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Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 17.10.2008
Aktenzeichen: 6 Sa 1777/08
Rechtsgebiete: TV Charité
Vorschriften:
TV Charité § 7 Abs. 1 Satz 2 | |
TV Charité § 8 Abs. 5 Satz 1 |
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 17. Oktober 2008
In dem Rechtsstreit
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Kammer 6, auf die mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht C. sowie die ehrenamtlichen Richter B. und U.
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 09.07.2008 - 56 Ca 1756/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin steht seit dem 01. Oktober 2002 als Krankenschwester in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten, auf das deren Haustarifvertrag kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung findet.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Zahlung der Differenz zwischen Schicht- und Wechselschichtzulage für die Monate Februar bis November 2007 in Höhe von insgesamt 650,00 € brutto. In dieser Zeit wurde die Klägerin im Zentralchirurgischen OP im Bereich der Anästhesiologie/Intensivmedizin der Klinik für Allgemein-, Visceral- und Transplantationschirurgie nach einem Schichtplan in verschiedenen Schichten beschäftigt, wo für Wochenenden und Feiertage von 15:30 Uhr bis 18:30 Uhr und 2:50 Uhr bis 7:15 Uhr allgemein Bereitschaftsdienst vorgesehen war.
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 TV Charité seien nicht erfüllt gewesen, weil im Arbeitsbereich der Klägerin nicht ununterbrochen gearbeitet worden sei. Darin, dass die Unterbrechungszeiten nur wenige Stunden betragen hätten, sei kein Wertungswiderspruch zu sehen. Der besonderen Belastung der Klägerin durch Schichtarbeit sei schon dadurch Genüge getan, dass dafür Unterbrechungen unschädlich seien.
Gegen dieses ihr am 25. Juli 2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 25. August 2008 eingelegte und am 04. September 2008 begründete Berufung der Klägerin. Sie meint, dass nur kurze Unterbrechungen der Arbeitszeit durch Bereitschaftsdienst unschädlich seien, weil der Begriff "ununterbrochen" ebenso wie der Begriff "ständig" im Sinne von "fast ausschließlich" zu verstehen sei. Anderenfalls hätte es der Arbeitgeber durch eine als missbräuchlich zu bewertende Arbeitszeitgestaltung in der Hand, die Voraussetzungen der Vergütungspflicht für Wechselschichtarbeit durch eine entsprechende Zulage zu verhindern.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Änderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie 650,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt den Angriffen der Berufung mit Rechtsausführungen entgegen und ist der Ansicht, die Tarifvertragsparteien hätten es mit derselben Wortwahl zum Ausdruck gebracht, wenn sie mit den Begriffen "ständig" und "ununterbrochen" inhaltlich dasselbe gemeint hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Wechselschichtzulage für die Zeit von Februar bis November 2007 gem. § 8 Abs. 5 Satz 1 TV Charité vom 01. Januar 2007.
1.1. Die Klägerin hatte nicht ständige Wechselschichtarbeit zu leisten.
1.1.1 Wechselschichten sind gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 TV Charité wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. Dies erfordert, dass für den gesamten Arbeitsbereich an allen sieben Tagen einer Woche über 24 Stunden Vollarbeit vorgesehen ist. Dies ist nicht der Fall, wenn zu bestimmten Zeiten ausschließlich Bereitschaftsdienst geleistet werden muss (vgl. BAG, Urteil vom 05.02.1997 - 10 AZR 639/06 - AP BAT § 33a zu II 1 b der Gründe; LAG Niedersachsen, Urteil vom 10.09.2007 - 12 Sa 62/07 - ZTR 2008, 42 zu 2 b der Gründe; Martens, in: Sponer/Steinherr, TVöD, Stand April 2008, § 7 R 18). Anders verhält es sich erst, wenn in die regelmäßige Arbeitszeit Bereitschaftszeiten fallen, die nicht im voraus festgelegt sind, während Bereitschaftsdienst gerade außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit zu leisten ist (vgl. LAG Niedersachsen, Urteil vom 13.11.2007 - 13 Sa 549/07 - ZTR 2008, 258 zu 1.3 der Gründe; BAG, Urteil vom 24.09.2008 - 10 AZR 669/07 - Pressemitteilung Nr. 75/08).
1.1.2 Entgegen der Ansicht der Klägerin kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien des TV Charité die Begriffe "ständig" und "ununterbrochen" synonym verwendet haben. Dagegen spricht bereits, dass sie die Regelungen der früheren §§ 15 Abs. 8 UAbs. 7 Satz 2, 33a Abs. 1 BAT übernommen haben, für die aber gerade auch schon zwischen diesen Begriffen unterschieden worden war, von denen der eine auf den einzelnen Arbeitnehmer, der andere auf dessen Arbeitsbereich bezogen ist. Das der Begriff "ständig" im allgemeinen Sprachgebrauch u. a. auch gleichbedeutend mit "ununterbrochen" verwendet wird (dazu BAG Urteil vom 12.11.1997 - 10 AZR 27/97 - ZTR 98, 181 zu II 2 a der Gründe), ist daher unerheblich.
1.1.3 Schließlich erscheint es nicht im Hinblick auf die sog. Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG) und die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 03.10.2000 - Rs. C-303/98 - AP EWG-Richtlinie 93/104 Nr. 2 - Simap) geboten, Unterbrechungen der laufenden Vollarbeit durch Zeiten bloßen Bereitschaftsdienstes als unschädlich zu behandeln. Die Arbeitszeitrichtlinie betrifft allein den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz, nicht dagegen die Frage der Vergütung (BAG, Urteil vom 20.04.2005 - 4 AZR 285/04 - ZTR 2006, 84 zu II 3 a der Gründe).
1.2 Dafür, dass die Beklagte im Zusammenwirken mit dem Personalrat die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wechselschichtzulage etwa treuwidrig verhindert hat, worauf sie sich analog § 162 Abs. 1 BGB nicht hätte berufen dürfen, hat die Klägerin nichts vorgebracht.
2. Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.
Die Kammer hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen, ob auch nur kurze Zeiten von Bereitschaftsdienst einen tarifvertraglichen Anspruch auf Wechselschichtzulage ausschließen.
Ende der Entscheidung
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