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Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 27.02.2009
Aktenzeichen: 13 Sa 2170/08
Rechtsgebiete: TzBfG, GG


Vorschriften:

TzBfG § 14 Abs. 2 Satz 2
GG Art. 33 Abs. 2
Das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG enthält anders als die Vorgängerregelung des § 1 Abs. 3 BeschFG 1996 keine zeitliche Begrenzung.

Dies gilt auch für den Öffentlichen Dienst. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG nicht dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass im Bereich des Öffentlichen Dienstes auf das Anschlussverbot verzichtet werden muss, wenn sich der oder die Beste bei der Bewerbung durchsetzt, der oder diejenige zuvor aber bereits bei diesem Arbeitgeber beschäftigt war.


Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 27. Februar 2009

13 Sa 2170/08

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 13. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. F. als Vorsitzender sowie die ehrenamtlichen Richter Herr C. und Herr G.

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19.09.2008 - 58 Ca 7476/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die wirksame Befristung ihres Arbeitsvertrages sowie um die Weiterbeschäftigung der Klägerin.

Die Klägerin war bei der Beklagten, der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für G., bereits in der Zeit vom 01. März 1995 bis einschließlich 29. Februar 1996 befristet beschäftigt (vgl. den Arbeitsvertrag vom 01. März 1995 in Kopie Bl. 2 - 3 d. A.). Unter dem Datum 12.09./18.09.2006 schlossen die Parteien erneut einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 01. Oktober 2006 bis zum 30. September 2008. Einen sachlichen Grund für die Befristung hat die Beklagte weder im Vertrag noch während des gesamten Rechtsstreits angegeben.

Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 06. Mai 2008 eingegangenen Klage hat die Klägerin zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft Befristungsabrede zum 12./18.09.2006 nicht zum 30. September 2008 beendet wird;

2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1) zu den im Arbeitsvertrag vom 12./18.09.2006 geregelten Arbeitsbedingungen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung gewesen, dass entgegen der herrschenden Meinung im Schrifttum die Befristung des Arbeitsvertrages vom 12./18.09.2006 trotz § 14 Abs. 2 S. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG ("Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von 2 Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von 2 Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach S. 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat......") wirksam sei. Sie folgert dies aus dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG und hält die Auslegung der herrschenden Meinung für verfassungsrechtlich bedenklich.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 19. September 2008 der Klage stattgegeben. Es hat die Befristung für unwirksam gehalten, da eine Befristung mit Sachgrund unstreitig nicht vorliege und die Beklagte wegen des Anschlussverbots des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG einen sachgrundlosen befristeten Vertrag mit der Klägerin nicht abschließen konnte, weil sie "bereits zuvor" im Sinne von § 14 Abs. 2 S 2 TzBfG mit der Klägerin einen (befristeten) Vertrag abgeschlossen hatte. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG weder nach dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte, der Systematik innerhalb des § 14 TzBfG noch im Hinblick auf die Verfassung einschränkend dahin gehend auszulegen, dass nur ein Arbeitsverhältnis "in zeitlicher Nähe" zum letzten befristeten Arbeitsvertrag das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG auslöse.

Wegen der ausführlichen konkreten Begründung des Arbeitsgerichts und des Parteivortrags erster Instanz wird auf das arbeitsgerichtliche Urteil Bl. 90 - 99 d. A. verwiesen.

Gegen dieses ihr am 07. November 2008 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 03. November 2008 eingegangene und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 07. Februar 2009 am 19. Januar 2009 begründete Berufung der Beklagten.

Sie wiederholt und vertieft noch ihre Rechtsauffassung, dass gerade im Öffentlichen Dienst unter anderem wegen des Anspruchs nach Art. 33 Abs. 2 GG ein Anschlussverbot nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG einschränkend auszulegen sei und vorliegend das mehr als zehn Jahre zurückliegende Arbeitsverhältnis der Parteien vom 01. März 1995 nicht erfasse.

Die Beklagte beantragt,

das am 19. September 2008 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin - 58 Ca 7476/08 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil ebenfalls mit Rechtsausführungen der herrschenden Meinung zu § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG.

Wegen des konkreten zweitinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 14. Januar 2009 (Bl. 122 ff d. A.) und 25. Februar 2009 (Bl. 150 ff d. A.) sowie der Klägerin vom 23. Februar 2009 (Bl. 139 ff d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gem. §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchstabe c, Abs. 6; 66 Abs. 1 S. 1 und S. 5 ArbGG; §§ 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung der Beklagten jedoch keinen Erfolg. Sowohl im Ergebnis als auch in der ausführlichen Begründung zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin der Klage stattgegeben, da die Befristung des letzten Arbeitsvertrages vom 12./18.09.2006 unwirksam ist, da zwischen den Parteien "bereits zuvor" i.S.d. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, die Beklagte keine Sachgründe für die Befristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG vorgetragen hat und weitere Befristungsgründe oder sonstige Beendigungsgründe nicht ersichtlich sind. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg folgt dem Arbeitsgericht Berlin und sieht von einer nur wiederholenden Begründung gem. § 69 Abs. 2 ArbGG ab. Nur im Hinblick auf den zweitinstanzlichen Vortrag der Parteien und die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung auch im Hinblick auf eine Revisionszulassung wird auf Folgendes hingewiesen:

1. Das streitige befristete Arbeitsverhältnis wird von dem Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG erfasst, obwohl zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen der Parteien mehr als zehn Jahre liegen. Das Anschlussverbot enthält anders als die Vorgängerregelung des § 1 Abs. 3 BeschFG 1996 keine zeitliche Begrenzung. Dies ist nicht nur die Auffassung der herrschenden Meinung im Schrifttum, sondern auch die des Bundesarbeitsgerichts (vgl. die bereits in der mündlichen Verhandlung erörterte Entscheidung des BAG vom 06.11.2003 - 2 AZR 690/02 - EzA § 14 TzBfG Nr. 7, zu B I 3 der Gründe m.w.N aus dem Schrifttum). Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg folgt auch dem Bundesarbeitsgericht:

2. a) Bereits nach dem eindeutigen Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG erfasst das Gesetz alle jemals zuvor zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsverträge. Gerade weil es ausgereicht hätte, entweder nur das Wort "zuvor" oder nur das Wort "bereits" zu verwenden, um das Anschlussverbot zu begründen, zielt die Verwendung der Wörter "bereits zuvor" und damit die Verwendung von zwei sinnverwandten Wörtern auf eine rhetorische Ausdrucksverstärkung ab (Hendiadyoin).

Hätte der Gesetzgeber dies anders fassen wollen, hätte er eine Bestimmung wie die in § 14 Abs. 3 TzBfG n.F. gewählt ("...... unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses......").

b) Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte.

Durch §§ 14 ff TzBfG sollte die Richtlinie 1999/70/EG umgesetzt werden. Mit den gesetzlichen Vorschriften wollte der Gesetzgeber einen Schutz für befristet beschäftigte Arbeitnehmer vor Diskriminierung schaffen, die Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge einschränken und die Chancen befristet beschäftigter Arbeitnehmer auf eine Dauerbeschäftigung verbessern (BT-Drucks. 14/4374 S. 1). Im Unterschied zum früheren Recht sollte der Anschluss einer erleichterten Befristung ohne sachlichen Grund an eine Befristung mit sachlichem Grund bei demselben Arbeitgeber ebenso ausgeschlossen werden, wie eine erneute erleichterte Befristung ohne sachlichen Grund nach mindestens viermonatiger Unterbrechung. Die Zulässigkeit der Befristung von Arbeitsverträgen ohne sachlichen Grund sollte auf den Fall der Neueinstellung beschränkt bleiben (BT-Drucks. 14/4374 S. 13). Auf diese Weise sollten Befristungsketten verhindert werden, die durch einen mehrfachen Wechsel von Befristungen mit und ohne Sachgrund entstehen konnten (BT-Drucks. 14/4374 S. 14; BAG 15.01.2003 - 7 AZR 642/02 - EzA § 14 TzBfG Nr. 3; BAG 06.11.2003, a.a.O., zu B I 2 b bb der Gründe).

c) Gegen diese Auslegung spricht auch nicht, dass in anderen Konstellationen ein Arbeitnehmer länger als zwei Jahre sachgrundlos auf ein und demselben Arbeitsplatz beschäftigt werden kann. So ist es zulässig, dass ein Arbeitnehmer zunächst bei einem Arbeitgeber eines gemeinsamen Betriebes sogar mehr als zwei Jahre sogar unbefristet beschäftigt ist und dann mit einem zweiten Arbeitgeber des gemeinsamen Betriebes einen zweijährigen befristeten Vertrag ohne Sachgrund abschließt oder dass ein Arbeitnehmer zunächst bei einem Leiharbeitgeber beschäftigt ist, der ihn an einen Arbeitgeber für sogar mehr als zwei Jahre verleiht, um dann mit diesem Arbeitgeber für denselben Arbeitsplatz einen zweijährigen befristeten Vertrag ohne Sachgrund abzuschließen (BAG 18.10.2006 - 7 AZR 145/06 - EzA § 14 TzBfG Nr. 35).

Dies folgt daraus, dass in beiden Fällen nicht "derselbe Arbeitgeber" i.S.v. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG den befristeten Vertrag abgeschlossen hat. Vorliegend hat die Beklagte jedoch sowohl den ersten als auch den zweiten befristeten Vertrag abgeschlossen und fällt daher unter das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG.

d) § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist auch nicht verfassungswidrig oder verfassungskonform im Sinne der Beklagten auszulegen.

aa) § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verstößt weder gegen die in Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG verankerten Freiheiten der Berufswahl und Berufsausübung noch gegen Art. 3 GG oder das Sozialstaatprinzip (vgl. dazu nur ausführlich KR-Lipke, 8. Aufl. 2007, § 620 BGB Rz 100 ff).

bb) § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist aber auch im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG nicht dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass im Bereich des Öffentlichen Dienstes auf das Anschlussverbot verzichtet werden muss, wenn sich der beste Bewerber bei der Stellenausschreibung durchsetzt, dieser zuvor aber bereits bei diesem Arbeitgeber beschäftigt war.

Zwar ist es zutreffend, dass in diesen Fällen bei unterstellter bester Qualifikation des Arbeitnehmers und unterstelltem Einstellungsanspruch des Arbeitnehmers kein sachgrundloser befristeter Vertrag zwischen den Parteien geschlossen werden kann (zutreffend LAG Hamm 09.10.2008 - 17 Sa 927/08 - zitiert nach Juris, Revision zugelassen, zu I 1 b bb (1) der Gründe, Rz 80). Die Parteien können jedoch einen befristeten Vertrag mit Sachgrund schließen, z. B. wegen eines vorübergehenden Vertretungsbedarfs oder wegen der haushaltsrechtlichen Bewilligung von Mitteln für eine befristete Beschäftigung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 7 TzBfG (vgl. zutreffend LAG Berlin 25.08.2006 - 6 Sa 592/06 - zitiert nach Juris, zu 1.1. 1 der Gründe, Rz 14). III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass. Die Rechtsfrage ist bereits zuvor vom Bundesarbeitsgericht, vom Landesarbeitsgericht Hamm und vom Landesarbeitsgericht Berlin in den jeweils zitierten Entscheidungen im hiesigen Sinne entschieden worden. Das möglicherweise eine Divergenz zwischen der Entscheidung des LAG Hamm und der Entscheidung des LAG Berlin im Hinblick auf einen Einstellungsanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG besteht, berührt den vorliegenden Rechtsstreit nicht.

Ende der Entscheidung

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