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Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 18.09.2007
Aktenzeichen: 8 Ta 1822/07
Rechtsgebiete: GVG, ArbGG
Vorschriften:
GVG § 17a | |
ArbGG § 2 Abs. 3 |
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Beschluss
Geschäftszeichen 8 Ta 1822/07
In der Beschwerdesache
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 8. Kammer, durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht A . - G . als Vorsitzende
am 18. September 2007
beschlossen:
Tenor:
I. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. Juli 2007 - 6 Ca 5349/07 - teilweise aufgehoben und zur Klarstellung neu gefasst:
1. Der Rechtsstreit wird hinsichtlich der Klageanträge zu 4. und 5. gemäß § 145 Abs.1 ZPO abgetrennt. Insoweit wird der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und der Rechtsstreit an das Landgericht Berlin verwiesen.
2. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist für die Klageanträge zu 1., 2. und 3. gegeben.
II. Die Rechtsbeschwerde wird für den Kläger zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger war seit dem 01. Juli 1973 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, die regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 26. März 1973 (Bl. 11 d. A.) als technischer Angestellter beschäftigt.
Nach Abschluss des Vertrags vom 06. Februar 2004, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf die Fotokopie (Bl. 16 - 22 d. A.) verwiesen wird, bestellte die Beklagte den Kläger am 13. Februar 2004 zu ihrem Geschäftsführer.
Am 12. März 2007 berief die Beklagte den Kläger als Geschäftsführer ab und teilte ihm dies mit einer E-Mail vom 13. März 2007 (Bl. 27 - 28 d. A.) mit.
Mit den Schreiben vom 16. März und 22. März 2007 (Bl. 29 - 31, 33 d. A.) machte der Kläger u.a. die Unwirksamkeit der Abberufung und einer etwaigen Kündigung geltend, berief sich darauf, dass neben dem Dienstverhältnis auch ein ruhendes Arbeitsverhältnis existiere und bot seine Dienstleistung sowie seine Arbeitskraft aus dem Arbeitsverhältnis an.
Mit dem Schreiben vom 22. März 2007 (Bl. 34 d. A.) erklärte die Beklagte eine fristlose Kündigung, mit einem weiteren Schreiben vom 22. März 2007 (Bl. 36 d. A) unter dem Betreff: "Ihr Arbeitsverhältnis" erklärte sie "aus äußerster Vorsicht" die fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung.
Mit der am 28. März 2007 bei dem Arbeitsgericht Berlin eingereichten Klage hat der Kläger folgende Anträge angekündigt:
1. Es wird festgestellt, dass das (ruhende) Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 22. März 2007, zugegangen am 23. März 2007, nicht aufgelöst worden ist;
2. es wird festgestellt, dass das (ruhende) Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 22. März 2007, zugegangen am 23. März 2007, nicht aufgelöst worden ist;
3. es wird festgestellt, dass das (ruhende) Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch sonstige Beendigungstatbestände aufgelöst worden ist und auch über den 23. März 2007 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;
4. es wird festgestellt, dass der Geschäftsführerdienstvertrag zwischen den Parteien weder durch die Abberufung vom 13. März 2007, noch durch die fristlose Kündigung vom 22. März 2007, zugegangen am 23. März 2007, beendet und das Dienstverhältnis nicht aufgelöst worden ist;
5. es wird festgestellt, dass der Geschäftsführerdienstvertrag zwischen den Parteien auch nicht durch sonstige Beendigungstatbestände aufgelöst worden ist und auch über den 23. März 2007 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht; und sowohl die Kündigung eines seiner Auffassung nach ruhenden Arbeitsverhältnisses als auch die fristlose Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags für rechtsunwirksam gehalten sowie den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für eröffnet gehalten
Die Beklagte hat den Rechtsweg gerügt, die Voraussetzungen für eine Zusammenhangsklage für nicht gegeben gehalten und geltend gemacht, die vorsorgliche Kündigung sei nur wegen der vorprozessualen Geltendmachung eines ruhenden Arbeitsverhältnisses durch den Kläger erfolgt, obwohl durch den Abschluss des Geschäftsführerdienstvertrags das Arbeitsverhältnis beendet worden sei.
Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses abgesehen (§ 69 Abs. 3 ArbGG analog).
Durch den Beschluss vom 25. Juli 2007 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für gegeben erklärt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, hinsichtlich der Klageanträge, mit denen die Wirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses angegriffen würden, sei gemäß § 2 Abs. 1 Ziff. 3 b ArbGG als sog. sic-non-Fall der Rechtsweg bereits aufgrund der Rechtsbehauptung des Klägers, es bestehe zwischen den Parteien noch ein Arbeitsverhältnis, eröffnet. Hinsichtlich der Feststellungsanträge, dass der Geschäftsführerdienstvertrag nicht aufgelöst worden sei, sei der Rechtsweg gemäß § 2 Abs. 3 ArbGG wegen des unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs zur vorsorglichen Kündigung des (ggf. ruhenden) Arbeitsverhältnisses eröffnet.
Gegen den der Beklagten am 02. August 2007 zugestellten Beschluss richtet sich ihre am 09. August 2007 bei dem Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde, mit der sie rügt, dass das Arbeitsgericht seine Zuständigkeit insgesamt - auch für die Klageanträge zu 4. und 5. - angenommen habe. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte könne aber ausnahmsweise nicht aufgrund des rechtlichen oder unmittelbar wirtschaftlichen Zusammenhangs begründet werden, so macht die Beklagte geltend, wenn es sich bei dem Antrag, der die Zuständigkeit begründe, um einen sic-non-Fall handele. Zwar handele es sich nicht um Leistungsanträge, wie im von Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall , doch die Interessenlage sei vorliegend die gleiche. Der Rechtsstreit müsse zumindest hinsichtlich der Anträge zu 4. und 5. an die ordentliche Gerichtsbarkeit verwiesen werden.
Der Kläger verteidigt den angefochtenen Beschluss und hält weiterhin hinsichtlich der Anträge zu 4. und 5. einen Fall gemäß § 2 Abs.3 ArbGG für gegeben und den vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall für nicht vergleichbar.
Durch den Beschluss vom 04. September 2007 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die von der Beklagten in Bezug genommene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 11.06.2003 (5 AZB 43/02) sei für den vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil es nicht um eine Statusfrage, also nicht um einen typischen sic-non-Fall gehe, so dass keine mit Art. 101 GG nicht zu vereinbarende Rechtswegerschleichung vorliege.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Beschwerdeinstanz wird auf Beschwerdebegründung und Beschwerdebeantwortung (Bl. 113 - 115, 128 - 135 d. A.) verwiesen.
II.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG statthaft, die Beklagte hat sie form- und fristgerecht i.S.d. §§ 78 Satz 2 ArbGG, 569 ZPO eingelegt, das Arbeitsgericht hat ihr nicht abgeholfen. Über die sofortige Beschwerde war gemäß § 78 Satz 3 ArbGG ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter zu entscheiden.
2. Die sofortige Beschwerde ist begründet.
2.1 Sie richtet sich allein gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts, für die Klageanträge zu 4. und 5. den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gemäß § 2 Abs. 3 ArbGG für eröffnet zu halten.
Zwar enthält das Rechtsmittel, was unschädlich ist, keinen - ausdrücklichen - Beschwerdeantrag, dem gesamten Inhalt der Beschwerdebegründung ist jedoch zu entnehmen, dass die Beklagte keine Angriffe gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts, den Rechtsweg für die Klageanträge zu 1. bis 3. für eröffnet zu halten, erhebt. In dem so verstandenen Umfang ist die Beschwerde vollumfänglich begründet.
2.2 Soweit das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen in Bezug auf die Klageanträge zu 4. und 5. für eröffnet gehalten hat, hat die sofortige Beschwerde der Beklagten Erfolg, führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, zur Prozesstrennung und zur Verweisung des abgetrennten Teils des Rechtsstreits an das Landgericht Berlin.
2.2.1 Die Zulässigkeit des Rechtswegs für diese Klageanträge folgt nicht aus § 2 Abs. 1 ArbGG, denn zur Entscheidung über den Streit der Parteien über das Bestehen oder Nichtbestehen des der Organstellung des Klägers zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses sind die Gerichte für Arbeitssachen - unabhängig von der materiell-rechtlichen Einordnung des Anstellungsvertrags - wegen der gesetzgeberischen Wertung in § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht befugt (vgl. nur BAG, Beschluss vom 23.08.2001 - 5 AZR 9/01 - NZA 2002, 52).
2.2.2 Der Rechtsweg ist auch nicht gemäß § 2 Abs. 3 ArbGG eröffnet.
Gemäß § 2 Abs. 3 ArbGG können vor die Gerichte für Arbeitssachen auch nicht unter § 2 Abs. 1 und 2 fallende Rechtsstreitigkeiten gebracht werden, wenn der Anspruch mit einer bei einem Arbeitsgericht anhängigen oder gleichzeitig anhängig werdenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Art in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang steht und für die Geltendmachung nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist.
Zwar hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg für die Klageanträge zu 1. bis 3. zu Recht und mit zutreffender Begründung als sog. sic-non-Fall für eröffnet gehalten und auch die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG als einer solchen Entscheidung nicht entgegenstehend erachtet, weil der Rechtsstreit insoweit nicht das der Organstellung zugrunde liegende, sondern eine weitere Rechtsbeziehung der Parteien - hier ein nach Auffassung des Klägers ruhendes Arbeitsverhältnis auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 26. März 1973 - betrifft (vgl. BAG, Beschluss vom 06.05.1999 - 5 AZB 22/98 - NZA 1999, 839, vom 23.08.2001 - 5 AZB 9/01 - NZA 2002, 52).
In einem solchen Fall können die Klageanträge zu 4. und 5. jedoch nicht als sog. Zusammenhangsklage vor die Gerichte für Arbeitssachen gebracht werden, der Rechtsweg ist vielmehr nur dann eröffnet, wenn auch für die weiteren Anträge die sachliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs.1 oder 2 ArbGG gesondert festgestellt werden kann.
Dies hat das Bundesarbeitsgericht in der von den Parteien in Bezug genommenen Entscheidung vom 11. Juni 2003 (- 5 AZB 43/02 - NZA 2003, 1163) für den Fall einer mit Zahlungsanträgen verbundenen Statusklage festgestellt.
Die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Rechtsgrundsätze, denen sich das Beschwerdegericht anschließt, sind auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden und eröffnen den Rechtsweg für die Klageanträge zu 4. und 5. nicht, denn für diese Anträge ist die sachliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht gegeben, auch eine Vereinbarung nach § 2 Abs. 4 ArbGG liegt nicht vor.
Ob dabei § 2 Abs. 4 ArbGG als speziellere Regelung die Anwendung von § 2 Abs. 3 ArbGG bereits ausschließt, kann vorliegend dahinstehen, denn der Fiktion in § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG entsprechend sind zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten zwischen juristischen Personen und ihren Vertretungsorganen, soweit das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis betroffen ist, die ordentlichen Gerichte unabhängig davon berufen, ob das Rechtsverhältnis materiell-rechtlich ein freies Dienstverhältnis oder ein Arbeitsverhältnis darstellt, weil die dort genannten Personen nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes anzusehen sind (vgl. BAG, Beschluss vom 23.08.2001, a.a.O.).
Diese gesetzgeberische Wertung schließt es vorliegend aus, den Rechtsweg für die nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG der Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ausdrücklich entzogenen Streitigkeiten unter den erleichterten Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 ArbGG zu eröffnen.
2.3 Als bürgerliche Rechtsstreitigkeit gehört der abgetrennte Teil des Rechtsstreits gemäß § 13 GVG vor die ordentlichen Gerichte. Gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG ist die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts im Hinblick das Monatseinkommen des Klägers von mindestens 10.000,00 EUR gegeben. Das Landgericht Berlin ist gemäß §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO als Gericht des Sitzes der Beklagten örtlich zuständig.
3. Einer Kostenentscheidung bedufte es gemäß § 17b Abs. 2 GVG nicht.
4. Die Rechtsbeschwerde war für den Kläger wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entschiedenen Rechtsfrage zuzulassen (§ 17a Abs. 4 Satz 4 GVG).
Ende der Entscheidung
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