Arbeitsverhältnis durch die Kündigungserklärung vom 18. Mai 2006 beendet werden sollte, war offensichtlich.
Soweit der Kläger ausgeführt hat, dass er aufgrund der unterschiedlich verwendeten Firmenbezeichnungen Zweifel an der Urheberschaft der Kündigungserklärung habe, war dem deshalb nicht weiter nachzugehen, weil objektiv oder vom Empfängerhorizont betrachtet keine Zweifel bestanden. Zwar wäre es im Rechtsverkehr sicherlich hilfreich, wenn der Beklagte sich auch nur der jeweils zutreffenden Firmenbezeichnungen im Einzelfall bedienen würde, an seiner Urheberschaft im Kündigungsschreiben und auf welches Arbeitsverhältnis es sich beziehen sollte, bestanden aber keine Zweifel.
2.
Zutreffend hat das Arbeitsgericht das erstinstanzliche Bestreiten des Klägers bezüglich des Zugangs des Kündigungsschreibens vom 18. Mai 2006 am 19. Mai 2006 für unerheblich gehalten.
2.1
Zwischen den Parteien befindet sich nicht im Streit, dass das streitige Kündigungsschreiben an den Kläger richtig adressiert und frankiert zur Post aufgegeben worden ist. Es befindet sich ferner nicht im Streit, dass dieses Schreiben letztendlich den Kläger erreicht hat. Da der Kläger auch nicht vorgetragen hat, am 19. Mai 2006 ein anderes Schreiben des Beklagten erhalten zu haben, war auch das Bestreiten des Klägers, dass es sich bei dem im Einlieferungsbeleg benannten Schreiben um das Kündigungsschreiben gehandelt habe, als ins Blaue hinein aufgestellt anzusehen.
Streitig ist auch nicht, dass an der Wohnung des Klägers ein Hausbriefkasten vorhanden ist. Insofern konnte das Kündigungsschreiben durch Einwurfeinschreiben zugestellt werden.
Ob es heute noch zutreffend ist, dass die Gefahr des Verlustes einer gewöhnlichen Briefsendung bei der Deutschen Post AG nach der allgemeinen Lebenserfahrung als gering einzuschätzen ist (so noch im Jahre 1999 das OLG Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 27. Mai 1999 - 7 W 38/99), kann dahinstehen. Denn hier handelte es sich um ein Einwurfeinschreiben. Ob die Aufgabe eines Einwurfeinschreibens zur Post den Beweis des ersten Anscheines mit der entsprechenden Darlegungslasterleichterungen für den Zugang begründet (dafür AG Paderborn, Urteil vom 3. August 2000 - 51 C 76/00, nach dem Leitsatz der Entscheidung dagegen LG Potsdam, Urteil vom 27. Juli 2000 - 11 S 233/99; differenzierend Reichert, Der Zugangsnachweis beim Einwurf-Einschreiben, NJW 2001, 2523 f.) kann in diesem Rechtsstreit dahinstehen. Der Postzusteller hat jedenfalls auf dem Auslieferungsbeleg bestätigt, dass das Einwurfeinschrieben am 19. Mai 2006 in den Briefkasten des Klägers eingeworfen worden ist. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, hätte der Kläger mindestens einen Sachverhalt darstellen müssen, der eine gewisse Plausibilität für einen späteren als den in dem Auslieferungsbeleg benannten Zeitpunkt hätte begründen können. Diesen Anforderungen genügte der Vortrag des Klägers in der Berufungsbegründung nicht.
2.2
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erstmals erklärt hat, dass der Zugang des Kündigungsschreibens am 19. Mai 2006 bestritten werde, weil er sowohl am Freitag, dem 19. Mai 2006 wie auch am Samstag, dem 20. Mai 2006 und am Montag, dem 22. Mai 2006 jeweils in seinen Briefkasten gesehen habe und dort kein Kündigungsschreiben vorgefunden habe, handelte es sich um ein erhebliches Bestreiten. Dieses war allerdings unter Verstoß gegen die Prozessförderungspflicht des Klägers so verspätet vorgetragen, dass es bei der Entscheidungsfindung nicht mehr zu berücksichtigen war.
Soweit nach § 67 Abs.2 ArbGG das Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel in der Berufungsinstanz zulässig ist, hat dies vom Berufungskläger nach § 67 Abs.4 in der Berufungsbegründung, vom Berufungsbeklagten in der Berufungsbeantwortung zu erfolgen. Hierbei handelt es sich um gesetzliche Ausschlussfristen (BAG, Urteil vom 5. September 1985 - 6 AZR 216/81). Werden die Angriffs- oder Verteidigungsmittel später vorgebracht, sind sie nur zuzulassen, wenn sie nach der Berufungsbegründung bzw. -beantwortung entstanden sind, das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder nicht auf Verschulden der Partei beruht.
Entsprechend den Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung zur abgestuften Darlegungslast hätte es nach dem Vortrag des Klägers in der Berufungsverhandlung wieder dem Beklagten oblegen, die näheren Umstände der Auslieferung des Kündigungsschreibens darzulegen. Da dazu bislang aber keinerlei Veranlassung bestand, hätte der Beklagte nunmehr erstmals den Zusteller namentlich ermitteln und die Umstände der Zustellung vortragen müssen. Dass bis dahin der Vortrag des Klägers unzureichend war, hatten das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen und der Beklagte auch noch einmal in der Berufungserwiderung ausgeführt. Da der Kläger auch im Termin vor dem Landesarbeitsgericht keinerlei Erklärung für den offenkundigen Verstoß gegen seine Prozessförderungspflicht bzw. die Verspätung seines Vortrags geliefert hat, ist das Berufungsgericht von einer groben Nachlässigkeit im Sinne des § 296 Abs. 2 ZPO ausgegangen, nahm eine Verzögerung des Rechtsstreits an und hat den Vortrag unberücksichtigt gelassen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 Abs.1 ZPO. Aufgrund des erfolglosen Rechtsmittels hat der Kläger die Kosten der Berufung zu tragen. Da in der Berufungsinstanz nur noch über die Wirksamkeit der Kündigung vom 18. Mai 2006 zu befinden war, war angesichts des weniger als ein Jahr bestehenden Arbeitsverhältnisses ein Streitwert von 2.800,-- EUR anzunehmen.
IV.
Die Zulassung der Revision kam gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht Betracht. Es handelt sich um eine am Einzelfall orientierte Entscheidung ohne grundsätzliche rechtliche Bedeutung. Eine Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist nicht erkennbar.
Ende der Entscheidung
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