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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 11.04.2006
Aktenzeichen: 17 Ta 212/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 888
Die Verurteilung zur Zahlung vermögenswirksamer Leistungen richtet sich nicht auf eine unvertretbare Handlung i.S.d. § 888 ZPO (entgegen LAG Hamm LAGE Nr. 21 zu § 888 ZPO)
Landesarbeitsgericht Berlin Beschluss

17 Ta 212/06

In dem Beschwerdeverfahren

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren des Rechtsstreits

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 17. Kammer, durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dreßler als Vorsitzenden am 11. April 2006

beschlossen:

Tenor:

I.

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. Januar 2006 - 44 Ca 12051/05 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird zugelassen.

Gründe:

I.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte durch rechtskräftiges Versäumnisurteil vom 20. Juni 2005 u.a. verurteilt, auf näher bezeichnete Konten der Klägerin vermögenswirksame Leistungen von insgesamt 390,00 EUR zu zahlen.

Die Klägerin hat am 21. Juli 2005 zur Vollstreckung der genannten Zahlungen die Festsetzung eines Zwangsgeldes, ersatzweise Zwangshaft beantragt. Das Arbeitsgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 11. Januar 2006 mit der Begründung abgelehnt, die Festsetzung eines Zwangsgeldes sei unzulässig.

Gegen diesen ihr am 17. Januar 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 27. Januar 2006 eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie zuletzt eine Zwangsvollstreckung wegen eines Betrages von 215,00 EUR verfolgt. Sie ist im Anschluss an den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13. Februar 1990 - 7 Ta 44/90 - LAGE Nr. 21 zu § 888 ZPO der Auffassung, die Verurteilung zur Zahlung vermögenswirksamer Leistungen richte sich auf eine nicht vertretbare Handlung i.S.d. § 888 ZPO.

II.

Die gemäß § 793 ZPO statthafte und form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat den Zwangsvollstreckungsantrag der Klägerin zu Recht zurückgewiesen.

1.

Die Festsetzung eines Zwangsgeldes bzw. einer Zwangshaft ist nach § 888 ZPO nur möglich, wenn der Schuldner zu einer unvertretbaren Handlung verurteilt worden ist. Eine solche Handlung liegt vor, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängig ist und von einem Dritten nicht vorgenommen werden kann.

2.

Die Verurteilung zur Zahlung vermögenswirksamer Leistungen bezieht sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf eine unvertretbare Handlung.

Die Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch vereinbarte vermögenswirksame Leistungen wird durch das Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer (Fünftes Vermögensbildungsgesetz - VermBG) geregelt. Diesen gesetzlichen Bestimmungen kann nicht entnommen werden, dass vermögenswirksame Leistungen ausschließlich vom Arbeitgeber und nicht auch von Dritten geleistet werden können. Eine derartige höchstpersönliche Verpflichtung wird insbesondere nicht durch § 2 Abs. 1 VermBG begründet. Diese Vorschrift beinhaltet lediglich eine Begriffsbestimmung der vermögenswirksamen Leistungen (Geldleistungen, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer als Sparbeiträge auf Grund eines Sparvertrages über Wertpapiere oder andere Vermögensbeteiligungen oder als Aufwendungen für andere, näher bezeichnete Anlageformen anlegt), ohne dass damit bereits - persönliche - Leistungspflichten des Arbeitgebers festgelegt wurden. Auch § 3 Abs. 2 VermBG begründet nicht eine nach § 888 ZPO zu vollstreckende Handlungsverpflichtung des Arbeitgebers. Vielmehr wird dort ausschließlich geregelt, dass der Arbeitgeber die vermögenswirksamen Leistungen unmittelbar an das Unternehmen oder Institut zu überweisen hat, bei dem sie angelegt werden sollen; ob diese Verpflichtung nur von dem Arbeitgeber oder auch durch eine dritte Person erfüllt werden kann, ist demgegenüber nicht bestimmt. Auch sonst enthalten die Regelungen des VermBG keinen Hinweis darauf, dass Geldleistungen, die für den Arbeitgeber als vermögenswirksame Leistungen an das jeweilige Unternehmen oder Institut überwiesen werden, nicht als vermögenswirksame Leistungen anerkannt werden können. Für die Geldanlage als solche ist es ohne Belang, ob sie vom Arbeitgeber oder einem Dritten stammt. Auch der Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Arbeitnehmer-Sparzulage gemäß § 13 VermBG hängt nicht von einer persönlichen Leistung der Anlage durch den Arbeitgeber ab. Die Arbeitnehmer-Sparzulage wird von dem zuständigen Finanzamt festgesetzt (§ 14 Abs. 4 VermBG), wobei der Arbeitnehmer die vermögenswirksamen Leistungen durch eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 VermBG nachzuweisen hat. Diese Bescheinigung, die von den in § 15 Abs. 1 VermBG genannten Stellen auszustellen ist, enthält u.a. Angaben über die Höhe der vermögenswirksamen Leistungen; dass in ihr nur Geldleistungen enthalten sein dürfen, die direkt vom Arbeitgeber stammen, ist dabei nicht bestimmt. Schließlich ist es für die hier zu entscheidende Rechtsfrage auch ohne Belang, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer über die vermögenswirksamen Leistungen eine Abrechnung zu erteilen (§ 108 Abs. 1 GewO i.V.m. § 2 Abs. 7 VermBG). Denn die Verpflichtung zur Abrechnung sagt nichts darüber aus, ob die abgerechneten Leistungen vom Schuldner höchstpersönlich zu erbringen sind.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

4.

Die Rechtsbeschwerde wurde gemäß § 78 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG zugelassen. Der entscheidungserheblichen Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu; die Entscheidung weicht im Übrigen von dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13. Februar 1990 - 7 Ta 44/90 - ab.

Ende der Entscheidung

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