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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Urteil verkündet am 27.04.2006
Aktenzeichen: 8 Sa 95/05
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 133 | |
BGB § 157 |
Tenor:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 18.08.2005 (13 Ca 95/05) abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger über den 07.04.2004 hinaus einen Essensgeldzuschuss gemäß ihrem Schreiben vom 16.07.1990 zu gewähren.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Zahlung eines Essensgeldzuschusses.
Der Kläger ist bei der Beklagten, die ca. 1000 Arbeitnehmer/innen beschäftigt, seit dem 25.07.1997 tätig. Bei der Beklagten besteht ein Betriebsrat.
Die Beklagte zahlte ihren Arbeitnehmer/innen seit ca. 1961 einen Essensgeldzuschuss, zu Anfang in Form eines Zuschusses zu Essensportionen, die von einer Fremdfirma in den Betrieb geliefert wurden, seit 1978 in Form von Essensmarken. Bis Ende August 1982 gab es neun Gruppen von Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen, denen Zuschüsse zwischen DM 1,00 und DM 1,70 gezahlt wurden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der Beklagten an alle Abteilungen und Betriebe betreffend "Richtlinien für die Bestellung und Abrechnung von Essensportionen" vom 06.09.1972 (Anl. K 5, Bl. 26 d. A.) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 16.08.1982 (Anl. B 1, Bl. 32) teilte die Beklagte allen Betrieben (außer der Verwaltung) Folgendes mit:
"Die Geschäftsführung hat auf Vorschlag des Betriebsrates beschlossen, ab 01.09.1982 den Essensgeldzuschuss für Beschäftigte, die ein warmes Mittagessen einnehmen, von bisher DM 1,50 auf DM 1,80 zu erhöhen. Dadurch soll eine bessere Qualität des warmen Mittagessens erreicht werden.
Beschäftigte, die keine warme Malzeit einnehmen, erhalten weiterhin den bisherigen Essensgeldzuschuss von DM 1,50."
Mit dem zum 01.01.1990 in Kraft getretenen Steuerreformgesetz 1990 wurden die bis dahin steuerfreien Essensgeldzuschüsse der Steuerpflicht unterworfen. Mit Schreiben vom 21.06.1990 (Anl. B 2, Bl. 33 d. A.) teilte die Beklagte dem Betriebsrat Folgendes mit:
"Vor dem Hintergrund der Steueränderungen zum Jahresbeginn 1990 überreichen wir Ihnen anliegend einen Vorschlag zur Änderung des Essensgeldzuschusses.
Gleichzeitig befristen wir unsere Zusage, das bisherige Verfahren der Essensgeldzuschusszahlung bis zur Neuregelung weiterlaufen zu lassen und für diese Zeit eine Steuerpauschalierung auf Kosten des Unternehmens durchzuführen, bis zum 31.07.1990.
Als Gesprächstermin für die gemeinsame Erörterung der neuen Essensgeldzuschussregelungen schlagen wir vor:
Donnerstag, 05.07.1990, 08:00 Uhr beim BR."
Dem Schreiben war der Vorschlag der Beklagten zur Änderung des Essensgeldzuschusses (Anl. K 1, Bl. 7 - 9 d. A.) beigefügt. Der Vorschlag endet unter Ziffer 5 mit folgendem Antrag:
"Der Betriebsrat wird gebeten, der vorgeschlagenen Neuregelung des Essensgeldzuschusses ab 01.08.1990 zuzustimmen."
Der Betriebsrat stimmte dem Vorschlag der Beklagten zur Änderung des Essensgeldzuschusses zu. Die Änderung wurde der Belegschaft per Mitteilung vom 16.07.1990 (Anl. K 2, Bl. 10. d. A.) bekannt gegeben, die sowohl von der Geschäftsleitung als auch vom Betriebsrat unterschrieben worden war. Die Mitteilung lautete:
1. "Essensgeldzuschuss
Sehr geehrte Mitarbeiterinnen, sehr geehrte Mitarbeiter,
Aufgrund des Steuerreformgesetzes 1990 waren wir gezwungen, ein neues System der Essensgeldzuschüsse zu entwickeln. Die Neuregelung soll ab 1. August 1990 in Kraft treten. Wir trennen uns in diesem Zusammenhang von einem aufwendigen Verwaltungsverfahren. Konkret bedeutet dies, daß es von diesem Zeitpunkt an keine Essensmarken mehr geben wird.
Statt dessen gewähren wir Ihnen - zusammen mit ihrer monatlichen Vergütung - für jeden Arbeitstag mit mehr als 5stündiger Anwesenheit - einen täglichen Essensgeldzuschuss in Höhe von DM 1,80 brutto. Diese Regelung gilt dann für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auszubildende erhalten DM 2,80 brutto.
Gezahlt wird dieser Betrag jeweils zusammen mit der nächstfälligen Vergütung im Folgemonat. Wir wenden hier das gleiche Verfahren an wie z. B. im Falle der Bezahlung von Überstunden. Einen Haken hat die Sache allerdings, wie die meisten von Ihnen ohnehin schon wissen: Der Essensgeldzuschuss gehört aufgrund der Neuregelung durch das Steuerreformgesetz 1990 seit dem 1. Januar. d. J. zum steuerpflichtigen Einkommen.
Ab 1 August 1990 heißt das für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in R., daß ihre freundliche Kassiererin in unserer Kantine nur noch Bargeld annimmt.
Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen anderen Betrieben müssen in Zukunft in den Restaurants und Gaststätten, in denen sie bisher ihre Essensmarken in Zahlung geben konnten, bar bezahlen. Grüne und rote Essensmarken, die bis zum 31. Juli 1990 ausgegeben wurden und noch nicht bei einer Vertragsgaststätte eingelöst wurden, behalten noch bis zum 15. September 1990 ihre Gültigkeit. Danach sind sie verfallen. Wir werden dieses auch unseren ehemaligen Vertragsgaststätten mitteilen.
Wir glauben, daß trotz der gesetzlichen Abzüge für Steuern und Sozialversicherung gemeinsam mit dem Betriebsrat ein guter finanzieller Kompromiß gefunden wurde."
Das Schreiben vom 16.07.1990 gelangte nicht in den so genannten roten Ordner, in dem bei der Beklagten Betriebsvereinbarungen gesammelt werden. Betriebsvereinbarungen zwischen der Beklagten und ihrem Betriebsrat werden regelmäßig nicht in Form von Rundschreiben verfasst und bekannt gemacht, sondern ausdrücklich als Betriebsvereinbarungen bezeichnet.
Am 05.01.2004 (Anl. K 3, Bl. 11 d. A.) schrieb die Beklagte ihrem Betriebsrat:
"Betriebsvereinbarung Essensgeldzuschuss
Seit Mitte 1990 wird für jeden Arbeitstag bei mehr als fünfstündiger Anwesenheit ein Essensgeldzuschuss in Höhe von DM 1,80 (0,92 EUR) brutto und DM 2,80 (1,43 EUR) für die Auszubildenden gezahlt. Im Zuge der angekündigten Überprüfungen sämtlicher freiwilligen sozialen Leistungen und Betriebsvereinbarungen sind wir der Auffassung, dass diese Zahlungen nicht mehr zeitgemäß sind, insbesondere auch deshalb, weil diese Zahlungen seit längerer Zeit im öffentlichen Dienst (FHH) eingestellt worden sind.
Wir kündigen die Betriebsvereinbarung Essensgeldzuschuss unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist von drei Monaten zum 07.04.04. Ab diesem Tag wird kein Essensgeldzuschuss mehr gezahlt."
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass er auch weiterhin die Zahlung eines Essensgeldzuschusses beanspruchen könne. Rechtsgrundlage für den Anspruch sei eine Gesamtzusage bzw. eine betriebliche Übung, wovon die Beklagte auch zumindest für die Zeit vor 1990 ausgehe. Das Schreiben der Beklagten vom 16.07.1990 (Anl. K 2) sei keine Betriebsvereinbarung. Es gäbe keinen Hinweis darauf, dass beide Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung gewollt hätten. Daher habe sich die Qualität des rechtlichen Anspruchs des Klägers mit diesem Schreiben nicht geändert. Die Leistung sei weiterhin auf der Grundlage einer Gesamtzusage oder einer betrieblichen Übung von der Beklagten erbracht worden.
Mit dem Klagantrag zu 2. begehrt der Kläger die Zahlung des Essensgeldzuschusses für 179 Tage, an denen er die Voraussetzung einer mehr als fünfstündigen Anwesenheit am Arbeitsplatz erfüllt habe.
Der Kläger hat beantragt,
1. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger über den 07.04.04 hinaus einen Essensgeldzuschuss nach ihrem Schreiben vom 16.07.1990 zu gewähren;
2. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 164,68 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.03.2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, bei der Information an die Mitarbeiter mit Schreiben vom 16.07.1990 habe es sich um eine Betriebsvereinbarung gehandelt. Der Betriebsrat habe eine interne Willensbildung vorgenommen im Anschluss an den Vorschlag der Beklagten vom 21.07.1990 und den danach gefassten Beschluss dann durch die Unterzeichnung der Information nach außen kundgetan. Die Arbeitgeberseite habe eine gleichlautende Erklärung abgegeben, indem sie gleichfalls das Informationsschreiben unterzeichnet habe. Der Inhalt der Information betreffe auch eine typische Regelung einer Betriebsvereinbarung. Die Formvorschriften einer Betriebsvereinbarung seien eingehalten.
Durch die Betriebsvereinbarung sei die Gesamtzusage bzw. betriebliche Übung auf Gewährung des Essensgeldzuschusses abgelöst worden, da die Regelung des Essensgeldzuschusses gemäß der Information vom 16.07.1990 insgesamt für die Belegschaft der Beklagten günstiger gewesen sei als die vorhergehende Gesamtzusage.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (S. 7 - 11, Bl. 48 - 52 d. A.) verwiesen. Gegen das am 18.08.2005 verkündete und den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 22.09.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.10.2005 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 31.12.2005 - am 30.12.2005 begründet.
Der Kläger hält die Auslegung des Schreibens vom 16.07.1990 durch das Arbeitsgericht für fehlerhaft und macht dazu weitere Rechtsausführungen. Weder aus dem Protokoll des Betriebsausschusses vom 27.06.1990 noch aus dem Protokoll der Betriebsratssitzung vom 12.07.1990 ergebe sich eine Beschlussfassung über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung. Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Klägers im Berufungsverfahren wird auf seine Berufungsbegründung vom 30.12.2005 (Bl. 78 - 85 d. A.) Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Prozessbevollmächtigte des Kläger auszugsweise die Protokolle der Sitzungen des Betriebsausschusses vom 27.06.1990 und des Betriebsrats vom 12.07.1990 vorgelegt (Bl. 115 - 117 d. A) und erklärt, sein Zahlungsantrag beziehe sich auf den Zeitraum vom 08.04.2004 bis zum 28.02.2005.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 18.08.2005 abzuändern und
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger über den 07.04.04 hinaus einen Essensgeldzuschuss nach ihrem Schreiben vom 16.07.1990 zu gewähren und
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 164,68 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.03.05 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und wiederholt ihren Rechtsstandpunkt, dass es sich bei dem Schreiben vom 16.07.1990 um eine Betriebsvereinbarung gehandelt habe. Dazu macht sie weitere Rechtsausführungen. Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbeantwortung vom 02.02.2006 (Bl. 94 ff. d. A.) verwiesen. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vom Kläger aufgestellten Behauptung, er sei im Zeitraum vom 08.04.2004 bis zum 28.02.2005 an 179 Tagen mehr als 5 Stunden am Arbeitsplatz gewesen, ist die Beklagte nicht entgegengetreten.
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien erstinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 18.08.2005 (13 Ca 76/05) ist gemäß § 64 I und II ArbGG statthaft. Sie ist auch gemäß § 66 I ArbGG form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig.
II.
Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger hat Anspruch auf Fortzahlung des Essensgeldzuschusses gemäß dem Schreiben der Beklagten vom 16.07.1990 auch über den 07.04.2004 hinaus (1.). Daraus ergibt sich für den Zeitraum vom 08. 04.2004 bis zum 28.02.2005 ein Zahlungsanspruch in Höhe von EUR 164,68 brutto (2.). Im Einzelnen:
1) Der Kläger hat Anspruch auf Fortzahlung des ihm seit Beginn seines Arbeitsverhältnisses gemäß dem Schreiben vom 16.07.1990 gewährten Essensgeldzuschusses in Höhe von EUR 0,92 für jeden Tag, an dem er mehr als 5 Stunden am Arbeitsplatz ist. Der Anspruch beruht auf einer Gesamtzusage der Beklagten und ist folglich einzelvertraglicher Natur (vgl. BAG v. 15.02.2005 - 9 AZR 116/04 - NZA 05, 1117). Die Kündigung der Beklagten vom 05.01.2004 gegenüber dem Betriebsrat konnte den Anspruch nicht beseitigen. Sie ging ins Leere, da es die Betriebsvereinbarung, auf welche sich die Kündigung bezog, nicht gab.
Das Schreiben vom 16.07.1990 kann nicht als Betriebsvereinbarung bewertet werden.
a) Betriebsvereinbarungen sind Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber (§ 77 I BetrVG), deren Regelungen gemäß § 77 IV BetrVG unmittelbar und zwingend gelten. Nach h. A. handelt es sich um privatrechtlich kollektive Normenverträge (vgl. Fitting u. a. BetrVG 23. Aufl. 2006 § 77 Rz 13). Zwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer Betriebsvereinbarung ist die Wahrung des Schriftformerfordernisses (§ 77 II 1 u 2 BetrVG).
b) Allerdings ist nicht jede schriftliche Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung. Vielmehr kann es sich auch um eine Regelungsabrede handeln (vgl. Fitting a. a. O, § 77 Rz 216 m. w. N.). Auch durch eine schriftlich erklärte Zustimmung des Betriebsrats zu einer vom Arbeitgeber einseitig getroffenen Regelung kommt keine Betriebsvereinbarung i. S. v. § 77 I BetrVG zustande.
Zu der vergleichbaren Problematik des Abschlusses eines Tarifvertrages vertritt das BAG (Urt. v. 26.01.1983 - 4 AZR 224/80 - BAGE 41, 307 = DB 83, 2146; Urt. v. 05.11.1997 - 4 AZR 872/95 - BAGE 87, 45 = NZA 98, 654) die Rechtsauffassung, nicht jede dem Schriftformerfordernis des § 126 BGB und damit des § 1 II TVG entsprechende schriftliche Vereinbarung der Tarifvertragsparteien sei ein Tarifvertrag im Sinne des TVG. In Zweifelsfällen sei nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts (§§ 133, 157 BGB) zu ermittelt, ob die Tarifvertragsparteien einen Tarifvertrag abschließen oder ob sie unter Wahrung der Form eine andersartige schriftliche Vereinbarung treffen wollten.
c) Die Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB sind nach Auffassung der Berufungskammer auch bei der Entscheidung der Frage anzuwenden, ob es sich bei dem Schreiben vom 16.07.1990 um eine Betriebsvereinbarung handelt oder der Betriebsrat lediglich einer vom Arbeitgeber einseitig getroffenen Regelung zugestimmt hat. Die vom Arbeitsgericht für anwendbar gehaltenen Grundsätze der objektiven Auslegung gelten nur für den Inhalt abgeschlossener Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge, denn sie finden ihre Rechtfertigung in der normativen Geltung dieser Normen (vgl. (BAG v. 07.07.2004 - 4 AZR 433/03 - DB 04, 2374; Urt. v. 30.05.2001 - 4 AZR 269/00 - BAGE 98, 35 = ZTR 01, 560).
d) Der Inhalt von Willenserklärungen ist nach den §§ 133, 157 BGB objektiv unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls aus der Sicht des Empfängers zu bestimmen. Der in der auszulegenden Erklärung verkörperte rechtliche Wille ist zu berücksichtigen. Lässt sich dabei ein übereinstimmender Wille der Parteien feststellen, so ist dieser allein maßgeblich, auch wenn er in einer Vereinbarung nur einen unvollkommenen oder gar keinen Ausdruck gefunden hat. Das übereinstimmend Gewollte hat Vorrang vor dem insoweit falsch oder nicht ausdrücklich Erklärten. Kann ein übereinstimmender Wille nicht festgestellt werden, so sind die Erklärungen der Vertragsparteien jeweils aus der Sicht des Erklärungsempfängers so auszulegen, wie er sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte und musste (BAG, Urt. v. 24.09.2003 - 10 AZR 34/03 - NZA 04, 149). Trotz des in § 133 BGB enthaltenen Verbots der Buchstabeninterpretation hat die Auslegung zunächst vom Wortlaut der Erklärung auszugehen. Nach der Ermittlung des Wortsinns sind in einem zweiten Auslegungsschritt außerhalb des Erklärungsaktes liegende, den Parteien bekannte oder erkennbare Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Willenserklärung zulassen. Als auslegungsrelevante Begleitumstände kommen vor allem in Betracht die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien vor und nach Vertragsschluss, der Zweck einer Abmachung und die gegebene Interessenlage.
e) Die Anwendung der vorstehenden Auslegungsgrundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass das Schreiben vom 16.07.1990 keine Betriebsvereinbarung beinhaltet, sondern lediglich eine auch den Mitarbeitern gegenüber zum Ausdruck gebrachte Zustimmung des Betriebsrats zu der von der Beklagten getroffenen Regelung.
aa) Gegen eine Betriebsvereinbarung spricht bereits der Wortlaut des Schreibens. Die Formulierung "gewähren wir" am Anfang des zweiten Absatzes spricht dafür, dass nur die Geschäftsleitung eine für sich bindende Erklärung abgeben wollte, denn der Betriebsrat ist weder berechtigt noch in der Lage, den Mitarbeitern Leistungen zu gewähren. Auch die im ersten Absatz gewählten Formulierungen, "waren wir gezwungen, ein neues System der Essensgeldzuschüsse zu entwickeln" und "Wir trennen uns ... von einem aufwendigen Verwaltungsverfahren" ergeben wenig Sinn, wenn man das "wir" auf Geschäftsleitung und Betriebsrat bezieht. Da die Gewährung von Essenszuschüssen vor dem 16.07.1990 unstreitig auf einer einseitigen Regelung der Beklagten beruhte, war der Betriebsrat nicht gezwungen, aufgrund des Steuerreformgesetzes ein neues System zu entwickeln. Vor dieser Aufgabe stand allein die Beklagte. Der Betriebsrat war auch an keinem aufwendigen Verwaltungsverfahren beteiligt. Dieses "wir" bezieht sich damit nur auf die Geschäftsleitung. Das gleiche gilt für die Formulierungen im 3. Absatz: "Wir wenden hier das gleiche Verfahren an wie z. B. im Falle der Bezahlung von Überstunden" und am Ende des 5. Absatzes: "Wir werden dies auch unseren ehemaligen Vertragsgasstätten mitteilen".
Vor diesem Hintergrund kann allein aus dem letzten Satz des fraglichen Schreibens: "Wir glauben, dass trotz der gesetzlichen Abzüge für Steuern und Sozialversicherung gemeinsam mit dem Betriebsrat ein guter finanzieller Kompromiss gefunden wurde" nicht auf eine von beiden Betriebsparteien gewollte und verabschiedete förmliche Betriebsvereinbarung geschlossen werden. Mit "wir" ist auch an dieser Stelle nur die Geschäftsleitung gemeint. Dass diese meint, gemeinsam mit dem Betriebsrat einen finanziellen Kompromiss gefunden zu haben, lässt keine Rückschlüsse darauf zu, in welcher Weise dieser Kompromiss umgesetzt werden soll. Die Formulierung bringt lediglich zum Ausdruck, dass der Betriebsrat nach Verhandlungen mit der Arbeitgeberin zu der von der Beklagten bekannt gemachten Regelung sein Einverständnis erklärt hat. Einen weitergehenden Erklärungswert vermag die Kammer auch der Unterschrift des Betriebsrats unter der Mitteilung nicht zu entnehmen.
bb) Die Form der Bekanntmachung spricht ebenfalls gegen das Vorliegen einer Betriebsvereinbarung. Der "Kopf" des Informationsschreibens lautet: "Informationen H. GmbH", was auf eine alleinige Information der Beklagten schließen lässt.
Unstreitig hat die Beklagte Betriebsvereinbarungen ansonsten nicht in der Form eines Rundschreibens verfasst und bekannt gemacht. Der Kläger hat dazu beispielsweise die - ebenfalls gekündigte - Betriebsvereinbarung über die Gewährung einer Jubiläumsgabe vom 31.03.1970 als Anlage K 4 (Bl. 12f d. A.) zur Akte überreicht. Diese Betriebsvereinbarung ist nicht nur wie eine Vereinbarung aufgesetzt, sondern auch ausdrücklich als Betriebsvereinbarung bezeichnet.
Zwischen den Parteien ist weiter unstreitig, dass das Informationsschreiben vom 16.07.1990 nicht in den so genannten roten Ordner gelangt ist, in dem bei der Beklagten die abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen gesammelt werden. Das ist ein Indiz dafür, dass auch die Beklagte die Regelung nicht als Betriebsvereinbarung eingestuft hat.
cc) Dem Protokoll der Sitzung des Betriebsrats vom 12.07.1990 (Bl. 116 f) ist ebenfalls kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass der Wille des Betriebsrats auf den Abschluss einer Betriebsvereinbarung über den künftig an die Belegschaft zu zahlenden Essensgeldzuschuss gerichtet war. Der Betriebsrat hat vielmehr unter TOP 11 mit einer Gegenstimme beschlossen, dem Vorschlag der Abteilung M (Anl. K 1) zuzustimmen, welcher dem Betriebsrat am 21.06.1990 übersandt worden war (Anl. B 2). Diese Form der Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 I Nr. 10 BetrVG entsprach dem Antrag der Beklagten unter Ziffer 5 des Vorschlag (Anl. K 1, Bl. 9 d. A.).
2) Die Beklagte ist aufgrund der Gesamtzusage vom 16.07.1990 verpflichtet, an den Kläger für 179 Tage jeweils EUR 0,92 an Essensgeldzuschuss zu zahlen. Daraus ergibt sich - rechnerisch unstreitig - der mit dem Antrag zu 2) begehrte Bruttobetrag. Zwar hat der Kläger erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vorgetragen, dass sich sein Anspruch auf den Zeitraum vom 08.04.2004 bis zum 28.02.2005 bezieht und damit sein Begehren hinreichend bestimmt. Die Beklagte ist jedoch trotz Erörterung der darin liegenden Behauptung, der Kläger sei in dem genannten Zeitraum an 179 Tagen mehr als 5 Stunden am Arbeitsplatz gewesen, nicht entgegen getreten. Da seine Behauptung damit unstreitig ist, bedurfte es keiner Aufschlüsselung, an welchen Arbeitstagen der Kläger mehr als fünf Stunden an seinem Arbeitsplatz war.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache gemäß § 72 II 1 ArbGG zugelassen.
Ende der Entscheidung
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